E_1939_Zeitung_Nr.055
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N° 55 — FREITAG, 7. JULI <strong>1939</strong> AUTOMOBIL-REVUE<br />
Die Schweisstechnik im Automobilbau<br />
in*<br />
Hätten Sie Jemals gedacht, dass beispielsweise<br />
ein Ford-Achtzylinder — den Punktschweisstmgsvorgang<br />
inbegriffen — irgendwo<br />
um 48.000 Schweißstellen aufweist ? Besucht<br />
man aber gar selbst eine Erzeugungsstätte<br />
wie etwa die der Qeneral Motor gehörige<br />
« Vauxhall-Town > — es ist eine richtige<br />
Stadt 1 — bei Luton (England), wo man<br />
die modernsten amerikanischen<br />
Einrichtungen zur Erzeugung<br />
rahmenloser europäischer Konstruktionen<br />
verwendet, so erhält man<br />
den Eindruck, dass<br />
von den verschiedenen Herstellungsarten<br />
von Dauerverbindungen überhaupt nurmehr<br />
der Vorgang der elektrischen Schweissung<br />
in seinen vier hauptsächlichsten Formen<br />
übriggeblieben<br />
ist. Das erhellt deutlich aus der Erzeugung<br />
eines an sich so einfachen Objektes wie des<br />
Schalldämpfers, an dem nicht weniger<br />
als drei Arten der Elektroschweissung<br />
zur Anwendung gelangen. Und zwar ist der<br />
zylindrische Mantel widerstandsgeschweisst<br />
(sogenannte Saumschweissung),<br />
seine Ränder mit jenen der beiden<br />
Deckel unter dem Kohlelichtbogen<br />
verschmolzen und schliesslich der ganze<br />
Dämpfer an die Rohrstutzen mit umhüllten<br />
Elektroden angeschweisst.<br />
Die Punktscfoweissung findet bei einzelnen<br />
Teilen der selbsttragenden Karosserie ebenso<br />
vielseitige Anwendung wie die Momentwiderstandsschweissung<br />
und es ist wohl die<br />
eindrucksvollste aller Erzeugungsoperationen<br />
im Kraftfahrzeugbau, wenn in den riesigen<br />
« Flash-Welding »-Maschinen die beiden Seitenteile<br />
sowie der Dach- und Rückenteil des<br />
Siehe Nr. 53 und 54.<br />
10- oder 12-PS-Modells innerhalb 10 Sekunden<br />
unter den Funkenschauern eines<br />
15.000 Amperes starken Stromes zum fertigen<br />
Wagenkörper zusammengeschweisst<br />
werden (siehe Abb. 7).<br />
Wie grundlegend der Uebergang von der<br />
Nietung zur Schwelssung den gesamten Aufbau<br />
unserer Automobile beeinflusst<br />
hat, geht am deutlichsten aus der Evolution<br />
des Fahrgestellbaues hervor, der sich in die<br />
folgenden Entwicklungsstufen zergliedern<br />
lässt: 1) Trapezrahmen aus U-Profilen mit<br />
nach Bedarf wechselnder Zahl von Traversen;<br />
2) Einführung von Diagonalversteifungen<br />
als erster Schritt zur Erhöhung der Verwindungsfestigkeit;<br />
3) kastenförmige Rahmenliängsträger<br />
an Stelle der offenen U-Profile;<br />
4) zentrale Rohr- oder Kastenrahmen;<br />
5. Kastenrahmen zugleich als Wagenkörperrahmen<br />
und Karosserieboden dienend;<br />
6. selbsttragende Karosserie ohne eigentliche<br />
Rahmenkonstruktion.<br />
Den ersten Anstoss zu einer Erhöhung der<br />
Torsionsfestigkeit der Chassis lieferte das<br />
Bestreben,<br />
die Karosserie von den Einflüssen der<br />
Rahmenverdrehungen zu entlasten.<br />
Ford war der erste, der bei seinen Wagen<br />
eine X-Versteifung zur Anwendung brachte,<br />
die aus zwei V-förmig gepressten U-Trägem<br />
bestand. Auf dieser Entwicklungsstufe machte<br />
die amerikanische Automoblindustrie einige<br />
Zeit lang halt, da es Ihre Produktionsziffern<br />
einerseits und die Einführung der modernen<br />
Schweisstechnik anderseits gestatteten, die<br />
auf riesigen Pressen serienmässig gepressten<br />
und geschweissten Ganzstahlkarosserien umgekehrt<br />
zur Versteifung der noch gar nicht<br />
sehr windungsfesten Fahrgestelle mit Erfolg<br />
heranzuziehen. Das Einsetzen von Diagonalversteifungen<br />
in die Rahmen konnte zwar<br />
