E_1933_Zeitung_Nr.073
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Bauarbeiten, d. h. am 15. Juli 1931. war es<br />
unter Anspannung aller Kräfte möglich gewesen,<br />
das erste Teilstück der Salzburger-<br />
Rampe von Dorf Fusch nach Ferleiten dem<br />
allgemeinen Verkehr zu übergeben. Seit dieser<br />
BetriebsefÖffnung wurde die Hauptleistung<br />
der Arbeit auf die Bergstrecke Ferleiten-Hochmais<br />
verlegt. Die zu bewältigenden<br />
Schwierigkeiten an diesem Strassenstück<br />
waren sehr gross, galt es doch, dem bisher<br />
nur von steilen Alpwegen durchauerten Boden<br />
eine Strasse abzuringen, die allen Anforderungen<br />
zu entsprechen hat, welche gegenwärtig<br />
an eine Hochgeibirgs-Automobilstrasse<br />
gestellt werden können. Die Strecke<br />
erforderte bedeutenden Aufwand an Mauerwerk;<br />
um die Strasse vor Katastrophen-<br />
Hochwassern des Pfierselbaches zu schützen,<br />
musste der Bachlauf auf eine grössere<br />
Länge durch eine Regulierung eingefasst<br />
werden. In 6 Kehren erreicht die Strasse die<br />
Waldgrenze auif Kote (1850 m). Am 1. September<br />
1932 wurde die Salzburger-Rampe<br />
der Grossglockner-Hochalpenstrasse dem allgemeinen<br />
Verkehr übergeben, womit dem<br />
Automobilisten ein Stück Neuland von hochalpiner<br />
Schönheit erschlossen wurde.<br />
sten Seitentälern mit kleinen Lokalbahnen<br />
nirgends mehr anzutreffen, ein Zeichen dafür,<br />
dass die Bahnverwaltungen dem Autoverkehr<br />
gegenüber eine bedeutend rücksichtsvollere<br />
Haltung einnehmen, als dies oft<br />
noch bei uns zutrifft.<br />
Ein anderes Kapitel, über das sich Bände<br />
schreiben Hesse, betrifft die Verkehrsdisziplin<br />
und namentlich die Einstellung des Publikums<br />
zum Automobilisten. In Italien wie<br />
in Oesterreich lässt sich durchwegs eine entgegenkommende<br />
Haltung speziell gegenüber<br />
dem ausländischen Fahrer feststellen. Trotz<br />
Staub und Hitze, trotz Kotspritzer und Regen<br />
hört man nur selten den Automobilisten<br />
die bei uns beliebten « Kosenamen » nachrufen.<br />
Jeder Strassenwärter, und es ist auffallend,<br />
wie auf Haupt- und Nebenstrassen deren<br />
viele anzutreffen sind, sei es in den Dolomiten,<br />
im Tirol, im Salzburgischen oder im<br />
Kärntnerland, erhebt die Hand zum Gruss<br />
und jung und a!t erteilt, wenn nötig bereitwilligst<br />
Auskunft. Man hat das Gefühl, dass<br />
von höchster Stelle herab das Volk zur<br />
Freundlichkeit und zum Entgegenkommen<br />
gegenüber dem Ausländer erzogen und ihm<br />
die Bedeutung des Autotourismus im beson-<br />
Die Südrampe hat, wie bereits erwähnt, dern eingehämmert wird. Das gleiche gilt<br />
ihren Ausgangspunkt in Heiligenblut und im die Zollorgane wie für die Hüter der öffentlichen<br />
Ordnung. Oft werden die fremden<br />
führt zuerst in östlicher Richtung zum Teil<br />
durch Felder, zum Teil durch Wald, in die Automobilisten nach dem Wohin und Woher<br />
AJpenregion hinauf. Am Schöneck (1958 m) befragt, nicht aber, um sie auszuforschen,<br />
öffnet sich der Blick auf den Grossglockner sondern um mit Ratschlägen beizustehen und<br />
und den Pasterzengletscher, worauf die auf Sehenswürdigkeiten aufmerksam zu machen.<br />
Vielleicht bricht auch einmal bei uns<br />
Strasse im Bogen um das Glocknerhaus und<br />
weiter in gestreckter Linie zum Pfandlschartenbach<br />
führt. Darauf erfolgt der turm-<br />
der Bahnen, deren viele sowieso auf dem<br />
