E_1929_Zeitung_Nr.014
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15 AUTOMOBIL-REVUE <strong>1929</strong> -<br />
trat auf die Strasse. Bevor er wieder schloss,<br />
irrten seine Augen noch einmal zu jenem<br />
Bund Schnur an der Wand, zu dem Bund<br />
blauer, roter, gelber oder grauer Schnur zu<br />
eins sechzig. Seine Augen matt,<br />
Winternacht,<br />
Ein Wünschen geht durch deine Dunkelheiten,<br />
Ein Flüstern liegt in deinem Abendwind<br />
Ganz sacht<br />
So wie wir sind,<br />
Wenn lächelnd träumen von den Seligkeiten<br />
Mit tiefem Sinn-<br />
Winternacht —<br />
So träumst du unter deinen Sternen hin.<br />
J.B.<br />
Lotte will ein Auto.<br />
Von Hrch. Brüngger.<br />
«Pia, was soll ich machen, ich wünsche mir<br />
ein Auto und Papa ist so putzig, so, konservativ!»<br />
«Was du machen sollst?» antwortete Pia<br />
lachend, «schlau sein, Lotte, weiter nichts.<br />
Nimm die List als Partnerin und dein<br />
Wunsch, am Volant eines eigenen Wagens<br />
zu sitzen, wird in Erfüllung gehen!»<br />
«Pia ich hab's. Mama muss helfen, koste<br />
es was es wolle, ein Auto muss her!»<br />
Lotte, die einzige Tochter des reichen<br />
Herrn Hübgen, sitzt schweigend am Mittagstisch.<br />
Von Zeit zu Zeit fliegt unauffällig ein<br />
vielsagender Blick zu ihrer Mutter- Diese<br />
nickt bejahend. Nach dem Kaffee zieht sich<br />
Lotte zurück.<br />
«Was mag nur unser Mädel haben», fragt<br />
der Herr Papa und zündet umständlich seine<br />
Verdauungszigarre an.<br />
«Wie magst du nur so fragen,» entgegnet<br />
Frau Hübgen, «der spukt doch der Autogeist<br />
im Kopf!»<br />
«Waas, immer noch diese verdammte Geschichte?»<br />
«Natürlich, Lotte will einfach ein Auto!»<br />
«Qibt's nicht,» sagt Herr Hübgen, «das habe<br />
ich ihr nun bis zur Genüge erklärt!»<br />
«Aber Karl, ich kann dich nicht verstehen.<br />
Was hast du denn eigentlich gegen den Kauf<br />
ergeben versöhnt mit allem Leid<br />
Und ich habe es ihm nicht gekauft, das<br />
Bund »<br />
«Du hast es ihm nicht gekauft.. .» wiederholte<br />
leise das junge, blonde Haupt. . . .<br />
Die Blauspiralen der Rauchfigur hatten das<br />
li albdämmerige Zimmer mit feinem Dunst erfüllt.<br />
Der Hund kam her, (die Geschichte war ja<br />
zu Ende) und legte sich vor die beiden Liebenden<br />
im tiefen, blaublumenbestickten Lehnstuhl.<br />
«Wie geht es ihm jetzt, diesem Mann ?»<br />
fragte sie nun, die Hand auf dem warmen<br />
Kopf des sich streckenden Hundes.<br />
«Ich weiss es nicht» antwortete er bekümmert,<br />
uns . . wir sind glücklich —<br />
und ertragen mit Unwillen leichte Wolken. . .<br />
und — jener<br />
Gute Nacht, mein süsses Weib! — »<br />
Und er hob die liebe Gestalt hoch empor<br />
zu sich und hielt sie in seinem Kusse, dass<br />
es ihr wurde, als müsse sie schwinden in soviel<br />
Liebe.<br />
Dann legte er sie langsam nieder, bettete<br />
sie, wie es seinen durstigen Augen zur Freude<br />
war, Hess ihr schwarzes Kleid leicht ob ihren<br />
Knien sich falten und ging.<br />
Und ein kleines, feines Mädchenherz zitterte<br />
glücklich im Verklingen seiner Schritte.<br />
