E_1929_Zeitung_Nr.097
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Transportwesens, werden sich mit allen Mitteln<br />
gegen den Ausbau der Eisenbahnen sträuben,<br />
denn sie verlieren ihr tägliches Brot und<br />
können es bei der engen Besiedlung Chinas<br />
nicht schnell genug auf andere Weise erwerben,<br />
müssen also untergehen.»<br />
War nun auch der Siegeszug des Autos bis<br />
heute noch nicht imstande, das menschliche<br />
«PS» aus dem asiatischen Verkehrsleben<br />
auszuschalten, so wird doch die unaufhaltsam<br />
fortschreitende Motorisierung der Welt auch<br />
die Rickscha und den Rickscha - Kuli als<br />
menschliches Beförderungsmittel aus der<br />
Verkehrsorganisation nach und nach verdrängen.<br />
Gab es beispielsweise in Kanton noch<br />
vor zwei Jahren 3000 rollende Sänften, so ist<br />
deren Zahl nach amtlicher Feststellung im<br />
Laufe des Jahres bereits auf 1000 zurückgegangen,<br />
während die Anzahl der Autos um<br />
ebensoviel zugenommen hat. H. Mattem.<br />
Die kleinen Geschichten<br />
Einer, der sich Zugsverspätungen nicht bieten<br />
lässt.<br />
Die biederen Einwohner von Tobeka in Kansas<br />
haben seit einer Woche eine Sensation.<br />
Mister James Powell hat gegen die Direktion<br />
einer Eisenbahngesellschaft die Klage angestrengt.<br />
Dem Rechtsstreit liegt folgender<br />
Sachverhalt zugrunde:<br />
Mister Powell wollte eines Tages verreisen.<br />
Er wählte seinen Zug um 9 Uhr vormittags<br />
und begab sich zehn Minuten vor der fahrplanmässigen<br />
Abfahrtszeit auf den Bahnhof.<br />
Als er den Bahnsteig betrat, fuhr gerade sein<br />
Zug ab. Mister Powell überhäufte den Verkehrsbeamten<br />
mit Vorwürfen, dass der Zug<br />
um zehn Minuten zu früh angefahren sei. Zu<br />
seinem Erstaunen erfuhr Powell, dass der<br />
verfrühte Zug gar nicht der um 9 Uhr fällige<br />
Zug gewesen sei, sondern der fahrplanmässige<br />
Train von gestern, der wohlgezählte 23 Stunden<br />
und 50 Minuten Verspätung gehabt hatte.<br />
Zu noch grösserem Erstaunen erfuhr er, dass<br />
der heute fällige Zug infolge Anordnung der<br />
Bahndirektion das vorgeschriebne 24-Stundenintervall<br />
einhalten müsse und daher erst<br />
am nächsten Tage um 9 Uhr fahrplanmässig<br />
eintreffen werde. Praktisch genommen, bedeutete<br />
das einfach den Ausfall eines fahrplanmässigen<br />
Tageszuges.<br />
Darauf ging nun der hartnäckig auf sein<br />
Recht pochende Powell nicht ein. Er sagte<br />
sich: In einem Jahre müssen auf dieser Bahnlinie<br />
365 Züge verkehren, in einem Schaltjahr<br />
366. Wenn sich nun ein Zug um 24 Stunden<br />
verspätet, so bedeutet das noch lange nicht,<br />
dass dieser Zug für zwei Tage zu gelten habe.<br />
Ueberdies war ja dieser Zug um zehn Minu-i<br />
ten zu früh gekommen, also nicht der fahr-,<br />
planmässige Zug des von mir gewählten Reisetages.<br />
Dieser Zug war ausgeblieben. Wenn<br />
sich die übrigen Reisenden, damit zufriedengeben,<br />
ich tue es nicht. Ich verlange den entfallenen<br />
Zug, den Zug, mit dem ich reisen<br />
wollte. Und Mister Powell verklagte die<br />
Bahngesellschaft auf die Beistellung dieses<br />
fehlenden Zuges. Und da es ausser ihm niemand<br />
in Tobeka gibt, der sich auf die Benutzung<br />
des ausgebliebenen Zuges kapriziert, so<br />
wird, wenn Powell seinen Prozess gewinnt,<br />
ihm die Bahngesellschaft einen Extrazug bestellen<br />
müssen.<br />