das Zeitalter an, wo nicht nur im Interesse<br />
artige Aufbau von vier Kehren, alle am Osthange<br />
der Freiwand gelegen. Bei km 16 ist kongresse aufgezogen werden, sondern wo<br />
Aussterbeetat stehen, grossartige Verkehrs-<br />
der Parkplatz auf der Franz-Josefshöhe, der man auch einzusehen beginnt, dass der einheimische<br />
wie der fremde Automobilist einen<br />
Endpunkt der fertigerstellten Strasse erreicht.<br />
Die Kärntner-Rampe der Grossglocknerstrasse<br />
ist am 2. Oktober 1932 durch den nicht nur Abgaben verlangen kann, sondern<br />
Wirtschaftsfaktor darstellt, von dem man<br />
österreichischen Bundespräsidenten dem öffentlichen<br />
Verkehr übergeben worden. Das<br />
den man auch zu seinem Recht, speziell<br />
auch hinsichtlich besser ausgebauten Alpenstrassen,<br />
kommen lassen muss. Wy.<br />
Mittelstück, d.h. die die Nord- mit der Südrampe<br />
verbindende Scheitelstrecke von 17,3<br />
Kilometer Länge, ist zurzeit noch im Bau und<br />
dürfte im Jahr 1934/35 dem Verkehr übergeben<br />
werden. Bei Palik (1862 m) beginnt<br />
Schweizerische Rundschau<br />
die Abzweigung von der Route Heiligenblut—Franz-Josefshöhe,<br />
um nach Ueberwin-<br />
Bündner<br />
dung einer Höhendifferenz von rund 700 m Alpenstrassen-Projekte.<br />
in Hochmais den Anschluss an die Nordrampe<br />
herzustellen.<br />
lich mit eidgenössischen und kantonalen<br />
Die Vereinigung «Pro Blenio » hat kürz-<br />
Forstinspektoren die Lukmanierstrasse begangen,<br />
um die Frage abzuklären, welche<br />
An dieser grosszügigen Anlage, möchten<br />
alle diejenigen Kreise in der Schweiz ein Lawinen- und andere Schutzbauten speziell<br />
Beispiel nehmen, die glauben, durch kleinliche<br />
Sonderinteressen dem Automobilver-<br />
Kapelle oberhalb Olivone) und der Passhöhe<br />
zwischen Acquacalda (einige Ställe mit einer<br />
kehr alle möglichen Hindernisse in den Weg noch erstellt werden müssen, um die Lukmanierroute<br />
während des ganzen Jahres be-<br />
legen zu müssen. Durch ihr initiatives Vorgehen<br />
beweisen unsere östlichen Nachbarn, fahren zu können. Diese Bestrebungen dürften<br />
denjenigen parallel gesetzt werden, die<br />
dass sie die Forderungen des Tages begriffen<br />
haben und gewillt sind, auch Opfer auf die Untertunnelung des San Bernärdinöpasses<br />
in die Wege leiten möchten, um über<br />
sich zu nehmen, die sich später mehr, als<br />
bezahlt machen müssen.<br />
einen der Bündner Pässe eine das ganze<br />
Mit dem Bau der Grossglocknerstrasse hat Jahr offene und fahrbare Autdmobilstrasse<br />
es aber nicht allein sein Bewenden, sondern herzustellen. Bekanntlich führt die Lukmanierroute<br />
von Olivone bis Aquacalda<br />
Oesterreich ist bemüht, auch die übrigen<br />
Strassen nach und nach in einen derartigen durch Erlenabhänge und von da durch<br />
Zustand zu versetzen, dass sie den Anforderungen<br />
des modernen Motorfahrzeugverkehrs Höhe von 1917 m steigende Passstrasse wohl<br />
Tannenbestände, so dass diese bis auf eine<br />
zu genügen vermögen. Speziell fällt dabei zu den günstigsten Winterrouten gezählt<br />
die gute Strassenwartung auch auf Strecken werden darf. Für die in Frage kommenden<br />
zweiter oder dritter Klasse auf. Selten trifft Schutzbauten sollen Projekte ausgearbeitet<br />
man Bahnübergänge ohne Doppelschienen. werden, wobei jedoch die Hoffnung auszusprechen<br />
ist, dass für diese derartige Di-<br />
