Neue Szene Augsburg 2018-02
Stadtmagazin für Augsburg
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AUGSBÜRGER<br />
Pfarrer und Cityseelsorger<br />
Helmut Haug<br />
Absolut zentral und dennoch unaufdringlich: Ginge es nach<br />
Pfarrer Helmut Haug, wäre die Standortbestimmung der <strong>Augsburg</strong>er<br />
Moritzkirche gleichbedeutend mit der Rolle der Kirche<br />
in der modernen Gesellschaft: „Aus der Ferne darf sie als<br />
Leuchtturm wahrnehmbar sein, aber je näher ich rankomme,<br />
desto unaufdringlicher soll sie sich in das normale Alltagsleben<br />
einfügen.“ So dezent sich der Arbeitsplatz des gebürtigen<br />
Schwabmünchners äußerlich ins Stadtbild eingliedert, so sehr<br />
fällt dessen Inneres aus dem Rahmen. Die minimalistische Neugestaltung<br />
des hellen Sakralraumes durch das Büro des britischen<br />
Architekten John Pawson zielt jedoch nicht nur auf den<br />
Aha-Effekt ab.<br />
Seit der mutigen Gebäudekosmetik lädt die puristische Basilika<br />
Besucher ein, Kirche als freien, offenen, spirituellen Raum<br />
neu zu entdecken, statt sie bereits an der Türschwelle mit Botschaften<br />
zu vereinnahmen. Kunstinstallationen, Konzerte und<br />
andere zwanglose Angebote sind Antwortversuche auf drohenden<br />
Bedeutungsverlust und ein sich veränderndes Bedürfnis nach<br />
gelebter Spiritualität. Aber so rapide der gesellschaftliche Wandel<br />
ist, so hartnäckig sind die Nöte, mit denen Diplom-Theologe<br />
Helmut Haug als Leiter der 20<strong>02</strong> von ihm mit ins Leben gerufenen<br />
Cityseelsorge täglich konfrontiert wird: „Beziehungsstress,<br />
Krankheit, Trauer über Verlust oder die zunehmende Angst vor<br />
dem Alleinsein zählen in einer alternden Gesellschaft zu den<br />
dringlichsten Problemen. Mit dem ‚moritzpunkt’ haben wir extra<br />
auch außerhalb der Kirche eine niedrigschwellige Anlaufstelle<br />
für unverbindliche Gesprächsangebote geschaffen.“<br />
Aber auch jene, die für gewöhnlich Hilfestellung geben, benötigen<br />
bisweilen Rat. Dann stehen die Gemeinde, der Freundeskreis<br />
und ein Priesterseelsorgeteam parat: „Auch für uns ist<br />
das Hinterfragen des eigenen Lebensweges existenziell. Im besten<br />
Fall wird durch Konflikte der Zugang zu einer tieferen Ebene<br />
möglich und es setzt eine Erneuerung ein, die bestärkt.“ Immer<br />
wieder muss sich der 53-Jährige, der um ein Haar Biologie studiert<br />
hätte, daran erinnern, bei allem Einsatz für die Gemeinde,<br />
die Verantwortung für sich selbst nicht schleifen zu lassen. Dann<br />
gilt es, Zeit für das geistliche Leben, Momente der Stille, des<br />
Gebets, aber auch für ganz weltliche Freuden freizuschaufeln:<br />
„Ab und an fahre ich zum Durchschnaufen und Auftanken zum<br />
Beispiel nach Berlin und besuche dort Kunstausstellungen. Das<br />
ist wie ein Jungbrunnen! Und wenn ich nach dem Kultururlaub<br />
wieder zurückkomme und die Moritzkirche betrete, weiß ich:<br />
ja, das isses!“<br />
(Text & Foto: Fabian Schreyer)