E_1927_Zeitung_Nr.104
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AVTOTZCMHtS CMC<br />
Chemie und Auto.<br />
Nachdem sich einer der grössten chemischen<br />
Konzerne, die J. G. Farbenindustrie in<br />
Deutschland, intensiv mit der Verflüssigung<br />
der Kohle zwecks Verwendung des neuen<br />
Produktes als Triebmittel für Verbrennungsmaschinen<br />
beschäftigt, wollen sich nun noch<br />
eine ganze Reihe von erfahrenen Chemikern<br />
mit anderen Problemen des Motorwagens<br />
herumschlagen. Ihre Ziele gehen, wie die «B.<br />
Z. am Mittag» in einem ausführlichen Artikel<br />
behandelt, dahin, eine hochwertige Brennluft,<br />
ein Motorgas und ein synthetisches Schmieröl<br />
herzustellen.<br />
Hochwertige Brennluft<br />
Bekanntlich setzt sich die Luft zusammen<br />
aus Sauerstoff, der allein die Verbrennung<br />
unterhält und an diesem Prozess aktiv teilnimmt,<br />
und dem reaktionsträgen Stickstoff,<br />
welcher die Explosionstemperatur und demnach<br />
auch die Arbeitsleistung des Motors vermindert.<br />
Hochwertige Brennluft, auch «Kraftluft»<br />
genannt, die auf physikalischem oder<br />
chemischem Wege erzeugt wird, enthält vorwiegend<br />
Sauerstoff oder überhaupt nur solchen.<br />
Die zum Betrieb eines Automobilmotors<br />
notwendige Erzeugung von Kraftluft bereitet<br />
aus naheliegenden Gründen die Hauptschwierigkeiten.<br />
Die einen schlugen Chemikalienpatronen<br />
vor, die den Sauerstoff konzentriert<br />
chemisch gebunden enthalten, mitzuführen,<br />
doch würde sich diese Kleinindustrie unrentabel<br />
gestalten und weiter würde die Betriebssicherheit<br />
durch Störungen in der «Sauerstoff-<br />
Fabrik» in Mitleidenschaft gezogen.<br />
Eine andere Lösung geht dahin, den Sauerstoff<br />
in Bomben mitzuführen, die man dann<br />
an Kraftluftzapfstellen wieder auffüllen<br />
könnte.<br />
Da namentlich die Frage der Rentabilität<br />
noch fast unabgeklärt ist, bleibt vorläufig die<br />
Kraftluft noch eine technische Utopie.<br />
Gas als Motortriebstoff.<br />
Wer schon je in der Geschichte des Automobilismus<br />
blätterte, erinnert sich gewiss der<br />
Tatsache, dass die ersten Pioniere des leichten,<br />
schnellaufenden Verbrennungsmotors,<br />
Markus, Lenoir, Benz und Daimler, vom einfachen<br />
Gasmotor den Schritt zur Explosionsmaschine<br />
wagten, weil sich die mit Gas betriebenen<br />
Motoren damals nur für stationäre<br />
Zwecke eigneten. Heute, nachdem die Chemie<br />
und Physik in vier Dezennien Gewaltiges geleistet<br />
hatten, kommt man wieder auf das Gas<br />
als Betriebstoff zurück, der in dieser Form<br />
wichtige Vorteile für sich hat. Das Gas erheischt<br />
geringere Herstellungskosten, es erzeugt<br />
eine höhere Verbrennungstemperatur<br />
und erlaubt einen höheren Kompressionsgrad.<br />
Diese drei wichtigen Haupteigenschaften erlauben<br />
es schon, sich mit diesem Problem<br />
etwas näher zu beschäftigen.<br />
Bekanntlich lässt sich die Leistung eines<br />
Motors durch Erhöhung des kalorischen Inhalts<br />
des Betriebstoffes steigern, der Wirkungsgrad<br />
steigt mit zunehmender Kompres-<br />
sion und das Klopfen, welches bisher dem<br />
Verdichtungsgrad eine Höchstgrenze setzte,<br />
fällt bei der Anwendung von Gas weg.<br />
Nun bereitet aber die Frage, wie soll das<br />
Gas mitgeführt werden, Hauptschwierigkeiten.<br />
Hier ist die Lösung noch nicht abgeklärt.<br />
Die Verwendung gasförmiger Brennstoffe<br />
für Motorfahrzeuge stellt nichts absolut Neues<br />
auf dem Gebiete der Motorentechnik dar.<br />
Frankreich ging hier bahnbrechend voran,<br />
alljährlich werden dort staatliche Lastwagenprüfungen<br />
veranstaltet, bei denen Camions,<br />
die mit Holzkohlengas betrieben werden, sich<br />
ÄUTOMOBTL-REVUE<br />
Sichere Fahrt bei guter Beleuchtung!<br />
einer harten und vielseitigen Prüfung unterziehen<br />
müssen. Bei diesen Wagen wird das<br />
Gas fortwährend in einem Behälter, der an<br />
