E_1928_Zeitung_Nr.077
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77<br />
III. Blatt<br />
BERN, 14. September <strong>1928</strong><br />
77<br />
III. Blatt<br />
BERN, 14. September 1Q28<br />
Die Entwicklung des Automobilverkehrs<br />
in Basel.<br />
Auf je 27 Personen ein Motorfahrzeug.<br />
Wie viele Motorfahrzeuge gibt es in<br />
Basel? Die wenigsten Stadtbewohner werden<br />
^auf die Frage Bescheid geben können. 1927<br />
wurde das vierte Tausend überschritten; ihre<br />
Zahl beträgt nun das Dreizehnfache von 1910<br />
und das Doppelte von 1924.<br />
Wer sich über die Frage genau orientieren<br />
will, findet erschöpfende Auskunft in dem soeben<br />
erschienenen «Statistischen Jahrbuch<br />
des Kantons Baselstadt 1927», herausgegeben<br />
vom Statistischen Amt unter der Leitung von<br />
Dr. 0. H. Jenny. Es sind freilich nur trockene<br />
Tabellen, die nicht von jedermann als anregend<br />
empfunden werden, aber die Frage<br />
von den verschiedensten Seiten beleuchten.<br />
Im Jahre 1910 zählte der Kanton 306 Motorfahrzeuge,<br />
und es brauchte ein volles<br />
Jahrzehnt, bis das Vierfache erreicht war,<br />
mit 1312 Fahrzeugen im Jahre 1920. Bis 1922<br />
stieg die Anzahl bloss genau um 100. Dann<br />
aber setzte eine rapide Entwicklung ein:<br />
1923 1745 Fahrzeuge 1924 2039 Fahrzeuge<br />
1925 2629 Fahrzeuge 1926 3094 Fahrzeuge<br />
1927 4022 Fahrzeuge<br />
Auf die letzten zwei Jahre entfällt also<br />
eine Zunahme von rund 33 Prozent, und wer<br />
vor zwei Jahren fragte, ob denn nicht bald<br />
eine Sättigung des Marktes erreicht sein<br />
werde, findet im obigen die drastische Beantwortung.<br />
Im Jahre 1927 setzte sich der Motorfahrzeugbestand<br />
in den einzelnen Kategorien folgendermassen<br />
zusammen:<br />
Personenwagen 2053<br />
Lastwagen 922<br />
Traktoren 29<br />
Motorräder 899<br />
Sidecars 119<br />
Total Motorfahrzeuge 4022<br />
Für die Wagen ergibt sich eine Gesamtzahl<br />
3004 gleich dem löfachen des Jahres<br />
1910, während sich die Motorräder und Sidecars<br />
zusammen seit dem Jahre 1910 verzehnfacht<br />
haben.<br />
Ein Statistik des Pferdebestandes im Kanton<br />
Basel-Stadt gibt es nicht. Einen Anhaltspunkt<br />
für das Verschwinden des Hafermotors<br />
bietet aber einigermassen die Aufstellung<br />
über die Entwicklung des Droschken-<br />
| wesens. 1910 zählte Basel 78 Pferdedroschken,<br />
nach einem artigen Zufall 1927 dagegen<br />
genau so viel, nämlich 78 Autodroschken, wie<br />
in der Statistik der Ausdruck für Taxi lautet.<br />
Im ganzen gab es 1927 noch 18 Pferdedroschken<br />
gegenüber 90 Pierdedroschken im<br />
Jahre 1910. Mit andern Worten: die Autotaxi<br />
haben sich seit 1910 verneunfacht, die<br />
Pferdedroschken um drei Viertel verringert.<br />
Bei anhaltender Tendenz werden die Pferdedroschken<br />
in vier, höchstens fünf Jahren aus<br />
dem Stadtbild verschwunden sein. Nach unserer<br />
Ansicht dürfte dieser Zeitpunkt in<br />
Wirklichkeit schon früher eintreten.<br />
In der amtlichen Statistik finden wir ferner<br />
eine ausführliche Tabelle für das Verhältnis<br />