Draussen aber schritt ein Mann im Septembersturm<br />
mit langsamen Schritten auf<br />
dunkeln, beschatteten Wegen vom Hause seiner<br />
Liebe weg. . . .<br />
Und sein Herz suchte den alten Fischer,<br />
um ihm etwas Glück, Bach von seinem<br />
Strom, ins Leben zu tragen.<br />
XIX (DJ<br />
eines Autos einzuwenden? Ich meinerseits<br />
würde begrüssen, wenn...»<br />
«Sooo, auch du», unterbricht der Herr Gemahl<br />
ihre Worte und wirft ergrimmt seine<br />
Zigarre in die Aschenschale. «Na ja — haha<br />
— also sind wir glücklich so weit, dass du<br />
diese, diese verrückte Idee unseres Mädels<br />
befürwortest!»<br />
«Warum denn nicht — schau Alterchen,<br />
wir leben eine andere Zeit als vor fünfundzwanzig<br />
Jahren. Das darfst du nicht vergessen,<br />
und zudem, wären damals die Autos<br />
schan so modern gewesen wie heute, dann,<br />
lieber Karl, hättest du mir sicher und bestimmt<br />
einen der schönsten Wagen gekauft!»<br />
«Aber was fällt dir ein. Niemals hätte ich<br />
dir einen solchen Wunsch erfüllt!»<br />
«Karl, hast du mir nicht als Brautgeschenk<br />
ein Fahrrad gekauft? Waren zu jener Zeit<br />
die Räder nicht ungefähr das, was heute die<br />
Autos sind, ein elegantes, rasches Fahrzeug?»<br />
«Na ja — aber — ein Auto?»<br />
«Erinnerst du dich wie Lottes Freundin<br />
Edith eine glänzende Partie gemacht hat?<br />
Man sagt, sie habe ihren immens reichen<br />
Gemahl im Auto kennen gelernt!»<br />
«Ja — aber was hat denn das mit Lotte<br />
zu tun?»<br />
«Sehr viel — ich weiss, Lotte quält sich<br />
mit törichten Liebesgedanken, und da — na,<br />
ich habe so gedacht, durch den Kauf eines<br />
Autos wäre sie auf andere Gedanken zu<br />
bringen!»<br />
«Nanu — Lotte — sooo?» Herr Hübgen ist<br />
erschrocken, «ja, wer ist denn der...»<br />
«Da musst du sie schon selbst fragen!»<br />
«Lotte, Mama sagt, du trügest dich mit<br />
Liebesgedanken. Stimmt das?»<br />
Ein Blitz, und Lotte weiss, jetzt ist der<br />
Moment gekommen. «Nimm alle List zusammen»<br />
— ein Auto-<br />
«Warum antwortest du nicht?»<br />
«Papa — frage mich nicht!»<br />
Herrn Hübgen wird angst und bange; Lotte<br />
spricht so traurig — was hat das zu bedeuten<br />
— ist vielleicht eine Dummheit passiert?<br />
«Lotte, Lotte, so sprich doch, was ist passiert?»<br />
«Papa, ich — heirate Fritz Werner!»<br />
«Waaas — himmelbom... den Sohn meines<br />
Geschäftsfeindes — nein Lotte, so lange ich<br />
lebe, so was gibt's nicht!»<br />
«Und doch heirate ich ihn!» fest, trotzig<br />
spricht Lotte.<br />
«Und ich sage nein! Uebrigens, was gefällt<br />
dir denn an diesem blasierten Jüngling?»<br />
«Sein Auto!»<br />
«Na, da hört doch verschiedenes auf, wegen<br />
seinem Auto willst du Werner heiraten?»<br />
«Jawohl, wegen seinem Auto!»<br />
«Aber Lotte — und dein Glück, wo bleibt<br />
denn das?»<br />
«Beim Auta! — Hättest du mir ein Auto<br />
gekauft, dann hätte ich...»<br />
«Bist du schon gebunden?» hastig, ängstlich<br />
spricht der Herr Papa.<br />
«Warum?»<br />
«Ich — ich wäre bereit, wenn du Werner<br />
dein Versprechen zurückgeben kannst, dir<br />
ein — Auto zu kaufen!»<br />
