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since 2018<br />

| TOP INTERVIEW<br />

Niki Lauda<br />

T C<br />

Niki Lauda: Sitz im Flieger und heim.<br />

„Dieses Interview ist<br />

60.000 Euro wert“<br />

Herr Lauda, ich kann Sie um 60.000 Euro<br />

für einen Vortrag buchen. Was erzählen<br />

Sie mir da, das 60.000 Euro wert ist?<br />

Niki Lauda: Achtung, das ist noch der<br />

Preis vom Vorjahr.<br />

Sie sind raufgegangen?<br />

Niki Lauda: Klar. Vorträge sind ja nicht<br />

mein Hauptarbeitsfeld. Ich mach das ungefähr<br />

viermal im Jahr, öfter ginge gar<br />

nicht, Anfragen hab ich ein Vielfaches,<br />

und es werden immer mehr. Mir ist lieber,<br />

es hat sich einer ernsthaft überlegt, er will<br />

den Lauda, weil der Lauda das Geld wert<br />

ist. Und bei 60.000 kann ich davon ausgehen:<br />

Er hat es sich überlegt.<br />

Angenommen, ich hab’s mir ernsthaft<br />

überlegt: Wie bereiten Sie sich auf den<br />

Auftritt bei mir vor?<br />

Niki Lauda: Gar nicht. Aber absichtlich,<br />

weil mir Spontanität wichtig ist. Mir<br />

reicht, zu wissen, in welcher Branche<br />

Sie sind. Das letzte Mal, Frankfurt, vor<br />

2000 Leuten, die Sandra Maischberger<br />

hat moderiert, da ist es mit dem Airport-Slot<br />

nicht anders gegangen, als<br />

dass ich grad eine Viertelstunde vor<br />

Beginn angekommen bin. Nicht einmal<br />

mit der Maischberger hab ich vorher<br />

reden können, weil die war da schon<br />

auf der Bühne. Und wissen Sie was?<br />

Super war’s, dass ich gar nix gewusst hab.<br />

Es war eine Riesenhetz. 2000 Leute beim<br />

Lachen, Weinen, Aufstehen, Hinsetzen.<br />

Alle waren happy.<br />

Wie lange dauert Ihr Vortrag?<br />

Niki Lauda: Eine Stunde, eine Stunde<br />

zwanzig.<br />

Und dann sind Sie wieder weg.<br />

Eine Stunde reden ohne Vorbereitung<br />

für 60.000 Euro. Jetzt muss ich Sie<br />

natürlich fragen: Wie wird man reich?<br />

Niki Lauda: Falsche Frage. Was ist<br />

denn Reichwerden für ein blödes Ziel?<br />

Für viele Leute ist das gar nicht blöd.<br />

Niki Lauda: Reichwerden ist doch kein<br />

Ziel! Wenn Sie so fragen, zäumen Sie das<br />

Pferd von hinten auf. Ich muss zuerst was<br />

leisten. Nur die, die was leisten, kriegen<br />

was. Nur die, die vorne sind. Wenn einer<br />

vom Geld getrieben ist, wird das nicht<br />

funktionieren. Keiner, der im Hochleistungssport<br />

vorne ist, ist nur vom Geld<br />

angetrieben.<br />

Aber wenn ich beispielsweise Versicherungen<br />

verkaufe oder Interviews<br />

schreibe? Dann ist Geld natürlich eine<br />

Motivation.<br />

Niki Lauda: Grundsätzlich gilt: Du<br />

musst zuerst etwas finden, wofür du geeignet<br />

bist. Wo du deine Talente, deine<br />

Fähigkeiten einsetzen kannst. Wenn du<br />

das im richtigen Job richtig machst, dann<br />

kann passieren, dass du reich wirst. Aber<br />

als Ergebnis. Reichwerden ist immer ein<br />

Ergebnis, ein Nebenprodukt einer Leistung.<br />

Wer damit anfangt, dass er sagt,<br />

er will reich werden, der ist gleich ganz<br />

falsch abgebogen.<br />

Waren Sie jemals in etwas gut, für<br />

das Sie nur durchschnittliches Talent<br />

hatten?<br />

Niki Lauda: Ja, im Rennfahren. Ich<br />

bin das eher auf der technischen Seite<br />

