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E_1933_Zeitung_Nr.096

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auch» vollkommen genügen, vergisst dabei<br />

aber, dass es gar nicht im ausschliesslichen<br />

"Interesse einer einzigen Klasse ist, um<br />

diese Aufwendungen zu begründen, sondern<br />

diese im ureigensten Wohle des gesamten<br />

Volkes liegen. So wie man seinerzeit alle<br />

Klassen für den Eisenbahnbau mobilisierte,<br />

so kann man heute ebensogut das Gesamtinteresse<br />

des Volkes mit dem modernen<br />

StraSsenbau in Uebereinstimmung bringen<br />

Dnd was den Einwand der Eisenbahnkonkürrenzierung<br />

anbetrifft, so werden die'Bahnen<br />

gar nicht oder nur bescheiden unter der Aktivierung<br />

des Strassenverkehrs zu leiden<br />

haben, weil sich der ausländische Automobil<br />

list mit seinem Wagen einfach andern Reisezielen<br />

zuwendet, wenn ihm unsere Strassen<br />

nicht genügen. Der .Autotourist gibt den be-.<br />

sten Strassen den Vorzug und scheut selbst<br />

keinen Umweg, um Routen mit grösserer<br />

Verkehrsannehmlichkeit aufzusuchen. Diese<br />

Erscheinungen können wir deutlich in unserem<br />

Lande selbst verfolgen, indem der Nordsüdverkehr<br />

bereits in starkem Masse östlich<br />

und westlich an unserer Grenze vorbeiströmt.<br />

Nur schwer, oder vielleicht auch gar nicht,<br />

lässt sich der einmal entwickelte Verkehrsstrom<br />

umbiegen oder ablenken. Haben wir.<br />

nicht in unseren Alpenbahnen ein sprechendes<br />

Beispiel für die Richtigkeit dieser Behauptung?<br />

Welche Anstrengungen würde es<br />

gekostet haben, wenn das Volk sich seinerzeit<br />

nicht hinter die Gotthardbahngesellschaft<br />

gestellt hätte, um den an unsern Grenzen<br />

vorbeiströmenden Transitverkehr übeT<br />

die Gotthardroute zu lenken? Während im<br />

vergangenen Jahrhundert die am internationalen<br />

Nordsüdverkehr interessierten Staaten<br />

mit ihren bis in den hohen Norden und zum<br />

Mittelmeer reichenden Einzugsgebieten sich<br />

verkehrspolitisch auf die Gotthardlinie einstellten,<br />

sind heute bereits Ansätze vorhanden,<br />

die die diesbezüglichen Automobilrouten<br />

um unser Land herum zu legen versuchen.<br />

Es dürfte klar sein, dass bei einer einmal erfolgten<br />

verkehrspolitischen Einstellung eine<br />

Verkehrsumlenkung kaum mehr möglich sein<br />

wird; es sei denn, dass durch Erstellung<br />

neuer oder vorzüglich ausgebauter alter<br />

Strassen gegenüber den benützten Routen<br />

eine bedeutend kürzere, leistungsfähigere<br />

Verbindung geschaffen wird. Es sind weniger<br />

Konkurrenzgründe, die heute im Auslande<br />

am Werk sind, um den bisherigen schweizerischen<br />

Durchgangsverkehr über die ausländischen<br />

Netze rollen zu lassen, sondern es<br />

ist die sich vollziehende natürliche Einstellung<br />

des Motorfahrzeugverkehrs auf die<br />

Strecken mit den kleinsten Hindernissen.<br />

Wir tragen also die Verantwortung selbst<br />

und brauchen nicht den ausländischen Neid<br />

als Siindenbock anzukreiden, wenn der internationale<br />

Autotourismus, auf den kein Land<br />

