E_1934_Zeitung_Nr.034
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Bern, Dienstag, 24. April <strong>1934</strong> III. Blatt der „Automobil-Revue" No. 34<br />
Bruder Verkehrsbenützer. ..<br />
Wir haben bereits in unserer letzten Nummer<br />
auf das christkatholischo Wochenblatt «Der Katholik»<br />
hingewiesen, das kürzlich in einer Nummer<br />
originelle Betrachtungen über das Auto und<br />
den modernen Verkehr enthielt. Dem bemerkenswerten<br />
Artikel «Der Automobilist als Seelsorger»<br />
des- genannten Blattes — dem wir in jeder Weise<br />
fernstehen — entnehmen wir die folgenden ausgezeichneten<br />
Beobachtungen. Sie sind von einem<br />
Pfarrer geschrieben worden, der selbst aktiver<br />
Automobilist ist.<br />
Die Red.<br />
Ein Wort dem Bruder Fussgänger.<br />
Wir sind alle Fussgänger oder Fussgängerinnen!<br />
Solange man aber «Nur-Fussgänger»<br />
ist, befindet man sich in der Gefahr,<br />
Fehler allein beim «Anderen» zu suchen,<br />
das heisst in unserem Fall beim Automobilisten.<br />
So gin'g's mir früher auch.<br />
Wenn man aber bald Fussgänger, bald Automobilist<br />
ist, dann wird man weniger einseitig<br />
eingestellt sem.<br />
Der Fussgänger hat fragelos durch die<br />
Verkehrsentwicklungen grosses Unrecht erfahren.<br />
Er marschierte früher mit eichendorffscher<br />
Wanderlust ungestört auf Wegen<br />
und auf Strassen. Er durfte die Strassenmitte<br />
innehalten und während dem Spaziergang<br />
gemütlich in einem Buche lesen.<br />
Auf öffentlichen Plätzen ergingen sich diejenigen,<br />
die etwas bedeuteten in Stadt und<br />
Dorf, standen still, wo's ihnen beliebte, und<br />
sprachen nach wichtigen Sitzungen unterm<br />
Sonnen- oder Sternenschein: «oft tief bis in<br />
die Nacht hinein»! Dann kamen die Velos,<br />
die Trams, die Automobile. Der Fussgänwurde<br />
aus seiner romantischen Allumfassung<br />
verdrängt, auf der Landstrasse<br />
in Staubwolken gehüllt und mit Schmutz<br />
bespritzt. Ob dieser gemeinen, brutalen Behandlung<br />
hat sich der Fussgänger verständlicherweise<br />
entrüstet. Die Empörung<br />
musste. wachsen, wenn zur Brutalität der<br />
Entwicklung sich noch die Brutalität rücksichtsloser<br />
Fahrer gesellte. Dem Fussgänger<br />
wurde eine seelische Verwundung beigebracht,<br />
das, was man in der Seelenkunde<br />
ein «Trauma» nennt. Der Fussgänger demonstriert<br />
daher mit verletztem Stolz bis<br />
zur Stunde: «Ich bin auch da!!» Obschon<br />
ich langsam fuhr — oder besser weil ich<br />
langsam fuhr (!) — sind solche Fussgangstrotzer<br />
schon mit einem derart demonstrativ<br />
langsamen Tempo vor dem Wagen<br />
durchgeschritten, dass ich beinahe anhalten<br />
musste. Einem brutal Dahersausenden<br />
wären sie allerdings aus dem Weg geganf.-Ti!!<br />
Das ist die Logik der Welt!<br />
1<br />
Allein, die heutigen Verkehrsmittel sind<br />
nun einmal da. «Trotzen» hat keinen Sinn.<br />
' Auch auf diesem Gebiet muss an Stelle des<br />
«Gegeneinander» ein bewusstes «Füreinander»<br />
treten: «weil wir Glieder sind untereinander»<br />
(Epheser Brief). Der Fussgänger<br />
hat ja nicht nur Verluste, sondern auch Gewinne<br />
zu buchen. Er selbst ist, wenn es<br />
eilt, froh um eine rasche Automobilbeförderung,<br />
sei's, dass der Arzt zu ihm fährt oder<br />
er mit Verwundungen und Schmerzen zum<br />
Die ewige Wahrheit.<br />
Roman von Oskar Sonnlechner.<br />
