E_1929_Zeitung_Nr.004
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N° 4 - <strong>1929</strong> AUTOMOBIL -REVUE<br />
ÜDILEEP<br />
JOBBE.<br />
WINTERSPORTDRESS<br />
UND MODELÄUNEN<br />
Soeben sind sie auf ihren Skiern au mir<br />
vorbeigeflitzt: Hand in Hand — wie immer.<br />
Sie» Mania, lässigschiank, etwas frech mit<br />
ihrem kleinen Wundernäschen, unantastbar<br />
in ihrer blonden Helligkeit, mit einem Mund,<br />
der nur das Laciien kennt und (was manchmal<br />
mehr ist als angeborene Schönheit!) :<br />
eine Frau mit todsicherem Geschmack. Sehr<br />
brauchbar in St. Moritz. Er — ihre Ergänzung.<br />
Wenigstens äusserlich. Eine solche<br />
Farbenharmonie der Ski-Kostüme sieht mau<br />
in ganz St. Moritz nicht wieder ! Hier meergrüner<br />
Skianzug, lange, weite Hosen, Norweger<br />
Schnitt. Um den Hals ist eine lange,<br />
blaugrau und rot schräg gestreifte Echarpe<br />
geschlungen, vorne in den Gürtel kokett eingesteckt.<br />
Das B!au-Grau-Rot wiederholt sich<br />
im Handschuh, Krappenbordüre, ja, selbst im<br />
Band, das die Knöchel umschliesst.<br />
0 dieser Winter! Um mich herum wimmelt<br />
es von farbenfreudigen Menschen, die in ihren<br />
dunkelblauen Norweger Anzügen und<br />
bunten Jumpers tückischen Kobolden gleichen.<br />
Denn ob Frau, ob Mann, wer kann<br />
das unterscheiden?<br />
Mania konzentriert sich nie auf einen einzigen<br />
Sport. (Schon wegen den Kostümen!)<br />
Eine Stunde später flitzt sie schon über das<br />
blanke Eisfeld. Nun ist es ein beige Tuchkleidchen<br />
Kurze, enganliegende Taille, vorn<br />
mit dunkelbraunen Knöpfen geschlossen —<br />
weiter Glockenjupc — dunkelbrauner Pelzbesatz<br />
garniert Kragen und Rockrand. Beige<br />
Schuhe und Strümpfe vervollkommnen den<br />
tetcr als eine politische Brandrede. Es ging<br />
mir gut, so gut, dass ich mir die Aufträge<br />
aussuchen konnte, ich war der Anziehungspunkt<br />
der Gesellschaft — wo ich eintrat, wurden<br />
die Männer stumm vor Neid, weil mir die<br />
Augen der Frauen zuflogen. Dabei war ich<br />
gar nicht schön, aber man nannte mich interessant,<br />
und gut gewachsen war ich ja schliesslich<br />
auch, einst. Sehen Sie, ist das nicht<br />
lächerlich, wie ich mein Sein von damals anpreise,<br />
aber wenn ich heute vor einem Fenster<br />
stehe, dann denke ich oft zurück.<br />
Die Damen der Gesellschaft sagten mir<br />
nichts mehr, ich hatte genug von den Spitzengeheimnissen<br />
der Ladies und bei verführerischem<br />
Lächeln dachte ich immer an das Verdienst<br />
der Kosmetik. Ich heiratete: ein süsses,<br />
schönes Kind aus dem Volk.<br />
Ich heiratete sie und hatte nun die Freude,<br />
was ich von den Ladies gelernt, auf sie zu<br />
häufen. Ihr nun die Spitzen, ihr die Pelze,<br />
ihr der Schmuck, sie aber ränkelte ihren jungen<br />
Leib in all dem Tand wie eine spielende<br />
Göttin. — Vielleicht sollte man eine Frau nie<br />
das Spielen lernen, sie spielt sonst mit uns,<br />
aus natürlicher Grausamkeit. Natürliche<br />
Grausamkeit ist gut — komisch, aber einer<br />
echten Frau ist alles natürlich.<br />
Wenn jemals ein Mensch Glück empfand,<br />
rieselndes, rauschendes Glück, so war ich es<br />
damals, als ich mit ihr zusammen war, als ich<br />
sie beschenken durfte, von ihren Lippen den<br />
Dank trinken durfte. Wenn jemals zwei<br />
Glückliche gelebt haben, dann damals.<br />
Da kam der Krieg. Man ging, man musste<br />
gehen. Jung sein, gesund sein, einen gesellschaftsfähigen<br />
Namen haben, hiess sich einschreiben.<br />
Das ist der Zwang der Gesellschaft,<br />
dem auch ich opfern musste — musste,<br />
als ich es lange genug hinausgeschoben und<br />
schon da und dort anspielende Bemerkungen<br />
hatte einstecken müssen. Vielleicht kennen<br />
Sie das auch. Was sind Sie? —<br />
— Schweizer, gab ich zurück. — Ach so —<br />
kam das Echo. Pause. Abschied von ihr<br />
herzzerreissend, wahnsinnig, ich glaubte es<br />
zu werden vor Schmerz. Drei Jahre — drei<br />