Niveaukreuzungen wie z. B. bei Schönbühl<br />
oder Roggwi! an der Hauptstrecke Bern- mensionen vorzusehen sind, um bei einem<br />
Olten, die man mit aller Vorsicht befahren endgültigen Ausbau der Strasse nicht wieder<br />
rriuss, sind selbst in Oesterreich abgelegen-<br />
vergrössert oder verstärkt zu werden. Im<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1933</strong> - N° 73<br />
Kanton Tessin wie im Bündner Oberland<br />
wird neuerdings darauf aufmerksam gemacht,<br />
dass der Lukmanierpass die günstigsten Verkehrsverhältnisse<br />
für eine internationale<br />
Automobilstrasse durch Qraubünden aufweist.<br />
Zu Zeiten der Eisenbahnbauten des<br />
19. Jahrhunderts war bekanntlich diese<br />
Strecke für den Bau einer bündnerischen<br />
Alpenbahn vorgesehen, ein Projekt, das später<br />
allerdings von der Gotthardlinie überflügelt<br />
wurde. Sollte sich das Lukmanier-<br />
Winterstrassenprojekt realisieren lassen, was<br />
in Anbetracht der nur wenigen Lawinenzüge,<br />
die diese Route bedrohen, wohl möglich sein<br />
sollte, so muss aber auch ein Ausbau (Verbreiterung)<br />
der Strasse Reichenau—Disentis<br />
angestrebt werden.<br />
Im Bündnerland verlautet zurzeit, dass der<br />
Fahrweg von Tschappina (1583 m) nach Glas<br />
in eine solide Autostrasse umgebaut werden<br />
soll. Diese Meldung dürfte wohl dahin zu<br />
ergänzen sein, dass Bestrebungen im Gange<br />
sind, die von Thusis (722 m) über Urmein<br />
(1273 m), Tschappina nach Ausser-Glas führende<br />
Strasse dritter Klasse auszubauen.<br />
Zwecks Verbindung mit Safien-Platz (zirka<br />
1300 m) ist eine Weiterführung durch Ausbau<br />
des Fussweges über Inner-Glas (1710 m)<br />
vorgesehen, wobei aber zur Ueberwindung<br />
einer Höhendifferenz von rund 400 m auf<br />
einer Strecke von nur 1 km derart hohe Anlagekosten<br />
verschlungen würden, dass diese<br />
Linienführung kaum in Betracht kommen<br />
dürfte. So ist denn bereits eine andere Variante<br />
zur Diskussion gestellt worden, die<br />
eine Verbindung des Safientals mit Thusis<br />
über Glas, Pischolen- und Tristelalp (2000 m)<br />
nach Neukirch vorsieht. Wenn auch die<br />
Erschliessung abgelegener bündnerischer<br />
Seitentäler durch den Bau von Autostrassen<br />
nur begrüsst werden kann, so möchten wir<br />
doch die Auffassung vertreten, in erster<br />
Linie für den Ausbau der internationalen Verbindungsrouten<br />
die genügenden Mittel zur<br />
Verfügung zu stellen, bevor an neue Projekte<br />
herangetreten wird.<br />
my.<br />
Fussgängerstreifen.<br />
Die Markierung der Fussgängerstreifen in<br />
den wichtigsten Verkehrsadern unserer<br />
Städte lässt vielfach zu wünschen übrig.<br />
Ziehen wir in Rechnung, dass es gegenwärtig<br />
mit der Verkehrsdisziplin der Strassenbenützer<br />
noch nicht zum besten bestellt ist,<br />
so müssen wir die gegenwärtigen Markierungsmethoden<br />
als ungenügend bezeichnen.<br />
Wir wollen nicht die Bemühungen der städtischen<br />
Polizeiorgane in ein falsches Licht<br />
setzen, doch zeigen sowohl die Beobachtungen<br />
der Verkehrspolizei wie auch die unsrigen,<br />
wie wenig Respekt der Strassenbenützer<br />
vor diesen besonderen Zonen aufbringt.<br />
Irgend etwas ist also nicht in Ordnung.<br />
Nachstehend seien einige Fehler registriert,<br />
die sich dutzend- und hundertfach<br />
wiederholen, trotz «richtig» bezeichneter Zonen:<br />
Neben der Zone laufende Fussgänger,<br />
