E_1930_Zeitung_Nr.101
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16 AUTOMOBIL-REVUE <strong>1930</strong> — N° IDT<br />
Bunte Chronik aus aller Welt<br />
Hosenkrieg in Kanada.<br />
Die Studenten der kanadischen Hochschulen<br />
fechten zur Zeit einen harten Strauss<br />
aus. Allerdings nur einen hosen-politischen!<br />
Sie rennen mit Gewalt gegen die bestehende<br />
Verordnung der Universitätsbehörd&n an,<br />
nach der es streng verboten ist, die Räume<br />
der Hochschulen in kurzen Hosen zu betreten.<br />
Da Verbote aber die Opposition bekanntermassen<br />
immer radikaler machen, haben<br />
die kanadischen Studenten neuerdiings beschlossen,<br />
überhaupt keine langen Hosen<br />
mehr zu tragen.<br />
Eine Stadt mit mehr als 1300 baufälligen<br />
Häusern.<br />
Mexiko City, eine Stadt mit weit über<br />
600,000 Einwohnern, bemüht sich in jüngster<br />
Zeit energisch um die Besserung der Wohnhygiene<br />
seiner Bürger. Sämtliche Häuser der<br />
Stadt werden von einer Baukommission geprüft,<br />
die das Recht hat, Reparaturen vorzuschreiben<br />
und die Häuser niedefreissen zu<br />
lassen, falls die Reparaturen nicht umgehend<br />
ausgeführt werden. Unter den bisher untersuchten<br />
10,000 Häusern waren 1346 dringend<br />
reparaturbedürftig und mussten zum Teil sofort<br />
geräumt werden. In den Vororten wurden<br />
257 baufällige Hütten, dte leicht zu Brutstätten<br />
ansteckender Krankheiten hätten<br />
werden können, einfach niedergerissen.<br />
F E U I L<br />
Die Geburt des Autos<br />
Von Jlja Ehrenburg.<br />
(Schluss).<br />
den «aufgeklärtesten Zeitgenossen» genannt.<br />
Zola hat graues Haar, aber er ist weit<br />
jünger als sein Jahrhundert. Asthmatisch<br />
keuchend, sucht er einen Blick ins neue<br />
Jahrhundert zu werfen. Seine Brüder im<br />
Zeichen der Feder schildern die Harems<br />
von Konstantinopel, die Liebe inmitten<br />
florentinischer Altertümer oder die Tränen<br />
einer verlassenen Provinzlerin. Zola<br />
ist mit anderem beschäftigt: gierig<br />
lauscht er dem Brüllen der Börse, dem<br />
düsteren Schürfen der Bergleute, dem<br />
Lärm der Maschinen. Die Fahrt von Paris<br />
Island nützt seine heissen Quellen aus.<br />
Während bisher die heissen Quellen Islands<br />
nur vereinzelt verwertet wurden, wird jetzt<br />
eine Ausnutzung im grossen in die Wege geleitet.<br />
Der Althing nahm ein Gesetz an, das<br />
der Regierung und den Gemeinden das<br />
Recht verleiht, über alle heissen Quellen zu<br />
verfügen. Die Regierung hat bereits im<br />
Süden des Landes fünf Güter angekauft, auf<br />
denen sich 50 solcher Quellen befinden. Auf<br />
einem dieser Güter ist eine grosse Meierei<br />
eingerichtet worden, bei der alle Maschinen<br />
mit diesem unterirdischen Dampf geheizt<br />
werden. Ein anderes Gut wird in eine Heilstätte<br />
für Lungenkranke umgewandelt. Die<br />
Meierei rentiert sich so vorzüglich, dass ein<br />
weiteres derartiges Unternehmen in grossem<br />
Umfang in der Nähe der Hauptstadt eingerichtet<br />
wird. Sehr erfolgreiche Versuche<br />
sind mit der Heizung von Treibhäusern durch<br />
die Quellen gemacht worden. Alle Arten<br />
von Gemüsen werden das ganze Jahr gezogen;<br />
man hofft, auf diese Weise nicht nur<br />
Island völlig unabhängig von fremder Gemüseeinfuhr<br />
zu machen, sondern sogar Gemüse<br />
in grossem Massstab ausführen zu<br />
können.<br />
Ein Fürst als Juwelenreisender.<br />
Der vormalige Gatte der Filmdiva Pola<br />
Negri, der georgische Fürst Mdivani, muss<br />
sich jetzt selbst sein Brot verdienen. Nach<br />
langem Hin und Her und vielen gerührten<br />
Versöhnungen hat sich das Paar nun endgültig<br />
getrennt, und die vierjährige Ehe ist<br />
in die Brüche gegangen, obwohl die beiden<br />
gute Freunde bleiben. Der Fürst sucht sein<br />
elegantes Aeusseres, sein vornehmes Auftreten<br />
und seine Edelsteinkenntnis auszunutzen,<br />
die er sich an dem Schmuck seiner bis-<br />
