28.02.2018 Aufrufe

E_1936_Zeitung_Nr.096

E_1936_Zeitung_Nr.096

E_1936_Zeitung_Nr.096

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

höhung der für Anschaffungen und Bauten<br />

aufzuwendenden Mittel, über Massnahmen<br />

zur Deckung von Fehlbeträgen, sowie die Erwerbung<br />

weiterer Eisenbahnen oder den Bau<br />

neuer Linien durch den Bund.<br />

Art. 8 überträgt dem Bundesrate die Oberaufsicht<br />

über Geschäftsführung und Finanzhaushalt<br />

der Bundesbahnen und gibt ihm<br />

das Recht, diesen zwecks Wahrung wichtiger<br />

Landesinteressen die ihm gutscheinenden<br />

Weisungen zu erteilen. Man beachte: Im Gegensatz<br />

zum geltenden Rechte werden hier<br />

die Befugnisse des Bundesrates nicht mehr<br />

Nerv York, im November.<br />

Autoschau jenseits des Ozeans, eine Ausstellung<br />

im Steinmeer der New Yorker Wolkenkratzer.<br />

So fremd uns diese turmartigen<br />

Gebäude anmuten, so fremd uns die Lebensweise<br />

des Amerikaners ist, so fremd ist uns<br />

auch die ganze Aufmachung der Ausstellung<br />

der amerikanischen Autoindustrie.<br />

Um zu einem halbwegs richtigen Bild zu<br />

kommen, muss man sich vollkommen von<br />

den Anschauungen des Europäers loslösen.<br />

Man muss vor allem das rein technische Interesse<br />

in den Hintergrund stellen, denn diese<br />

Schau ist nicht wie unsere europäischen<br />

Salons eine Angelegenheit der Technik, besser<br />

gesagt, des technischen Fortschrittes,<br />

sondern eine reine Verkaufsschau, lediglich<br />

abgestellt auf den Verbraucher, der dazu gebracht<br />

werden soll, sich wieder einen neuen<br />

Wagen anzuschaffen. Er soll verführt werden<br />

dazu — das ist wohl das richtige Wort.<br />

Denn man setzt ihm mit allen Mitteln neuzeitlicher<br />

Werbekunst zu, mit Mitteln, die<br />

wir in der alten Welt gar nicht kennen, deren<br />

Kostspieligkeit ja auch nur dann tragbar<br />

ist, wenn die hohen notwendigen Beträge<br />

auf solche Riesenproduktionsziffern umgelegt<br />

werden können, wie sie die grossen amerikanischen<br />

Werke aufweisen. Die Durchführung<br />

dieser Aufgabe ist in einem so riesengrossen<br />

Lande, wie es die USA sind, und<br />

bei einer weit verstreuten Bevölkerung von<br />

130 Millionen Menschen nicht mit einer einzigen<br />

Ausstellung su schaffen. Deshalb veranstalten<br />

die Amerikaner<br />

innerhalb von etwa 4 Wochen fast vier<br />

Dutzend Ausstellungen<br />

einzelnen festgelegt, sondern, im Sinne einer<br />

Machtkonzentration seine weitreichenden<br />

Kompetenzen auf eine Art Generalnenner gebracht.<br />

Der Bundesrat regelt ferner, unter<br />

Vorbehalt der Kompetenzen des Verwaltungsrates,<br />

seine eigenen Befugnisse, sowie die-r<br />

jenigen des Post- und Eisenbahndepartömentes<br />

und der leitenden Bundesbahnorgane.<br />

Wegleitend wird hiezu bestimmt, dass durch<br />

weitgehende Abtretung von Befugnissen an<br />

diese letzteren für eine einfache, rasche und<br />

unabhängige Geschäftsbehandlung gesorgt<br />

werden solle. (Schluss Seite 8.)<br />

Autcmo&Hs Ausstellung, zwischen<br />

lüalkeufoiatzew<br />

Eigener Eilbericht der „Automobil-Revue*<br />

