E_1935_Zeitung_Nr.093
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Die bunte Seite<br />
0te {Botschaft des Waides<br />
Der Wald hat den Winterstürm zu Gaste<br />
geladen. «Komm, die Zeit ist da! Es ist jetzt<br />
für einmal wieder genug geträumelt und gescherzt,<br />
es ist genug geliebkoset und gesungen.<br />
Wir wollen,wissen, wer Stand hat und<br />
wer trotzen kann.»<br />
Es ist ein starkes, tiefes Rauschen, das von<br />
den tannendunkeln Höhen ins Talgelände herabdringt,<br />
macht- und geheimnisvoll, feindlich.<br />
Es zwingt die Menschen, die da ihre Sorgenwerklein<br />
tun, zum Aulhorchen. Sie breiten<br />
auf den kahlgeweideten, vom Spätfrost gebräunten<br />
Wiesen Dünger aus; sie graben<br />
Gartenbeete um, sie sägen Dürrholz von den<br />
Obstbäumen.<br />
Nur wenige sind es, die das Lied des Waldes<br />
verstehen, und diese wenigen wagen<br />
nicht, es den andern zu deuten, man würde<br />
über sie lächeln. Denn das Sturmlied des<br />
Waldes ist ernst, es sagt den Menschen<br />
Kampf an.<br />
Der Wald ist zu stolz, als dass er mit den<br />
Menschen über sein gutes Recht streiten<br />
könnte. Sein Recht vermag niemand zu bestreiten.<br />
«Ich bin der Anfang gewesen und<br />
ich werde das Ende sein. Der Wald und das<br />
Meer. Wer hat mich aus der Niederung zurückgedrängt<br />
auf die unwirtlichen Höhen?<br />
T)as Qescheuk des JCOWQS<br />
Von Gunnar Qunnarsson<br />
In seinem neuen Roman «Der Weisse<br />
K r i s t» schildert der grosse isländische Dichter<br />
Gunnar Gunnarsson die leidenschaftlichen<br />
Kämpfe der Isländer um die Abkehr von den<br />
alten Göttern und die Annahme des christlichen<br />
Glaubens. Mit Genehmigung des Albert Langen/Georg<br />
Müller-Verlages in München bringen<br />
wir aus diesem kraftvollen Buche, das, den alten<br />
Sagas ähnlich, von dem ungebrochenen<br />
Heldentum der nordischen Bauern und Könige<br />
berichtet, den folgenden Abschnitt.<br />
Eines Morgens — wir waren auf unsern<br />
Schiffen soeben wach geworden — sehen<br />
wir eine Schar Männer wie im Spiel zum<br />
Strand heruntergelaufen kommen, die Kleider<br />
abwerfen, ins Wasser springen, wie<br />
übermütige Jungen plantschen und dann um<br />
die Wette schwimmen. Sonne lag zu dieser<br />
Morgenstunde über dem Fjord, der Wind<br />
hatte sich gelegt. Wir redeten gerade von<br />
der Möglichkeit, dass er bald wieder aufkommen<br />
könne — und dann aus günstiger<br />
Richtung. Anfangs dachten wir uns bei dem<br />
Anblick der Schwimmer nichts weiter, als<br />
dass es Leute aus der Stadt wären, und<br />
dass sie gut schwimmen könnten. So gut,<br />
dass es fast unglaublich anzusehen war und<br />
Neid und Streitlust bei jedem wecken<br />
musste, der sich selbst auf diesem Gebiet<br />
etwas zutraute. Und wie alle wussten, das<br />
war bei Kjartan der Fall. Er stand denn<br />
auch stumm da und schaute verloren dem<br />
Spiel der kräftigen Männer im Wasser des<br />
Fjordes zu. Ich hatte schon früher beobachtet,<br />
dass er es nicht gut vertragen kann,<br />
andere rühmen zu hören. Darum wäre es<br />
mir lieber gewesen, wenn meine Landsleute<br />
etwas weniger von den Schwimmern und<br />
ihren Leistungen geredet hätten. Ebenso war<br />
mir schon früher aufgefallen, dass sich sein<br />
Freund Bolli zuweilen merkwürdig benahm<br />
— sehr merkwürdig für einen Freund. Oder<br />
ist er etwa eifersüchtig auf Leute, die seinen<br />
Keine Flucht war es, um jeden Zoll breit hob'<br />
ich mich gewehrt. Wo ein Siedler lässig war,<br />
hob' ich in unermüdlichem Ringen zurückgeholt,<br />