Anhalten der Motorfahrzeuge und Fahrräder<br />
innerhalb der- Zone und damit Behinderung<br />
der Fussgänger, Parkieren von Fahrzeugen<br />
auf den Streifen oder in deren unmittelbarer<br />
Nähe, Abwarten der Fussgänger<br />
auf den Streifen statt auf dem Trottoir usw.<br />
Selbst da, wo in den Stosszeiten ein Polizeimann<br />
den Go- und Stop-Verkehr über den<br />
Fussgängerstreifen leitet, zeigen sich diese<br />
und andere Fehler auffallend oft. Es müssen<br />
daher gewichtige Mängel in unserer Verkehrsregelung<br />
vorhanden sein, die dem<br />
Durchschnittsstrassenbenützer, der nicht allzuweit<br />
über seine Nase hinaussieht, zu Verstössen<br />
gegen die Verkehrsordnung verleiten.<br />
Die Anlage grosser Verkehrsadern (um<br />
diese handelt es sich hier ausschliesslich)<br />
liegt heute den Bauvorständen der Städte<br />
ob, die diese Hauptstrassen und die Platzanlagen<br />
nach ausschliesslich lokalbedingten<br />
Erfahrungen, d. h. ohne jene nützlichen<br />
Kenntnisse ausführen, welche die Strassenbauer<br />
der Grossstädte sich in langen Jahren<br />
erworben haben. Grundlegende Erfahrungen<br />
im Gebiete der Verkehrsregelung bleiben<br />
somit unberücksichtigt. Ist es wirklich notwendig,<br />
dass auch wir in der Schweiz eine<br />
ebensolange Lehrzeit durchkosten müssen,<br />
für die das Ausland viel Geld aufwendete?<br />
Nicht alle Jahre werden in einer von unseren<br />
wenigen grossen Schweizer Städten<br />
alte Plätze den Bedürfnissen des intensiveren<br />
Verkehrs angepasst oder neue Plätze erstellt,<br />
die doch mindestens 15 bis 20 Jahre den Erfordernissen<br />
genügen sollen. Um so grösser<br />
dürfte die Aufmerksamkeit sein, die man diesen<br />
Projekten widmet und um so angebrachter<br />
die elementare Forderung, es seien die<br />
Pläne durch Fachleute des Auslandes zu begutachten<br />
(was beispielsweise beim Bubenbergplatz<br />
in Bern nicht geschah). Ist einmal<br />
eine Platzanlage nach unrichtigen Prinzipien<br />
erstellt, so darf niemand erstaunt sein, wenn<br />
dort die Verkehrsregelung zunehmende<br />
Schwierigkeiten bereitet und die Erstellung<br />
von Fussgängerstreifen die Abwicklung des<br />
Fahrverkehrs empfindlich stört.<br />
Sehen wir uns aber um, was sonst für die<br />
richtige Anlage und die gehörige Markierung<br />
der Fussgängerstreifen getan werden kann.<br />
Ausgehend von der Feststellung, dass eine<br />
Mehrzahl der Strassenbenützer den Fussgängerstreifen<br />
recht wenig Beobachtung<br />
schenkt, verlangen wir eine deutlichere Kennzeichnung<br />
der Fussgängerstreifen. Die Metallnägei<br />
sind, auch wenn sie in grösserer Zahl<br />
die Oberfläche der Strasse zieren, für den<br />
Fahrer nicht sonderlich gut sichtbar, denn<br />
er blickt ja nicht neben dem Auto auf de<br />
Boden, sondern weit vor dem Auto. Jedei<br />
stadtunbekannte Lenker wird die Schutznägel<br />
daher stets zu spät erkennen und beim Anhalten<br />
in die Fussgängerzone hineingeraten.<br />
Fassen wir die bisherigen Erfahrungen mit<br />
den Metallnägeln zusammen, so kommen wir<br />
zu ihrer Ablehnung, weil die Nägel mit ihrer<br />
grauen Farbe nur undeutlich markieren und<br />
weil mit diesen Nägeln mehr Geld als<br />
notwendig in die Strasse versenkt wird.<br />
In mehreren Staaten des Auslandes ist<br />
man mit Recht von diesen überflüssigen<br />
«Verkehrswarzen » abgekommen. Mit einfachen<br />
Mitteln lässt sich die Markierung<br />