an allen Ecken und Enden ihrer 48 Staaten.<br />

Und um wirklich bis zu der Seele jedes Einzelnen<br />

vordringen zu können, werden ausserdem<br />

noch in einer Unzahl von Städten,<br />

auch in denen, in welchen Ausstellungen<br />

stattfinden, von den grösseren Firmen Sonderschauen<br />

veranstaltet. Der Reisende, der<br />

in einem der grossen Hotels zur Ausstellungszeit<br />

absteigt, ist — natürlich nur, wenn<br />

er aus Europa kommt — nicht wenig verblüfft,<br />

in seiner Hotelhalle eine Reihe von<br />

Wagen, angestrahlt in blendend weissem<br />

Licht, vorzufinden. (Wobei es oft unerfindlich<br />

ist, wie diese Wagen 2 bis 3 Stockwerke<br />

hoch, durch enge Gänge und schmale<br />

Türen in die Räume befördert werden können.<br />

Aber manchmal geht eben auch ein<br />

Kamel durchs Nadelöhr...)<br />

Trotz der grossen Aufmachung, trotz aller<br />

Beigäben bei den Sonderschauen, trotz der<br />

raffiniertesten Reklamemethoden ist aber erfreulicherweise<br />

nie die Aufmachung Hauptzweck.<br />

Im Vordergrund steht, auch wenn<br />

die Dekoration noch so toll und noch so<br />

kostspielig ist, stets das Produkt. Die Aufmachung<br />

ist nur der Magnet, der den (stets<br />

neugierigen) Kunden heranholt. Fertiggemacht<br />

wird der Mann aber erst durch das<br />

Verkaufsobjekt.<br />

Wie es die Amerikaner mächen ? Vor<br />

allem suggerieren sie in einem konzentrischen<br />

Angriff durch <strong>Zeitung</strong>sinserate und<br />

Plakate der Bevölkerung, dass die bisherigen<br />

Modelle völlig überholt seien, dass gerade<br />

im Laufe des letzten Jahres Feststellungen<br />

gemacht werden konnten, die eine<br />

bisher noch nie gekannte, ja kaum erträumte<br />

Vollkommenheit des Automobils ermöglichen.<br />

Immer wieder springen einem bestimmte<br />

Schlagworte entgegen, wie scientifical tests,<br />

also wissenschaftlich exakte Forschungen,<br />

die den Kunden erst einmal mürbe machen<br />

müssen. Dann wird dem Kunden, der anfänglich<br />

natürlich misstrauisch ist, ausgeredet;<br />

dass es sich vielleicht nur um geringfügige<br />

Änderungen handeln könnte. Es heisst<br />

kategorisch : « The New X-Car Model 1937<br />

— an entirely New Design». Allmählich<br />

wird der Kunde neugierig. Wenn die Ausstellung<br />

in seiner Stadt ihre Pforten öffnet,<br />

dann ist er bestimmt schon so weit, dass*er<br />

um jeden Preis diese Wunderwerke der<br />

Autotechnik sehen will.<br />

Amerikanische Aussteilungstechnik.<br />

Nun, in der Ausstellungshalle oder im<br />

Lobby des Hotels, in dem die Sonderschau<br />

stattfindet, wird der Interessent erst so richtig<br />

drangenommen. Er sieht den Wagen, der<br />

ihm zugedacht ist, nicht vielleicht nur als<br />

fertiges Werkzeug, sondern in alle Einzelteile<br />

zerlegt. Und ein blankes Fahrgestell, an<br />

dem jedes Organ im Schnitt zu sehen ist,<br />

dreht sich und alle seine Teile bewegen sich.<br />

Die Tiefstrahler sorgen dafür, dass auch der<br />

versteckteste Winkel taghell erleuchtet ist<br />

und grosse Spiegel lassen auch die dem Beschauer<br />

abgewendete Seite des Fahrgestells<br />

überblicken. Neben dem Fahrgestell steht<br />

