E_1936_Zeitung_Nr.060
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Automobil-Revue •—<br />
No 60<br />
Die<br />
Es soll Keiner sagen, dass nicht In jedem<br />
Menschen ein Held steckt. Auch in denen, die<br />
fürs erste und allgemein durchaus nicht heldenhaft<br />
aussehen. Nur tiefer sitzt es, so tief,<br />
dass sie selber zumeist gar keine Ahnung davon<br />
haben. Denn es werden unglaublich viele<br />
Dinge im Lauf eines ganzen oder halben Lebens<br />
mit dem Schutt der Erinnerung zugeschüttet.<br />
Und zum Schluss bleibt eben nur<br />
dieser Schutthaufen der Geschehnisse übrig, es<br />
sei denn, er würde ganz plötzlich und unversehens<br />
jählings einmal abgeräumt.<br />
Der kleine Georg Field war ein Mensch,<br />
dem so etwas geschah. Er stand in einem bestimmten<br />
Augenblick seines Lebens vor seiner<br />
nackten Seele, und zu seinem Erstaunen sah<br />
er, dass diese Seele vierzig Jahre lang die<br />
eines tapferen und .verschwiegenen Helden gewesen<br />
war. Wovon niemand weniger eine<br />
Ahnung gehabt hatte als Georg Field selber.<br />
Und das kam so.<br />
Vor der wunderschönen weissen Stadt an<br />
der Adria, vor Ragusa, liegen gegen Süden zu<br />
zwei Inseln. Es sind sehr einsame Inseln und<br />
sie schliessen die warme Bucht, in der einmal<br />
Epidaurus, die Griechenkolonie, schimmerte,<br />
scheinbar gegen das offene Meer zu ab. Wenn<br />
man aber draussen um Supetar, Brbora und<br />
Mrkan herumfährt, dann erkennt man, dass<br />
das Meer in Jahrtausenden dort ein Stück<br />
Land zuerst abgeschnitten und dann in ein wildes<br />
Trümmerfeld von kantigen Riffen zersägt<br />
hat. Von der einstigen Küste ist ein hoher<br />
Waldbuckel geblieben, eine Niederung flacher<br />
Felsen und Sandstrand und viele schwarze,<br />
scharfe Zähne, die tückisch aus dem hier meist<br />
unruhigen und oft in bösen Grundwellen aufschäumenden<br />
Wasser schnappen. Sonst ist die<br />
Welt verlassen, blau und heiss, die Fischer<br />
legen an und die Möven brüten im nackten,<br />
salzigen Steingewirr. Es ist sehr schön für<br />
einen, für den Sonne, Meer und Klippen über*<br />
haupt schön sind.<br />
An diesem Waldbuckel landete also eines<br />
Tages ein Motorboot, dem fünf Leute entstiegen.<br />
(«Entstiegen» ist nicht ganz richtig.<br />
Man musste eher sagen klettern, stolpern, unfreiwillig<br />
hüpfen und kollern.) Diese fünf Leute<br />
boten zum Teil einen sonderbaren Anblick.<br />
Tiefbraune Schminke bedeckte das Gesicht des<br />
einen, des Hochgewachsenen, und schwere<br />
Locken fielen unter einem breitrandigen Kalabreser<br />
auf Spitzenkragen und Lederkoller.<br />
Auch die Frau war kostümiert und in derselben<br />
Tracht einer verschollenen Buccanierzeit<br />
Sie sah sehr schön aus, trotz der Lila-Schminke,<br />
die Totenblässe vortäuschen sollte. An den<br />
drei anderen, einer Zofe, die so war, wie alle<br />
Zofen auf der ganzen Welt, und an den zwei<br />
Männern war weiter nichts Besonderes. Sie<br />
steckten in etwas mitgenommenen weissen An-«<br />
zügen, schwitzten und der eine verwünschte,<br />
weil man den schweren Filmaufnahmeapparat<br />
bergauf schleppen musste, bald die Steine,<br />
bald die Sonne, bald den heissen Wind, der<br />
ihnen die nassen Haare in die Augen wehte.<br />
Der andere, der ebenso schleppte und ebenso<br />
litt, sagte gar nichts. Denn Georg Field hatte<br />
in mehr als zwei Dutzend Jahren längst die<br />
Ueberzeugung gewonnen, dass ohnedies niemand<br />
auf seine Meinung irgendwelchen Wert<br />