der Fussgängerstreifen besser ausführen.<br />
Der weisse Strich in einer Breite von<br />
mindestens 20 cm erfüllt die Erfordernisse<br />
der Sichtbarkeit in höherem Masse und<br />
ist auch bei Nacht sehr gut zu erkennen.<br />
Selbstverständlich halten diese Striche nicht<br />
so lange wie Metallnägel, aber das Wiederauffrischen<br />
ist keine grosse Sache; ganz ab<br />
gesehen davon, lassen sich diese bemaltet.<br />
Markierungsstreifen an veränderte Verhältnisse<br />
rascher anpassen. Auch zur Bezeichnung<br />
getrennter Fahrbahnen und zur Andeutung<br />
der Kurven leisten diese weissen<br />
Striche wertvollere Dienste als Nägel.<br />
Je deutlicher die Signalisierung der Fussgängerstreifen<br />
erkennbar ist, um so fliessender<br />
wird sich der Verkehr abwickeln- Die<br />
Tätigkeit der Verkehrspolizei erübrigt sich<br />
dann ohne weiteres und der Verkehr läuft<br />
automatisch, womit jenes Ziel erreicht wäre,<br />
das wir als zweckmässig erachten.<br />
«Jawohl.»<br />
«Sie werden die Sendungen auch niemals<br />
selbst in den Kasten werfen, sondern auch<br />
das meinem Kommittenten überlassen. Was<br />
brauchen Sie an Geldmitteln?»<br />
«Vorderhand nichts. Ich habe fünftausend<br />
Lire.»<br />
Herr Blümlein sah Eberhard etwas verwundert<br />
an. «Im Bedarfsfalle wenden Sie sich an<br />
Falieri. Sie scheinen übrigens nicht zu dem<br />
Heer der üblichen Agenten zu gehören!»<br />
«Woraus schliessen Sie "das?»<br />
«Sie wollen kein Geld!»<br />
«Ich arbeite für die Heimat!»<br />
«Das heisst: aus Patriotismus. Respekt!»<br />
Das klang nicht gerade besonders herzlich.<br />
Herr BHimlein, der den Nachrichtendienst<br />
lediglich als lohnenden Erwerb betrachtete,<br />
hatte für Idealismus wenig übrig — als Neutraler<br />
war er dazu auch nicht verpflichtet.<br />
«Bedürfen Sie noch irgendwelcher Informationen?»<br />
«Ich glaube nicht!»<br />
«Dann wünsche ich Ihnen recht viel Erfolg,<br />
und vor allem, dass Sie nicht gefasst werden.<br />
Vorsicht brauche ich Ihnen ja nicht, erst zu<br />
empfehlen — es ist ein verdammt heisser<br />
Boden, auf den Sie sich begeben. Die Italiener<br />
sind ja nicht so gefährlich, aber ich<br />
weiss, dass Nachrichtenoffiziere der Entente<br />
sich bereits in Rom und den Hauptplätzen<br />
befinden, — mit der Aufgabe, die deutschen<br />
Agenten abzufangen.»<br />
Herr Blümlein begleitete Eberhard hinaus,<br />
aber nicht direkt auf die Strasse, sondern<br />
über den Hof und durch einen Lagerschuppen<br />
in eine Nebengasse — Herr Blümlein war<br />
sehr vorsichtig. Mit Recht, denn die tüchtige<br />
Schweizer Polizei war scharf hinter allem<br />
her, was mit den Grundsätzen der Neutralität<br />
nicht unbedingt in Einklang zu bringen war.<br />
Eberhard musste sich erst orientieren, ehe<br />
er den Weg zum Hotel Venezia fand. Das<br />
Hotel war bereits geschlossen; Eberhard läutete<br />
und ging, die Melodie eines italienischen<br />
Schlagers summend, die schlecht beleuchtete<br />
Treppe hinauf, seinem Zimmer zu. Als er<br />
eben um eine Ecke bog, stiess er beinahe mit<br />
einem Mann zusammen, der anscheinend hier<br />
gewartet hatte. Mit einer halbläuten Entschuldigung<br />
wollte Eberhard weitergehen, als<br />
er hörte, wie ihm der Mann zuflüsterte:<br />
«Dante!»<br />
«Alighieri», antwortete Eberhard aufs Geratewohl.<br />
Im nächsten Augenblick fühlte er<br />
seine Hand ergriffen und kräftig geschüttelt.<br />