nun ein sehr liebenswürdiger junger Mann,<br />

bewaffnet mit einem Stab. Dieser junge<br />

AUTOM OBTL-RrrvUf! FREITAG, Tl. TTOVETJBER 1938 — N°<br />

Mann erklärt nun in ebenso taktvoll nna<br />

u f dringlicher wie sehr e i n dringlicher<br />

Weise und mit nicht unerheblichem Stimmaufwand<br />

die Vorzüge der Konstruktion, wobei<br />

er mit dem Stab auf die Teile hinweist<br />

und so hervorragenden Anschauungsunterricht<br />

erteilt. Das geschieht übrigens nicht<br />

nur in den Sonderschauen, sondern ebenso<br />

auch mitten im Grand Central Palace, im<br />

New Yorker Ausstellungsgebäude.<br />

Und wenn der Interessent gesehen hat,<br />

wie sehr sich äusserlich sein treuer Wagen<br />

von den neuen Typen unterscheidet (denn<br />

karosserietechnisch verändern die Amerikaner<br />

geschickterweise alljährlich ihre Modelle<br />

grundsätzlich), dann schleicht er bedrückt<br />

zum Parkplatz, wo der Wagen steht, der<br />

ihm bisher als das Nonplusultra im Autobau<br />

erschien. Damit ist der gewünschte Erfolg<br />

erzielt : der Mann hat eingesehen, dass er<br />

einen neuen Wagen braucht —<br />

aas dem Interessenten Ist ein Käufer<br />

geworden !<br />

Fast 3,4 Millionen Automobile verkaufte<br />

die Industrie der USA im Jahre 1935. In diesem<br />

Jahre' wird die Verkaufsziffer sich um<br />

rund 4 Millionen bewegen und im kommenden<br />

Jahre will man sie auf die Rekordhöhe<br />

von 5 Millionen steigern. Bei solchen Produktionsziffern<br />

muss man schon mit allen<br />

Mitteln versuchen, den Verbraucher knockout<br />

zu schlagen..*<br />

So sieht man als Europäer die Dinge im<br />

Trubel der hiesigen Autoausstellungen, in<br />

den Wochen, in denen die « Neugeborenen»<br />

der Industrie erstmalig öffentlich gezeigt und<br />

herumgereicht werden. (Der Amerikaner wird<br />

die Dinge wahrscheinlich wesentlich anders<br />

sehen.) Man darf jedoch die amerikanischen<br />

Werbemethoden nicht abschätzig beurteilen,<br />

schon deshalb nicht, weil die Leute hier dem<br />

Kunden für sein Geld einen<br />

ausserordentllch hohen Gegenwert<br />

liefern. Die amerikanische Industrie kann<br />

schon etwas, sie kann weit mehr als nur die<br />

Reklametrommel rühren und Autos am laufenden<br />

Band wie Brötchen herstellen. Sie<br />

kann in der Materialforschung, in der Konstruktion,<br />

in der Planung, in der Marktanalyse<br />

und natürlich in fabrikatorischer Beziehung<br />

sehr, sehr viel! Nur, dass eben die<br />

Entwicklung hier ganz andere Wege geht als<br />

in unserer guten alten Welt.<br />

Amerika und Europa.<br />

Der 'amerikanische und der europäische<br />

Wagen lassen sich überhaupt nicht miteinander<br />

vergleichen. Sie sind nicht nur grundverschieden<br />

entworfen, sondern schon die<br />

Voraussetzungen für ihren Entwurf sind völlig<br />

voneinander abweichend. Der grosse<br />

Vorteil der amerikanischen Industrie, durch<br />

den Riesenabsatz im eigenen Lande Produktionsziffern<br />

erreichen zu können, die eine<br />

niedrige und sonst nirgends in der Welt mögliche<br />

Preisberechnung ermöglichen, schliesst<br />

gleichzeitig auch ein gewisses Hemmnis in<br />