Die Arche Noah in U. S. A.<br />
Vor einiger Zeit hat sich in Chicago eine<br />
Gesellschaft gebildet, um ein© Expedition<br />
auszurüsten, die sich mit der Auffindung der<br />
«Arche Noahs» befassen soll. Die Berechtigung<br />
der Annahme, dass sich das im Sinne<br />
des Wortes vorsintflutliche Fahrzeug heute<br />
noch auf den Höhen des Ararat wohlbehalten<br />
befinden solle, ist zweifelhaft.<br />
Komisch — ich wollte in den Louvre gehen,<br />
und statt dessen schlendre ich schon zwei<br />
Stunden durch die Boulevards, Strassen und<br />
Gassen, stehe vor Auslagen und gaffe die<br />
•Leute an, die mir begegnen. Und gerade heute,<br />
wo ich mir doch die ägyptischen Säle ansehen<br />
wollte.<br />
Ich sage komisch, wie wenn mir das zum<br />
ersten Mal passiert wäre. Ich liebe es, in den<br />
Strassen zu schlendern. Ich liebe das geschäftige<br />
Eilen und Drängen der Grossstadt. Ich<br />
liebe die Leute in den Gassen. Heute ist's<br />
neblig und kalt, heute ist Montag. Wirklich,<br />
ich spüre, heute ist Montag. Am Sonntag ist<br />
Ruhe und Feierlichkeit. Am Montag erwacht<br />
wieder der Alltag — Arbeit und Geld bestimmen.<br />
Gestern sagte mir ein kleiner Pariser,<br />
er könne den Sonntag nicht leiden, alles wäre'<br />
dann so dumm und geziert. Ich habe ihn ausgelacht,<br />
aber sicherlich hat er recht.<br />
Da vorne drängen die Leute. Ein kleiner<br />
buckliger Mann sitzt hinter seinem Wägelchen<br />
mit Scherben zerschlagener Tassen<br />
und Krüge. Mit leuchtenden Augen und begeisterter<br />
Stimme erzählt er seine kleinen Geschichten,<br />
dazwischen kittet und leimt er mit<br />
behenden Fingern und lobt die Vorzüge seines<br />
Produktes. Man lacht und kauft. Der kleine<br />
zappelige Kerl versteht seine Kunden. Die<br />
Sous häufen sich im Teller. Er rühmt, kittet<br />
und wird furchtbar böse, wenn man an ihm<br />
zweifelt.<br />
Paris ist reich an solchen kleinen Verkäufern.<br />
Jedermann weiss, dass das, was er kauft,<br />
nichts wert ist, aber jeder gibt, weil er daran<br />
seine Freude hat.<br />
Wie gerne gehe ich dem Büchermarkt an<br />
der Seine entlang ! Kasten reiht sich da an<br />
Kasten. Ich liebe es, darin zu wühlen und zu<br />
suchen. Ich erinnere mich, wie wir als kleine<br />
Kinder, wenn die Mutter mal wegging, auf<br />
den Estrich schlichen und da in den verstaubten<br />
Kisten und Koffern stöberten. Das war<br />
besonders fein. Wie Schatzgräber auf der<br />
dunkeln niedern Diele zwischen Balken und<br />
Spinngeweben. Da fand man Kleider vom<br />
Grossvater und Grossmutter, zog sie an und<br />
sah wunderlich schön aus darin. Im Eifer<br />
hörten wir nicht, wie uns die Mutter überall<br />
suchte und rief, bis sie uns überraschte und<br />
gehörig ausschalt. Das Zurückkehren in die<br />
Wirklichkeit war jedesmal eine kalte Ernüchterung.<br />
— In diesen schwarzen Kasten auf<br />
den Seinemauern habe ich unter alten Büchern,<br />
farbigen Reproduktionen und französischen<br />
Genrebildchen, wunderlichen Münzen<br />
und Beschlägen, schon herrlich feine Dinge<br />
entdecken können. Ich liebe alte Bücher<br />
Der Unternehmungsgeist der Amerikaner<br />
scheut aber vor keinem Rekord zurück, also<br />
auch nicht vor dem, das älteste Vehikel der<br />
Welt-neben'dem neuesten Ford-Typ ausstellen<br />
zu können. Warum 'auch nicht?<br />
Uebrigens sei erwähnt, dass die Expedition<br />
