E_1936_Zeitung_Nr.080
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Automobil-Revue<br />
N» 80<br />
Dsr seifsame Friedhof<br />
Weit weg vom unruhvollen Strassenverkehr, am<br />
Ufer der eilig fliessenden Limmat, liegt in ländlicher<br />
Stille der Ort, wo unbrauchbar gewordene Autos<br />
allerdings meist nur eine vorübergehende «Ruhestatt»<br />
finden. Endgültiges Ausruhen gibt es für sie<br />
auch hier nicht, — sie, die einmal Hunderte, vielleicht<br />
1 Tausende von Kilometern in rasender Fahrt<br />
auf weiten Strossen zurückgelegt haben, denn<br />
über kurz oder lang findet der eine oder andere<br />
Teil des ausser Dienst gestellten Wagens wieder<br />
einen Käufer. Beinahe an jedem Vehikel ist noch<br />
gegangen. Das gibt ihm ein armseliges Aussehen.<br />
Man muss unwillkürlich an die plattgetretenen<br />
Schuhe eines Landstreichers denken. Kostbare<br />
Wagen, die 50.000 Franken und mehr gekostet<br />
haben mochten, denen aber ein schwerer Zusammenstoss<br />
ein jähes Ende bereitet, haben neben billigen<br />
Schnappern Platz gefunden. Da steht auch<br />
einer mit leerer Bauchhöhle. Der Motor fehlt, das<br />
ganze «Eingeweide» ist ihm herausgerissen. Daneben<br />
liegt das Gerippe eines vollständig ausgebrannten<br />
Wagens. Einem andern ist die Seitenwand<br />
eingedrückt, Kotflügel und Trittbrett wegrasiert<br />
und die Fensterscheiben zertrümmert. Arg mitgenommen<br />
von den Tücken eines kürzern oder längern<br />
Lebens, sind viele nicht mehr nach ihrer Fabrikmarke<br />
zu erkennen.<br />
Letzter Parkplatz.<br />
• Photo Wiesner<br />
Amortisation<br />
KLEINE GESCHICHTE VOM AUTO<br />
«Wenn Sie diesen Qualitätswagen kaufen, »<br />
Hatte der Verkäufer im Tone eines Volkswirtschaftlers<br />
zu mir gesagt, «können Sie überhaupt<br />
nicht zu Schaden kommen. Nehmen wir<br />
Yon Bumerang<br />
an, Sie fahren ihn sechs Jahre, dann ist er<br />
amortisiert; sollten Sie aber schon nach vier<br />
Jahren Lust auf ein neues Modell verspüren,<br />
so verlieren Sie erst rechts nichts, denn nach<br />
vier Jahren hat dieser moderne Wagen noch<br />
immer einen Handelswert von 1500 Franken,<br />
Die Amortisation ist Ihnen auf jeden Fall<br />
sicher. »<br />
Als ich den Qualitätswagen vier Jahre gefahren<br />
hatte und seine Ventile das Geräusch<br />
eines fernen Hammerwerks verbreiteten, die<br />
Polster niedliche Aushöhlungen wie der Boden<br />
einer Spiegeleierpfanne zeigten und die einst<br />
dunkelblaue Motorhaube Anflüge sämtlicher<br />
Spektralfarben aufwies, entschloss ich mich,<br />
ihn zu verkaufen. Im Inseratenteil der <strong>Zeitung</strong><br />
fiel mein Blick auf eine Annonce,<br />
worin eine Garage gebrauchte Autos gegen eine<br />
minime Standgebühr in kommissionsweisen<br />
Verkauf nahm. Der Inhaber dieses Instituts<br />
war ein sehr kulanter Mann, der meinen Wagen<br />
durchaus annehmbar und einen Preis von<br />
1200 Franken angemessen fand. Ich warf einen<br />
wehmütigen Blick auf meinen vierjährigen Begleiter,<br />
streichelte die noch tadellos erhaltenen<br />
Scheinwerfer, Hess das Hörn ertönen, zeigte<br />
das vollkommen intakte Schloss des Kofferraums<br />