Er erfuhr, dass der Mann da neben ihm herzlich<br />
erfreut war, den «amigo» noch zu sehen,<br />
und ihn bat, sich noch ein paar Minuten mit<br />
ihm unterhalten zu dürfen.<br />
«PregoU, sagte Eberhard, schloss die Türe<br />
zu seinem Zimmer auf und Hess, nachdem er<br />
das Licht eingeschaltet hatte, den Fremden<br />
eintreten. Es war ein Mann von sechsunddreissig<br />
bis achtunddreis'sig Jahren; unverkennbar<br />
italienischer Typus. Aus der etwas<br />
harten, gutturalen Aussprache schloss Eberhard,<br />
dass er einen Trientiner vor sich habe.<br />
«Womit kann ich Ihnen dienen?» fragte<br />
Eberhard mit möglichster Herzlichkeit.<br />
«Sie gehören doch zur Liga, Herr Farnaglia?»<br />
«Ich sehe, dass Sie meinen Namen kennen<br />
— wahrscheinlich haben Sie aber auch meine<br />
Herkunftsangabe gelesen: Ich bin Brasilianer!»<br />
Der Italiener nickte. «Gewiss! Aber Sie<br />
sind Italiener, so gut wie ich, wenn Sie auch,<br />
wie ich, eine andere Staatszugehörigkeit<br />
haben. Und ich rechne, dass Sie Ihr italienisches<br />
Herz gerade in diesen entscheidenden<br />
Tagen um so stärker fühlen — jetzt, da ein<br />
Traum sich verwirklichen soll, den Italien<br />
seit Jahrhunderten träumt!»<br />
«Sie meinen den Krieg gegen Oesterreich,<br />
der dieser Tage beschlossen worden ist?»<br />
«Sie wissen? Natürlich — ich wusste es ja!<br />
Sie sind nur vorsichtig, sehr vorsichtig! Aber<br />
mir gegenüber brauchen Sie das nicht zu<br />
sejn! Wahrhaftig nicht!»<br />
«Um so besser! Sie gehören der österreichischen<br />
Irredenta an?»<br />
«Mehr. Ich bin ihr Führer im Trentino. Das<br />
heisst, ich war es bisher. Ich werde nicht<br />
mehr zurückkehren, denn ich halte es für<br />
selbstverständlich, dass ich in die italienische<br />
Armee eintrete und erst als Befreier die<br />
glückliche Heimat wieder betreten werde!»<br />
«Herr Dr. Umberto Lambertino also! Ich<br />
freue mich, Sie begrüssen zu können!» Eberhard<br />
reichte dem Italiener noch einmal die<br />
Hand, die dieser leidenschaftlich drückte.<br />
«Ja. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr<br />
ich dem Augenblick entgegenfiebere, in dem<br />
ich an der Spitze einer Kompagnie gegen die<br />
Bedrücker marschieren darf.»<br />
«Sie sind österreichischer Reserveoffizier,<br />
wenn ich nicht irre, Herr Dr. Lambertino!»<br />
«Erinnern Sie mich nicht daran, Herr Farnaglia<br />
— erinnern Sie mich nicht daran! Obwohl<br />
es unserer Sache nichts geschadet hat,<br />
dass ich mir einige militärische Kenntnisse<br />
erworben habe.»<br />
«Kann ich mir denken! Ich glaube darüber<br />
unterrichtet zu sein, dass Sie diese Kenntnisse<br />
in unserem Sinne verwertet haben!»<br />
«Sie wissen das?» Der Italiener fühlte sich<br />
sehr geschmeichelt. «Man tut, was man kann.<br />
Ich komme auch jetzt nicht mit leeren Händen<br />
nach dem Königreich.» Er griff in die<br />
Brusttasche und brachte ein kleines, in<br />
Wachstuch gebundenes Notizbuch zum Vorschein.<br />
«Alle Truppenteile, die der Feind<br />
für seine Südgrenze zur Verfügung hat!»<br />
«Ausgezeichnet. Aber wissen Sie auch,<br />
was Deutschland an Truppen schicken<br />
wird?»<br />
«Deutschland? An Deutschland wird ja der<br />
Krieg gar nicht erklärt!»<br />
«Weiss ich. Aber Deutschland wird darauf<br />
nicht hereinfallen!»<br />
«Sie kommen aus Deutschland, carissimo<br />
— sind Sie genauer unterrichtet?»<br />
(Fortsetzung folgt.)