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<strong>Kultur</strong><br />
Literatur und ein Film<br />
treiben ließ. Diebitschs Verbindungen aus Kriegszeiten zahlten<br />
sich dabei aus. Sein Ruf war nicht schlecht, wiewohl er <strong>zu</strong><br />
operettenhaften Auftritten neigte und seine Kenntnisse in der<br />
Sturmfahrt vor allem dem Schubart, einem Handbuch für Praktische<br />
Orkankunde aus dem Jahr 1942 verdankte. Als die Pamir<br />
und Carrie aneinandergerieten, stellte sich freilich heraus:<br />
Diebitsch hatte nicht einmal, obwohl die nötigen Informationen<br />
das Schiff per kontinuierlich erreichten, Wetterkarten zeichnen<br />
und eine Analyse der Lage vornehmen lassen.<br />
Dass die Pamir sank, lag nicht an dem Sturm, in den sie geriet.<br />
„Die Schiffsführung“, bilanziert Soyener, „hatte alle Zeit der<br />
Welt, sich darauf vor<strong>zu</strong>bereiten und ein sicheres Ausweichen<br />
nach Südosten ein<strong>zu</strong>leiten.“ So relativiert sein Befund auch die<br />
Kernaussage der Seeamtsverhandlung von Lübeck, nach der das<br />
Verrutschen der geschütteten Gerstenladung im Schiffsrumpf<br />
der Grund für den Untergang war. Die Pamir war, wie von ihm<br />
aufgefundene Dokumente aus den Beständen der Stiftung Pamir<br />
und Passat und der Hamburger Reederei Zerssen & Co. zeigen,<br />
schon vor ihrer letzten Reise ein reiner Seelenverkäufer. Korrosionsschäden,<br />
Lecks im Bereich der Mittschiffsaufbauten, Probleme<br />
bei der Trimmung, fehlerhaft ausgeführte Reparaturarbeiten<br />
am Rumpf: Erstklassiges Personal war für ein solches Schiff<br />
Foto: Norddeutscher Rundfunk (ARD-Zweiteiler: „<strong>Der</strong> Untergang der Pamir“)<br />
nicht <strong>zu</strong> gewinnen. Die zweite Garnitur aber, angeführt von Diebitsch,<br />
agierte so recht wie am Ende schlecht. Als das Schiff in<br />
den Sturm rauschte, stand noch gut die Hälfte der Segel. Die<br />
Bulleyes und Schotten waren offen, als das Schiff in Schlagseite<br />
geriet, und die in Buenos Aires wegen eines Streiks der<br />
Hafenarbeiter von der Besat<strong>zu</strong>ng selbst unsachgemäß eingebrachte<br />
Ladung trug nur das letzte <strong>zu</strong> der Havarie bei.<br />
Letzte Wahrheiten <strong>zu</strong>m Untergang der Pamir sind heute nicht<br />
mehr <strong>zu</strong> haben. Dafür umso mehr Legenden, von denen Soyener<br />
einige gründlich zerpflückt. Meistens allerdings wollen Menschen<br />
<strong>zu</strong> genau gar nicht wissen, was ihr Scheitern ausmachte.<br />
Bei der Seeamtsverhandlung hatten von diversen Interessen<br />
geleitete Experten das Wort. Das menschliche Versagen der<br />
Schiffsführung, das dort konstatiert wurde, geriet umgehend in<br />
die Kritik. Bei dem Urteil handle es sich um eine Beschmut<strong>zu</strong>ng<br />
der Ehre von Verstorbenen, die sich nicht verteidigen könnten.<br />
Eine Frage der Ehre, gegen den Auftrag, Tatsachen <strong>zu</strong> ergründen,<br />
in Stellung gebracht: So waren die Zeiten. „Ein zivilgerichtliches<br />
Verfahren“, schreibt Soyener, „hätte mehr Licht in das Dunkel<br />
gebracht. Die Angehörigen der Toten und die Überlebenden hätten<br />
ein Anrecht darauf gehabt. Stattdessen kreisen die Schuld<strong>zu</strong>weisungen<br />
seit 50 Jahren.“