so stark wie die Schweiz eingestellt ist, unsere<br />

Grenzpfähle meidet.<br />

(Fortsetzung folgt.)<br />

Schweizerische Rundschau<br />

Verordnung über die Arbeits- und Ruhezeit<br />

der berufsmässigen Motorfahrzeugführer.<br />

Wie wir bereits in letzter Nummer berichten<br />

konnten, hat die zweitägige Expertenkonferenz<br />

• die beiden Vorentwürfe vollständig<br />

durchberaten. Es war dabei erfreulicherweise<br />

möglich, die hauptsächlichsten<br />

Differenzen zu beheben, so dass das eidg.<br />

Justiz- und Polizeidepartement nach Abklärung<br />

einiger Nebenfrasen dem Bundesrat in<br />

kürzester Zeit den endgültigen Vorschlag für<br />

die Verordnung unterbreiten kann. Man hofft<br />

«Sofia!»<br />

Mercedes hätte jubeln mögen, als ihr Eberhard<br />

die vertrauten Chiffern zeigie. Hinaus<br />

aus Russland, wo man' sich nicht rühren,<br />

wo man kaum zu atmen vermochte! Heraus<br />

aus der Untätigkeit, die aufreibender war<br />

als alle Gefahren!<br />

Eberhard verstand, was man Von ihm<br />

wollte. Er hatte aus den Blättern genugsam<br />

darüber erfahren, dass Bulgarien knapp<br />

vor der Entscheidung stand: für die Entente<br />

bder für die Mittelmächte! ' Die Entente<br />

konnte die Forderungen Bulgariens unmöglich<br />

erfüllen, ohne Serbien, das ihr mehr am<br />

Herzen lag, tödlich zu verletzen. Zudem:<br />

wäre man dem Koburger misstraüisch begegnet,<br />

auch wenn er sich zur Entente' geschlagen<br />

hätte, und als Neutraler war er<br />

gefährlich. — gefährlicher als alle anderen<br />

Neutralen zusammen. Es war wohl nur noch<br />

eine Frage yon Wochen, bis auch Bulgarien,<br />

das ohnedies noch nicht Genesene, sich zum<br />

Krieg bekannte.<br />

Er, Eberhard, vermochte natürlich in So-:<br />

fia politisch keinerlei Aufgabe zu erfüllen"*<br />

dazu waren andere Kräfte vorhanden.'Aber<br />

es gab allerlei zu erfahren, solange die Ententediplomaten<br />

sich noch in Sofia aufhielten<br />

und das Spiel noch nicht ganz verloren<br />

gaben. Und es war dort ein" verhältnismässig<br />

leichtes, jedenfalls auch ziemlich ungefährliches<br />

Arbeiten. Man war nicht ständig<br />

vom Tode bedroht.<br />

•?<br />

in offiziellen Kreisen, der Bundesrat -werde<br />

den bereinigten Entwurf so .rechtzeitig erhalten,<br />

dass seine Genehmigung* und die dazugehörige<br />

Botschaft bei Beginn der Dezembersession<br />

der Bundesversammlung vorliegen<br />

und das Geschäft dannzumal noch verabschiedet<br />

werden kann. Damit würde auf<br />

Neujahr und noch innerhalb der Jahresfrist,<br />

die für die Anpassung der besondern Vorschriften<br />

an das Automobilgesetz vorgesehen<br />

war, auch diese Materie geordnet. Es ist<br />

dann nur noch die Verordnung betreffend die<br />

Versicherung der ausländischen Fahrzeuge,<br />

wie auch die Bezeichnung der Hauwtstrassen<br />

ausstehend. Ueber die Beratungen der Expertenkonferenz,<br />

auf die wir noch zurückkommen<br />

werden, wurde inzwischen nachstehendes<br />

Communique" ausgegeben :<br />

«In der zweiten Session der Expertenkommission<br />

zur .Besprechung des Vorentwurfs des eidg. Justizund<br />