was er mir mit Schweiss und List weggenommen.<br />
Erst ein paar dürftige Wurzeltriebe,<br />
dann da und dort schon ein mutiger<br />
Sämling weit im Land. Der Wind ist mit mir<br />
verschworen, der Vogel in der Luft. Meine<br />
Zeit wird wieder kommen. Ich blicke auf eure<br />
Wohnnester, auf eure Strässlein und Ackerzeigen<br />
herab, wie ihr einen Ameisenhaufen<br />
betrachtet. Wo wären ohne mich eure Hütten,<br />
in die ihr euch verkriecht und darinnen ihr<br />
euer halbes Leben verschlaft und verdämmert?<br />
Wie könntet ihr ohne mich euere gestohlenen<br />
Aecker bebauen? Wie könntet ihr<br />
verzärtelten Geschöpfe euch der Kälte erwehren?<br />
Allen, die mich lieben, geb' ich Schirm<br />
und Schutz, und du, Mesnch, warst auch in<br />
mir daheim. Wer bist du, dass du dich erkühnst,<br />
deine Kindheimat anzutasten und<br />
meiner Lieblinge Schrecken zu sein? Mit deinem<br />
Blitzrohr legst du das schöne Reh nieder.<br />
Den Vogel holst du vom Baum, um ihn<br />
als tote Stubenzier zu begaffen. Mit deinem<br />
Ueberverstand wirst du dich selber vernichten.<br />
Meine Zeit wird wieder kommen. Ich<br />
bin der Anfang gewesen und werde das Ende<br />
sein. Der Wald und das Meer.»<br />
Alfred Huggenberger.<br />
Eidbruder auszustechen scheinen? Auch solche<br />
Freundschaft hat man schon erlebt Jetzt<br />
sass er auf der Reling, baumelte mit den<br />
Beinen und lächelte ganz sonderbar.<br />
Da war unter den Schwimmern besonders<br />
einer, der alle andern in den Künsten und<br />
Spielen übertraf, die zu einem guten Schwimmer<br />
gehören. Als er sich einige Zeit im<br />
Wasser getummelt hatte, bemerkte Bolli,<br />
ihm sei es ja nichts Neues, einen Menschen<br />
sich aufspielen zu sehen, als gäbe es nicht<br />
seinesgleichen zu Wasser und zu Lande —<br />
neu sei an diesem morgendlichen Anblick<br />
bloss, dass es diesmal ein Fremder wäre.<br />
«Bekommst du nicht Lust, mit dem. Seehund<br />
dort Fangen zu spielen?» fragte er<br />
Kjartan. Der antwortete, er sei bereitsdangezogen<br />
und wolle sich nicht die Mühe<br />
machen, sich wieder auszuziehen.<br />
«Dann soll doch wenigstens einer den<br />
Versuch machen, die Ehre der Seefahrer zu<br />
retten und sich nicht von einer offenbaren<br />
Landratte herumplantschen lassen», sagte<br />
Bolli und tat, als wolle er sich ausziehen.<br />
Im nächsten Augenblick sprang Kjartan<br />
splitternackt über die Reling, war mit ein<br />
paar Stössen drüben bei dem tüchtigen<br />
Schwimmer, ging ohne Umschweife auf ihn<br />
los und tauchte ihn einmal tüchtig unter.<br />
Unsere Landsleute jubelten. Aber als die Beiden<br />
Schwimmhelden wieder auftauchten,<br />
kam die Reihe an den Fremden. Kjartan<br />
wurde getaucht — einmal lange — dann noch<br />
einmal länger — und ein drittes Mal so lange,<br />
dass wir glaubten, er werde nicht wieder<br />
lebendig heraufkommen. Er war denn auch<br />
sehr matt, versuchte nicht einmal, zum<br />
Schiff zurückzuschwimmen, sondern ging mit<br />
den andern an Land — wir auf den Schiffen<br />
sahen stumm zu, wie zwei ihn stützen mussten.<br />
Aber als sie richtig an Land waren,<br />
legte ihm der Meisterschwimmer einen Man r<br />
tel um die Schultern, einen roten Mantel,<br />
worauf sich Kjartan mit einem Gruss entfernte,<br />
am Strand entlang zu den Schiffen<br />
schlenderte und über die Landungsbrücke<br />
AUTQMOBIL-REVUE DIENSTAG, 19. NOVEMBER <strong>1935</strong> — N° 93<br />
wieder an Bord kam. Als wir ihn wieder<br />
unter uns hatten, sahen wir, dass es ein seidener<br />