(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)<br />
«Sprechen Sie nicht so zu mir, Jul. Ich<br />
bitte Sie, schweigen Sie. Ich will es nicht<br />
hören, ich kann es nicht hören. Nicht jetzt,<br />
nicht heute ... später einmal werde ich Ihnen<br />
alles gestehen... später einmal... nur nicht<br />
heute.... nicht morgen...»<br />
Mit gefalteten Händen, bittend, stand sie<br />
vor ihm. Traurig schüttelte er den Kopf. Er<br />
verstand sie nicht.<br />
«Wenn mich Ihre Worte, Enid, auch<br />
schmerzen und bedrücken, denn Ihre Leiden<br />
sind die meinigen, so will ich mich doch<br />
fügen. Nur eines gestehen Sie mir... nur<br />
eines... ob ich es bin... der zu Ihren<br />
Schmerzen beigetragen?» Im instinktiven<br />
Empfinden des Liebenden ahnte er die Wirklichkeit.<br />
Es war die Verschmelzung ihrer<br />
Seelen, die es mit sich brachte, dass jeder<br />
die Regungen des Herzens des anderen unbewusst<br />
in sich aufnahm. «Frau Enid, bin ich<br />
der Schuldner Ihrer Leiden?»<br />
Der Kopf sank ihr auf die Brust, sie fand<br />
nicht die Sammlung, ihm sogleich zu antworten,<br />
aber sie fand sich wieder, weil sie erfasste,<br />
dass sie ihre Selbstbeherrschung nicht<br />
verlieren dürfe.<br />
Arzt gebracht wird. Oft geht's solchen<br />
«Fussgängern» dann zu wenig rasch!! Der<br />
neuesten Automobilstrassen mit ihrem gesonderten<br />
Fussgängerstreifen oder einem<br />
schönen Trottoir dürfen sich auch Spaziergänger<br />
aufrichtig freuen, wenn sie im Regen<br />
kotfrei, im Sonnenschein ohne Staubplage<br />
ihres Weges ziehn. Gegen die unanständigen,<br />
rücksichtslosen Fahrer jedoch —<br />
die sicherlich m der Minderzahl sind —<br />
haben die Fussgänger alle soliden Automobilisten<br />
zu Verbündeten.<br />
So sehr der Fahrer sich bestimmten Fahrvorschriften<br />
zu unterordnen hat, so genau<br />
sollten sich die Fussgänger nun aber an<br />
Regeln halten, welche die Sicherheit aller<br />
gewährleisten. Einige Andeutungen!<br />
Es gibt Leute, die marschieren ständig neben<br />
dem Trottoir. Was würden sie sagen, wenn der<br />
Automobilist umgekehrt mit seinem Wagen auf den<br />
Fußsteig fahren würde?! In den Städten werden die<br />
Uebergänge für die Fussgänger genau mit Nägeln<br />
und Linien markiert. Ja, der Fussgänger hat im<br />
Moment, da er den bezeichneten Weg betreten hat,<br />
den Vortritt. Der Fahrer hat sich dementsprechend<br />
einzustellen. Aber wie viele Fussgänger kümmern<br />
sich nicht im geringsten um diese für ihre<br />
Sicherheit getroffenen Anordnungen. Sie durchschneiden<br />
die Strassen nicht bei der kürzesten Ueberquerungsstelle,<br />
sondern ziehen eine möglichst lange<br />
Diagonale von einer Seite zur andern, als wäre es<br />
ihnen eine Wonne, recht lange in der Gefahrzone<br />
zu wandern! Nicht selten trägt noch einer, im<br />
Trubel lesend, das eben am Kiosk gekaufte Mittagsblatt<br />
vor Augen herum, als wäre ihm dieser Baedeker<br />
für «Unglücksfälle und Verbrechen» die allerbeste<br />
Verkehrshilfe! Plätze werden nicht, wie's vielfach<br />
gefordert wird, umkreist. Es ist bequemer,<br />
aber dafür auch gefährlicher, sie einfach in selbstgewählter,<br />
willkürlicher Richtung zu durchkreuzen.<br />
So ergibt sich ein Wirrwarr, dessen Gefährlichkeit<br />
jeder vernünftige Mensch leicht zu ermessen vermag.<br />
Allzu viele behandeln den Verkehrspolizisten mit<br />
seinen Zeichen und die Lichtsignale der Fahrer,<br />