Polizeidepartements zur Verordnung über die<br />

Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer,<br />

die unter dem Vorsitz von Herrn<br />

Bundesrat Häberlin am 15. und 16. November in<br />

Bern tagte, -wurde über die hauptsächlichsten Bestimmungen<br />

eine Einigung oder doch eine bedeutende<br />

Annäherung der Gesichtspunkte der Behördevertreter<br />

sowie der Vertreter der Arbeitgeber und<br />

Arbeitnehmer erzielt. So einigte sich die Kommisaion<br />

über den Geltungsbereich der Verordnung. Die<br />

maximale wöchentliche Arbeitszeit der Motorfahrzeugführer,<br />

die im gewerbsmässigen Personentransport<br />

tätig oder die dauernd oder vorwiegend mit<br />

dem Gütertransport beschäftigt sind, wurde im Ausgleich<br />

zweier Wochen auf 54 Stunden, die Präsenzzeit<br />

inklusive Arbeitszeit auf 60 Stunden festgesetzt.<br />

Dabei war die Kommission mehrheitlich 'der Auffassung,<br />

dass die tägliche Arbeitszeit nicht mehr<br />

als 10 Stunden, mit Präsenzzeit zusammen 12 Stunden,<br />

der Dienst am Lenkrad 9 Stunden betragen<br />

Soll. Die durchschnittliche tägliche Buhezeit der<br />

berufsmässigen Motorfahrzeugführer, bezogen auf<br />

eine Arbeitswoche von sechs Tagen, wurde auf 11<br />

Stunden festgesetzt. Ueber die Festsetzung der minimalen<br />

täglichen Ruhezeit auf 9 oder 10 Stunden<br />

waren die Ansichten geteilt. Die Kommission war<br />

aber darüber einie. dass sie höchstens zweimal wöchentlich<br />

auf 8 Stunden herabgesetzt werden darf,<br />

wenn es die Verhältnisse des Betriebes notwendig<br />

machen, wobei ein Ausgleich stattzufinden hat. Die<br />

grosse Mehrheit' sprach sich für die Einführung<br />

des Nachtfahrverbotes für schwere Motorwagen zum<br />

Gütertransport aus und erklärte sich einverstanden<br />

mit der Einführung eines Tom Chauffeur täglich<br />

auszufüllenden und vom Arbeitgeber spätestens wöchentlich<br />

zu kontrollierenden Kontrollheftes über<br />

die Arbeits- nnd Präsenzzeit. Die Einführung ron<br />

Bestimmungen über den Gesamtarbeitsvertrag in<br />

diese Verordnung -wurde einstimmig abgelehnt.»<br />

Bevorstehende Erhöhnne der Rohölzölle.<br />

Bekanntlich hat man schon da und dort von<br />

der Erhöhung der Rohölzölle gesprochen.<br />

Ausgelöst wurde diese Frage durch eine Eingabe<br />

des Verbandes Schweiz. Transportanstalten<br />

an das Eisenbahndepartement.. Bereits<br />

wurden in der zweiten Oktoberhälfte gewisse<br />

technische Oele unter Kontingentierüngsvorschriften<br />

gestellt, die seither nur<br />

noch mit Einfuhrbewilligungen der Zentralstelle<br />

für den Import flüssiger Brennstoffe<br />

eingeführt werden dürfen. In Fachkreisen<br />

wird nun die Nachricht verbreitet, dass auch<br />

Oele für den Betrieb von Automobilmotoren<br />

einer neuen Zollmassnahme im Sinne einer<br />

Zollerhöhung unterworfen werden sollen.<br />

Bekanntlich hat man diese Frage bereits<br />

Ende 1929 eingehend diskutiert, wobei man<br />

zur Auffassung kam, dass eine derartige<br />

Zollmassnahme die Entwicklung des Dieselmotorenbaues,<br />

der bekanntlich zu jener Zeit<br />

noch mehr oder wettiger in seinen Anfängen<br />

