Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Sigrid Schuer<br />
„Die Geschichte des Möbels muss mitgedacht werden“<br />
<strong>Der</strong> Bremer Restaurator Roger Kossann lässt mit seinem<br />
Experten-Team in Deutschland und Europa antike Möbel in<br />
ihrem alten Glanz erstrahlen<br />
Maria und Joseph haben gerade noch rechtzeitig vor Weihnachten<br />
eine neue Herberge gefunden. In der Restauratoren-Werkstatt<br />
von Roger Kossann. Dort liegt das elfenbeinfarbig gefasste<br />
Relief aus Holz und muss nun vorsichtig per Wattebausch gereinigt<br />
werden. <strong>Der</strong> Esel, auf dem Maria mit dem Jesuskind reitet,<br />
ist noch in einem ganz passablen Zustand. Aber die Nasen des<br />
heiligen Eltern-Paares haben doch arg gelitten. Ein Fall für<br />
Nicole Thörner. Die Diplomrestauratorin arbeitete mit ihrem<br />
Chef Roger Kossann im Sommer 2007 auch an der Intarsienwand<br />
im Blauen Saal des <strong>Club</strong> <strong>zu</strong> <strong>Bremen</strong>. Das von dem Worpsweder<br />
Künstler Hans-Georg Müller im Jahre 1971 angefertigte Kunstwerk<br />
aus Nussbaum, Palisander, Ebenholz und Ahorn musste<br />
gereinigt und retuschiert werden. „<strong>Der</strong> Schmutzschleier zieht<br />
Feuchtigkeit an. Das ist dann ein idealer Ansiedlungsort für<br />
Mikro-Organismen“, erläutert Nicole Thörner. Bevor also die aus<br />
Edelhölzern gefertigten Himmelskörper und Sternbilde Holzwurm<br />
& Co. <strong>zu</strong>m Opfer fielen, war dringender Handlungsbedarf<br />
geboten.<br />
„Wir müssen immer die Geschichte des Möbels mitdenken. Bei<br />
unserer Tätigkeit ist es enorm wichtig, dass wir nicht überstürzt<br />
handeln, sondern vor jeder Maßnahme lieber zwei bis drei Mal<br />
nachdenken. Oberste Maxime ist für uns, so viel wie möglich<br />
Substanz des Originals <strong>zu</strong> erhalten“, sagen die Restauratoren.<br />
„Jedes Möbelstück ist anders. Es gibt keine Standardlösungen,<br />
sondern nur individuelle Ansätze. Dafür müssen wir immer offen<br />
sein.“ Und Kossann fügt hin<strong>zu</strong>: „<strong>Der</strong> Restaurator ist niemals<br />
kreativ am Objekt, muss aber in der Lage sein, die Kreativität<br />
des Erbauers nach<strong>zu</strong>vollziehen. Einfühlungsvermögen, naturwissenschaftliche<br />
und kunstgeschichtliche Grundlagen sowie die<br />
traditionellen Arbeitsweisen des Erbauers müssen beherrscht<br />
werden.“ Er gründete seine Restaurierungswerkstatt 1982 und<br />
ist mit seinem Experten-Team in ganz Deutschland tätig. Im<br />
25<br />
Haus Schütting, im Rathaus und für die Roseliussammlung wurden<br />
bereits restauratorische Maßnahmen durchgeführt. Aber<br />
auch im Auftrag des Auswärtigen Amtes restaurierte Roger Kossann<br />
diverse Möbel des Welfenprinzen Ernst-August von Hannover<br />
aus dem Schloss Marienburg. Die antiken Möbel wurden für<br />
die Botschaftseinrichtung der Bundesrepublik in London entliehen.<br />
Ebenfalls im Auftrag des Auswärtigen Amtes wurden<br />
18 vergoldete anderthalb Meter große Wandleuchter aus dem<br />
18. Jahrhundert restauriert und konserviert. „Das Huis Schuylenbruch,<br />
Amtssitz des Deutschen Botschafters in der niederländischen<br />
Hauptstadt Den Haag ist ein Gesamtkunstwerk, daher<br />
musste ich mir das Umfeld erstmal ansehen, in dem die Leuchter<br />
sich befinden“, erzählt der Restaurator.<br />
Für das Morgenstern-Museum in Bremerhaven wurde ein trutziger<br />
Biedermeier-Schreibschrank aus dem Besitz von Bürgermeister<br />
Smidt restauriert. Aber Kossann ist auch als Gutachter<br />
tätig. So erhielt er von der Residenz der Deutschen Botschaft in<br />
Den Haag den Auftrag, als Grundlage einer Ausschreibung für<br />
Restaurierungsmaßnahmen für 450 Möbel eine Bestandsaufnahme<br />
und Zustandsbeschreibung an<strong>zu</strong>fertigen. Wenn man die<br />
Werkstatt an der Stader Straße betritt, hüpft Buster, ein braunweißer,<br />
einjähriger Springer-Spaniel aus seinem Körbchen undbegrüßt<br />
den Besucher freundlich wedelnd. „Das ist unser Werkstatt-Hund“,<br />
lacht Nicole Thörner. An den Wänden hängen<br />
feinsäuberlich auf Samt drapierte, in Holz gerahmt dekorative<br />
Originalbeschläge und Nachbildungen. Filigrane Muster kontrastieren<br />
mit einem vergoldeten Löwenkopf. „Anhand der Beschläge<br />
kann man oft die Qualität eines Möbels ablesen“, so die<br />
Diplom-Restauratorin. An der Wand gegenüber hängen die so<br />
genannten Beizmuster, neben verschiedenen Holztönen umfasst<br />
die Palette klare Töne wie leuchtendes Gelb, Orange, Rot und<br />
Grün. „Davon wird jeweils nur ein Tropfen mit einer kleinen<br />
Spritze vorsichtig <strong>zu</strong> den Holztönen gemischt“, erläutert sie.<br />
„Die Beizen, die wir verwenden sind zwar industriell gefertigt,<br />
haben aber keine chemische Basis. So laufen wir nicht Gefahr,<br />
dass es eine chemische Reaktion bzw. Veränderung im Holz<br />
gibt“, sagt Nicole Thörner. Rechts darunter sind Gläser mit ver-