Orange 7_Pruem_April18
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Ich sollte absolut nüchtern zum Empfang<br />
der ersten Kommunion sein.“ Die Kinder<br />
gingen frisch gebadet und festlich gekleidet<br />
zur Grundschule, wo sie der Pfarrer<br />
und der Musikverein zur Prozession in die<br />
Kirche schon erwarteten. Das folgende<br />
Hochamt hatte – damals wie heute – aus<br />
kindlicher Sicht, eine gewisse endlos wirkende<br />
Überlänge.<br />
Zurück im Elternhaus reist nach wie vor<br />
die ganze Verwandtschaft an. Das Kommunionkind<br />
hatte früher friedlich inmitten der<br />
„Erwachsenen“ zu sitzen. Spannend war<br />
das nicht – blieb die Frage, was in einst<br />
wie jetzt überreichten weißen Umschlägen<br />
steckte – und natürlich: die erste Uhr!<br />
Doch Anderes hat sich geändert: Der<br />
Weiße Sonntag, in den Familien immer<br />
noch das Fest des Jahres, ist zum „Event“<br />
geworden. Nachvollziehbar, dass sich<br />
viele Eltern nicht mehr die Mühe machen<br />
wollen und können wie früher üblich:<br />
Mittagessen, Kaffee und Kuchen für im<br />
Schnitt 20 bis 40 Personen. Früher spielten<br />
die Männer selbstverständlich anschließend<br />
bis in den Abend bei Schnaps und<br />
Zigaretten oder Zigarren Sibbeschröm. Das<br />
alles will sich manches Elternpaar nicht<br />
mehr Zuhause antun. Martina Klein aus<br />
Üxheim allerdings doch: „Das ist für uns<br />
und Emma gemütlicher. Und mein Mann<br />
ist Koch, das macht es einfacher.“<br />
„Wenn Sie 2019 bei uns Ihren Weißen<br />
Sonntag buchen wollen, sind Sie schon zu<br />
spät“, muss Michaela Schröder, Inhaberin<br />
des Gasthauses Kostisch in Schwirzheim,<br />
Anfragende schon jetzt enttäuschen.<br />
Als Caterer oder in ihrem Gasthaus<br />
beliefert sie auch am kommenden Weißen<br />
Sonntag und den beiden Folgewochenenden<br />
ein halbes Dutzend Mal ein mindestens<br />
4-Gänge-Menü, die traditionelle<br />
Größenordnung der Speisenfolge am<br />
Weißen Sonntag. „Bei den Planungen sind<br />
die Kinder mittlerweile dabei. Sie können<br />
auswählen, was sie am liebsten hätten“,<br />
so Schröder. Kollege Ben Schauster von<br />
„Der Teller Gastronomics“ in Hillesheim<br />
bestätigt, dass die Versorgung der Familienfeste<br />
zum Stichtag „auch für uns eine Rolle<br />
spielt. 20 bis 22 Buffets werden es in die-<br />
8 | 9<br />
sem Jahr schon sein.“ Angeliefert entweder<br />
an die Privatadressen, in die diversen Säle<br />
in den Gaststätten oder in die Bürger- und<br />
Gemeindehäuser der Region.<br />
Wer bei Gastronomin und Catererin Michaela Schröder<br />
in Schwirzheim die Kommunionfeier am Weißen<br />
Sonntag 2019 buchen will, ist zu spät. Die Räume im<br />
Gasthaus Kostisch sind jetzt schon reserviert.<br />
Sandra Schuch aus Auw hat alles, was Kinder zum<br />
Spielen brauchen. Mit ihrem „Kid’s Car“ rollt sie auch<br />
zu Kommunionfeiern an.<br />
Pastor Gebhard Lück aus Niederehe hofft, dass nicht<br />
nur die Feier, sondern auch die Bedeutung des erstmals<br />
gespendeten Sakramentes am Weißen Sonntag<br />
im Mittelpunkt steht.<br />
Ist das Festmahl vorbei, wartet jetzt möglicherweise<br />
„Sandra’s Kids Car“ vor der Tür.<br />
Die 32-jährige Sandra Schuch aus Auw<br />
hat ein Neben-Kleingewerbe angemeldet<br />
und sich auf die Bespaßung von Kindern<br />
spezialisiert – auch am Weißen Sonntag.<br />
„Ich bringe zum Kostisch in Schwirzheim<br />
bei einer Kommunionfeier alles fürs<br />
Spielen drinnen und draußen mit“. „XXL-<br />
Spiele“, Kett-Cars und Roller, Stelzen,<br />
„Old School“-Brettspiele: Ihr Spiel- und<br />
Spaßcaravan ist gut bestückt.<br />
Mehrere hundert Euro wird ein Weißer<br />
Sonntag die Eltern mittlerweile insgesamt<br />
kosten – nach oben sind die Grenzen<br />
offen. Kommerzialisierung? Pastor Gebhard<br />
Lück, der die Pfarreiengemeinschaft<br />
Niederehe – fünf Pfarreien und 17 Dörfer –<br />
betreut, würde das Risiko in Kauf nehmen,<br />
wenn es den Glauben an die Sache, um<br />
die es ja eigentlich geht, nicht behindert.<br />
Für ihn ist wichtig, „dass die meisten<br />
Kinder, die bei uns das Kommunionalter<br />
erreicht haben, auch zur Erstkommunion<br />
gehen“. Das um die neun Jahre alte Kinder<br />
aus Sicht der Kirche dafür schon weit<br />
genug sind, es wurde irgendwann einmal<br />
festgesetzt – verpflichtend ist es nicht.<br />
Für Pastor Lück bleibt zentral, dass<br />
Gemeindereferent Philipp Hein und die<br />
Katechetinnen es schaffen, ein Sakrament<br />
kindgerecht zu vermitteln. „Das Geheimnis<br />
der liturgischen Wandlung und die<br />
leibhaftige Aufnahme Christi zu verstehen,<br />
das fällt schon manchen Erwachsenen<br />
schwer“, gibt sich der Geistliche realistisch.<br />
Die Kinder werden es im Laufe ihres<br />
Christenlebens verstehen lernen – über<br />
ihren Glauben. Oder auch nicht. Wie viele<br />
der Erstkommunionkinder auch danach<br />
noch das Sakrament empfangen haben –<br />
darüber gibt es keine Statistik. Nur über<br />
die Zahl der Kirchenaustritte.<br />
Egal ob Tradition, Brauchtum oder Kommerzialisierung:<br />
Eins blieb bis heute am<br />
Weißen Sonntag unverändert: Zum Festtagsessen<br />
vorab die Rindfleischsuppe, aus<br />
frisch geschlachtetem Rindfleisch! Da sind<br />
sich der Brauchtumsforscher, die Catererin,<br />
die Kinder-Bespaßerin, der Gemeinderferent<br />
und die Mutter einig: Die muss sein.<br />
Ein Klassiker!