wie unzählige Sänger ihre Dirigenten! Man läuft<br />
umher, ohne gespannte Aufmerksamkeit auf die<br />
«Verkehrs-Direktion». Der Mann auf der kleinen<br />
Bühne hat wahrlich nicht die Aufgabe, einen nicht<br />
ernst genommenen «Verkehrskasperli» zu spielen!!<br />
Er ist der Dirigent der wogenden Verkehrssymphonük,<br />
auf den sich aller Augen zu» richten haben.<br />
Er hat die gewaltige Verantwortung, dafür zu sorgen,<br />
dass die durcheinanderfahrenden und rennenden<br />
Fugenthemen im richtigen Fluss gehalten werden<br />
und glücklich zum Schlussakkord gelangen.<br />
Nun achte man sich aber, wie oft die Zeichen<br />
dieses Mannes vom Fussgänger unbeachtet bleiben.<br />
Der Polizist gibt den Weg für den Fahrer frei, der<br />
mit dem Richtungszeiger — auch für den Fussgänger<br />
wahrnehmbar — seine Fahrabsicht kundgetan<br />
hat. Allein, im Moment, da der Fahrer sich<br />
entsprechend bewegt, rennt irgendein Menschenkind<br />
halb träumend oder gar «im Schuss» seines<br />
ungebändigten Temperamentes auf die fahrfrei erklärte<br />
Strasse. Glücklicherweise besitzt der Wagen<br />
eine gute Bremsvorrichtung!<br />
Man liest Tag für Tag von bedauernswerten<br />
Opfern der Automobil-Unfälle. Oft mit Recht, aber<br />
sehr oft mit Unrecht betrachtet man den Fahrer<br />
als den selbstverständlich Schuldigen. Es wäre daher<br />
gut, man würde in den <strong>Zeitung</strong>en irrfmer wieder<br />
auch von den ungeheuer vielen «Unglücksfällen»<br />
berichten, welche täglich vermieden worden<br />
sind. Es wäre dabei darzustellen, welche Unvorsichtigkeiten<br />
sie verursachten, und wem es zu danken<br />
war, dass «es gut ablief»! Derartige Aufklärungen<br />
vermöchten vieles beizutragen zur Versöhnung<br />
der Gegensätze. Sie wären aber auch dienlich, die<br />
«Es hat mit Ihnen nichts zu tun.» Mit fester<br />
Stimme, in Erinnerung ihrer Vorsätze, sprach<br />
sie die Lüge aus. Er war ganz nahe an sie<br />
herangetreten, dass sich ihre Körper fast berührten,<br />
und sah ihr prüfend in die Augen,<br />
«Wann, Enid, werden Sie mir gestehen,<br />
warum Sie heute leiden?» Tief aufatmend,<br />
im Kampfe mit sich selbst, stand sie vor ihtn.<br />
Sie umfingen sich mit ihren Blicken.<br />
«Nicht heute, Jul... und nicht morgen ...»<br />
Und in der tiefen Bedeutung ihrer Worte,<br />
die nur sie verstand, brach sie wieder in sich<br />
zusammen, in der Erschütterung dessen, was<br />
ihr die Zukunft bringen solle, und haltlos sank<br />
der gequälten Frau der Kopf auf Juls Schulter<br />
und ein Schluchzen erschütterte sie.<br />
So standen sie regungslos. Ein Zittern<br />
überfiel ihn.<br />
Mit einer sanften, beruhigenden Gebärde<br />
der Zärtlichkeit, erschüttert durch ihren<br />
Schmerz, hob er ihr Kinn hoch, er versank<br />
in ihrem willenlosen Blick unter den traumhaft<br />
geschlossenen Lidern, fast berührten sich<br />
ihre Lippen, jeder fühlte den begehrenden<br />
Hauch des anderen...<br />
Sie sah, wie sich seine Augen verdunkelten;<br />
instinktiv bog sie den Kopf im Aufdämmern<br />
des Bewusstseins zurück, wie wenn sie<br />
einer Berührung seiner Lippen ausweichen<br />
wolle, nach der sie verlangte, und die sie<br />
dennoch fürchtete.<br />
«Enid...» seine Stimme zitterte... «wenn<br />
Ihnen Ihre Ehe nicht das geben konnte...<br />
was...».<br />
verkehrstechnischen Einsichten zu vergrössern und<br />
die nötige Aufmerksamkeit wachzurufen. Sollen zur<br />