sich, und zwar im Hinblick auf die Weiterentwicklung.<br />

In einem Werk, das täglich<br />

mehrere Tausende von Wagen in die vier<br />

Windrichtungen hinausschickt, muss jeder<br />

kleinste Arbeitsvorgang genau zeitlich berechnet<br />

sein und mit einer bestimmten Vorrichtung<br />

oder einem Behelf ausgeführt werden.<br />

Für gewisse Arbeitsoperationen braucht<br />

man Spezjalmaschinen, die vom Werk gerade<br />

nur für diesen Prozess besonders er-<br />

dacht, konstruiert und bestellt werden. Die<br />

kleinste Aenderung wirft schon die bisherigen<br />

Berechnungen über den Haufen und<br />

macht unter Umständen eine sündteure Maschine<br />

zu einem fast wertlosen Stück Alteisen.<br />

Ein Werk, das auf Massenproduktion<br />

eingerichtet ist, muss also verhältnismässig<br />

lange Zeit wenigstens die teuersten Herstellungsvorrichtungen<br />

im Betrieb belassen,<br />

damit sich die ursprünglich angelegten Gelder<br />

amortisieren. Eine amerikanische Grossserienfabrik<br />

kann also immer nur in Abständen<br />

von mehreren Jahren grundsätzlich eine<br />

Konstruktion ändern, sie muss sich in der<br />

Zwischenzeit mit kleineren Verbesserungen<br />

und karosserietechnischen Aenderungen begnügen.<br />

Das Tempo, das die europäische Industrie<br />

in den letzten Jahren bei der Weiterentwicklung<br />

hauptsächlich vm Chassisbau an<br />

den Tag legte, ist eben nur bei den im Vergleich<br />

zu amerikanischen Verhältnissen kleinen<br />

Produktionsziffern unserer Werke möglich.<br />

Unsere Fabriken sind noch nicht so<br />

weitgehend spezialisiert, sie können sich also<br />

in verhältnismässig kurzer Zeit grundsätz-<br />

lieh umstellen.<br />

Wir streben heute in erster Linie Fahrsicherheit<br />

und Wirtschaftlichkeit an. Beide<br />

Forderungen zwingen zu oft grundsätzlichen<br />

Konstruktionsänderungen, stellen sie doch<br />

die im Automobilbau am schwersten zu<br />

meisternden Probleme dar. Die Amerikaner<br />

haben es nicht nötig, auf besondere Betriebswirtschaftlichkeit<br />

zu sehen, da das<br />

Benzin sehr billig ist. Auch das Problem der<br />

Erhöhung der Fahrsicherheit ist kein bren-r<br />

nendes, schon deshalb nicht, weil dem amerikanischen<br />

Kunden, der das ganze Jahr<br />

hindurch nur die Erzeugnisse seines eigenen<br />

Landes sieht, jede Vergleichsmöglichkeit<br />

fehlt. So kann sich die amerikanische Industrie<br />

einem andern Problem zuwenden,<br />

das wiederum in Europa etwas stiefmütterlicher<br />

behandelt wird, nämlich der Erhöhung<br />

des Komfortes. Was die Amerikaner an<br />

Neuerungen bringen, das betrifft zu 90 Prozent<br />

die Schaffung von Vorkehrungen, um<br />

dem Automobilisten das Reisen im Wagen<br />

angenehmer zu gestalten und um ihm möglichst<br />

alle Bedienungsgriffe abzunehmen, zumindest<br />

aber zu erleichtern. Auf welche<br />

Weise die amerikanische Industrie dies fertigbringt<br />

und in welcher Richtung sich die<br />

Entwicklung überhaupt bewegt, das wird ein<br />

zweiter Bericht schildern.<br />

Schweizerische Rundschau<br />

Um die Panixer- und Segnesstrasse. Dem<br />

Grossen Rat des Kantons Graubünden ist<br />

eine Interpellation zugegangen, welche mit<br />