Bord mitgeführt wird, erzeugt.<br />
Die neue deutsche Erfindung strebt aber<br />
darnach, das Gas in einer Zentrale herzustellen,<br />
so dass es von den Fahrern an Zapfstellen,<br />
die sich — wie die heutigen Tankanlagen<br />
— überall im Lande herum befinden, gekauft<br />
werden kann. Das neue Gas soll zudem die<br />
Energie in wesentlich konzentrierterer Form<br />
enthalten als das Holzkohlengeneratorgas.<br />
Ueber die chemische Struktur vom Motorgas<br />
werden folgende Angaben gemacht:<br />
Das Motorgas besteht aus einem Gemisch<br />
der Kohlenwasserstoffe mit 1—3 Atomen<br />
Kohlenstoff pro Molekül, während die Benzine<br />
Gemische von solchen mit meist über<br />
1027 — No 1f4<br />
5 Atomen Kohlenstoff pro Molekül darstellen<br />
und chemisch reines Benzol eine einheitliche<br />
Verbindung mit je sechs Atomen Kohlenstoff<br />
und Wasserstoff pro Molekül darstellt. Der<br />
Rohstoff des Motorgases ist die Steinkohle,<br />
die auch bei den meisten bekannten Kohleverflüssigungsverfahren<br />
als Rohstoff dient,<br />
aber die Erzeugung dieses gasförmigen Betriebstoffes<br />
ist kein direkt darauf gerichteter<br />
Prozess, sondern das Motorgas entsteht als<br />
Nebenprodukt bekannter Verfahren, wie der<br />
Kokerei, der Teerdestillation usw. Die wirtschaftlichen<br />
Vorteile eines solchen Erzeugungsprozesses<br />
sind natürlich enorm, wie immer,<br />
wenn gering bewertete Nebenprodukte<br />
eine willkommene Verwendung an Stelle von<br />
hochwertigen Hauptprodukten finden.<br />
Besonders rasche Einbürgerung des Motorgases<br />
ist für schwere Fahrzeuge, Grossflugzeuge<br />
und Luftschiffe vorauszusehen, also<br />
überall, wo die Wirtschaftlichkeit in erster<br />
Reihe von den Betriebstoffspesen abhängt<br />
oder wenn die Anwendung von Schwerölmotoren<br />
aus irgendeinem Grunde nicht wünschenswert<br />
oder durchführbar ist. Der neue<br />
Transatlantik-Zeppelin soll bereits für Motorgasbetrieb<br />
eingerichtet werden. *<br />
Schmieröle aus Gas.<br />
An der Chemikertagung in Essen wurde als<br />
Ueberraschung mitgeteilt, wie synthetisches,<br />
also künstliches Schmieröl hergestellt werden<br />
kann:<br />
Das Ausgangsmaterial für die Schmierölsynthese<br />
ist das Aethylen, das im Kohlengas<br />
enthalten ist, und das insbesondere aus den<br />
sog. Krackgasen, die bei der Teerverarbeitung<br />
entstehen, leicht gewonnen werden kann.<br />
Diese billige, gut zugängliche Gasart wandelt<br />
sich, wenn man sie in Gegenwart gewisser<br />
Substanzen (Bortrifluorid und Nickelmetall)<br />
komprimiert, fast momentan zu<br />
schwerflüchtigen öligen Produkten von hervorragenden<br />
Schmiereigenschaften, um. Solche<br />
Prozesse, die unter Einwirkung von Licht,<br />
Druck oder Wärme vor sich gehen, und meistens<br />
von flüchtigen zu nichtflüchtigen Stoffen<br />
gleicher chemischer Zusammensetzung<br />
führen, nennt der Chemiker Polymerisationen.<br />
Auch bei der Herstellung synthetischer<br />
Kautschuke, wie sie neuerdings in wettbewerbsfähigem<br />
Verfahren durch die J. Q. Farbenindustrie<br />
hergestellt werden sollen, spielt<br />
die Erscheinung der Polymerisation eine<br />
grosse Rolle.<br />
Das durch Polymerisation entstandene synthetische<br />
Schmieröl ist billiger als das aus<br />
Rohöl durch Raffinierung erzeugte Naturprodukt,<br />
das wir zurzeit noch aus dem Auslande<br />
einzuführen gezwungen sind. Und da alle physikalischen<br />
Konstanten, wie die Siedegrenzen,<br />
die Oberflächenspannung, die Temperaturabhängigkeit<br />
der Viskosität usw., das synthetische<br />
dem geeignetsten bestraffinierten Naturprodukt<br />
ähnlich machen, kann an einer<br />
baldigen Einführung des synthetischen<br />
Schmieröls kaum gezweifelt werden. Da das<br />
synthetische Erzeugnis angeblich sogar weniger<br />
Neigung zur Verharzung zeigt, als das<br />
Naturprodukt, liegt hier allem Anschein nach<br />
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