Einschränkung des Nachtlärmes nur Lichtsignale<br />
gebraucht werden, dann muss die Achtsamkeit der<br />
Fussgänger in hohem Masse eine Steigerung erfahren.<br />
Wie oft gibt es doch sorgenbeschwerte oder<br />
leichtsinnige Menschen, die nicht einmal durch ein<br />
sehr vernehmliches Hupensignal aus ihrer seelischen<br />
Befangenheit herausgerufen werden können.<br />
Da werden psychotechnische Experimente unbeabsichtigt<br />
auf offener Strasse verwirklicht!<br />
Für die Fussgänger sind während der allerletzten<br />
Jahre in unseren Städten die verschiedensten<br />
Schutzvorrichtungen (Ketten, Inseltrottoirs usw.) erstellt<br />
worden. Ich habe aber schon Bestattungen<br />
infolge von Unfällen übernehmen müssen, welche<br />
mir deutlich machten, dass — insbesondere an Zwischenhaltestellen<br />
der Trams und bei gefährlichen<br />
Strasseneinbiegungen — die Probleme noch nicht<br />
restlos gelöst sind. Hier fordert der Fürsorgewille<br />
weitere Vorsorge.<br />
Ein Wort dem Bruder Velofahrer.<br />
Sehr viele Mitglieder unserer Kirche, vornehmlich<br />
in den Landgemeinden, sind Velofahrer. Als<br />
ich für kurze Zeit Landpfarrer war, kam mir zu<br />
gewissen Zeiten das Zweirad auch zu statten.<br />
Allein, die Velofahrer befinden sich heute in vergrösserter<br />
Gefahr. Wenn ein Automobilist am dunkeln<br />
Winterabend eine Gegend durchfahren muss,<br />
wo die Velofahrer der nahen Fabrik in Abständen<br />
sich auf dem Heimweg befinden, und die Bauernknaben<br />
mit ihren von Hunden gezogenen Milchwagen<br />
aus der Käserei kommen, dann bedarf es<br />
beidseitiger, sorgfältiger Achtsamkeit. Fährt ein<br />
Automobil in der entgegengesetzten Richtung daher<br />
und hat ein starkes Licht, so wird einem — wenn<br />
auch nur für einen Moment — die Sicht auf den<br />
Vorderfahrer, bei schlechtem Wetter ganz besonders,<br />
stark beeinträchtigt. Da ist es denn wichtig,<br />
dass die Velofahrer hintereinander fahren<br />
und nicht zu zweien oder gar zu dreien nebeneinander.<br />
Man möchte es den heimkehrenden Arbeitern<br />
und Fabriktöchtern wohl gönnen, dass sie<br />
sich nach der eintönigen Tagesarbeit in gemütlichem<br />
Gespräch ergehen könnten. Allein, die heutigen<br />
Verkehrssituationen nehmen der Strasse den<br />
Zauber des gemütlichen Abendgespräches. Beachtet<br />
man das nicht, so kann's erst recht ungemütlich<br />
werden. Es ist gut, dass jetzt die sogenannten<br />
«Katzenaugen» an der Rückseite der Velos angebracht<br />
werden müssen. Sie leuchten sehr günstig<br />
in der Dunkelheit auf, sobald sie von ferne ein<br />
Lichtstrahl trifft.<br />
Aber mit welch' einer halsbrecherischen Belastung<br />
tauchen oft Velofahrer auf. Hier führt<br />
eine Mutter in einem hinten angebrachten Sitzkorb<br />
ihr Kind mit. Dort fährt ein Vater gleich mit zwei<br />
Kindexn j3»aher, .„Ein Schreiner hat grössere Bretter<br />
an sein Zweirad" gebunden. Ein Fräulein zieht ein<br />
hotterndes Wägelein nach sich, das mit Glasflaschen<br />
gefüllt ist. Ein Landmann schultert die Sense, als<br />
gälte es, die Köpfe der Wanderer wegzumähen.<br />
Nicht selten gibt es Velofahrer, welche ihr Tempo<br />
beschleunigen, wenn der Automobilist das Zeichen<br />
zum Vorfahren gibt. Damit wird ein sinnloses<br />
Wettfahren provoziert, das sehr gefährlich werden<br />
kann, wenn in entgegengesetzter Richtung unterdessen<br />