«Wirklich?»<br />
«Bestimmt!»<br />
«Also, Papa, ich bin — noch nicht gebunden!»<br />
«Gott sei Dank! Und nun, Lotte, will ich<br />
dir deinen Wunsch erfüllen!»<br />
«Dank, Papa, und dass ich es offen sage,<br />
ich wäre mit Werner doch nicht glücklich<br />
geworden!»<br />
«Ja, Mädel, wenn bei dir wieder einmal<br />
eine solche Frage laut wird, dann lass nur<br />
dein Herz sprechen, denn — ein Auto.. »<br />
«Bekomme ich jetzt!» ergänzt Lotte.<br />
Sollen Frauen sich<br />
schminken ?<br />
Ein geistreiches französisches Plädoyer für<br />
das Herrichten der Frauen.<br />
In der Pariser Tageszeitung clntransigeant»<br />
richtete kürzlich Frau Jean Portail<br />
an verschiedene bekannte Pariser Damen<br />
die Frage: Legen Sie Wert darauf, hergerichtet<br />
zu sein? Der «Temps», der dieses<br />
Thema aufgreift, und meint, die Frage erledige<br />
sich durch den Hinweis auf die hohe<br />
amerikanische Einfuhrziffer für Schönheitsmittel<br />
(Puder, Hautcremen, Parfüms,<br />
Haarfärbemittel usw.), die sich auf Milliarden<br />
belaufe, von selbst, stellt nun eine ausführliche<br />
Betrachtung über das Problem<br />
an, ob die Damen sich herrichten sollen,<br />
eine Betrachtung, die wohl als die beste und<br />
geistreichste Antwort auf die Frage der<br />
Frau Portail angesehen werden darf.<br />
Es würde nichts nützen, schreibt der<br />
>Temps», die Frage mit nein zu beantworten,<br />
denn nachdem Eva, als sie in den<br />
Apfel biss, zu verstehen angefangen hatte,<br />
dass sie nackt war, wurde die Koketterie<br />
bei ihr auf einem schlauen Umweg eine<br />
Form von Soham und seither bekleiden die<br />
Frauen aller Länder ihre Wangen mit der<br />
nachgemachten Glut des Morgenrotes und<br />
ihre Lippen mit Purpurrot. Jesabel bemalte<br />
ihr Gesicht, sagt das Buch der Könige.<br />
Esther salbte- sich mit wohlriechendem<br />
Oel. Kaiserin Poppea nahm ihr tägliches<br />
Bad in der Milch, das ihr fünfhundert<br />
Eselinnen lieferten, und das Antlitz<br />
der Welt würde nach Pascal verändert<br />
sein, wäre die Nase der Kleopatra weniger<br />
schön, das heisst kürzer, glänzend und<br />
schlecht gepudert gewesen. Fern sei es uns<br />
daher, die Mahnung des heiligen Hieronymus<br />
an die hergerichteten Frauen zu<br />
wiederholen: «Wie wagt ihr, zum Himmel<br />
euer Gesicht zu erheben, das der Schöpfer<br />
nicht erkennt?» Darf man einer Frau den<br />
Vorwurf machen, ein unvollkommenes<br />
Werk des Schöpfers herzustellen, wenn es<br />
ihr darum zu tun ist,, zu. gefallen oder sich<br />
selbst zu gefallen, die Gesellschaft, in der<br />
sie sich befindet, zu verschönern und, wo<br />
es das' noch gibt, Weltreiche zu retten,<br />
müsste sie sich dann auch mit Hilfe einer<br />
listigen, scharmanten Lüge unter ewigen<br />
Lenztönen zeigen?<br />
Man glaube nicht, dass das Herrichten<br />
für die Frauen^ nur so ein hübscher Zeitvertreib<br />
und ein bequemes Vergnügen ist.<br />
Chassez le naturel, il revient au galop! Nie<br />
hat La Fontaine eine jämmerlichere Wahrheit<br />
ausgesprochen. Der Himmel weiss, wie<br />
viel Wachsamkeit, wie viel Beobachtung<br />
