E_1929_Zeitung_Nr.004
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N°4 — <strong>1929</strong> AirTOMOFTL-RFVUE<br />
Eine berechtigte Eingabe<br />
des T. C. S. Sektion Bern an die Polizeidirektion<br />
des Kantons Bern.<br />
Sohr geehrter Herr Direktor!<br />
Wiederholte Erscheinungen im Automobil-Verkehrswosen<br />
des Kantons Bern im Jahre 19i8 veranlassen<br />
uns, bei Ihnen vorstellig zu werdun und<br />
Sie um Beseitigung gewisser Missstäude zu ersuchen.<br />
Es sei uns gestattet, Sie auf folgendes aufmerksam<br />
zu machen:<br />
1. Von Organen der Polizei, insbesondere auch<br />
der Stadt Bern, wird uns bestätigt, ea bestehe eino<br />
interne Weisung an die Polizisten, bei jedora Verkehrsunfall,<br />
an dem ein Automobilist mit seinem<br />
Fahrzeug beteiligt sei, gegen den Automobilisten<br />
Rapport, d. h. Strafanzeige einzureichen, gleichgültig,<br />
ob nach den Wahrnehmungen des Polizisten<br />
der Automobilist sich habo Uebertretungcn zuschulden<br />
kommen lassen oder nicht. Die Weisung<br />
wird damit begründet, dass der Polizist nicht den<br />
Richter spielen und nach seinem Gutfinden die Anzeige<br />
unterlassen und damit dem Richter im Sinne<br />
einer Freisprechung vorgreifen dürfo.<br />
Wie die Erfahrung lehrt, führt ein solches Vorgehen<br />
zu unerträglichen Härten und zur berechtigten<br />
Erbitterung in Automobilistenkreisen. Bisher<br />
war in der Verfolgung der Uebertretungen auch<br />
bei uns im Kanton Bern die allgemeine und sicherlieb<br />
einzig vernünftige Regel massgebend, dass eine<br />
Strafanzeige nur bei festgestellter Uebertretung<br />
oder in Zweifelsfällcn erfolgen durfte; überall da,<br />
wo der Polizist selber feststellen konnte, dass eine<br />
uebertretung nicht vorlag, hatte er auch keine Anzeige<br />
einzureichen. Verschwindet beispielsweise ein<br />
Mantel aus der Garderobe eines Caf&s. so kommt es<br />
keinem Polizisten in den Sinn, eine Strafanzeige<br />
einzureichen, wenn sich herausstellt, dass der Mantel<br />
versehentlich von einem Dritten als eigener weggenommen<br />
worden ist. So sollte auch bei Vorkehrsunfällen,<br />
bei denen der Polizist feststellt, dass der<br />
Automobilist richtig gefahren ist, von einer Strafanzeige<br />
abgesehen werden, denn der Polizist kennt<br />
die Verkehrsvorschriften oder eoll sie wenigstens<br />
kennen und dann kann er auch unverzüglich die<br />
Entscheidung treffen, ob eine Uebertretung im gegebenen<br />
Falle in Frage 6teht. Wir müssen es als<br />
einen Unfug bezeichnen, dass in so häufigen Fällen,<br />
in denen der Automobilist durchaus korrekt<br />
gefahren ist, Strafanzeigen erlassen werden mit<br />
den vagen, den Polizisten selber nicht verständlichen<br />
Ansrhulriigungen wegen angeblicher « Nichtbeherrschung<br />
des Fahrzeuges» (Art. 33 Dekret)<br />
oder « wegen unvorsichtigem Fahren » (Art. 34 und<br />
35 Dekret).<br />
2 Dazu kommt nun, dass viele Richter im Lande<br />
bei der Behandlung von Uebertretungen der Automobilvorschriften<br />
bewusst und unhewusst sich vom<br />
Bestreben leiten lassen, nach Jföglichkeit in irgend<br />
einer Richtung dem Automobilisten eine Uebertretung<br />
nachzuweisen und ihn zu verurteilen. Sehr<br />
häufig werden Automobilisten wegen Uebertretnng<br />
ganz anderer Vorschriften verurteilt ab ursprünglich<br />