ein Wagen im Raum erscheint, der womöglich<br />
auch jemandem vorfährt. Gefährte langsamerer<br />
Bewegungsmöglichkeit sollen selbstverständlich bei<br />
normaler Lage das Vorfahren erleichtern helfen.<br />
Da und dort begegnet man älteren Leuten auf<br />
dem Velo, welche in ihrer Bewegungsfreiheit verständlicherweise<br />
behindert sind. Sie haben nicht<br />
mehr die Sicherheit, durch Ausstrecken des Armes<br />
ihre Fahrabsicht kundzutun, insbesondere dann<br />
nicht, wenn die Strasse Rinnen aufweist. Ohne ein<br />
Zeichen zu geben, wollen sie links abbiegen im Moment,<br />
da ein Auto sich anschickt, links vorzufahren.<br />
Eine gefährliche Sache. Darum ist älteren Leuten,<br />
die leicht ins Schwanken kommen, wenn sie signalisieren<br />
sollten, anzuraten, vom Gebrauch des Zweirades<br />
abzusehen. Auch kleine Knaben, welche wegen<br />
der kleinen Beine nicht einmal auf der Querstange<br />
zu sitzen vermögen (!) und die Pedale auf<br />
In einem plötzlichen Erwachen, wie in<br />
einem Entsetzen, weiteten sich ihre Augen,<br />
und .im Aufbäumen des letzten Bewusstseins...<br />
stiess sie ihn von sich... dass er<br />
zurücktaumelte...<br />
Aschfahl, mit weitaufgerissenen Augen,<br />
starrte sie Jul an.<br />
«Enid! Enid!»<br />
Die Arme vorgestreckt, mit verkrampften<br />
Fingern, trat er auf sie zu, in einem wilden<br />
Aufflammen, seiner nicht mehr mächtig, hatte<br />
er sie umschlungen, in einem wilden Kampf<br />
suchten seine Lippen die ihrigen, ihr Körper<br />
wand sich in seiner Umarmung, und in der<br />
Kraft der Verzweiflung stiess sie ihm abermals<br />
die Fäuste vor die Brust, dass er zurücktaumelte,<br />
und schrie es hinaus: «Ich<br />
will nicht! Hören Sie! Ich will nicht!»<br />
Totenblass lehnte sie an der Wand, vor<br />
ihr Jul, mit verzerrtem Gesicht. Man hörte,<br />
wie ihr der Atem keuchend die Sprache<br />
nahm.<br />
Mit wankenden Schritten, die Hände bittend<br />
gefaltet, näherte er sich ihr.<br />
«Enid ... ich kann es nicht fassen...»<br />
Mit beiden Händen umklammerte er ihre<br />
Handgelenke, und wieder stiess sie ihn mit<br />
Aufbietung aller Kraft von sich und schrie<br />
es keuchend hinaus: «Ich will nicht! Hören<br />
Sie! Ich will nicht! Ich will nicht!»<br />
Im Zurücktaumeln wankte er in die Knie,<br />
man sah, wie er verzweifelt nach Worten<br />
suchte und sie nicht fand, bis es sich stammelnd<br />
von seinen Lippen rang.<br />
ihrem unteren Kreisweg sich selbst überlassen<br />
müssen, sollten nicht auf Autostrassen dahersch<br />
wanken!<br />
Für gewisse Velofahrer — auch für die «Töff»-<br />
Besitzer — ist die Versuchung gross, zu glauben,,<br />
man könne mit dem leichtbeweglichen Gefährte sich<br />
überall im letzten Moment «durchschlängeln». Mit<br />
welch wahnsinniger Geschwindigkeit fahren einem'<br />
oft solche Motorradfahrer an ganz gefährlichen Stellen<br />
vor. Möchte ihnen jemand in Erinnerung rufen,<br />
dass man zuweilen geschwinder vorwärts kommt,<br />
wenn man langsamer fährt!! In ganz toller Fahrt<br />
pflegen die Chasseurs verschiedener Geschäfte —<br />
insbesondere von Metzgereien und Bäckereien —'<br />
vom Berg herabzusausen. Sie sind keine gute Reklame!<br />
Denn jeder anständige Mensch ärgert sich<br />
über diese halsbrecherischen Huttenfahrer, die leider<br />
oft durch die Geschäftsleute zu solchem Strassenpiratentum<br />
aufgepeitscht werden. 0. G.<br />
Er wott elei sy<br />
Von Henry Gisler, Zürich.<br />