V<br />
Sie (vor der Strassenkreuzunj;): Manne, hait<br />
doch deinen Arm auch aus, damit ja niemand unser<br />
Zeichen übersieht oder missversteht<br />
(Passins Show.)<br />
ihrer selbst, wie viel ununterbrochene Anspannung<br />
die Frauen aufwenden müssen<br />
gegenüber der Natur, die,, von der einen<br />
Wange verjagt, sofort auf die andere zurückkehrt.<br />
Daher das unaufhörliche komplizierte<br />
Spiel mit dem Puderdöschen und<br />
dem Lippenstift, das wir hunderte Male im<br />
Tag bewundern können, in den Salons, bei<br />
Tisch, auf der Strasse. Puderdöschen und<br />
Lippenstift, winzige und doch gewaltige<br />
Waffen in einem Kampf, der ebensoviel<br />
Energie wie Kenntnis, vor allem aber<br />
Kunst erfordert. Denn es ist alles eine<br />
Frage von Mass und Geschmack, mit einem<br />
Wort des Könnens. Je vollkommener der<br />
Betrug, desto herzlicher jubeln wir zu.<br />
Wenn jedoch eine Frau sich herrichtet, wie<br />
man eine Mauer weisst — Brr! Weg mit<br />
der Herrichterei, die einem Maueranstrich<br />
gleicht! Wir lechzen ja nach Illusion.<br />
Die liebe Frau Deshouilieres hat einmal<br />
mit Applomb gesagt, dass sie das Herrichten<br />
in sittlichem Sinne mehr verurteile als<br />
das Herrichten des Gesichts. Diese Bemerkung<br />
kam aus einer naiven Seele, aber sie<br />
lenkte die Debatte in die richtige Bahn. Gewi<br />
ss, wir machen uns alle dessen schuldig.<br />
Wir sind darauf aus, besser zu scheinen,<br />
als wir sind. Höchst selten zeigen wir unsere<br />
guten und unsere bösen Eigenschaften<br />
in ihrer wahren Form. Der Geist der Gesellschaft<br />
verlangt es, dass wir ihnen etwas<br />
Farbe auflegen und ein neues Röckchen<br />
anziehen, um unter die Leute zu gehen. Erziehung<br />
und Höflichkeit haben uns gelehrt<<br />
unsere Gefühle in Zaum zu halten: die ersten<br />
Plätze, die wir selbst begehren, abzutreten,<br />
über das, was uns missfällt, zu lächeln.<br />
Ist' das keine Herrdchterei? Ganz<br />
sicher. Aber es macht den Verkehr unter<br />
Menschen erträglich und mildert die Sit-<<br />
ten. Wenn wir also gut und mit guten Absichten<br />
unsere alltäglichen Gefühle wegpudern,<br />
dann wollen wir auch den gut hergerichteten<br />
Frauen das Vergnügen vergeben,<br />
das sie uns bereiten. Natürlich betrügen<br />
sie uns ein bisschen, aber welches<br />
Ding hier auf Erden beruht nicht auf einer<br />
Lüge oder, wenn man will, auf einer Illusion?<br />
Ruhm, Liebe. Hoffnung sind sehr<br />
grosse Worte, es sind gauklerisch hergerichtete<br />
Worte. Wir wissen es, und docfi<br />
hören wir nicht auf, uns in unserem Herzen<br />
nach ihnen zu sehnen, und so schreitet<br />
dank dem Herrichten vieler Worte die<br />
Menschheit langsam, langsam vorwärts.<br />
Der kluge Mann baut vor.<br />
«Fühlen Sie sich verletzt?» fragte der Automobilist<br />
den Mann, den er angefahren hatte<br />
und der sich die schmerzenden Glieder rieb.<br />
«Ich weiss es noch nicht. Ich werde erst<br />
mal mit meinem Rechtsanwalt sprechen»,<br />
war die Antwort.<br />
als erfrischendes Bad - welch"<br />
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