gerade noch im Wege der Nietung bewerkstelligt<br />
werden, aber schon der nächste<br />
Schritt, der hauptsächlich durch die hohen<br />
Ansprüche der unabhängigen Radaufhängung<br />
sowie der Ballonreifen an die Torsionsfestigkeit<br />
der Rahmen unumgänglich wurde, hatte<br />
die Einführung der Schweissung zur Voraussetzung:<br />
Durch Anschiweissen von Blechen<br />
an die offene Seite der U-Profile verwandelte<br />
man diese in Kastenträger (Abb. 8),<br />
wobei die um ein Mehrfaches gesteigerte<br />
Steifheit gegen Verdrehung zugleich die Verwendung<br />
dünnerer Bleche und damit eine<br />
wesentliche Gewichtsersparnis brachte. Daneben<br />
entwickelte sich der im Jahre 1923 (!)<br />
von Tatra erstmalig herausgebrachte Zentralrohrrahmen<br />
in verschiedenen, durch die<br />
Fortschritte der Elektroschweisstechnik ermöglichten<br />
Formen weiter.<br />
Den nächsten Schritt brachte die Erkenntnis,<br />
dass auch das Arafschweissen eines dünnen<br />
(0,75—1,20 mm), mit Rippen versehenen<br />
Abb. 9.<br />
Deckbleches über Längsträger und Kreuzversteifungen<br />
die Torsionsfestigkeit der<br />
Konstruktion wesentlich erhöhte. Gleichzeitig<br />
damit verwischten sich aber auch schon<br />
fertigt ist, hat sich Renault bei seiner kleinen<br />
« Juva-Quatre »-Type vorgelegt und die Karosserie<br />
kurzerhand auf das Untergestell<br />
aufgeschweisst. Am konsequentesten ist das<br />
Bestreben, die höchstmögliche Verwindungsfestigkeit<br />
und Gewichtsersparnis durch einen<br />
völlig rahmenlosen, ganz geschweissten Wagenköpper<br />
zu erzielen, in den Citroen-Model^<br />
len, dem Steyr 50, dem Opel-Olympia und<br />
dem Morris 10 verwirklicht, während Vaux-;<br />
hall für die Motoraufhängung noch einen mit<br />
der an sich selbsttragenden Karosseriekonstruktion<br />
verbolzten Hilfsrahmen beibehalten<br />
hat. Dass alle diese Konstruktionen im Wege<br />
der Nietung gänzlich unvorstellbar wären,<br />
geht beispielsweise aus Abb. 9 hervor, in der<br />
eine einfache Verbindung eines Längsträgers<br />
mit einer Traverse durch Schweissung und<br />
eine genietete Konstruktion ungefähr gleicher<br />
Widerstandsfähigkeit einander gegenübergestellt<br />
sind. Die leichten Profile, glatten, formschönen<br />
Linien und die Unmöglichkeit jeder<br />
Lockerung auf der einen, die zum Ausgleich<br />
der durch die Nietlöcher verursachten<br />
Schwächungen erforderlichen schweren Profile<br />
mit der unschönen Häufung von Winkelstücken<br />
und Verlaschungen auf der andern<br />
Seite sprechen für sich selbst.<br />
Dass beispielsweise Kastenträgerkonstruktionen,<br />
für deren — aus presstechnischen><br />
Gründen — oft in absonderlichen Kurven<br />
verlaufende Schweissnähte trotzdem vielfach<br />
schon automatische Schweissvorrichtungen<br />
in Verwendung stehen, durch Nietung<br />
praktisch überhaupt niemals hergestellt werden<br />
könnten, liegt auf der Hand. Aber auch<br />
am<br />
die Grenzen zwischen Fahrgestell und Karosserie,<br />
da das Deckblech begreiflicherweise<br />
den Karosserieboden ersetzte. Die Frage,<br />
ob die Abnehmbarkeit des Aufbaues unter<br />
diesen Umständen überhaupt noch gerechteine<br />
vergleichende Erprobung der einfachsten,<br />
teils im Wege der Schweissung, teils,<br />
durch Nieten hergestellten Verbindungen auf<br />
dynamische Beanspruchung hat bemerkenswerte<br />
Ergebnisse gezeitigt, die es erklärlich<br />
erscheinen lassen, wenn sich bei Lastwagen,<br />
die in besonders ungünstigem Terrain dauernd<br />
schwere Lasten zu befördern haben, oft<br />
schon nach einem halben Jahr eine Neuver-<br />
Den Andern die Sorgen<br />
den Verdruss<br />
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