legte. Er war ein schlanker, feingliedriger<br />
Mann, blasser, nervöser Großstädter, mit erstaunlich<br />
geschickten Fingern und einer auch<br />
den brutalsten Grobian zuletzt entwaffnenden<br />
Bescheidenheit. Wie soll man sein Amt beschreiben?<br />
Er betätigte sich als «Mädchen für<br />
alles, als Filminspizient, Bartkleber, Techniker,<br />
Kostümordner, Lampenbediener, er sprang<br />
fiberall bei und griff überall zu und alle Dinge<br />
entwirrten sich unter seinen Händen.<br />
Augenblicklich sollte er dem Filmoperateur,<br />
eben jenem schwitzenden und schimpfenden<br />
Herrn, zur Seite stehen, Baumzweige ordnen,<br />
den Wind ablenken und den Lagerplatz für<br />
das Liebespaar herrichten. —<br />
Denn die Szene, wo der wilde Buccanier das<br />
schöne geraubte spanische Mädchen durch die<br />
Wildnis schleppt, um an einem Waldfeuer mit<br />
ihr zu übernachten — zum erstenmal — und<br />
die Liebe wie ein Urwaldtier über sie herfällt,<br />
musste sehr sorgfältig aufgebaut werden. Später<br />
würde ein zweites Boot die Jupiterlampen<br />
und sonst noch Verschiedenes herüberbringen.<br />
Jetzt gab es nur Vorbereitungen, ermüdend<br />
und umständlich.<br />
Die schöne Wilma Mona beschäftigte sich<br />
abseits nur mit Zofe und Kostüm. Der Held<br />
sah gelangweilt zu, wie Apparatstandorte ausprobiert<br />
wurden — nicht zum erstenmal, denn<br />
man war zur Rekognoszierung schon früher<br />
hier gewesen — und Georg Field arbeitete<br />
schweigsam und unverdrossen unter den'lauten<br />
chlangeninsel<br />
Von Annie France-Harrar<br />
Beschimpfungen des tüchtigen« aber bekannt<br />
rabiaten Operateurs.<br />
Die Sonne sank, heisse Glut wallte um die<br />
Stämme der Meerstrandkiefern. Die roten Beeren<br />
der Stechwinde glühten in gläsernen Trauben,<br />
draussen schrien die Möven und eine einzige<br />
blühende Agave stand wie ein fremdartiger<br />
Kandelaberbaum vor dem grellen<br />
Himmel.<br />
c Holz zusammentragen! » befahl der Regisseur,<br />
der eben den Hügel heraufkeuchte. «Hierher!<br />
Und locker aufschichten, dass die Sache<br />
gleich richtig losgeht! Nein, drüben! Mona;<br />
bitte, komme mal 'rüber! Geh die paar Schritte'!<br />
Setz dich!»<br />
« Auf den Stein kann ich mich nicht setzen.<br />
Der ist zu niedrig! Sonst steht mein Rock wie<br />
ein Ballon auf!»<br />
« Also machen wir ihn höher! Field, Herrgott,<br />
wo steckt denn der Kerl? Na also, hierhin<br />
den Stein. Ist's so gut? »<br />
« Er wackelt! » konstatierte das entführte<br />
Mädchen.<br />
« Also Himmelherrgott, so richten Sie's doch<br />
schon anständig, Field! Passen Sie doch auf! »<br />
Der blasse Georg Field schnellte wie eine<br />
Gerte zur Seite. Er ordnete den steifen Faltenrock<br />
der Mona, er hat das Gefühl, dass er<br />
dabei ihre Haut berührte, diese seidene, blassblühende<br />
Haut, und er zittert. Denn er liebt'<br />
die Mona und er würde noch zehnmal mehr<br />
Strapazen und Verwünschungen ertragen, wenn<br />
er nur bei ihr sein kann. Sie sehen, ihr Parfüm<br />
spüren, von ihr entzückt sein — denn sie<br />
ist eine grosse Künstlerin — und dabei die<br />
tröstliche Gewissheit haben, dass er nicht lächerlich<br />
ist, weil so weit im Nebensächlichen<br />
und Unbedeutenden doch niemand eine so verzehrende<br />
Leidenschaft vermutet. Und weil<br />
eine Frau wie Wilma Mona an nichts weniger<br />
denkt als an den Mann, der ihre Kostümfalten<br />
zurechtlegt und sonst von aller Welt angebrüllt<br />
wird.<br />