nach Versailles war für ihn nicht nur ein<br />
heroisches Pieknick, sie war eine Erkundigungsfahrt<br />
ins zwanzigste Jahrhundert,<br />
und lächelnd antwortet er dem Vorsitzenden<br />
des Klubs:<br />
«Die Zukunft gehört dem Automobil.<br />
Ich bin hiervon überzeugt. Die ganze Bedeutung<br />
einer derartigen Erfindung lässt<br />
sich jetzt nur schwer ermessen. Die Entfernungen<br />
werden sich verringern, folglich<br />
ist das Automobil ein neuer Träger<br />
der Zivilisation und des Friedens.<br />
Schliesslich wird es zweifellos das Wohlergehen<br />
erhöhen...»<br />
Philippe Lebon träumte im Jahre 1798<br />
von allgemeiner Wohlfahrt. Sein Motor<br />
ist niemals gebaut worden. Jetzt haben<br />
wir das Jahr 1898. Emile Zola ist von Paris<br />
nach Versailles gefahren. Emile Zola<br />
spricht von Wohlergehen. Das Automobil<br />
indes knirscht und stinkt.<br />
Herr Hay ist nicht Emile Zola. Er ist<br />
nicht der berühmte Schriftsteller und<br />
nicht der Held der Dreyfusfreunde. Er ist<br />
ein mittelmässiger Advokat. Er lebt in<br />
Poitiers, in dem langweiligen, kleinlichen<br />
Poitiers, wo sich die Gebeine der «heiligen<br />
Radegunde und sechzehn Altersheime befinden,<br />
wo alle mit den Hühnern zu Bett<br />
herigen Gattin erworben hat; er ist daher<br />
Geschäftsreisender einer bekannten Juwelierfirma<br />
geworden. Die Märchenträume von<br />
Hollywood sind geschwunden, und er geht<br />
mit einem Köfferchen « auf die Tour», ein<br />
Opfer der launischen Pola.<br />
Ueberproduktion an Intellektuellen.<br />
Die « Chronik der Menschheit» stellt folgende,<br />
nicht nur. für Deutschland symptomatische<br />
Tatsachen fest : Der Besuch der deutschen<br />
Hochschulen und Schulen deckt sich<br />
nicht mehr mit dem Bedarf an Arbeitskräften.<br />
Der Bedarf an Aerzten beträgt nach<br />
vorsichtiger Schätzung 46,000. Da bereits<br />
49,000 vorhanden sind, ist für den jährlichen<br />
Nachwuchs von 1000 kein Platz mehr. Im<br />
Jahre 1927 kam auf 6400 Einwohner ein<br />
Richter und auf 3900 ein Rechtsanwalt. In<br />
absehbarer Zeit wird der unhaltbare Zustand<br />
erreicht sein, dass auf 2000 Einwohner ein<br />
Anwalt entfällt. Bei den Philologen steht<br />
einem Angebot von 18,000 Studienreferendaren<br />
ein Bedarf von 4300 gegenüber. Dabei<br />
wachsen die Besuchszahlen der höheren<br />
Schulen noch ständig. Die Vermehrung der<br />
Studentenzahl beträgt gegenüber der Friedenszeit<br />
60 Prozent. Wie ungesund die Entwicklung<br />
ist, beweist, dass nach Untersuchungen<br />
des Bremer Stadtschulrates für rund<br />
7000 Schüler der Stadt Bremen 42,4 Prozent<br />
der Schüler die höhere Schule verlassen, ehe<br />
die Abschlussreife oder überhaupt ein Teilziel<br />
erreicht ist Die Erklärung für den gewaltigen<br />
Andrang zu den höheren Schulen<br />
gibt der noch immer vorhandene falsche gesellschaftliche<br />
Ehrgeiz mancher Eltern, die<br />
Meinung, die Kinder durch möglichst hohe<br />
gehen, sobald es dunkel wird, wo eine<br />
Operette ein Skandal und Herr Millerand sich ein Stier auf so einen Phaethon, der<br />
der Antichrist ist. Aber Herr Hay ist einChauffeur sprang in einen Graben... Man<br />
Mann des Fortschritts. Er fuhr einmal zog ihn zum Glück noch heraus.. •»<br />
nach Paris und sah dort einen der Phaethons<br />
ohne Pferde. Seitdem verfolgt ihn mer an. Nichts mehr kann ihn zurückhal-<br />
Herr Hay hört zerstreut all dies Gejam-<br />
der eine Traum — sich so einen Wagen zu ten. An einem schönen Apriltag fährt er<br />
kaufen. Das Automobil saust wie ein<br />
Sturmwind dahin. Zwar braucht Herr<br />
Hay nirgendhin zu eilen, auch weiss er,<br />
dass man mit einem Automobil nicht weit<br />
kommt. Die Freunde spotten: «Ein Spielzeug,<br />
zudem ein gefährliches!» Aber Herr<br />
Hay träumt von einem Automobil, wie<br />
Schulknaben vom Heldentod des Indianerhäuptlings<br />
«Sperberkralle».<br />
Ein selbstfahrender Wagen ist teuer.<br />
