fdw Nr. 4 Dezember 2008 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV
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über die die Zeitschrift „Forschung &<br />
Lehre“ in ihrem November-Heft exklusiv<br />
berichtet.<br />
Fast jede zweite <strong>Wissenschaft</strong>lerin und<br />
fast je<strong>der</strong> vierte <strong>Wissenschaft</strong>ler erlebten<br />
demnach seit <strong>der</strong> Geburt ihres ersten<br />
Kindes konkrete berufliche Nachteile.<br />
Von einer zurückhalten<strong>der</strong>en För<strong>der</strong>ung<br />
durch Vorgesetzte und einer Abwertung<br />
ihrer wissenschaftlichen Leistung sahen<br />
sich vor allem Mütter betroffen. 41 Pro-<br />
Was wissen wir? Was „dürfen“ wir wissen?<br />
zent <strong>der</strong> befragten <strong>Wissenschaft</strong>lerinnen<br />
mit Kind und 15 Prozent <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
mit Kind fühlten sich aus<br />
beruflichen Netzwerken ausgeschlossen.<br />
83 Prozent <strong>der</strong> Mütter und 60 Prozent<br />
<strong>der</strong> Väter sahen sich ferner durch ihre<br />
Elternschaft in ihrer Publikationstätigkeit<br />
eingeschränkt.<br />
Zwei Drittel aller <strong>Wissenschaft</strong>lerinnen<br />
und immerhin knapp die Hälfte <strong>der</strong><br />
männlichen <strong>Wissenschaft</strong>ler gaben zu-<br />
dem an, Kin<strong>der</strong>losigkeit o<strong>der</strong> den Aufschub<br />
des Kin<strong>der</strong>wunsches zugunsten<br />
<strong>der</strong> wissenschaftlichen Karriere in Kauf<br />
genommen zu haben.<br />
Bei den Professorinnen fiel das Ergebnis<br />
noch deutlicher aus: Laut Umfrage<br />
haben 88 Prozent von ihnen zumindest<br />
zeitweise auf die Realisierung ihres<br />
Kin<strong>der</strong>wunsches verzichtet.<br />
Quelle: „Forschung & Lehre“, November <strong>2008</strong><br />
Ist die <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> Geschichte als <strong>Wissenschaft</strong><br />
in Gefahr?<br />
Im Oktober <strong>2008</strong> tagten europäische Historiker im französischen Blois auf Einladung des dortigen<br />
Bürgermeisters Jack Lang. Der Sozialist war früher französicher Kultur- und Unterrichtsminister. Am<br />
Ende <strong>der</strong> Konferenz verfaßten die Teilnehmer einen „Appell von Blois“, in dem sie sich gegen Einschränkungen<br />
ihrer wissenschaftlichen Arbeit wehren.<br />
„<strong>Freiheit</strong> für die Geschichte“ for<strong>der</strong>t<br />
<strong>der</strong> Historiker Pierre Nora, <strong>der</strong> schon<br />
seit Jahren wahrnimmt, daß sowohl<br />
durch Gesetze als auch Klagen, zum<br />
Beispiel gegen Bücher, die Arbeit seiner<br />
Zunft eingeschränkt wird. Oft sind es<br />
Min<strong>der</strong>heitenverbände, die aktiv werden.<br />
Manchmal ist es aber auch <strong>der</strong><br />
Staat, <strong>der</strong> etwa wie in Frankreich ein<br />
„Armenien-Gesetz“ o<strong>der</strong> eines, das<br />
Sklaverei als Verbrechen gegen die<br />
Erklärung von Blois<br />
Menschlichkeit deklariert, erlassen hat.<br />
Unterdessen wurde sogar ein Schulcurriculum<br />
erlassen, wonach „die positive<br />
Rolle, die Frankreich in Übersee spielte“,<br />
vermittelt werden soll. Nora spricht<br />
von Zensur und „retrospektiver Moralisierung“.<br />
Zu den Unterzeichnern gehört auch <strong>der</strong><br />
britische Historiker Timothy Garton<br />
Ash, <strong>der</strong> in einem Beitrag im „Guar-<br />
dian“ vom 16. Oktober an die Regierungen<br />
aller Län<strong>der</strong> appelliert, den Historikern<br />
die freie Debatte zu lassen und<br />
nicht zur „Erinnerungspolizei“ zu werden.<br />
Beson<strong>der</strong>s die deutsche Justizministerin<br />
Brigitte Zypries, die einen europaweiten<br />
Gesetzesvorstoß gegen die<br />
„Trivialisierung“ von Rassismus und<br />
Fremdenfeindlichkeit mit bis zu drei<br />
Jahren Gefängnis ahnden will, findet<br />
seine harte Kritik.<br />
„Die Geschichte darf kein Sklave <strong>der</strong> Aktualität sein noch unter dem Diktat konkurrieren<strong>der</strong><br />
Erinnerung geschrieben werden. In einem freien Staat steht es keiner politischen Autorität zu, die<br />
historische Wahrheit zu definieren und die <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> Historiker unter <strong>der</strong> Androhung von<br />
Strafen einzuschränken.<br />
Wir rufen alle Historiker auf, ihre Kräfte in ihren jeweiligen Län<strong>der</strong>n zu sammeln und unseren<br />
Strukturen vergleichbar aufzubauen. Je<strong>der</strong> soll unverzüglich diesen Appell unterzeichnen, um die<br />
Pläne für Gesetze zum historischen Erinnern aufzuhalten.<br />
Die verantwortlichen Politiker –die für den Erhalt <strong>der</strong> kollektiven Erinnerung eintreten –rufen<br />
wir dazu auf, sich bewußt zu machen, nicht durch das Gesetz und für die Vergangenheit staatliche<br />
Wahrheiten aufzustellen, <strong>der</strong>en juristische Anwendung schwerwiegende Folgen für die Historiker<br />
und die intellektuelle <strong>Freiheit</strong> im Allgemeinen haben.<br />
In einer Demokratie ist die <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> Geschichte die <strong>Freiheit</strong> aller.“<br />
Quelle: welt-online, 20. Oktober <strong>2008</strong><br />
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<strong>fdw</strong> 4/<strong>2008</strong>