der Motorfahrzeuge zur Einwohnerzahl.<br />
1910 kamen auf je 1000 Einwohner<br />
bloss 22. Motorfahrzeuge, 1920 9,4, 1922 12,4<br />
1924 14,5, 1926 21,2 und 1927 26,9. Oder:<br />
Im Jahre 1927 besass jeder 33. Einwohner<br />
von Basel ein Motorfahrzeug. Zerlegen<br />
wir die Kategorien der Motorfahrzeuge, so<br />
traf es 1927 auf je 1000 Einwohner 20,1 Automobile<br />
und 6,8 Motorräder.<br />
Lange nicht so stark ist verhältnismässig<br />
die Zunahme der gewöhnlichen Fahrräder,<br />
deren Bestand sich seit 1910 nicht ganz verdreifachte,<br />
von 11.831 auf 30.641. Etwa jeder<br />
5. Bewohner Basels besitzt heute ein Fahrrad,<br />
das Verhältnis, das bei gewissen amerikanischen<br />
Staaten für den Automobilbesitz zutrifft,<br />
was uns einigermassen aus der Ferne<br />
ein Bild der amerikanischen Verkehrsverhältnisse<br />
vermittelt.<br />
Ein grosser Teil der Statistik behandelt<br />
die Strassenverkehrsunfälle. Und hier kann<br />
man leider dem Jahr 1927 trotz der Zunahme<br />
der Verkehrsmittel keine gute Note erteilen.<br />
Nehmen wir die letzten drei Jahre:<br />
Jahr Unfälle . Verletzte Getötete<br />
1925 337 161 9<br />
1926 376 205 7<br />
1927 - 513 213 13<br />
Das die Zahl der Gesamtunfälle sich so<br />
sprungmässig erhöhte, glauben wir auf die<br />
grössere Genauigkeit in der Registrierung<br />
der Strassenunfälle zurückzuführen zu dürfen.<br />
Das wird bestätigt durch die Zahlen,<br />
wonach 1926 212 und 1927 226 Personen zu<br />
Schaden kamen.<br />
Sodann folgt eine Liste der Verkehrsunfälle<br />
nach der Ausscheidung in die einzelnen<br />
Wochentage. Abgesehen vom Sonntag ist<br />
der unfallärmste Wochentag der Freitag<br />
(Unglückstag?) mit 13,5 Prozent, während<br />
der Samstag mit 18,9 Prozent an der Spitze<br />
steht.<br />
Die unfallsreichsten Tagesstunden liegen<br />
rene Kenner des Landes vermuten könnten.<br />
Wer die Sache nicht erlebt hat, wird sie<br />
kaum begreifen. Schweizer und Ausländer<br />
zahlen der Polizei in Altdorf die Taxe von<br />
10 Franken. Wenige kennen die Bundesverfassung<br />
so genau, dass ihnen dabei das Un-<br />
in den Sinn käme. Andere deti-i<br />
am Abend zwischen 5 und 7 Uhr mit 20,3gesetzliche<br />
Prozent der Verkehrsunfälle, während auf ken, das sei vielleicht ein ganz geringes Ent-<<br />
die Zeit zwischen 11 und 1 Uhr Mittags 18,5 geld für die Arbeit auf den Bergstrassen.<br />
Prozent entfallen.<br />
Alle aber hegen die feste Ueberzeugung, dass<br />
An den Strassenverkehrsunfällen im Jahre sich die Behörden dafür einer gerechten<br />
1927 waren 1020 Objekte beteiligt, 498 Automobile,<br />
76 Motorräder, 256 Fahrräder, 60 fleissen würden und dass hier gröbere Schi-<br />
Handhabung der Verkehrsvorschriften be-»<br />
Pferdefuhrwerke und 86 Fussgänger. Die kanen, Anrempelungen oder gar der berüchtigte<br />
Fallenbetneb gar nicht vorkommen<br />
Statistik der Zusammenstossarten ergibt folgende<br />
Zahlen: Auto mit Auto 104, Auto mit können.<br />
Motorrad 35, Auto mit Fahrrad 140, Auto mit Mit dem Essen kommt aber bekanntlich<br />
Tram 34, Auto mit Pferdefuhrwerk 27, Auto der Appetit. Wofür sind eigentlich die Automobilisten<br />