steckte, all zu stark hindern würde. Nun hat<br />

es den Anschein,, als ob das eidgenössische<br />

Finanzdepartement den Zeitpunkt für gekommen<br />

erachtet, um mit einer fiskalischen<br />

Belastung eine Verteuerung des Betriebsstoffes<br />

ohne Gefährdung der Dieselmotorenindustrie,<br />

durchsetzen zu können. Nachdem<br />

immer noch eine Benzinpreiserhöhung von<br />

Am gleichen Abend sprach Eberhard mit<br />

Buturlin über das. «Wie», nach Bulgarien zu<br />

gelangen. Denn:.als -Monsieur und Madame<br />

Pigeot konnte man sich, nicht auf die Bahn<br />

setzen und nach ! Sofia fahren — ganz abgesehen<br />

davon, dass die Pässe längst vernichtet<br />

waren, da man ein solches, unter Umständen<br />

tödliches Beweisstück doch nicht<br />

mit sich herumtrug. Aber auch für Ephraim<br />

und Rahel Zobelsöhn bestand nicht allzuviel<br />

Aussicht, über die Grenze zu gelangen. Die<br />

Russen hätten sie nicht herausgelassen und<br />

die Bulgaren nicht hinein!<br />

Aber man war in Moskau nicht ungeschickter<br />

als anderswo. Bereits am nächsten Vormittag<br />

war Eberhard im Besitz von zwei Passen<br />

für Herrn und Frau Aristides Onopoulos,<br />

Weinhändler aus Athen. Schöne, allerdings<br />

schon etwas abgegriffene griechische Pässe<br />

mit russischem Einreisevisum und Moskauer<br />

Abmeldebestätigung und mit 1 einem ganz<br />

neuen, kaum noch trockenen Visum des<br />

bulgarischen Generalkonsulats, das die<br />

Passinhaber berechtigte, sich in Bulgarien<br />

sechs Wochen aufzuhalten.<br />

Ephraim und Rahel Zbbelsohn nahmen<br />

also eine neue Umwandlung vor und wurden<br />

aus russischen Juden weltgewandte Griechen.<br />

Dass Eberhard nur sehr wenig Grie r<br />

ehisch verstand und Mercedes überhaupt<br />

nicht, tat wenig: man hatte ja gar nicht die<br />

Absicht, nach Griechenland zu gehen, und<br />

ausserhalb Griechenlands versteht man diese<br />

ftüTOMOBIL-REVtm <strong>1933</strong> -<br />

verschiedenen Seiten zur Diskussion gestellt<br />

und verlangt wird, soll als Tüpfchen auf das<br />

i eine Zollerhöhung für Dieselöle erfolgen.<br />

Allerdings hat man noch keine Anhaltspunkte<br />

über das Ausmass der Belastung, doch glauben<br />

wir, annehmen zu dürfen, dass man sich<br />

ähnlich dem seinerzeitigen Vorgehen bei der<br />

Benzinzollerhöhung nicht scheuen wird, eine<br />

saftige Erhöhung durchzudrücken, wobei es<br />

dann allerdings mit der Rentabilität des Dieselmotors<br />

vorbei sein dürfte. Da es heute<br />

ohne die notwendigen Unterlagen verfrüht<br />

wäre, auf diese Materie einzutreten, so glauben<br />

wir doch, dass mit einer derartigen Massnahme<br />

wohl eine vorübergehende Zonertragsteigerung<br />

aus der Wirtschaft herausgepresst<br />

werden könnte, die jedoch anderseits<br />

durch Arbeiterentlassungen bei den Dieselmotorfabriken<br />

ihren Ausgleich finden wird.<br />

Nachdem bereits von den Automobilisten<br />

ganz gewaltige Zollbeträge flüssig gemacht<br />

werden, sollte man in Anbetracht der Bedeutung<br />

und der Stellung des Lastautomobils<br />

innerhalb der schweizerischen Volkswirtschaft<br />