angegangen, also zunächst mein Auto zu<br />

verbessern. Weil dann tu ich mir leichter,<br />

logisch. Erst auf dem höchsten Niveau<br />

hab ich dann gelernt, das Letzte aus mir<br />

herauszuholen, mit dieser wahnsinnigen<br />

Risikobereitschaft, die damals nötig war.<br />

Das war dann das sogenannte Talent<br />

dazu, obendrauf.<br />

Warum ist Mercedes in der Formel 1<br />

gerade so überlegen?<br />

Niki Lauda: Weil wir vor drei Jahren<br />

bei der großen Reglement-Umstellung<br />

den besten Motor entwickelt haben und<br />

das beste Auto hingestellt haben.<br />

Damals wurde die Formel1 ja quasi<br />

neu erfunden, technisch, da haben alle<br />

Teams im Neuland herumgestochert. Da<br />

wurden viele Entscheidungen ins Blaue<br />

hinein getroffen, das ging ja gar nicht<br />

anders, es gab ja keine Erfahrungswerte.<br />

Wie viel an so einer Entwicklung ist<br />

letztlich Glück? Und wie viel ist tatsächlich<br />

Vermögen und Können?<br />

Niki Lauda: Glück ist überhaupt<br />

nichts. Mit Glück kannst du keinen Formel-1-Motor<br />

bauen. Es geht in der Formel<br />

1 darum, was Sie an Hirnschmalz und<br />

technischer Qualität in Ihrer Mannschaft<br />

haben. In erster Linie brauchst du eine<br />

unglaubliche Menge an Ingenieuren. Und<br />

die müssen genau wissen, was man tun<br />

muss, um einen Motor und ein Auto zu<br />

konstruieren und kontinuierlich zu verbessern.<br />

Das ist ihr Job.<br />

Aber eine Riesenmenge gescheite<br />

Leute haben doch auch die anderen<br />

Teams.<br />

Niki Lauda: Sie müssen die richtigen<br />

Leute finden, sie kriegen, über Jahre<br />

aufbauen, in Ihr eigenes System hinein<br />

ausbilden. Also etablierte Leute, Top-Ingenieure,<br />

und Junge dazu. Sie brauchen<br />

Potential an unterschiedlichen Inputs. Je<br />

mehr Sie davon haben, desto leichter tun<br />

Sie sich.<br />

Also am Ende geht’s in der Formel 1<br />

um Personalpolitik? Das ist alles?<br />

Niki Lauda: Es geht um ein Puzzle<br />

aus qualifizierten, motivierten<br />

Menschen, die so zusammenpassen, dass<br />

sie dann einen besseren Motor und ein<br />

besseres Auto machen als alle anderen.<br />

Das ist ja auch der Hauptgrund, warum es<br />

neue Formel-1-Teams so schwer haben.<br />

Bei uns hat es drei Jahre gedauert, bis wir<br />

unsere tausend Leute beinander hatten.<br />

Sie sind quasi der Chef dieser<br />

tausend. Theoretisch gefragt: Sie<br />

stehen nach dem nächsten Rennen auf,<br />

verlassen Mercedes und gehen sofort<br />

zu einem anderen Team. Was würde<br />

das bei Mercedes ändern? Und was<br />

beim neuen Team?<br />

Niki Lauda: Kurzfristig überhaupt nix.<br />

Mercedes wird heuer hoffentlich genauso<br />

die WM gewinnen. Und entweder<br />

übernimmt ein anderer meine Arbeit,<br />

dann passiert auch langfristig null, oder<br />

es macht keiner, dann geht’s halt langsam<br />

abwärts. Bei einem neuen Team<br />

wäre es genauso, nur halt umgekehrt,<br />

aufwärts. Da braucht es wieder Zeit, weil<br />

man kann nicht von heute auf morgen<br />

die Leute austauschen, die haben ja alle<br />

Verträge. Und die neuen Leute, die man<br />

braucht, haben natürlich auch Verträge.<br />

Da kann man nix machen.<br />