mit bedeutend geringeren Kosten ein getreues<br />
Abbild der «Arche Noahs» unweit<br />
Olympias in Washington finden kann. Die<br />
dort befindliche Arche ist, so wenigstens behaupten<br />
die beiden ein wenig extravaganten<br />
Bewohner, eine genaue Kopie des aus der<br />
Religionsigeschichte wohlbekannten Bootes.<br />
Die beiden glauben übrigens an das unbedingte<br />
Eintreffen der schon längst fälligen<br />
Sintflut und haben sich deshalb zum Schutz<br />
und Trutz ein so fürsorgliches Heim geschaffen.<br />
Allerdings weichen ihre Methoden<br />
von jenen Noahs etwas ab, da sie keinesfalls<br />
irgendwelches Getier mitzunehmen gedenken,<br />
sondern ausser einigen wenigen,<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1929</strong> — 97<br />
Flanerie<br />
und berausche mich an ihrem modrig trockenen<br />
Geruch. Es macht mir Freude, in vergilbten<br />
Chroniken zu blättern, mich gleichsam in<br />
vergangene dunkle Zeiten zurückzuversetzen.<br />
Es sind immer die gleichen Leutchen, die da<br />
sitzen und warten, auf dem gleichen Stuhl<br />
oder auf der gleichen Kiste. Im Sommer suchen<br />
sie den Schatten der grossen Bäume<br />
auf, und im Winter wärmen sie ihre frierenden<br />
Füsse und Hände am kleinen Koksofen.<br />
Meist Juden, zäh und hartnäckig im Feilschen.<br />
Da ist nie ein Wechsel, höchstens wenn einer<br />
erkrankt oder am armseligen Verdienst verhungert.<br />
Dieser Büchermarkt ist typisch für<br />
Paris. Die Fremden kaufen hier ihre Ansichtskarten<br />
oder ab und zu ein Buch.<br />
Diesmal gehe ich misslaunig nach Hause,<br />
ich habe nichts gefunden, was mir wert<br />
schien, heimzutragen. Dünner, feiner Regen<br />
rieselt vom Himmel. Die Lichter der Stadt<br />
glänzen in den nassen, Strassen.<br />
Ich drücke mich durch enge Gassen, über<br />
breite Plätze, vorbei an Cafes, Kinos und weittorigen<br />
Theatern. Der Verkehr pulst in den<br />
Strassen, heimwärts hasten die Menschen. Die<br />
Nacht löscht alle Bilder des Tages, Freude<br />
und Elend, alles erstirbt, um am Morgen schon<br />
wieder neu zu erstehen. Nino, Paris.<br />
auch weiblichen Angehörigen ihrer Sekte,<br />
nur einige moderne technische Ausrüstungen.<br />
Die Einrichtung ist durchaus up to date<br />
gehalten, Radioapparate, elektrische Klaviere<br />
und Kochapparate, Dieselmotoren und<br />
Dynamos sind in dem zwanzig Meter langen<br />
und sieben Meter breiten Fahrzeug, das noch<br />
etwa fünf Meter über dem Wasserspiegel<br />
hervorragt, eingebaut. Lebensmittel sind nun<br />
schon seit erheblich langer Zeit in besonderen<br />
Kühlräumen aufbewahrt, das kuriose<br />
Schiff ist also in jeder Zeit zum Empfang<br />
der Sintlut bereit. Berechtigte Zweifel an<br />
dem Wert der drahtlosen Einrichtungen<br />
kommen allerdings auf, wenn man bedenkt,<br />
dass die richtige Sintflut ausser diesen paar<br />
Heiligen die ganze Welt ertränken dürfte,<br />
also wohl kaum Gelegenheit bliebe, mit irgendjemanden<br />
drahtlos zu korrespondieren.<br />
Man hat sogar strenge Vorkehrungen getroffen,<br />
um allfälligen Schwarzfahrern den<br />
Eintritt unbedingt zu verwehren, denn<br />
schliesslich und endlich — und da mögen die<br />
beiden Neunmalweisen durchaus recht haben<br />
— jedermann kann sich ja auch eine ähnliche<br />
Arche einrichten, um künftigen Wolkenbrüchen<br />
gegenüber vollkommen gefeit zu<br />
sein.<br />
Lernen Sie Geländerrutschen!<br />