den Bogen nicht überspannen, um<br />

durch neue Zollbelastungen die Transportkosten<br />

weiterhin zu erhöhen. Der Dieselmotor<br />

stellt für die einheimische Industrie,<br />

die Landwirtschaft und das Gewerbe ein unentbehrliches<br />

Mittel dar, um die venbureaukratisierte<br />

Tarifpolitik unserer Bahnen zu<br />

brechen. Wenn vielleicht eine bescheidene<br />

Erhöhung des Rohölzolles als Ausgleich für<br />

die Mindereinnahmen aus den Benzinzöllen<br />

noch zugestanden werden kann, so ist hingegen<br />

mit aller Schärfe gegen ein zu starkes<br />

Anziehen der Zollschraube Front zumachen,<br />

die man heute so gerne der Privatwirtschaft<br />

an allen Ecken und Enden ansetzt, um<br />

dem nicht nach der Decke sich streckenden<br />

Staat die notwendigen Manöveriermittel zur'<br />

Verfügung stellen zu können. a<br />

Banditen der Landstrasse. Wie bereits aus<br />

der Tagespresse bekannt sein dürfte, wurde<br />

letzte Woche ein Automobilist in der Hard<br />

zwischen Birsfelden und Schweizerhalle in<br />

mitternächtlicher Stunde ausgeraubt. Der<br />

Vorgang spielte sich in «einfachstem Rahmen»<br />

ab, indem ein von Basel nach Rheinfelden<br />

fahrender Arzt durch Handzeichen seitens<br />

eines anderen « Automobilisten » aufgehalten<br />

wurde. In guten Treuen erkundigte<br />

sich der aufgehaltene Fahrer über die Ursachen<br />

der Störung. Ein jüngerer Bursche bat<br />

um etwas Benzin, um noch nach Basel fahren<br />

zu können, da seine Vorräte erschöpft seien.<br />

Nichts ahnend wollte der hilfsbereite Mann<br />

diesem Verlangen entsprechen,, doch bald<br />

musste er einsehen, dass es sich um einen<br />

ganz gemeinen Gaunertrick handelte. Zwei<br />

sich hinter dem Wagen versteckt haltende<br />

Spiessgesellen waren inzwischen ebenfalls<br />

auf der Bildfläche erschienen. Der eine dieses<br />

sauberen Kleeblattes erklärte in zynischer<br />

Weise dem hilfsbereiten Automobilisten, dass<br />

sie gar kein Benzin mehr benötigen, sondern<br />

Geld und Wertsachen. Ihrem Verlangen<br />

glaubten diese modernen Strassenräuber mit<br />

vorgehaltener Pistole Nachdruck verschaffen<br />

zu müssen. Was blieb dem wehrlosen Fahrer<br />

übrig, als sein Portemonnaie und die verlangte<br />

Uhr auszuhändigen? Unbekannt machten<br />

sich die Strassenräuber alsdann davon;<br />

doch sollen bereits zwei von diesen Halunken<br />

hinter Schloss und Riegel stecken.<br />

Was nun die automobilistische Seite dieses<br />

modernen Banditenwesens auf Sicherheit,<br />

Leben und Eigentum der Automobilisten anbetrifft,<br />

so kann nur die rücksichtsloseste und<br />

Sprache selten. Und wer nicht gerade .echter'<br />

Korinthenhändler ist, der braucht ja<br />

auch nicht zu wissen, was die neuen Hellenen<br />

aus der Sprache des Plato und des<br />

Aeschylos gemacht haben.<br />

Und wieder einen Tag später befanden sich<br />

Eberhard und Mercedes bereits auf der<br />

Fahrt nach dem Süden.<br />

Kiew. Die Ukraine. Auf gesegneten, unübersehbaren<br />

Fluren ernten Menschen, froh<br />

und fröhlich, als wüssten sie nichts von dem<br />

Furchtbaren, das draussen in der Welt geschieht.<br />

