14.12.2012 Aufrufe

Bezirksjournal Kirchenbezirk Mühlacker Konkret Nr 2

Bezirksjournal Kirchenbezirk Mühlacker Konkret Nr 2

Bezirksjournal Kirchenbezirk Mühlacker Konkret Nr 2

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

kümmerten sich vor allem um mittelbar betroffene:<br />

Nachbarn, Vereinsangehörige, Mitschüler.<br />

Begleitung erfahren die unmittelbar<br />

Betroffenen durch Schulpsychologen, Notfallseelsorge<br />

und die Notfallnachsorge aus<br />

dem Rems-Murr-Kreis. Pfarrer Hans Gölz-<br />

Eisinger: „Die Schulpsychologen haben gemeinsam<br />

mit den örtlichen Kräften sehr<br />

gute Schulveranstaltungen angeboten.“<br />

Am Sonntag nach dem Amoklauf zeigte sich<br />

eine enorm hohe Solidarität, unter anderem<br />

reisten Tsunami-Opfer und mittelbar von<br />

dem Amoklauf in Erfurt Betroffene an und<br />

zeigten Mitgefühl und Anteilnahme.<br />

Wie können sich Notfallseelsorger in einem<br />

solchen Einsatz selbst schützen? „Wir können<br />

uns nicht so ganz in einen Einsatzmodus<br />

versetzen. Wir arbeiten an der Grenze<br />

zwischen persönlicher Tragödie und fachlicher<br />

Distanz.“ beschreibt Pfarrer Gölz-<br />

Eisinger diese Aufgabe. Nachgefragt erläutern<br />

die Notfallseelsorger, dass sie durch<br />

Austausch, Gruppengespräche und Supervision<br />

das Gehörte und Erlebte verarbeiten.<br />

„Jeder hat auch seine eigenen Mechanismen,<br />

das Erlebte zu verarbeiten. Der eine<br />

schreibt es sich von der Seele, der andere<br />

geht in die Badewanne oder laufen“ beschreibt<br />

Augenstein, „ein Teil des Erlebten<br />

bleibt und gehört dann zur Biografie.“<br />

Olaf Digel ergänzt: „Es hat sich in dieser<br />

Einsatzsituation gezeigt, dass wir eine gute<br />

und solide Ausbildung haben. Das hat geholfen,<br />

die Helfer vor Ort zu begleiten, den<br />

Menschen im Einsatz Stabilität zu geben,<br />

beim Umgang mit typischen Stresssymptomen<br />

wie verstärktes Rauchen, Frieren oder<br />

Schwitzen informierend zu helfen. Dieses<br />

Wissen hilft auch uns, mit unseren Belastungen<br />

umzugehen und zu wissen, was da mit<br />

mir passiert.“ Zu den Qualitätsstandards<br />

gehört zudem verpflichtend Supervision.<br />

„Wir gehen da rein und setzen uns aus und<br />

nehmen das mit nach Hause. Aber wir nehmen<br />

auch mit nach Hause: Es ist nicht meine<br />

Tochter, mein Schüler, der betroffen ist,<br />

es ist nicht meine Schule, wo ich war. Wir<br />

nehmen Anteil – aber es ist nicht unser Leben“<br />

bilanziert Augenstein.<br />

In der Arbeit vor Ort sei spürbar und erlebbar,<br />

wie ihre Arbeit und Präsenz angenommen<br />

wird. In den Nachsorgegesprächen, wo<br />

jeder Teilnehmende selbst bestimmt, wie<br />

weit er sich auf diesen Prozess einlassen<br />

kann, herrsche oft eine große, nahezu unglaubliche<br />

Nähe und Vertrautheit. Menschen<br />

legen den Notfallseelsorgern im vorbeigehen<br />

die Hand auf die Schulter. Menschen in<br />

Winnenden melden zurück, dass es gut ist,<br />

dass die Notfallseelsorge und die Notfallnachsorge<br />

da sind und dass sie das Gefühl<br />

haben, bei den Seelsorgern gut aufgehoben<br />

zu sein. Gespräche wurden auch mit Vertretern<br />

der Presse geführt, die betroffen und<br />

aufgewühlt den Kontakt suchten. Diese Nä-<br />

<strong>Kirchenbezirk</strong> <strong>Mühlacker</strong> <strong>Konkret</strong><br />