Mantel war — und so kostbar, dass<br />
man nicht seinesgleichen leicht finden wird.<br />
Kjartan setzte sich stumm bei uns nieder, in<br />
den Mantel gehüllt. Er war tief in Gedanken,<br />
schien jedoch von dem Geschehnis nicht bedrückt<br />
zu sein.<br />
« Willst du nicht wieder in deine eigenen<br />
Kleider ?> fragte ihn Bolli.<br />
c Ich bin noch in keinem anderen gewesen<br />
», entgegnete Kjartan kurz.<br />
Wir fanden alle für eine Weile keine<br />
Worte. Dann fragte Bolli:<br />
< Wer war der freigebige Spender ? »<br />
« Der König... ><br />
Torarin Nefjulsson bat die Götter, es<br />
möchte — wie er sich ausdrückte — an der<br />
kurzen Rippe nicht zu viel Fleisch sitzen —<br />
ein Ausdruck der Besorgnis, dem vermutlich<br />
jeder von uns in seiner Weise beistimmen<br />
konnte. Einige äusserten sogar, es sei eine<br />
Sache für sich, Geschenke von Olav Tryggvason<br />
anzunehmen. Man könne nie wissen,<br />
auf was für Gegenforderungen er verfallen<br />
werde.<br />
Die lochtet du Stockhotmu Solteei<br />
Die letzte Nummer des Stockholmer Polizeijournals,<br />
des Organs des Polizeivereins in<br />
der schwedischen Hauptstadt, enthält einen<br />
warmen Dankesbrief von Fräulein Maria<br />
Olofsson für alle Liebe, Güte und die guten<br />
Gaben, die ihr von dem Polizeikorps zuteil<br />
teworden sind.<br />
Dieser Brief ruft eine rührende Geschichte,<br />
die die Kameradschaft und Freundschaft der<br />
Mitglieder des Polizeikorps beweist, in die<br />
Erinnerung zurück. Im Jahre 1914 wurde Marias<br />
Vater während der Ausübung seiner<br />
Dienstpflichten von einem Kraftwagen getötet.<br />
Am Tage der Bestattung kam Maria zur Welt.<br />
Das Polizeikorps des betreffenden Distrikts<br />
beschloss, die gesamte Sorge für die Tochter<br />
des toten Kameraden zu übernehmen und ihren<br />
Unterhalt und ihre Erziehung zu bestreiten.<br />
Maria wurde so «zur Tochter der Polizei».<br />
Vier Jahre später starb ihre Mutter,<br />
aber Maria war nichtsdestoweniger gut aufgehoben.<br />
Ihre sorgsamen Paten fanden für sie<br />
ein gutes Heim und gaben ihr eine erstklassige<br />
Erziehung. Als sie die Schule beendet<br />
hatte, erhielt sie Arbeit im Hauptquartier der<br />
Polizei und hat neulich einen Posten im Amt<br />
des Gouverneurs; von Stockholm erhalten.<br />
- Die .Polizisten-sind sehr stolz auf ihre<br />
Pflegetochter, die jetzt erwachsen ist und<br />
sich selbst ernähren kann. Ihr Dankesbrief<br />
hat wieder die Polizisten an ihre gute Tat erinnert,<br />
als sie freiwillig die väterlichen Pflichten<br />
übernahmen.<br />
tia.<br />
3)ie künstliche Zunge.<br />
In einem Buch, das 1561 erschienen ist,<br />
wird von einem Mann erzählt, der durch<br />
einen Unfall einen grösseren Teil seiner<br />
Zunge verlor. Mehrere Jahre lang brachte er<br />
keinen artikulierten Laut hervor, bis er auf<br />
die geniale Idee kam, mit einem Stückchen<br />
Holz, das er in den Mund nahm, das verlorene<br />
Zungenstück zu ersetzen. Fürderhin<br />
konnte er — so berichtet der Verfasser des<br />
Buches — ebenso gut sprechen wie früher,<br />
ohne dass man seinen Fehler bemerkte.<br />
Prof. Panconcelli-Calzia, der Entdecker<br />
dieses Berichtes aus dem 16. Jahrhundert,<br />
hält ihn für unbedingt glaubwürdig. Die<br />
Zunge bedürfe zum Sprechen des Widerstandes<br />
an der vorderen Zahnreihe. Durch<br />
eine zweckmässig geformte Vorrichtung sei<br />
es ganz gut möglich, der verkürzten Zunge<br />
diesen Widerstand weiter hinten in der<br />
Mundhöhle zu verschaffen und so das Sprechen<br />
zu ermöglichen.<br />