Mr. Sumington, eine prominente Persönlichkeit<br />
des amerikanischen Finanzlebens,<br />
der als einer der treuesten Anhänger Morgans<br />
bekannt ist, erzählte neulich einem<br />
New Yorker Reporter die Geschichte seiner<br />
Laufbahn, die er als <strong>Zeitung</strong>sjunge angefangen<br />
hatte. Als solcher war er vor 38 Jahren<br />
in einem Bankgebäude in New York, wo er<br />
im ersten Stock eine <strong>Zeitung</strong> abzugeben<br />
hatte, das Geländer heruntergerutscht zu<br />
schnellerer Erledigung seiner Botengänge.<br />
Eines Tages prallte er dabei einem Herrn<br />
an die Brust; es war J. P. Morgan, der an<br />
der unerschrockenen Weise, in welcher sich<br />
der Jüngling rechtfertigte, Gefallen fand und<br />
ihm eine Anstellung verschaffte. Sumingtort<br />
hat sich dann zu den höchsten Stellen in<br />
Morgans Gesellschaften emporgearbeitet. ,<br />
«Gewendeter» Kommunismus.<br />
^<br />
Bei einem Moskauer Schneider erschien<br />
vor einiger Zeit ein Kunde und bestellte sich<br />
einen Anzug. Nachdem Mass genommen war<br />
und der Schneider nach besonderen Wünschen<br />
fragte, äusserte der Kunde nur eine<br />
einzige Bitte: «Vergessen Sie doch nicht, die<br />
Tasche im Sakko nicht links, wie sonst üblich,<br />
sondern rechts anzubringen^ Der<br />
Schneider zerbrach sich den Kopf über das<br />
sonderbare Verlangen. Als der Anzug abgeliefert<br />
wurde, hielt er es nicht länger aus<br />
und erlaubte sich die Frage: «Würden Sie<br />
mir verraten, Genosse, weshalb Sie die Tasche<br />
an der rechten Seite wünschen?» «Das<br />
ist sehr einfach», antwortete der Kunde, «iclx<br />
habe eine Stelle im Kommissariat für Volksunterricht<br />
erhalten. Erscheine ich in einem<br />
neuen Anzug, dann kann man mich leicht<br />
einer bürgerlichen Lebensanschauung und<br />
— Gott behüte — konterrevolutionärer Gesinnung<br />
verdächtigen. Bestenfalls würde<br />
man sagen, dass ich einen Griff in die<br />
Staatskasse getan habe. Deshalb muss der<br />
Anzug so aussehen, als ob er nur gewendet<br />
wäre.»:<br />
Ein schicksalshaiter Ring.<br />
Vor einem Jahre fiel der fetzigen Frau<br />
Jeanne Lasconjaras in Limoges (Frankreich)<br />
der funkelnagelneue Verlobungsring, den siesoeben<br />
von ihrem Bräutigam erhalten hatte,<br />
bei einem Spaziergang auf den Büngersteig,<br />
so dass er in den Rinnstein rollte und spurlos<br />
verschwand. Vor einigen Tagen nun<br />
stellte ein Nachbar von Frau Lasconjaras<br />
eine grosse Falle auf, um etwas gegen die<br />
Ratten, die allnächtlich in seine Wohnung:<br />
eindrangen, zu unternehmen. Die erste<br />
Ratte, die gefangen wurde, trug den von der<br />
jungen Frau vor einem Jahre verlorenen<br />
Trauring um ihren Hals.<br />
Aerzte als Märtyrer Birer Arbeit.<br />
Professor Dr. Frisch, Direktor des Rudolfiner-Spitals<br />
in Wien, ist ebenso wie sein<br />
Kollege Dr. Michalek als Opfer seines Berufs<br />
an schwerer Blutvergiftung erkrankt*<br />
Dr. Michalek hat sich bei der Hausbehandlung<br />
eines sehr renitenten achtjährigen Knaben<br />
eine Infektion zugezogen, und Professor<br />
Dr. Frisch, der Michalek daraufhin operierte,<br />
hat sich, trotz aller Vorsicht, ebenfalls infiziert.<br />
Die Professoren Eiseisberg und Breitner<br />
kämpften tagelang, um ihre beiden Kollegen<br />
am Leben zu erhalten, wofür noch<br />
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