Nicht einmal, wenn man Niki Lauda<br />

heißt?<br />

Niki Lauda: Völlig wurscht. Alleine<br />

kann ich gar nix machen.<br />

Keiner hat auf so vielen verschiedenen<br />

Ebenen in der Formel 1 Erfolg<br />

gehabt wie Sie. Was sind die durchgehenden<br />

Erfolgsfaktoren in der Formel 1?<br />

Was macht dort jemanden erfolgreich,<br />

unabhängig von der Position?<br />

Niki Lauda: Das ist relativ einfach zu<br />

erklären. Die Formel 1 ist ein Verein aus<br />

egozentrischen Menschen, die dauernd<br />

im Fernsehen sind und durch die Versuchung<br />

des Sich-wichtig-Machens sehr oft<br />

fehlgeleitet werden. Da kommen manche<br />

vor lauter Posieren gar nimmer gescheit<br />

zum Arbeiten. Wenn man jetzt anders<br />

reinkommt, wenn einem bewusst ist, wie<br />

die alle ticken, und man macht das Gegenteil<br />

von allen anderen, dann ist man<br />

schon einmal sehr gut aufgehoben.<br />

Das heißt zum Beispiel?<br />

Niki Lauda: Sich zuerst einmal nur<br />

um schwarz und weiß kümmern. Um die<br />

Fakten. Und das ganze Fahrerlagergequatsche,<br />

die Gerüchte auslassen. Wenn<br />

einer zu mir kommt und sagt, Red Bull hat<br />

gerade wieder irgendwo 50 PS gefunden,<br />

dann denk ich sofort einmal das Gegenteil.<br />

Und lieg damit zu 90 Prozent richtig.<br />

Aber 50 PS sind viel.<br />

Niki Lauda: Na dann geh ich halt zum<br />

Christian Horner frühstücken und frage<br />

ihn: Stimmt das mit den 50 PS?<br />

Das wird er Ihnen doch nicht sagen.<br />

Niki Lauda: Mir sagt er’s schon. Ich<br />

kann überall hingehen, zu Ferrari, zu Red<br />

Bull, und fragen. In der Formel 1 hab ich<br />

schon einen gewissen Namen.<br />

Aber man wird doch dem Mercedes-<br />

Chef nicht seine Geheimnisse verraten.<br />

Da wär man ja blöd.<br />

Niki Lauda: Man macht es, weil ich<br />

es ja umgekehrt auch mach. Ich bin genauso<br />

offen und erzähl keinen Blödsinn.<br />

Schwarzweiß, Fakten.<br />

Ich hab geglaubt, Formel 1 ist die<br />

totale Geheimniswelt.<br />

Niki Lauda: Im Winter, da ja. Aber ab<br />

dem ersten Rennen: Geheimniswelt vorbei.<br />

Sieht ja jeder sofort, was Sache ist:<br />

Der Erste ist Erster, der Zweite Zweiter.<br />

Das ganze Gequatsche von vorher bricht<br />

dann in sich zusammen. Oder es bestätigt<br />

sich, wenn sie recht gehabt haben, die<br />

Quatscher, ausnahmsweise.<br />

Zusammengefasst sagen Sie also:<br />

Erfolg in der Formel 1 hat, wer sich nicht<br />

am Gequatsche beteiligt.<br />

Niki Lauda: Einfach die Füß’ am Boden<br />

halten, das ist das Wichtigste.<br />

Herr Lauda, wir reden von der<br />

Königsklasse des Motorsports!<br />

Niki Lauda: Realist bleiben. Sieg ist<br />

Sieg, Niederlage ist Niederlage. Ich hab’s<br />

zusammeng’haut oder gewonnen. Pragmatiker<br />

bleiben, nicht in jeder Zeitung<br />

stehen wollen. Das Hirn nicht von der Arbeit<br />

ablenken lassen. Das ist für mich der<br />

einzige Weg.<br />

Fast ein bisschen enttäuschend,<br />

dass es so einfach ist.<br />

Niki Lauda: Es ist ja nicht einfach! Es<br />

klingt nur so. Schauen Sie sich doch die<br />

Welt an, überall Nullmenschen mit Nullleistung.<br />

Heute früh hab ich in der Zeitung<br />

gelesen, in Amerika haben sie einen<br />

eingesperrt, der schaut fesch aus, jetzt ist<br />