Wir setzen im nachfolgenden unsere zwangslose<br />
Reihe mundartlicher Beiträge fort, und<br />
räumen heute dem Zürcher Dialekt den Platz ein.<br />
Der Emil häts wieder emal mordsmässig<br />
pressant gha. Si Frau hat em müesse de<br />
Kafi zämeschütte, dass er echli verchalti,.<br />
susch hett er en nüd emal meh chönne<br />
trinke. Das chunnt zwar bim Emil i der<br />
Wuche nu öppe sächs mal vor, aber wäge<br />
dem würdi er amene Morge glych kä Minute<br />
früehner ufstah. Syni Bantoffle hat er ab<br />
de Füesse diräkt is Schlafzimmer hindere<br />
gschlüderet, d'Chatz hat grad no möge i<br />
d'Höchi gumpe, susch hetts esi diräkt umgschlage.<br />
Aber vo dem hat natürli der Emil<br />
nüt gseh; er hat syni Schueh anegrochset und<br />
bim binde dezue pfnächset, wie wann er<br />
amene Sächstageränne bständig hinder dene<br />
Velo nahgrännt war. Woner die Schueh anegmorgset<br />
gha hat, isch er zu der Kafitasse<br />
grännt und hat welle trinke, ase ständlige.<br />
Im glyche Momänt fraget en d'Frau, ob er<br />
jetz nüd vor e paar Tage gseit heb, er fahri<br />
nächstes uf Bern ufe.<br />
«Mhm» hat er nu chönne mache, will er<br />
grad am schlucke gsy isch.<br />
«Chumme mit!» hat do si Frau gseit. Im<br />
nächste Momänt isch der Emil explodiert.<br />
Grad uf das hätt er no gwartet! Dem Emil<br />
sin Chopf isch fürzünd rot und rund worde<br />
wie so en rote Chindeballon, so häts em 's<br />
Bluet in Chopf trybe. Nu will er so verschrocken<br />
isch ab der Frau ihrem «chumme<br />
mit!».<br />
«'s isch Zyt!» hat er nu no grüeft und scho<br />
ischer dur d'Stäge durab polderet. D'Chnöpf<br />
hat er no ufern Wäg zuegmacht.<br />
Uf der Tour hat de Emil die ganz Zyt<br />
studiert, wiener synere Frau chönnti die fix<br />
Idee zum Chöpfli ustrybe, mit ihm welle z'cho<br />
uf das Bern ufe. Nüd dass ere öppen untreu<br />
gsy war, durchaus nöd, aber wies die Manne<br />
«Enid, hören Sie mich an.» Bittend rang<br />
er die Hände. «Muss ich Ihnen erst gestehen,<br />
was Sie mir sind. Sie müssen es seit<br />
langem fühlen, dass Sie für mich mein Leben,<br />
mein Alles.» Mit geschlossenen Augen<br />
lehnte sie vor ihm, und während er sprach,<br />
hob sie die Hände und hielt sich die Ohren<br />
zu, wie wenn sie seine liebenden Worte<br />
nicht hören wolje. Er aber wusste nicht,<br />
dass sie es nur tat, um nicht schwach zu<br />
werden. «Enid! Soll ich erst nach leeren<br />
Worten suchen, soll ich nichtssagende Beteuerungen<br />
zu Hilfe rufen? Ich habe Sie wie<br />
ein überirdisches Wesen auf das Piedestal<br />
meiner Anbetung erhoben, ich sah in Ihnen<br />
die Göttlichkeit des Weiblichen, die ich erträumt,<br />
die ich ersehnt — und erst durch Sie<br />
gefunden. Lassen Sie mich noch eines gestehen,<br />
Enid. Nie dachte ich, dass ich Ihnen<br />
dies jemals beteuern müsse, in dem Wahn,<br />
dass Sie meine heisse Liebe, lassen Sie mich<br />
es aussprechen, mit einem leisen Hauch der<br />
Zuneigung erwidern, der ich Ihnen das anbetend<br />
zu Füssen legen wollte, was Ihnen<br />
bisher das Leben versagte.» Ihre Brauen zogen<br />
sich schmerzlich zusammen. Sie biss die<br />
Zähne aufeinander. «Ich weiss, alles, was<br />
eben geschah, war ein böses Missverständnis.<br />
Sprechen Sie das erlösende Wort, das<br />
uns das Tor zum Paradies öffnet, das mir<br />
sonst für die Ewigkeit verschlossen. Dieses<br />
einzige Wort...»<br />
(Fortsetzung folgt.)