Neue Szene Augsburg 2018-02
Stadtmagazin für Augsburg
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BRÜCKENDECKUNG<br />
KOLUMNE<br />
Wie war dein Tag, Schatz?<br />
DIE KOLUMNE VON UND MIT MARCUS ERTLE<br />
Ja, gut, danke, eigentlich gut, aber auch wieder sehr<br />
aufreibend, oder sagen wir, aufregend. Das ist auch<br />
ein interessanter Unterschied: Sich aufregen oder sich<br />
aufreiben.... Achso, was war aufregend. Also ich habe<br />
ja immer wieder kurze Pausen, die es mir während<br />
meiner aufreibenden Arbeit ermöglichen, mich<br />
aufzuregen. Über Starbucks zum Beispiel, indirekt.<br />
Ja, Starbucks. Bald soll eine Filiale von Starbucks in<br />
<strong>Augsburg</strong> aufmachen und darüber regen sich gerade<br />
hunderte, vielleicht sogar tausende Menschen auf.<br />
Virtuell natürlich, ganz genau gesagt, auf der Facebookseite<br />
unserer Lokalzeitung. Man könnte sagen,<br />
dass es da einen Sturm der Entrüstung und eine Welle<br />
der Empörung gab, oder einfach nur einen Aufschrei<br />
des Entsetzens.<br />
Worüber? Ja, darüber natürlich, dass eine solche<br />
Filiale in unsere pulsierende Innenstadt ziehen will,<br />
wo vorher K&L Ruppert residierte, soll demnächst<br />
Starbucks seinen Kaffee ausschenken. Die Menschen<br />
sind empört. Worüber? Darüber, dass die Innenstadt<br />
mit Pappbechern überschwemmt werden wird. Wir<br />
werden ersaufen in Kaffee-Pappbechern, die Gastronomie<br />
wird den Bach runtergehen, <strong>Augsburg</strong> wird nicht<br />
mehr <strong>Augsburg</strong> sein, beschissene Globalisierung!<br />
Das ist der Tenor der Aufregung, über die ich mich<br />
aufrege. Aber das war nur der Anfang, es gab noch<br />
eine Meldung, die die AZ-Leser elektrisiert hat und<br />
neben Starbucks zur Meistgelesenen und Meistkommentierten<br />
wurde: Shopping-Queen kommt wieder<br />
in die Stadt! In unsere Stadt und es werden authentische<br />
<strong>Augsburg</strong>er Frauen auftreten und versuchen, mit<br />
wenig Geld sehr geschmackvolle Kleidung zu kaufen,<br />
also im Grunde das, was die anderen <strong>Augsburg</strong>er Frauen<br />
das ganze Jahr über mit sehr unterschiedlichem<br />
Erfolg auch versuchen.<br />
Ich versuche, das mal positiv zu sehen: Diese<br />
Aufregung ist ein eindrucksvolles Zeichen dafür, dass es<br />
in <strong>Augsburg</strong> keinerlei ernsthafte Probleme gibt.<br />
Das ist nicht polemisch. Ich bin doch kein Polemiker.<br />
Ich beobachte nur. Ja, das tun die Leser auch, aber<br />
mir ist es scheißegal, ob eine zusätzliche Kaffeekette<br />
eine Filiale in der Stadt aufmacht, ich gehe einfach ins<br />
Dichtl und belausche Bernd Kränzle bei seinen rhetorischen<br />
Parforceritten. Und dass die Leute in Massen<br />
Shopping-Queen toll finden und ausflippen, wenn ein<br />
rosafarbener Bus mit aufmerksamkeitsgeilen Schicksen<br />
durch die Stadt fährt... Also das muss doch die Leute,<br />
die in der Redaktion der Lokalzeitung sitzen, in tiefe<br />
Depressionen oder zumindest in Alkoholismus stürzen.<br />
Warum? Weil es zeigt, dass die Mehrheit der User<br />
intellektuelle Zombies sind.<br />
Handvoll etwas größerer Themen, wie die steigende<br />
Wohnungsnot oder Altersarmut oder Pflegenotstand.<br />
Aber das sind wohl einfach Dinge, die zu groß sind,<br />
oder zu fern, viel ferner als ein Café am Kö oder ein<br />
rosa Bus.<br />
»<strong>Augsburg</strong><br />
wird nicht mehr<br />
<strong>Augsburg</strong> sein,<br />
beschissene<br />
Globalisierung! «<br />
Sicher, man darf die Menschen nicht verachten<br />
und muss sie akzeptieren wie sie sind und ich sollte<br />
nicht auf meinem hohen Ross sitzen, nur weil ich<br />
mir was drauf einbilde, dass ich Arte schaue statt<br />
Shopping-Queen. Aber, Schatz, warum denn eigentlich<br />
nicht? Warum soll man nicht mal aussprechen, dass<br />
die Mehrheit der Leute doof ist. Dass sie sensationslüstern<br />
sind. Dass sie engstirnig sind. Dass sie, wenn mal<br />
wieder ein betrunkener Jugendlicher versehentlich in<br />
ein leeres Schwimmbecken springt und stirbt, dass sie<br />
dann eiskalt die Dummheit des Opfers verhöhnen. Da<br />
kommt mir das Kotzen, aber darüber regen sich keine<br />
tausend Leute auf Facebook auf. Aber so ist die Welt<br />
eben. Ich vergesse es nur immer wieder. Aber ab jetzt,<br />
reg ich mich nicht mehr auf und ich reib mich auch<br />
nicht mehr auf und halt den Mund.<br />
Ist gut, Schatz<br />
Gut, die Kritiker von Starbucks kann man mit viel<br />
gutem Willen noch als kleinbürgerliche Ökospießer<br />
bezeichnen, denen die Frage, wer was in welchen<br />
Mülleimer wirft, schon immer wichtiger war als die