Herr Hay hat sich für schlimme Zeiten<br />
etwas zurückgelegt. Er trennt sich von<br />
seinen Ersparnissen. Wozu erst warten?<br />
Zeiten der Not pflegen plötzlich einzutreten.<br />
Sämtliche Insassinnen der sechzehn<br />
Altersheime bekreuzigen sich und verkriechen<br />
sich in ihre Kämmerehen. Der Maire<br />
erlässt eine eilige Verfügung. Noch versuchen<br />
die Freunde des Herrn Hay, den<br />
Wahnsinnigen zur Vernunft zu bringen:<br />
«In der Nähe von. Mehun haben Kühe<br />
eine Maschine überfallen, und der Besitzer<br />
wäre fast ums Leben gekommen.<br />
Und in der Umgebung von Triel stürzte<br />
mit seiner Frau zur Stadt hinaus. Das<br />
Automobil fährt in vollem Tempo: vielleicht<br />
dreissig Kilometer in der Stunde!<br />
Ausbildung vor Existenzsorgen besser schützen<br />
zu können usw.<br />
10 Meilen künstlichen Nebels<br />
wurden für einen neuen Bancroft-Film der<br />
Paramount auf hoher See hergestellt, um<br />
einen der Höhepunkte des Films, den Zusammenstoss<br />
zweier Schiffe in dichtem Nebel filmen<br />
zu können. Da es anscheinend unpraktisch<br />
oder unmöglich war, auf die Suche<br />
nach natürlichem Nebel zu gehen, musste zu<br />
dieser Hilfe gegriffen werden. Die Anleitung<br />
zur Herstellung des künstlichen Nebels wurde<br />
von dem amerikanischen Kriegsministerium<br />
besorgt. Ein grosses Motorboot wurde<br />
von den Technikern der Paramount mit den<br />
Gasbehältern und allen notwendigen Geräten<br />
und Materialien versehen und ein vollkommen<br />
natürlicher Nebel entstand unter<br />
dem Kommando des Regisseurs Rowland V.<br />
Lee. Der Nebel wurde 30 Meilen von der<br />
südkalifornischen Küste aus gelegt, entfernt<br />
von den bekannten Schiffsrouten, um eventuelle<br />
Unfälle zu vermeiden.<br />
Das Telephon in der Schule.<br />
Das englische Postministerium hat auf eine<br />
Anfrage eines Unterhausmitgliedes mitgeteilt,<br />
dass es die Frage der Unterweisung<br />
von Kindern im Gebrauch des Telephons aufs<br />
ernsthafteste prüft. Es sei beabsichtigt, in<br />
den Schulen regelmässige Kurse für den Gebrauch<br />
des Telephons einzuführen. Im übrigen<br />
wurde bei dem gleichen Anlass erklärt,<br />
der Wahlspruch des englischen Postministeriums<br />
sei: In jede Wohnung ein Telephon.<br />
Der Motor röchelt und rackert sich ab. Er<br />
ist noch neu, dieser Motor, neu sind auch<br />
die blinkenden Räder. Alt wie die Welt<br />
ist nur die grausame Freude im Herzen<br />
des Herrn Hay: er rast dem Tode entgegen.<br />
Beim ersten starken Gefälle bricht die<br />
Bremse, und die Mutigen stürzen unter<br />
die Räder. Bauern betrachten aus der<br />
Ferne die Leichen: sie haben Angst, sich<br />
dieser furchtbaren Maschine zu nähern.<br />
Herrn Hay wird niemand ein Denkmal<br />
setzen. Er hat nichts erfunden. Er hat<br />
sich nur einen Phaethon ohne Pferde gekauft<br />
und ist mit seiner Frau zur Stadt<br />
hinausgefahren. Zola las in der <strong>Zeitung</strong><br />
von der entsetzlichen Katastrophe. Zola<br />
begann nicht, wie die Journalisten, das<br />
Automobil zu verwünschen. Nein, die<br />
Schlussfolgerung liege auf der Hand: man<br />
müsse festere Bremsen herstellen. In dreissig<br />
Jahren würden die glücklichen Enkel<br />
mit Erstaunen die Berichte von den Autokatastrophen<br />
anhören... Was das Wohlergehen<br />
anbelange, so werde es unbedingt<br />
steigen.<br />
Herr Emile Zola ist ein Mensch des<br />
neuen, des zwanzigsten Jahrhunderts,<br />
folglich ist er ein Optimist.<br />
ENDE<br />
em Zeit<br />
der bereite sich einmal<br />
eine Tasse Caotonic. —<br />
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schütte man in eine<br />
Tasse heisse Milch,<br />
rühre gut um u. das<br />
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getränk ist schon<br />
fertig. Also keine<br />
zeitraubenden Vor*<br />
bereitungen, keine<br />
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