he, dieses Vertrauen zueinander<br />

ist im Team der<br />

Notfallseelsorge ebenfalls<br />

vorhanden. Augenstein:<br />

„Ich weiß, der andere<br />

schaut auch nach mir und<br />

ist jederzeit bereit einzugreifen.<br />

Wir halten Augenkontakt<br />

und arbeiten<br />

Hand in Hand.“<br />

Die religiöse Frage stellt<br />

sich sprachlich kaum, eine Olaf Digel | Gudrun Augenstein | Hans Gölz-Eisinger<br />

Strecke von 100 Metern,<br />

gesäumt mit Kerzen und die sprechen für<br />

sich: „Diese Wärme der Kerzen, jede Kerze<br />

ein Gebet, ein Aufschrei, ein Trost, eine Frage,<br />

eine Bitte“ fasst Gölz-Eisinger seine Eindrücke<br />

in Worte.<br />

Das Team bündelt seine Eindrücke zum Geschehen<br />

vor Ort so: „Was die Helfer vor Ort<br />

geleistet haben in einer Lage, die nicht<br />

handhabbar ist, verdient hohen Respekt. Wir<br />

sind dankbar, hinfahren zu können und Menschen<br />

an der Grenze des Leistbaren unterstützen<br />

zu können. Die Einsatzkräfte nehmen<br />

uns an, akzeptieren uns“, so Gölz-<br />

Eisinger.<br />

Olaf Digel: „Aus Kirchensicht ist beeindruckend,<br />

wie das DRK vorbereitet ist. Von<br />

DRK-Fahrdiensten bis Mahlzeiten vor Ort.<br />

Wir als Notfallseelsorge sind auf diese Kooperation<br />

angewiesen und sind dankbar,<br />

dass diese Zusammenarbeit auch mit den<br />

sehr gut ausgebildeten NND-Mitarbeitenden<br />

wie am Schnürchen funktioniert.“<br />

Abschließend berichtete das Team vom Erleben<br />

eines Jugendfeuerwehrlers, der nach<br />

dem Einsatz Erholung suchte. Er erzählte:<br />

„Man kann nicht mal Fernsehen schauen.<br />

Entweder sehe ich Bilder von hier oder Actionfilme,<br />

in denen geschossen wird oder<br />

Shows, die ich nicht ertrage.“ Gefragt, wie<br />

das Erlebte für die direkt Betroffenen zu<br />

verarbeiten sei meinte das Team, dass eine<br />

Rückkehr zur Normalität, in einen Alltag, der<br />

sichere, gewohnte Abläufe bietet, jetzt Not<br />

tue. Bis aber das Erlebte aufgearbeitet sei,<br />

würde es noch Jahre dauern. Gut tue hier<br />

die Solidarität zwischen den Betroffenen.<br />

Schüler haben erlebt, dass ihre Lehrer ebenso<br />

hilflos waren, ebenso leiden und weinen.<br />

Digel: „Das Bild, wie die Schüler und die<br />

Rektorin Hand in Hand bei der Trauerfeier in<br />

der Kirche stehen und sich Halt geben,<br />

spricht deutlich.“<br />

Die Einsatzkräfte hätten auch deutlich die<br />

Wertschätzung und den Dank durch Landrat<br />

und Oberbürgermeister erlebt, die den Kontakt<br />

zu den Helfern suchten und nicht die<br />

Präsenz in den Medien. Unterschiedliche<br />

Erfahrungen haben die Mitarbeitenden vor<br />

Ort mit den Medien gemacht. Von respektvollem<br />

Umgang bis hin zur Sensationsgier<br />

war alles zu erleben.<br />

Kontakt:<br />

Pfarrer Olaf Digel<br />

Leitender Notfallseelsorger<br />

Öschelbronner Str. 23<br />

75449 Wurmberg<br />

Tel 0 70 44 - 4 34 90<br />

Fax 0 70 44 - 90 30 88<br />

Pfarramt.Wurmberg<br />

@elk-wue.de<br />

Seite 9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!