&ec £eset hat das lüoct<br />
< Schön ist das Leben, wenn man es täglich<br />
in der offenen Hand trägt»<br />
Es sind Worte aus der «Blumenhölle am<br />
Jacinto », die jeder Automobilist auch schon<br />
als wahr erlebt hat und aus ganzer Seele<br />
nachempfindet. Es ist eine Erfahrung, die der<br />
Mensch sucht, die besonders die Jugend<br />
sucht, wenn sie in umhegten Verhältnissen<br />
aufwächst. Aber brauchen wir diese Erfahrung<br />
überhaupt zu suchen? Ist nicht tatsächlich<br />
unsere Sicherheit, mit der wir über das<br />
Morgen, das Uebermorgen, über Wochen,<br />
Monate, über Jahre hinaus verfügen, nichts<br />
als eine Selbsttäuschung, so morsch wie die<br />
Pfahlbauhütten über dem Jacinto? Unter uns<br />
lauern ja die Krokodille, uns zu verschlingen,<br />
wimmeln die Piranhas, uns zu skelettieren,<br />
wenn wir fallen sollten. Ist das zuviel<br />
gesagt? Was widerfährt dir anders, wenn<br />
dein bischen wirtschaftliche Sicherheit zusammenkracht?<br />
Und das ist nun gerade das<br />
Merkwürdige, dass das Wanken und Beben<br />
aller Sicherheiten, das Auge in Auge sein<br />
mit Abgründen, das tatsächliche Tragen des<br />
Lebens in der offenen Hand ihm eine vorher<br />
nicht gekannte Genugtuung, Befriedigung gibt,<br />
die das Leben schön macht, deshalb schön<br />
macht, weil es eben das Leben ist, wie es<br />
ist und nicht wie es scHfeint: Leben in der<br />
Gefahr, nicht Leben in der Sicherheit<br />
Sicherheit, ein immer mehr entschwindender<br />
Begriff. Was wissen wir denn, wir<br />
Erdballbewohner, ob unser Ball nicht sekündlich<br />
hinschleudert an der Gefahr zn<br />
explodieren und nur durch einen Zufall, wie<br />
man es zu nennen beliebt an der haarscharfen<br />
Kante der Katastrophe läuft durch die<br />
Jahrmillionen ?<br />
Die «Blumenhölle am Jacinto» öffnet<br />
einen Blick in das Dasein, das ganz anderes<br />
enthüllt, als wir an ihm gewohnt sind. Aber<br />
es ist ein Dasein, das vergrössert, ins Groteske,<br />
ins Dämonische verzogen doch unverkennbar<br />
die Züge des Daseins trägt in<br />
dem wir selbst sind, in eine Welt, um die Teufel<br />
und Engel streiten und nicht fertig werden,<br />
eine Welt, die alles andere ist, als das,<br />
was sie uns vortäuscht, eine Welt, die alles<br />
andere ist als harmlos, eine Welt in der es<br />
gilt.<br />
Oder meinst du, es gäbe bei uns zu Lande<br />
keine Indianer, die dich mit giftigen Pfeflchen<br />
aus Blasrohren beschiessen? Du meinst,<br />
du seiest gefeit vor dem Schicksal des fellow<br />
Willis, hinzutaumeln über und über besteckt<br />
mit vergifteten Pfeilen, die aussehen wie<br />
bunte Schmetterlinge. O, es ist alles viel<br />
harmloser bei uns zu Lande, aber es ist eben<br />
doch so auch unser Dasein, wie es sich uns<br />
enthüllt in der «Blumenhölle am Jacinto»<br />
und es ist schön, weil man es täglich in der<br />
offenen Hand trägt täglich sich neu schenken<br />
lässt S.<br />
IVacuHi decken echitete TUetaUe?<br />
Beim Erhitzen der meisten Metalle in bestimmten<br />
Gasen lässt sich ein unangenehmer<br />
Brandgeruch feststellen. Der Geruch entsteht<br />
durch die Zersetzung winziger Teil-<br />
"chen, die die Metalle aus der Luft aufgenommen<br />
haben. Es handelt sich um Staubteilchen,<br />
Mikroorganismen und andere Verunreinigungen,<br />
die in so geringer Menge vorhanden<br />
sein können, dass sie auf anderem<br />
Wege nicht nachweisbar sind. Die Entstehung<br />
des Brandgeruches kann also zum<br />
Nachweis dieser Verunreinigungen dienen.<br />
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