die Strafanzeige lautete Kann der Automobilist<br />
nachweisen, dass die Strafanzeige unrirhtie ist<br />
6tehen dem Richter die « Kauts^hnkartikel » 33. 34<br />
und 35 des Dekretes zur Verfügung, die seinem<br />
subjektiven Ermessen fast unbeschränkten Spielraum<br />
lassen und wovon er erfahrnneseemäss häufig<br />
nach unserer Auffassung unrichtigen Gebrauch<br />
macht. Der Automobilist ist hier mehr oder weniger<br />
wehrlos dem Richter ausgeliefert.<br />
3. Von einem an und für sich berechtigten sozialen<br />
Empfinden heraus, dass der durch einen Autounfall<br />
angerichtete Schaden nach Möglichkeit gut<br />
gemacht werden soll, und im Bewusstsein, dass die<br />
Gutmachung vom Verschulden des Automobilisten<br />
abhängt, neigen unwillkürlich viele Richter zur Bejahung<br />
des Verschuldens und der damit verbundenen<br />
strafrechtlichen Verurteilung; hat doch ein<br />
bekannter Richter in Bern den Ausspruch getan,<br />
es sei nicht zu begreifen, dass sich die Automobilisten<br />
gegen die Anschuldigung eine3 Verschuldens<br />
derart zur Wehre setzen, sie selber müssten den<br />
Schaden nicht vergüten, die Versicherungsprämie<br />
müsston sie gleichwohl bezahlen, und die Versicherungsgesellschaften<br />
hätten mehr als genug Geld zur<br />
Deckung des Schadens. Aus solchen Erwägungen<br />
erwächst ein wesentlicher Faktor, der den Bu.*sensegen<br />
über die bernischen und ausserkankmalen<br />
Automobilisten vermehren hilft.<br />
4. Nicht zuletzt beklagen auch wir uns über die<br />
fliegenden und versteckten Geschwindigkeitskontrollen,<br />
bei denen es vorgekommen ist, dass der gleiche<br />
Automobilist durch die nämliche Kontrolle mehrero<br />
Male aufgeschrieben und verzeigt worden ist für<br />
Geschwindigkeiten von beispielsweise 32, 34. 36, 40<br />
Stundenkilometer gelegentlich der Durchfahrt bei<br />
kleinen Häusergruppsn, die als Weiler anzusehen<br />
sind und bei denen das besondere Gefahrsmoment<br />
der Ortschaften nicht besteht. Es wird Ihnen bekannt<br />
sein, dass deswegen die Zentralleitung des<br />
Touring-Clubs dar Schweiz und auch der Automobil-<br />
Club bereits Vorbereitungen zur Verhängung des<br />
Boykottes gegenüber dem Kanton Bern getroffen<br />
haben.<br />
5. Nicht zu verwundern ist, dass viele Automobilisten<br />
im Kanton Bern and noch mehr ausserhalb<br />
desselben sich des Eindrucks nisht erwehren<br />
können, dass, abgesehen von der Verfolgung der<br />
Uobcrtretungen an sich, es den Behörden hauptsächlich<br />
am Gelde gelegen ist, das sie mit ihrem<br />
System und ihrer Praxis dem Automobilisten abnehmen<br />
und dem Staate zuführen. Dafür sprechen<br />
auch die von vielen Richtern angewandten hohen<br />
Bussenansätze und die merkwürdig hoch bestimmen<br />
Kosten<br />
Die Automobilistenverbände, vorab auch der T.<br />
C. S., sind die letzten, die sich gegen eine gerechte<br />
und notwendige Strafpraxis auflehnen, sind s i e es<br />
ja in erster Linie, die sich in der Erziehung des<br />
Autofahrers zum anständigen Fahrer betätigen; soweit<br />
aber die Bussen auf Geldmacherei zurückzu-,<br />
führen sind, legen wir hier mit Entschiedenheit Verwahrung<br />
ein. Wir weisen darauf hin, dass die<br />
automobilistisohen Kreise nicht mehr und nicht<br />
weniger Geld zur Verfügung haben als andere<br />
Kreise auch und dass das Luxusfahrzeug von anno<br />
