E_1938_Zeitung_Nr.041
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Hans und Paula Sluck privat<br />
Ort der Handlung: Irgendwo am Zürichsee — Hans Stuck bereitet Ueberraschungen vor— Paula Stuck einen<br />
Roman — Handtücher und Schnick-Schnack — Die Aussichten des Zürcher Autorennens 1939<br />
Es hatte zum letzten Male auf die Berge herabgeschneit,<br />
als ich an einem Sonntagabend in<br />
einem Zürichseedorf aus dem Zug stieg und von<br />
Hans von Stuck ins Auto genommen wurde. Es<br />
war nicht der grosse, schwarze Wagen mit dem<br />
dumpfdonnernden Motor, den er sonst fährt, sondern<br />
ein kleines Wägelchen.<br />
«Eine angenehme Abwechslung», erklärt mir<br />
der berühmte Rennfahrer, «einmal eine kleine<br />
Maschine zu kutschieren.» So fahren wir gemächlich<br />
über den Seedamm auf Rapperswil zu. Ein<br />
Reporter hat die Pflicht, berühmte Männer, die ihm<br />
in die Hände kommen, auszufragen.<br />
«Allerhand Pläne haben wir jetzt», sagt Hans<br />
Stuck. «Morgen fahre ich nach Chemnitz. Es ist<br />
wohl so, dass ich für die Auto-Union wieder ins<br />
Rennen gehen werde. Eigentlich wollte ich aufhören.<br />
Wissen Sie, dass ich von Beruf eigentlich<br />
Landwirt bin? Ich muss wohl gehen; denn Deutschland<br />
hat heute zu wenig Rennfahrer. Der Nachwuchs<br />
kommt erst herauf, ich will mich der Pflicht<br />
nicht entziehen. Denn es gibt nächstens in Deutschland<br />
noch sehr grosse Aufgaben zu lösen.»<br />
«Und wie sehen diese Aufgaben aus?»<br />
«Das möchte ich Ihnen nicht heute schon auseinandersetzen.<br />
Unsereiner redet lieber nicht zuviel<br />
von Zukunftsplänen. Die Hauptsache: wir führen<br />
sie durch.»<br />
«Also stehen uns allerhand Ueberraschungen<br />
bevor zu Wasser und zu Land?»<br />
«Ich glaube ja.»<br />
Inzwischen sind wir von der Hauptstrasse bei<br />
Feldbach abgewichen und fahren nun ein seewärts<br />
stark abfallendes Strässchen hinunter.<br />
«Hier wohnen wir für ein paar Tage» — ein<br />
reizendes, kleines Landhaus zwischen Schilf und<br />
Strasse, ein verborgenes Plätzchen, vielleicht der<br />
heimlichste Winkel am Zürichsee. «Wir steigen<br />
hier, wenn wir ein wenig ausruhen wollen, bei unseren<br />
Freunden ab. Meine Frau wird gleich kommen.<br />
Ausserdem ist noch eine Dame hier, die<br />
Sie interessiert, nämlich Kathrin Holland.»<br />
Während ich mit Paula Stuck am Kaminfeuer<br />
sitze, arbeitet Hans an einem Schreibtisch, der sich<br />
neben seiner hünenhaften Gestalt wie ein Kindermöbel<br />
ausnimmt. Um diesen Mann herum wird<br />
alles klein. Er beugt sich über Karten und Automobilführer<br />
und sagt dann: «Um sechs Uhr Abreise.<br />
Wir fahren über Nürnberg und gewinnen<br />
dann die Autobahn.»<br />
Paula Stuck, die temperamentvolle und liebenswürdige<br />
Gattin des Rennfahrers, erzählt von ihrem<br />
Leben und Schaffen. Den Roman «4 X Liebe» hat<br />
sie in drei Wochen niedergeschrieben und nicht<br />
Kathrin Holland und Paula Stuck.<br />
mehr gelesen, bis die Korrekturfahnen aus der<br />
Druckerei kamen. Jetzt schreibt sie a,n einem<br />
neuen Buch. Wer den packenden Rennfahrer-<br />
Roman gelesen hat, dem ist die kleine Hündin<br />
«Schatten» ans Herz gewachsen. Nun kommt der<br />
«Schatten» im Original hereingestürmt, eine reizende<br />
kleine Foxterrierhündin mit ein paar gelben<br />
Flecken im weissen Fell. Wir freunden uns an —<br />
ein Praline beschleunigt das gute Einvernehmen.<br />
«Sie werden viel auf Reisen sein», frage ich.<br />
«Wir machen<br />
durchschnittlich im<br />
Jahr 80000 Kilometer<br />
und wohnen<br />
in 80 Hotels.<br />
Sie können sich<br />
denken, wie selten<br />
wir Zeit haben,<br />
uns auszuruhen.<br />
Man wird<br />
in der ganzen<br />
Welt herumgehetzt.<br />
In allen<br />
Erdteilen sind wir<br />
zu Hause, doch<br />
unsere Wohnung<br />
ist in Berlin.»<br />
In Gedanken.<br />
«Sammeln Sie Andenken?»<br />
«Und ob! Von jedem Hotel, in dem wir absteigen,<br />
lassen wir uns ein Handtuch schenken.<br />
Die Handtücher, die wir gebrauchen, tragen alle<br />