Rücksicht auf die von glarnerischer Seitegetroffenen<br />

Vorbereitungen für den Bau<br />

einer Panixerstrasse die Regierung einlädt,<br />

die Bestrebungen des Kantons Glarus in dieser<br />

militärisch und wirtschaftlich wichtigen<br />

Frage zu unterstützen.<br />

Im weitern haben 6 Grossräte dem bündnerischen<br />

Parlament eine Motion eingereicht*<br />

womit der Regierung erneut nahegelegt<br />

wird, im Interesse der Landesverteidigung<br />

sowohl als auch aus verkehrspolitisch wichtigen<br />

Gründen eine Strassenverbindung zwischen<br />

Graubünden und Glarus ins Auge zu<br />

fassen und ein Projekt über den Segnes ausarbeiten<br />

zu lassen.<br />

«Die erste Station! So hast du's doch<br />

vorgelesen?... Hinunter nach Spanien...<br />

hier ist Barcelona ! ><br />

« Ich bin so ruhig geworden ! > flüsterte<br />

Sybil.<br />

«Glück macht ruhig, das hab ich nicht<br />

gewusst. Wir werden uns nie trennen — oh,<br />

jetzt kann uns nichts mehr geschehen ! Ich<br />

bin betrunken, ich muss Luft in den Adern<br />

haben, mir ist so leicht... ich träume, ich<br />

träume ! ><br />

Fort von Europa ! Ein neuer Erdteil, ein<br />

neues Leben — und wenn sie bis ans Ende<br />

der Welt laufen : überall Glück!<br />

Die Zukunft ist unbefleckt und strahlend<br />

neu.<br />

Ein dünner Strich zieht sich von Italien<br />

hinüber nach Südamerika. Republik Brasilien.<br />

«Hier ist Rio de Janeiro... und Santos.<br />

Hier geht die Fahrt zu Ende. »<br />

Lukas kritzelte neben dem Hafennamen<br />

andächtig « Giulio Cesare » hin — lässt die<br />

beiden Worte in der blauen Bucht vor Anker<br />

gehen. Giulio Cesare ! In zwei Wochen<br />

werden sie dort landen. Jetzt ist es aufgeschrieben<br />

und besiegelt.<br />

Zwölftes KapiteL<br />

Ein dunstiger Streif steigt im Osten auf,<br />

drängt sich hoch, bleiches Gerinnsel, das die<br />

dichte Farbe der Wolken verdünnt. Langsam<br />

verändert sich der Himmel, wird fahl,<br />

schmutzigblau, wie verwässerte Milch.<br />

c Willst du nicht schlafen, Lukas ? So<br />

müde siehst du aus ! » .<br />

« Ich bin nicht müde — nur unrasiert. Aber<br />

du musst schlafen ! »<br />

«Oh, ich hab schon längst verlernt; zu<br />

schlafen. Wenn es keine Schlafmittel gäbe,<br />

müsste ich wochenlang wach bleiben<br />

warum siehst du mich so an — es ist wahr.»<br />

« Unsinn», sagt Lukas. Er war in Wirklichkeit<br />

schwindlig vor Abspannung, lein<br />

Schädel dröhnte. Aber zu Bett gehen ? Nein.<br />

Er musste nachdenken, überlegen, ein Tagesprogramm<br />

aufstellen. Im Riviera-Express<br />

wird Zeit genug sein, um zu schlafen.<br />

Weisses, kühles Leinen, rollende Wiege im<br />

Waggon-lit...<br />

Er reisst die Augen auf, kommt taumelnd<br />

auf die Beine.<br />

« Und du, Sybil ? ><br />

«Ich werde inzwischen am Konstantin<br />

schreiben.»<br />

Ihre Stimme ist sanft und leicht. Schuld ?<br />

Betrug ? Sie wird einfach an Konstantin<br />

schreiben, dass die Hochzeit nicht stattfinden<br />

kann. Er muss es verstehen — Gott selbst<br />

hat in letzter Stunde verstanden, dass diese<br />

Hochzeit nie stattfinden kann.<br />

« Wer weiss, ob es ihn überhaupt kränkt?<br />