dazumal zum heutigen unentbehrlichen Nutzfahrzeug<br />
geworden ist, auf das viele finanziell schwache<br />
Leute im wirtschaftlichen Existenzkampf notwendigerweise<br />
angewiesen sind Der Autobetrieb als solcher<br />
und die hohen Autosteuern belasten den kleinen<br />
Mann schon derart, dass es nicht zu verantworten<br />
ist. ihn ohne Not noch mit weitern finanziellen<br />
Opfern zu bedrücken.<br />
6. Aus den geschilderten ungerechten Zuständen<br />
heraus haben im Laufe des Jahres 1928 viele langjährige,<br />
sehr anständige und qualifizierte Autofahrer<br />
gegen ein halbes Dutzend ungerechte. Bussen<br />
auf den Hals gekriegt: nach dem Grundsatze « der<br />
Gescheitere.gibt nach » und aus einem löblichen Ber..<br />
streben, Scherereien mit dem Richter zu vermeiden,<br />
haben viele es nicht einmal auf die Hauptverhandiung<br />
ankommen lassen und sich den Bussenmandaten<br />
unterzogen, wohl bewusst, dass dieselben ungerecht<br />
sind. Nicht genug an dem, müssen nun diese<br />
Leute in den letzten Tagen zu ihrem Entsetzen von<br />
Ihrer hohen Direktion auf Grund von Art. 16 Dekret<br />
eino Verwarnung entgegennehmen, dass ihnen bei<br />
weitern Bussenfällen die Fahrbewilligung entzogen<br />
werde; gegen eino Anzahl ist sogar Antrag auf Entzug<br />
der Fahrbewilligung gestellt, und dieselben sind<br />
in ihrer Existenz bedroht (Handelsreisende).<br />
Es wird jedermann, auch Nichtautomobilisten.<br />
einleuchten, dass es so nicht mehr Weitergehen<br />
kann und dass os höchste Zeit ist, dass sich die Automobilisten<br />
durch ihre Organisation zur Wehre<br />
setzen Unser erstes Ziel, Ihre besondere Aufmerksamkeit<br />
auf die herrschenden Missstände hinzulenken,<br />
hoffen wir, mit der vorliegenden Eingabe bereits<br />
erreicht zu haben.<br />
7. Nun ist mit Beschwerden allein der Sache<br />
nicht geholfen. Es wird sich darum handeln, Mittel<br />
und Wege zur Abhilfe zu finden. Der Möglichkeiten<br />
stehen verschiedene zur Verfügung; auch ist zu bedenken,<br />
dass die kantonale Polizeidirektion nicht<br />
für alles verantwortlich eemacht werden kann; beispielsweise<br />
sind ihr die Richter mit ihrer zum Teil<br />
allzu rigorosen Bussenpraxis nicht unterstellt; doch<br />
kann sie indirekt auch dort ihren Einfluss geltend<br />
, machen. Das nämliche gilt für die städtischen Polizeiorgane.<br />
Ein Weg, in der Sacho vorwärts zu kommen,<br />
scheint uns eine Konferenz zu sein, die von<br />
kompetenter Stelle aus einberufen und die von<br />
den verschiedenen interessierten Clubs (A. C. S..<br />
ASPA, T. C.S.. und U. M. S.) beschickt würde: diese<br />
Konferenz würde allseitig aufklärend wirken und<br />
die We»c zum weitern Vorgehen weisen.<br />
Im Ziel des möglichst reibungs- und frikf'onslosen<br />
Verkehrs sämtlicher StraRFenbenützer sind wir<br />
alle einig; es handelt sich um die Frage der besten<br />
Methoden zur Erreichuns desselben: darüber muss<br />
man sich einmal beidseitig aussprechen können.<br />
Es würde uns, Behr geehrter Herr Direktor,<br />
freuen, wenn Sie unserer Anregung FoW geben<br />
würden und wir demnächst etwas von Ihnen zu<br />
hören bekämen.<br />
Mit ausgezeichneter Hochachtung!<br />
Born, 29. Dezember 1928.<br />
Touring-Club der Schweiz Automobil-Sektion Bern:<br />
Der Präsident:<br />
Der Sekretär:<br />