er the sexiest Häftling of the world oder<br />

so ein Blödsinn. Jetzt wird er entlassen.<br />

So was regt mich auf. Wie wahnsinnig<br />

sind wir geworden? Nämlich nicht der,<br />

wir! Das kann doch nicht sein, dass man<br />

in die Zeitung kommt, weil man ein fescherer<br />

Verbrecher ist als die anderen<br />

Verbrecher! Und die jungen Menschen<br />

erleben das alles als normal. Die wachsen<br />

mit dem Irrsinn auf. Und dann wächst natürlich<br />

dieses Bedürfnis, sich in Szene zu<br />

setzen.<br />

Aber ist das nicht auch ein bissl<br />

wurscht?<br />

Niki Lauda: Für Sie vielleicht. Für<br />

mich nicht. Weil ich tagtäglich erlebe,<br />

dass Leute keine Leistung mehr bringen,<br />

weil sie abgelenkt sind vom dauernden<br />

Sich-Inszenieren. Weil dann die Leistung<br />

nicht mehr im Mittelpunkt steht, weil jeder<br />

selber im Mittelpunkt stehen will. Und<br />

das geht eben rauf bis in die Formel 1.<br />

Sie sagen: Sich nicht um die Wahrnehmung<br />

der anderen zu kümmern verbessert<br />

die eigene Leistungsfähigkeit?<br />

Niki Lauda: Zu hundert Prozent.<br />

Sich nicht drum kümmern, was die<br />

anderen denken, bringt einen weiter?<br />

Niki Lauda: Na und wie auch noch.<br />

Noch was kommt dazu: Wenn hundert<br />

Leute sagen, das und das ist richtig, dann<br />

mach ich das Gegenteil. Das hab ich immer<br />

so gemacht: Schauen, was die anderen<br />

vorleben, und dann in die andere<br />

Richtung gehen. Probieren Sie das einmal<br />

aus. Einfach genau das Gegenteil von allen<br />

anderen machen, da liegen Sie schon<br />

einmal zu mindestens 95 Prozent richtig.<br />

Das ist aber ganz schön arrogant,<br />

Herr Lauda.<br />

Niki Lauda: Ich versteh nicht, was<br />

daran arrogant sein soll, das Richtige zu<br />

machen. Kennen Sie das Excuse-Buch?<br />

(Gemeint ist „The Racing Driver’s Book of<br />

Excuses“, das nur in der Motorsportfolklore<br />

existiert; Anm.)<br />

Nein.<br />

Niki Lauda: Das ist aber berühmt, da<br />

steht nämlich alles drin, was schuld sein<br />

kann. Reifen, Lenkung, Motor, Kupplung,<br />

alles. Ein Bestseller im Motorsport. Nur<br />

mich hat das nie interessiert. Weil ich<br />

habe immer gesagt: Denk zuerst an dich,<br />

du Depp. Such den Fehler immer zuerst<br />

bei dir. Immer. Weil nur so kommst du<br />

weiter.<br />

Aber wenn der Reifen wirklich<br />

schlecht war?<br />

Niki Lauda: Na dann freuen Sie sich<br />

aber, weil ein kaputter Reifen ist das Bequemste,<br />

Sie sind eh super, Sie haben<br />

keine Schuld, alles super. Das einzige<br />

Problem: So werden Sie niemals Erfolg<br />

haben. Ihre Aufgabe ist nämlich, zu<br />

schauen: Was hätte ich tun können, dass<br />

ich trotz kaputtem Reifen gewonnen<br />

hätte? Und genau da beginnt’s unbequem<br />

zu werden, mit einer tiefgehenden<br />

Analyse in mich hinein.<br />

Wenn also der Reifen schuld ist,<br />

muss ich seinen Fehler gutmachen?<br />

Wenn Sie was erreichen wollen, dann<br />

ja. Sie müssen sich fragen: Warum hab ich<br />

den nicht ins Ziel geschleift, den depperten<br />

Reifen? So zu denken lernt man halt<br />

nur im Sport.<br />

© Stefan Wagner «The Red Bulletin»<br />

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