und fragte schüchtern: « 1500 wäre zu<br />
viel? » Der joviale, rundliche Garagier verkniff<br />
die Augen und schüttelte den Kopf: «Für<br />
'1200 kann er grade noch weggehen, aber wir<br />
müssen uns beeilen, damit er diese Saison noch<br />
verkauft wird. Im Herbst ist er schon wieder<br />
weniger wert.» Dieses Argument machte mir<br />
einen gewaltigen Eindruck und wir wurden<br />
handelseinig, dass ich pro Monat eine Standgebühr<br />
von dreissig Franken, zahlbar beim<br />
Verkauf des Autos, entrichte. In diesem bescheidenen<br />
Preis waren sämtliche Bemühungen<br />
des Unternehmens, meinen Wagen Kauflustigen<br />
mundgerecht zu machen, inbegriffen.<br />
Inzwischen kaufte ich einen neuen Wagen,<br />
denn die 1200 Franken für den alten waren<br />
mir sicher und ich hatte ein ganz gutes Geschäft<br />
gemacht. Es fehlte eigentlich nur noch<br />
eine Kleinigkeit und das war ein Käufer für<br />
mein tadellos erhaltenes und spottbilliges Auto.<br />
Aus schicksalshaften Gründen, die uns ewig<br />
ein Rätsel bleiben, weil sie ohne Gesetzmässigkeit<br />
unserem Leben eine andere Richtung geben,<br />
als wir erwarten, wollte kein Käufer in<br />
meinen Wagen beissen. Andere Autos kamen<br />
und gingen, das Institut des jovialen Garagiers<br />
blühte, aber mein Wagen blieb auf seinem<br />
Plätzchen und verwelkte. Für dreissig Franken<br />
pro Monat. Herausnehmen wollte ich ihn<br />
nicht, denn dann wären die Einstellgebühren,<br />
die inzwischen den Preis für einen bequemen<br />
Klubfauteuil, von dem ich träumte, ausmachten,<br />
nutzlos vertan gewesen.<br />
« Es waren schon drei Leute da, die sich lebhaft<br />
für Ihre Limousine interessieren,» erklärte<br />
der freundliche Tankwart; einer von ihnen war<br />
besonders begeistert, er wartet nur noch auf<br />
eine Erbschaft, die ihm zurzeit vor Gericht<br />
streitig, gemacht wird,, dann kauft er den ^Wagen<br />
sofort; gegen bar.,»-.Daraufhin stieg-das<br />
Barometer meiner Hoffnung auf «"Schön *, und<br />
ich wartete, bis zum Raride mit Zuversicht gefüllt.<br />
' / ,'<br />
Am Ende r des ersten Jahres, das seit dem<br />
denkwürdigen .Tage der Einstellung, f, meiner<br />
Fahrhabe verflossen, ;war, J überschlujgeli,, wir<br />
rasch die Bilanz, Die •Einste.llgebührefl Saiten<br />
sich auf 360 Franken zusammengeläppert, wozu<br />
noch eine. Kleinigkeit von, 25 Franken für<br />
Benzin zu Versuchsfahrten mit Kaufinteressenten<br />
kam. Mein Schmerz über diese Verlustsumme<br />
wurde allerdings durch die Gewissheit<br />
gemildert, dass ich das Geld nicht zu zahlen<br />
brauchte; die Spesen wurden gemäss unserem<br />
Vertrag einfach vomi Verkaufspreis des Wagens<br />
abgezogen. «Es bleiben mir immerhin<br />
noch 800 Franken, wenn jetzt beispielsweise<br />
der Interessent mit der Erbschaft morgen eintrifft,<br />
» sagte ich halblaut zu mir. Der Garagier,<br />
der sich mit einem ungespitzten Bleistift<br />
geheimnisvolle Notizen machte, schob seine<br />
Mütze übers Ohr und meinte: « Gewiss, letztes<br />
Frühjahr hatte das gestimmt, aber ihr Auto<br />
hat sich inzwischen abgewertet. Wir bekommen<br />
für seinen Jahrgang heute höchstens noch<br />