«Feuer! Ich mnss sehen, wie das aussieht.<br />
Es gibt ja Holz genug hier für einen zweiten<br />
Haufen. »<br />
Die Flamme sticht spitzzüngig und gelb<br />
durch dürres Gezweig und abgefallene Nadeln.<br />
«Helling, nimm die Mona, nein, zieh' sie<br />
mehr, — lass' dich schleifen, Mona, lass' den<br />
Arm noch tiefer hängen, Handfläche nach aussen!<br />
Gut, mach' eine Faust, ist auch schön. Und<br />
jetzt leg' die Frau auf den Stein. Ich brauch'<br />
nur die Schatten. Field, biegen Sie den Zweig<br />
da 'runter, nachher musst du das Feuer anzünden,<br />
Helling. Lass' Mona fallen. Die passt<br />
schon auf, dass sie sich nicht wehtut. Los!»<br />
Flammen stieben mit Knistern auf. Das entführte<br />
Mädchen hängt totenblass, erschlafft,<br />
von Schrecken erstarrt, in zwei lederknirschenden<br />
Armen. Man glaubt ihr mit einemmal diese<br />
düstere, verschollene Geschichte, die der Film<br />
vorschreibt. Alles ist Wirklichkeit, vom Mövenruf<br />
bis zur halbgelösten schwarzen Nackenlocke.<br />
Georg Field klopft sein törichtes, hoffnungsloses<br />
Herz. So prachtvoll, so hinreissend<br />
spielt die Mona.<br />
Sie liegt, ein kostbares, willenlos gewordenes<br />
Ding, über dem Stein am Feuer. Ihre Hand<br />
fällt von selbst herab — «gute Nuance!» denkt<br />
der Regisseur, « muss so bleiben ». Da rührt<br />
etwas schreckhaft Kaltes an diese weissge-<br />
schminkte Hand. Die Mona blinzelt mit den<br />
verlängerten Wimpern. Halme bewegen sich.<br />
Das Kalte ist fort.<br />
Georg Field, der augenblicklich müssig dasteht,<br />
ganz versunken in den Anblick des Liebespaares,<br />
sieht diese sich bewegenden Halme,<br />
schaut schärfer. Ein dunkles Etwas gleitet auf<br />
dem Boden dahin, jetzt weiter über die Steine.<br />
Georg Field friert bis ins Mark. Seine Knie<br />
verlieren ihre Kraft. Es gibt viele Dinge, denen<br />
er bisher aus dem Weg gegangen ist. Aber es<br />
gibt nichts, was er so, mit solchem Entsetzen,<br />
Zeichnung Wohnlich<br />
mit solchem Grauen fürchtet als Schlangen.<br />
Er späht umher. Wo ist die Bestie hin? Es<br />
gibt hier giftige Schlangen, hat man ihnen gesagt.<br />
Man muss vorsichtig sein mit solchen<br />
Vipern. Ihr Biss tötet. Und da liegt Wilma,<br />
spielt, ahnt nichts von Gefahr.<br />
Die Schlange ist fort. Aber nein, da ist sie<br />
ja schon wieder, sie hebt den Kopf, ganz nahe<br />
am Ohr der Mona. Sieht denn der Regisseur<br />
nichts? Nein, das Kleid deckt sie gegen ihn.<br />
Helling — Gott, Helling.hat ja Lederzeug an<br />
und hohe Stiefel. Ueberhaupt, wer ist denn<br />
schon dieser dumme, aufgeblasene Helling?<br />
Der soll auf sich selber achtgeben. Aber die<br />
Mona! Wenn der Mona etwas geschieht! Was<br />
soll er tun, er, Georg Field? Er könnte sich<br />
wegstehlen. Man braucht ihn jetzt nicht. Unten<br />
liegt sicher noch ein Boot. Ehe etwas geschieht,<br />
ehe das Grauen, die Angst ihn töten,<br />
kann er fliehen. Er ist ja ein Niemand, ein<br />
Nebenmensch. Wer achtet auf ihn? Wer kümmert<br />
sich um sein armes bisschen Leben, wenn<br />
er es nicht selber tut?<br />
Die Schlange kriecht lautlos dem Feuer zu.<br />
Aber nein, sie züngelt ja noch neben dem Ohr<br />
der Mona. Irrtum, da ringelt sie sich doch<br />
hinter Hellings weggeworfenen Kalabreser.<br />
Das Feuer knistert, wirft Funken und Schatten.<br />
Es ist ganz still. Mona hat jetzt aufzuwachen<br />
und die Liebesszene hat zu beginnen.<br />
Ein suchender, süss hoffnungsvoller, hingebender<br />