Wenn der Zug langsamer durch die<br />

bäuerlichen Stationen fährt, weht der Wind<br />

Fetzen von Liedern zu den offenen Fenstern<br />

hereih, Fetzen von Liedern, die junge Mädchen<br />

auf den Weizenfeldern singen. Mit ihren<br />

bunten Tüchern auf dem Kopf, mit ihren<br />

roten Röcken und blauen Schürzen stehen<br />

sie im gelben Gelände wie Blumen, wie das<br />

bunte, lachende Leben selbst. Und doch liegen<br />

ihre Liebsten vielleicht in diesem Augenblick<br />

im letzten Atem; stöhnen ihre Brüder<br />

vielleicht in diesem Augenblick in ihrem Blut!<br />

Weiter, weiter!<br />

Hier ist überall der Friede, ist überall die<br />

Sonne. Hier sind, trotz des Krieges, zufriedene<br />

Menschen. Wie soll es möglich sein,<br />

denkt Eberhard, dieses grenzenlöse Land zu<br />

revolutionieren? Was weiss der Bauer auf<br />

diesen fruchtbaren Feldern von Parteien und<br />

politischer Knechtung? Wie soll man ihn<br />

empfindlichste Strafe etwa weitere Gelüste<br />

zu ähnlichen Unternehmungen im Keime ersticken.<br />

Die richterlichen Instanzen müssen<br />

sich darüber vollkommen im klaren sein, dass<br />

es im Zeitalter des Automobilismus gilt, die<br />

Sicherheit der Landstrasse aufrecht zu erhalten,<br />

zu garantieren und in keiner Weise etwa<br />

mittelalterliche Zustände aufkommen zu lassen.<br />

Sollte etwa die erste Instanz, vor welcher<br />

dieser Fall abgeurteilt wird, in nicht zu<br />

verantwortender Gefühlsduselei zu einer geringen<br />

Freiheitsstrafe gelangen, dann dürfte<br />

allerdings mit einem derartigen Urteil der<br />

Wunsch verbunden werden, dass sich diese<br />

Richter hoffentlich einmal vor eine ähnliche<br />

Situation wie der überfallene Automobilist gestellt<br />

sehen werden.<br />

Dieses instruktive Beispiel neuzeitlichen<br />

Strassenräubertums muss aber auch noch von<br />

einer anderen Seite betrachtet werden. Mancher<br />

Automobilist wird sich dieses jüngste<br />

Hard-Ereignis merken und sich vornehmen,<br />

bei ähnlichen Situationen, unbekümmert um<br />

irgendwelche begründete Verlangen, weiterzufahren.<br />

Bis heute war es allgemein unter<br />

Automobilisten üblich, auf Haltezeichen zn<br />

achten und wenn nötig Hilfe zu leisten oder<br />

Hilfe zu holen. Besonders wenn es sich um.<br />

einen Arzt handelt, wie dies in unserem Falle<br />

zutrifft, kann das Überhandnehmen derartiger<br />

Räuberfallen zu unhaltbaren Zuständen führen.<br />

Moralisch findet sich jeder Mediziner wie,<br />

auch jeder anständige Automobilist verpflich-,<br />

tet, auf Zeichen hin anzuhalten, speziell zur<br />

Nachtzeit. Wenn nun dem Strassenbanditentum<br />

nicht energisch der Riegel gestossen oder<br />

dem Automobilist nicht erlaubt wird, sich den<br />

nötigen Selbstschutz zu verschaffen, so gehen<br />

wir bedenklichen Zuständen entgegen. Gerade<br />

in den Grenzgebieten und überhaupt in .den<br />

heutigen Zeiten kann nicht scharf genug gegen<br />

alles lichtscheue Gesindel vorgegangen werden.<br />

Ein Vorbeugen seitens der Behörde in<br />

dieser Sache dürfte bedeutend leichter sein,<br />

als dieses an amerikanische Verhältnisse mutende<br />