möglichen Aufschriften, vom Hotel Palace in St.<br />
Moritz bis zum Hotel Excelsior (oder wie es heisst)<br />
in Rio. Es ist eine ganze Aussteuer, was wir so<br />
zusammengeschenkt bekommen haben. Wir sammeln<br />
noch viele Dinge ...»<br />
Dann zeigt mir Frau Stuck die kostbaren<br />
Stücke ihrer Autogrammsammlung — ein Tischtuch,<br />
auf dem sich alle Grossen der Erde eingetragen<br />
haben, die bedeutendsten Schriftsteller, Sportsleute,<br />
Rennfahrer, Politiker; Mussolini und Hitler fehlen<br />
nicht in dieser berühmten Versammlung von Namenszügen,<br />
die mit Bleistift und Tinte hingesetzt<br />
und später gestickt wurden. Ich erhalte sogar<br />
einen kleinen, kaffeebraunen, seidenen Schal, auf<br />
dem die Unterschriften der berühmten Sportler<br />
eingedruckt sind.<br />
«Wir haben davon nur fünfzig Stück machen<br />
lassen. Sie erhalten eins von den letzten, die wir<br />
haben.»<br />
Im Arbeitszimmer von Paula Stuck sieht es so<br />
ordentlich aus, wie man es bei keinem Schriftsteller,<br />
am wenigsten bei einer Frau, erwarten dürfte.<br />
Sie hat alle ihre <strong>Zeitung</strong>sartikel gesammelt und<br />
hübsch in Bände eingeklebt. Als Paula von Rcznicek<br />
schrieb sie ja früher unzählige Berichte und<br />
glänzende Feuilletons in Berliner Blätter.<br />
Jetzt hat sie — neben der Schriftstellerei —<br />
noch andere Aufgaben. Ist es zuviel behauptet,<br />
wenn man Paula den Manager des Rennfahrers<br />
Hans von Stuck nennt? Ich glaube kaum. Sie<br />
kennt sich als praktische Frau in den praktischen<br />
Dingen vorzüglich aus und wirkt überall mit, wo<br />
der Herr Gemahl geschäftlich engagiert wird.<br />
Sie ist der Geschäftsmann ihres Mannes, schliesst<br />
Verträge ab, schreibt Artikel über ihn, wenn es<br />
nötig ist, temperamentvolle, fröhliche Schilderungen<br />
voll spritzigem Charme.<br />
In diesem kleinen, hübschen Haus am See ist<br />
zuweilen der Teufel los. Eine Türfalle, die ich ergreifen<br />
will, ist elektrisiert. Zigarren, die man angeboten<br />
kommt, knallen plötzlich los. Hans Stuck<br />
reicht mir ein Büchlein mit der Bemerkung, es<br />
habe interessante Bilder drin. Wie ich den Deckel<br />
öffne, schnellt mir der Kopf eines kleinen Krokodils<br />
entgegen (natürlich ist es ein Krokodil aus<br />
Karton). Von einem andern kleinen Schaustück,<br />
das vielversprechend und etwas anzüglich aussieht,<br />
bekomme ich beim Herausziehen des Inhalts<br />
einen Schlag auf die Finger.<br />
«Das sind die Lieblingsbeschäftigungen des<br />
grossen Hans», erklärte Paula Stuck. «Er bastelt in sagt Paula,<br />
der Freizeit immer etwas, ersinnt allerlei Maschinen,<br />
mit denen er uns dann erschreckt.»<br />
Dann kommen die dicken Bände aus blauem<br />
Karton dran, die alle Artikel enthalten, die auf<br />
der. ganzen Welt über Hans Stuck geschrieben<br />
Worden sind. Es ist eine ganze Bibliothek Auch da<br />
eine Ordnung, die nach Pünktlichkeit, Systematik<br />
und Methode aussieht.<br />
Der Ruhm eines Rennfahrers kommt nicht von<br />
ungefähr. Solche Menschen sind nicht nur durch<br />
ihre Leistungen interessant und bedeutend, sondern<br />
vor allem durch ihre Begabung. Dass Hans<br />
von Stuck Landwirt ist (er hat lange Zeit sein Gut<br />
in Deutschland bewirtschaftet), habe ich schon<br />
gesagt. Man wird aber<br />
selten Menschen finden,<br />
die für alles, was Maschine<br />
heisst, ein so intuitives<br />
Verständnis haben.<br />
Ein wenig Schweizer<br />
ist Hans Stuck auch noch.<br />
«Meine Familie stammt<br />
eigentlich aus Basel»,<br />
erklärt er. Meine Urgrosseltern<br />
habe Stucki geheissen.»<br />
«Die meinigen»,<br />
«sind aus<br />
allen Nationen zusammengewürfelt.<br />
Meine Grossmutter<br />
stammt aus Varese,,<br />
war Italienerin.»<br />
Der Shawl mit den Autogrammen.<br />
Schon längst hat sich Beim Bocciaspiel.<br />
auch Kathrin Holland zu<br />
uns ans Kaminfeuer gesetzt. Muss man sich unter<br />
einer schnell berühmt gewordenen Schriftstellerin<br />
unbedingt eine ältere Dame vorstellen? Kathrin