und furchtsamer Blick. Dann ein lauter<br />
Schrei:<br />
« Eine Schlange!»<br />
Jetzt stürzen sie hin, jetzt sehen sie es alle.<br />
Sehen, was der zusammengekrampft dastehende<br />
Georg Field schon weiss: dass nicht<br />
eine Schlange ans Feuer kriecht, sondern drei,<br />
vier, ein halbes Dutzend, nein, mehr, man kann<br />
sie nicht zählen. Der dämmrige Boden wimmelt<br />
von Gewürm, es windet sich aus den Büschen,<br />
es tropft, es rieselt, es fällt aus den<br />
Baumkronen. Mit einmal wird der Urwald<br />
plötzlich Wahrheit, steht gespenstig und grauenhaft<br />
auf gegen den weissen Eindringling. Das<br />
ist nicht mehr eine harmlose sonnenglühende<br />
Insel vor Ragusa, das ist ein schreckbar fremdes<br />
Land, vor dem man flüchtet, weil es sonst<br />
dessen Lederzeug wie ein Sattel im Galopp<br />
tötet.<br />
Und sie flüchten wirklich. Helling voran,<br />
knirscht, dessen hohe Stiefelumschläge in Gestrüpp<br />
und Dornen hängen bleiben. Hinterher<br />
keucht der Operateur. Er schleift den Aufnahmeapparat<br />
nach sich, dessen Gestell knackt<br />
und splittert. Er stösst dann und wann einen<br />
wütenden Schrei aus, macht einen Bocksprung,<br />
rast weiter bergab. Der Regisseur stolpert,<br />
Steine kollern ihm nach, er schlägt dumpf hin,<br />
rafft sich wieder schrammenbedeckt auf.<br />
In der Lichtung oben ist niemand als dia<br />
Mona, die nun wirklich bewusstlos lieft,<br />
Georg Field, das Feuer und die Schlangen.<br />
Und das ist der Augenblick, wo dieser bescheidene,<br />
unscheinbare Mensch zum Helden<br />
Wird.<br />
Er weiss, rundum ringeln sich Nattern. Er<br />
weiss, es sind zumindest giftige darunter. Er<br />
weiss, dass seine Füsse in den dünnen Leinenschuhen<br />
so gut wie ungeschützt sind. Durch<br />
sein ganzes Leben aufgespeichertes Entsetzen<br />
vor Schlangen schüttelt ihn wie Fieberfrost.<br />
Und es wird dunkel, die Dämmerung kommt verzweifelt<br />
schnell, er hört, wie es rundum raschelt<br />
und sieht in den zuckenden Feuerschatten<br />
Gleiten und hört dünnes Zischen.<br />
Dennoch springt er zu der Frau, er umfasst<br />
sie mit den Armen. Wie schwer ist der steife<br />
Rock! Die Last erdrückt ihn schier. Dennoch,<br />
bergab! Scharfe Steine wie Glasscherben. Ein<br />
paarmal tritt er auf etwas, er will nicht denken,<br />
dass es eine Otter ist. Zweige sind ihm<br />
im Weg, das Kostüm der Mona häkelt sich<br />
fest, reisst, muss abgelöst werden. Er fühlt,<br />
dass sie plötzlich zu sich kommt, dass sie die<br />
Arme um seinen Hals klammert, dass sie wirk»<br />
liehe Tränen der Angst weint. Er will ein<br />
paar beruhigende Worte hervorstossen, da fällt<br />
von oben herab ein kalter, glitschiger Peitschenhieb<br />
auf sie und schwingt hinaus in die<br />
tiefe Dämmerung. Und sie schreit auf und lieft<br />
wieder schwer und hilflos in seinen vor Ueberanstrengung<br />
zitternden Armen.<br />
Für die halbe Stunde, da er sie zum Strand<br />
hinuntergeschleppt, gibt es keinen Zeitbefriff.<br />
Wahrscheinlich ist es Zeit ausserhalb der Zeit.<br />
Aber endlich sind sie doch unten. Uebel zugerichtet,<br />
zerkratzt, zerschunden, aber geflüchtet<br />
aus dem Schlangenwald und der Gefahr« Und<br />
*— fast unbegreiflich — unverletzt!<br />
Stimmen.<br />
Irgend jemand brüllt zwischen Ruderpläf*<br />
schern: «Um Gotteswillen! Die Mona! Di«<br />
Mona fehlt! Wo ist die Mona!»<br />
An die Existenz eines Georg Field denkt<br />
man überhaupt nicht.<br />
Und dann findet man die beiden. Man hebt<br />