Gangstertum wieder auszurotten, wenn<br />

es einmal Schule gemacht hat Wy.<br />

Dfe andere Seite.<br />

In der grossen Rede, welche Bundesrat<br />

Musy anlässlich der Behandlung des Finanzprogrammes<br />

im Nationalrat über die finanzielle<br />

Landesverteidigung hielt, findet sicJ»<br />

u.a. auch die Bemerkung, die Gewinn- und<br />

Verlustrechnung der S.B.B, habe von 1903<br />

bis 1932 bloss zwölf Mal mit einem Einnah-' 1<br />

menüberschuss abgeschlossen. Dabei habe<br />

sich der Gesamtertrag dieser Ueberschüsse<br />

auf 75 Millionen Fr. belaufen, währenddem<br />

die übrigen 18 Rechnungsjahre einen totalen<br />

Fehlbetrag von über 400 Millionen aufweisen.<br />

Heute lasse man die Bundesbahnen im<br />

Stich und benütze Auto und Flugzeug.<br />

Wenn schon diese Anspielung geeignet<br />

sein dürfte, in den Kreisen des Automobil'<br />

Befremden zu erwecken, dann redet de)<br />

Kommentar, welchen die Generaldirektion<br />

der Bundesbahnen dem Budget von 1934<br />

beigegeben hat, eine noch viel klarere, eindeutigere<br />

Sprache :<br />

Die Wirtschaftskrise allein hätte unser Unteiv<br />

nehmen, wenn die Automobilkonkürrenz nicht da-'<br />

zugekommen wäre, verhältnismässig leicht und<br />

wahrscheinlich ohne jede Mitwirkung des Bundes<br />

zu überwinden vermocht. Unter den heutigen Verhältnissen<br />

ist dies nicht mehr möglich. Lässt man<br />

dem Konkurrenzverkehr, wie es bisher geschehen<br />

ist, weiterhin freien Lauf, so wird die Entwertung<br />

der Eisenbahn von Jahr zu Jahr zunehmen und<br />

schliesslich einen für die Finanzlage des Landes gGr<br />

fährlichen Umfang erreichen.<br />

(Fortsetzung auf Seite 4)<br />

veranlassen können, zusammen mit dem Proletariat<br />

der Städte, das er verachtet, gegen<br />

die gottgewollte Ordnung und Obrigkeit sich<br />

aufzulehnen? Ja, in Petersburg und auch in<br />

Moskau — da konnte man den Eindruck haben:<br />

es ist möglich, es kann möglich sein,<br />

dass der schlafende Riese, dass die russische<br />

Masse endlich erwacht. Aber die Bauern?<br />

Waren sie nicht ein wichtiger Bestandteil<br />

— der wichtigste! — dieser grossen<br />

Masse?<br />

In diesen Stunden, auf dieser Fahrt glaubte<br />

Eberhard kaum noch an das, was er über<br />

die Möglichkeiten und Aussichten der proletarischen<br />

Revolution nach Hause berichtet<br />

hatte. Und es war ihm schwer ums Herz !<br />

Wenn es nichts war mit der Revolution?<br />

Wenn sich aus dem ungeheuren Bassin des<br />

russischen Volkes das zaristische Regime<br />

immer neue Millionen von Soldaten holen<br />

konnte — was wurde dann aus Deutschland?<br />

Ein anderer Eindruck: Odessa. Eine finstere,<br />

mürrische Stadt. Es stinkt nach Petroleum;<br />

schwere Luft macht das Atmen,<br />

schwer. Und man fühlt sich erst geborgen,<br />

wenn man den kleinen, schmutzigen Dampfer<br />

betreten hat, der einen in wenigen Stunden<br />

aus dem Bereich der russischen Polizei<br />

bringen wird.<br />

Weiter — weiter!<br />

Leb' wohl, Russland!<br />

(Fortsetzung im *Autler-Felerdbericb>3 '

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