900 Franken, Das Angebot ist zu grosse geworden.<br />
Unser Gewerbe ist verflucht schlecht<br />
daran, mein Herr. »<br />
Was sollte ich tun?; Etwa die-tadellos erhaltene<br />
Limousine jetzt herausnehmen gegen<br />
Bezahlung der 385 Fr. Standgebühren und Spesen,<br />
ohne einen Käufer für sie zu haben? Ausgeschlossen.<br />
Im Geheimen fühlte ich, wie sich<br />
die Chancen eines Gewinns mit'dem Quadrat<br />
der Zeit verschlechterten: die Unkosten wuchsen<br />
ebensoviel, wie der Verkaufswert des Vehikels<br />
sank. Zu irgendeinem Datum mussten<br />
sich diese beiden Abszissen in der Schicksalsrechnung<br />
meines Autos auf der Null-Linie<br />
treffen,..<br />
Dieses unvergessliche Ereignis traf nach weiteren<br />
11 Monaten ergebenen Wartens in Gestalt<br />
folgender Schlussabrechnung seitens des<br />
immer freundlichen, wie ein Rosenapfel strahlenden<br />
Vorstehers des Verkaufsinstituts ein,<br />
der mir auf einer alten Adlermaschine schrieb:<br />
« Sehr geehrter Herr Bumerang! Sie haben<br />
lange warten müssen, aber zuletzt ist doch<br />
noch alles gut herausgekommen. Ich habe<br />
Ihren alten Wagen gestern einem nicht sehr<br />
wählerischen Käufer anhängen können. Dank<br />
meinem geschickten Unterhandeln, wofür ich<br />
ja weiter nichts beanspruche, konnte ich den<br />
Mann zur Barzahlung einer höheren Summe<br />
bewegen, als der Wagen heute eigentlich wert<br />
ist. Ich freue mich ehrlich, dass alles so gut<br />
gegangen ist und Sie für Ihr Warten entschädigt<br />
sind. Unsere Schlussabrechnung stellt sich<br />
demnach wie folgt:<br />
Verkauf Ihres Vierplätzers Fr, 700.—<br />
Vertragliche Standgebühren » 690.—<br />
Benzin zu Vorführungszwecken » 31.—<br />
Saldo zu meinen Gunsten Fr. 21.—<br />
Ich darf Sie bitten, mir denselben auf mein<br />
Postscheckkonto einbezahlen zu wollen.<br />
Hochachtungsvoll<br />
Charly K.^»<br />
etwas, das neuer Dienstbarkeit zugeführt werden<br />
kann, sei es ein Zahnrad, ein Kühler oder ein Vergaser.<br />
Stückweise wird ihm das «Innerste» herausgeholt<br />
und genau nach Brauchbarkeit „ oder Unbrauchbarkeit<br />
untersucht. Was nicht mehr verwendbar<br />
ist, kommt zum Alteisenhaufen.<br />
Nummernlos steht Wagen neben Wagen. Riesige<br />
Arbeitstiere, die einmal ungeheure Lasten getragen,<br />
neben einem niedlichen Zweispänner, dessen<br />
graue Plüschpolsterung noch gut erhalten und dessen<br />
Aeusseres keine. Beschädigung zeigt. Keine<br />
Beule ist an ihm, nur den Reifen ist die Luft aus-<br />
Beatme o<br />
Oijono<br />
Was könnte wohl nicht von diesen Wagen erzählt<br />
werden, wenn man ihr Schicksal und ihre<br />
Vergangenheit kennen würde. Manch einer mag<br />
weite Reisen in ferne Länder, zu Frühlings- und<br />
Sommerszeiten, manch anderer schwere Sturmfahrten<br />
hinter sich haben, und wo mögen alle die<br />
lustigen und vielleicht auch traurigen Menschen<br />
weilen, die einst in ihren weichen Polstern gesessen<br />
haben? Liegt es nicht wie stumme Tragik über<br />
all den elenden Wracks, die eines Tages von der<br />
Strasse an diesen stillen Ort abgeschleppt werden<br />
mussten?<br />
Lilly Wiesner.<br />
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