sie ins Boot Taschenlampen blitzen auf: « üt<br />
ihr nichts geschehen? Kein Biss? »<br />
« Sie ist nur ohnmächtig,» sagt der Retter,<br />
und er sagt es ganz leise, als sei es sein*<br />
Schuld und er schäme sich darüber.<br />
Ja, natürlich, und dann, als die Wellen<br />
schon an die Bootswand schlagen, da kommt<br />
den andern erst der Zusammenhang zum Bewusstsein.<br />
Und es regnet Lob und Anerkennung,<br />
und die Mona lächelt, so wie sie nur in<br />
ihren besten Filmstücken lächelt. Und in dem<br />
Trubel und Schwall von Worten, die sich zuerst<br />
über ihn, dann über sie beide und zuletzt<br />
nur noch über die Mona ergiessen, tut Georg<br />
Field sein Heldentum vor sich selber ab und<br />
wird wieder der kleine, stille, bescheidene Nebenmensch,<br />
zu dem das Schicksal ihn bestimmt<br />
hat • t *<br />
Gegen Morgen sahen Fischer, die nach Cavtat<br />
zurückkehrten, den Waldhügel der Insel Supetar<br />
in hellen Flammen. Aber sie mussten<br />
vorbeifahren, denn der Schirokko tobte in den<br />
spitzen Zähnen der Riffe und warf Schaum<br />
und hohe Wellen auf. Man konnte nicht landen.<br />
Und schliesslich, nicht wahr, verlöscht<br />
ja jedes Feuer, wenn nichts zum Brennen mehr<br />
da ist. So ist der Schlangenwald von Supetar<br />
ausgebrannt und es ist fraglich, ob in dem salzkrustigen<br />
Gestein jemals wieder ein Wald<br />
wachsen wird. Von den Schlangen gar nicht<br />
zu reden.<br />
Aber diese Frage hat mit der einzigen halben<br />
Stunde, da der furchtsame, demütige<br />
Georg Field ein Held war und weder die<br />
Liebe, noch den Tod fürchtete, schon nichts<br />
mehr zu tun.<br />
Wettlauf mit einer Leiche.<br />
Es hat sich dieser Tage auf Palma auf den Balearen<br />
zugetragen, dass ein junger Mann der Erfrischung<br />
halber ins Meer sprang, einen Wadenkrampf<br />
bekam und von Fischern geborgen werden<br />
musste. Die Fischer hielten den Schwimmer für<br />
tot und lieferten ihn im Leichenschauhaus ab, wo<br />
der Inspektor befahl, den Toten in einem Glaskasten<br />
auszustellen. Der Wärter des Leichenschauhanses<br />
erlebte aber bald den Schreck seines Leben»,<br />
denn der Tote war natürlich nicht tot, kam in seinem<br />
Glaskasten zu sich und zertrümmerte das Gehäuse,<br />
um, ziemlich splitternackt, auf den Wärter zuzugehen.<br />
Nun ergab sich aber eine bürokratische chwierigkeit:<br />
Der Wärter hatte einen Empfangsschein für<br />
die Leiche ausstellen müssen, und als er die Situation<br />
erfasst hatte, bat er den wieder zum Leben<br />
Erwachten, sich bis zum Wiederkommen des Inspektors<br />
zu gedulden, — sons werde er, der<br />
Wärter, für das «unberechtigte Ausfolgen eines<br />
Toten » verantwortlich gemacht. Aber der jung«<br />
Mann hatte genug und wollte nur möglichst schnell<br />
ins Hotel kommen. Er liess den flehenden Wirter<br />
zurück und rannte davon. Ihm nach der Wärter,<br />
der für seine Stellung fürchtete, und nun ergab<br />
sich das eigentümliche Bild, dass ein händeringender<br />
Leichenwärter durch die Strassen von Palma einen<br />
nackten Mann verfolgte, der nicht stehenbleiben<br />
wollte. Die Passanten belustigten sich sehr an dem<br />
Anblick, doch zwei Polizisten machten dem Spiel<br />
bald ein Ende. Sie verhafteten den nackten Laufer<br />
und brachten ihn, in dem Glauben, es sei ein Irrer,<br />
auf die Wache. Erst dort klärte sich das Missverständnis<br />
auf, der junge Mann erhielt Kleider, der<br />
Wärter erhielt seinen Ausfolgungsschein, und der<br />
« Tote » begab sich ins Hotel.