da, diese Protzer, denen keine<br />
mit Fussgänger 38, Fahrrad mit Fahrrad 25,<br />
Fahrrad mit Pferdefuhrwerk 34, Fahrrad mit Strasse breit genug ist, die am bescheidenen<br />
Fussgänger 28, andere Arten 78.<br />
Wanderer mit Staubwolken und Benzingestank<br />
vorbeisausen? Sie sollen nur herhalten,<br />
Höchst lehrreich ist in der Statistik der<br />
beigegebene Stadtplan mit der Einzeichnung wenn man ihnen ein wenig überflüssigen<br />
der Unfallstellen. Die unfallreichsten Stellen Flaum ausrupft. Besonders das Ende der<br />
sind Marktplatz, Barfüsserplatz, Handelsbank,<br />
Bundesbahnhof und Wettsteinbrücke.<br />
Dass auch die Aussenquartiere stark beteiligt<br />
sind, wird man auf die Sorglosigkeit der<br />
Fahrer an scheinbar gefahrlosen Orten zurückführen<br />
müssen. 0<br />
Das Ende der Saison im<br />
Kanton Uri.<br />
Es wird uns geschrieben:<br />
Was kann aus diesem Lande für die Automobilfahrer<br />
Gutes kommen? so wird sich<br />
mancher fragen, der schon auf der Axenstrasse,<br />
dem letzten Zipfel des Vierwaldstättersees<br />
entlang, die Furka, den St. Gotthard<br />
oder die Klausenpasshöhe besuchte. Etwa die<br />
Herabminderung, oder gar Abschaffung der<br />
respektablen Durchfahrtstaxe in Altdorf, die<br />
dem Kanton seit Jahren weit über alle Strassenunterhaltungskosten<br />
hinaus zur willkommenen<br />
Finanzierung geworden ist? Wer so<br />
etwas spontan erwartet, bevor der Zwang der<br />
Verhältnisse den Höhepunkt erreicht haben<br />
wird, der muss sich bei den chronischen Optimisten<br />
einquartieren lassen. Also was gibt<br />
es denn Neues- zu berichten aus Üri? Etwas,<br />
das nur feinfühlige Psychologen und erfah-<br />
Saison eignet sich gut, die Scheidenden noch<br />
einmal zu zwicken. Im Kanton Uri kann man<br />
sich solcher und' ähnlicher Gedanken nur<br />
schwer erwehren. Besonders der löblichem<br />
Polizei scheint diese Anschauung zurzeit in<br />
Fleisch und Blut übergegangen zu sein. Gerade<br />
jetzt, zu Herbstanfang mehren sich berechtigte<br />
Klagen anständiger Fahrer derart,<br />
dass wir einen typischen Fall zur Illustration<br />
erzählen wollen.<br />
An einem der letzten Tage des Monats August,<br />
gegen Abend, fuhren mehrere Wagen,<br />
von Altdorf herkommend über Flüelen nach<br />
Sisikon. Voraus waren einige deutsche Autos,<br />
denen 2 Schweizer und dann 2 Pariser folgten.<br />
In Sisikon hatte sich die bekannte Wachtmannsfigur<br />
vom Dauerschoppen weg direkt<br />
auf die Strasse begeben, Hess anhalten und<br />
verlangte kurzerhand dreissig Franken. In<br />
Flüelen sei die Kontrolle mit der Stoppuhr<br />
ausgeführt worden. Bumms! Wer gegen das<br />
merkwürdige Verfahren protestieren wollte,<br />
bekam vom Polizisten, der die Fahrausweise<br />
in Händen hielt, die barsche Drohung des ge-><br />
waltsamen Zurückhaltens zu hören. Die Pa-*<br />
riser verstanden kein Deutsch, der Polizist<br />
natürlich auch kein Französisch. Seine ganz©<br />
Kunst bestand darin, für das bezahlte Geld<br />
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