sig. Baumgartner. sig. Fröhlich.<br />
rourlng-Club d. Schweiz, Automobil-Sektion Seeland:<br />
Der Präsident:<br />
Der Sekretär:<br />
sig. Strehler.<br />
sig. Meier.<br />
Touring-Club Sulsse, Section automobile Jura:<br />
Le President:<br />
Le secnHaire;<br />
sig. Schlappach. sia:. Delevaux.<br />
Der Automobil-Importhandel<br />
von Rumänien.<br />
Bukarest, den 7. Januar <strong>1929</strong>.<br />
Trotzdem das Autostrassennetz in Rumänien<br />
sich im grossen und ganzen noch in einer<br />
sehr mangelhaften Verfassung befindet,<br />
fejt der Kraftfahrzeugverkehr in jenem Lande<br />
im Verlaufe der letzten paar Jahre einen sehr<br />
bemerkenswerten Aufschwung genommen.<br />
Die nationale Automobilindustrie ist zurzeit<br />
ganz unbedeutend und wird gegenwärtig nur<br />
von einer einzigen Fabrik, den tAstra-Arad-<br />
Werken», dargestellt, die eine sehr be»<br />
schränkte Kapazität aufzuweisen hat und vornehmlich<br />
die Fabrikation von Lastkraftwagen<br />
betreibt. Die Bedarfnisse des nationalen<br />
Marktes müssen daher so gut wie ausschliesslich<br />
durch das Ausland befriedigt<br />
werden.<br />
Der Jahresbedarf des Landes kann im Augenblick<br />
auf ungefähr 5000 Kraftfahrzeuge<br />
bemessen werden, hat sich also im Verlauf«<br />
der letzten fünf Jahre ungefähr verzehnfacht.<br />
Das Gros der rumänischen Nachfrage richtet<br />
sich auf die Kraftwagen in der Gewichtsklasse<br />
von 500 bis 1000 kg, welche rund 70<br />
Prozent der Gesamteinfuhr ausmachen. An<br />
zweiter Stelle kommen die Automobile im<br />
Gewicht von über 1000 kg. Als die vornehmsten<br />
Lieferanten erweisen sich zurzeit der<br />
Reihenfolge der Bedeutung nach die Vereinigten<br />
Staaten, Italien, Frankreich, Oesterreich,<br />
Deutschland, die Tschechoslowakei,<br />
England, die Schweiz und Belgien.<br />
Nach den unlängst vom rumänischen Innenministerium<br />
veröffentlichten Ziffern waren<br />
zu Beginn des Jahres 1928 insgesamt 21,832<br />
Automobile in Rumänien im Verkehr, wovon<br />
9106 europäische und 12,926 amerikanische<br />
Marken. Letztere können seit den beiden vorhergehenden<br />
Jahren einen Bodengewinn von<br />
33,9 auf 59,3 Prozent buchen. Unter den europäischen<br />
Marken herrschen die französischen<br />
und italienischen vor, doch treten in<br />
jüngster Zeit vornehm'ich die deutschen,<br />
österreichischen, englischen und schweizerischen<br />
Fabrikate immer mehr hervor. Di«<br />
zurzeit beliebtesten Marken sind Ford, Fiat,<br />
Chevrolet, Renault. Citro6n, Mercedes-Benz,<br />
Opel, Peugeot und N.A. G.<br />
-c-<br />
24,592,370 Motorfahrzeug* In U. S. A.Nach<br />
der letzten Statistik laufen gegenwärtig in<br />
den 43 Staaten der U. S. A. 24,592,370 Mo»<br />
torfahrzeuge. Seit dem letzten Jahr ist ein«<br />
Zunahme von 1,463,055 Fahrzeugen zu konstatieren.<br />
Die Personenwagen allein haben<br />
um 6,2 Prozent zugenommen, ihre gegenwärtige<br />
Anzahl beträgt 21,468.596. An Lastwagen<br />
sind 3,123,774 Fahrzeuge vorhanden,<br />
wobei die Anzahl gegenüber dem letzten<br />
Jahr um 7.2 Prozent zugenommen hat.<br />
Den grössten Automobilbestand weist der<br />
Staat New York mit 2,090,815 Fahrzeugen<br />
m.<br />
xxwoouooouooooooouooooucooa<br />
Direkter Vertreter für den Kanton Bern:<br />
Tel. Bollw. 37.37 £9, Garteaistrasse 19 Tel. Bollw. 37.37