Vielleicht sind doch zwischen ihm und Marion<br />

andere Beziehungen... Glaubst du,<br />

dass ich jetzt noch den Brief lesen soll ? »<br />

Lukas antwortete nicht, er blickte zum<br />

Fenster hin, wo zögernd und bleich der neue<br />

Tag wächst.<br />

cHalb fünf», sagt SybiL Sie lächelt stolz.<br />

Jetzt konnten sich die Zeiger drehen, wie sie<br />

wollten — die Zeit war unwichtig geworden.<br />

Lukas sieht sich mit matten Augen im<br />

Zimmer um. Sybils Koffer, das schmale<br />

Nonnenbett, auf dem Fussboden eine zerblätterte<br />

<strong>Zeitung</strong>... Wird alles das bestehen<br />

können im kalten Licht?<br />

Er war der Musik der Nacht nachgegangen<br />

und hatte auf seinem Wege eine Frau<br />

gefunden. Und wenn der Morgen kommt, der<br />

Tag, der alles entzaubert ?<br />

Lukas horcht in sich hinein und prüft sein<br />

Herz.<br />

Sybil steht mitten im Zimmer. Die graue<br />

Dämmerung kann ihr nichts anhaben, ihre<br />

Stirn schimmert wie Bronze, metallener Bogen,<br />

über den das Zwielicht sickert<br />

« Lukas... », ruft sie.<br />

Und da hat sein Herz die Prüfung bestanden.<br />

Lukas ist wach geworden, er geht durchs<br />

Zimmer, Schritt für Schritt, bis zu Sybil.<br />

Langsam, ohne zu sprechen, schliesst er<br />

sie in seine Arme. Auch Sybil schweigt. Endloser,<br />

sanfter Kuss. voll stummer Gelöbnisse.<br />

Sie halten sich umarmt und sind glücklich.<br />

Sie sehen in die Zukunft und lächeln.<br />

Es ist ihr letzter Kuss.<br />

Als Lukas im Badezimmer ist, holt Sybil<br />

den Brief aus der Handtasche. Er ist noch<br />

mehr zerknittert und riecht schwach nach<br />

Puder. Das macht ihn vertrauter. Jetzt ist<br />

es fast, als wäre er Sybils Eigentum.<br />

Sie setzt sich an den Toilettetisch und holt<br />

die Briefbogen aus dem Kuvert. Aber noch<br />

liest sie nicht. Sie starrt vor sich hin und<br />

tupft mit den Fingerspitzen auf das Papier.<br />

Nein, die Buchstaben brennen nicht, stechen<br />

nicht — es sind brave, ungefährliche Worte.<br />

Es steht kein Geheimnis drin, denkt Sybil.<br />

Vielleicht hat Konstantin ein Auto gekauft<br />

? ,Liebe Marion, es soll eine Ueberraschung<br />

sein, verraten Sie nichts.' Oder sie<br />

ist seine Geliebte. ,Mein Engel, wie ich mich<br />

nach die sehne...' Dann ist alles gut. Das<br />

hat nichts mit mir zu tun, und die Ratte wird<br />

endlich schweigen. Verfluchte Ratte, die mich<br />

zerstören will...<br />

Sybil dreht die Blätter hin und her. Sie<br />

hat / U, sie raschelt mit den Papierbogen<br />

und hat Angst. Es ist ganz so, als möchte<br />

Sybi] Zeit gewinnen. Sie nimmt das Kuvert<br />

in die Hand und betrachtet es genau, aber<br />

es ist nichts daran zu sehen, als dass die<br />

Marke vor fünf Tagen abgestempelt wurde.<br />

Weisses Papier, schwarzblaue Tinte, Konstantins<br />

Schrift.<br />

< Ich will nicht wissen, was er schreibt! ><br />

Das Kuvert flattert auf die Holzplatte zurück.<br />

« Ich muss es lesen ! »<br />

Sybil lächelt zitternd den Brief, an, als<br />

wäre er ein Mensch und durch ein Lächeln<br />

zu besiegen.<br />

(Fortsetzung folgt)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!