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fdw Nr. 4 Dezember 2008 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV

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Hans Maier: Kultur<br />

und politische Bildung.<br />

Mit einem Nachwort<br />

von Harald Weinrich<br />

(Gesammelte Schriften, Band<br />

III), München: C.H. Beck <strong>2008</strong>,<br />

470 Seiten, 39,90 Euro,<br />

ISBN 978-3-406-57156-5<br />

Hans Maier hat das äußerst facettenreiche<br />

Phänomen „Kultur“ aus verschiedenen<br />

Perspektiven kennen gelernt. Von<br />

Kindesbeinen an ist er als praktischer<br />

Kulturschaffen<strong>der</strong>, vor allem als Orgelspieler,<br />

tätig. Der Interessierte kann<br />

einige Kostproben seiner Begabung auf<br />

CD bewun<strong>der</strong>n. Anstatt Berufsmusiker<br />

wurde er schließlich Universitätsprofessor<br />

und war in dieser Position früh mit<br />

Bildungsangelegenheiten beschäftigt.<br />

1970 ernannte <strong>der</strong> damalige bayerische<br />

Ministerpräsident Alfons Goppel den<br />

knapp Vierzigjährigen zum Kultusminister.<br />

16 Jahre konnte er in hochschulpolitisch<br />

bewegten Zeiten diesem <strong>Bund</strong>esland<br />

seinen Stempel aufdrücken. Maier<br />

veröffentlichte trotz seiner zahlreichen<br />

Aufgaben als Landespolitiker eine Vielzahl<br />

von Abhandlungen zur Kulturthematik.<br />

So legte er bereits 1978 eine<br />

umfangreiche Sammlung von Reden und<br />

Schriften („Anstöße“) vor. Nach dem<br />

Ausscheiden aus diesem Amt erhielt <strong>der</strong><br />

Gelehrte 1988 den renommierten Romano-Guardini-Lehrstuhl<br />

an <strong>der</strong> Ludwig-<br />

Maximilians-Universität München, <strong>der</strong><br />

auch für „christliche Kulturtheorie“ zuständig<br />

war. Er hat diese Bezeichnung<br />

als Auftrag begriffen, das Verhältnis von<br />

Kirche und Kultur in extenso zu erörtern.<br />

Erst jüngst erschienen seine Berliner<br />

Guardini-Lectures mit dem Titel „Die<br />

Kirchen und Künste“.<br />

Leidenschaft für Kulturelles<br />

Angesichts einer <strong>der</strong>artigen Leidenschaft<br />

für Kulturelles aller Art ist es<br />

überaus plausibel, wenn im dritten<br />

Band von Maiers gesammelten Schriften,<br />

die im Münchner C.H. Beck-Verlag<br />

publiziert werden, aus <strong>der</strong> großen Zahl<br />

von einschlägigen Studien einige ausgewählt<br />

und von Neuem ediert werden.<br />

Die abgedruckten Beiträge sind in sechs<br />

Rubriken eingeteilt: Kulturpolitik (I);<br />

Erziehung – Bildung – Beruf (II);<br />

Hochschulen – <strong>Wissenschaft</strong> – Forschung<br />

(III); Künste und Künstler (IV);<br />

Dichter, Übersetzer, Philologen (V);<br />

28<br />

Sprache und Kultur in <strong>der</strong> globalisierten<br />

Welt (VI). Die früheste Stellungnahme<br />

stammt aus dem Jahre 1964, die jüngste<br />

wurde <strong>2008</strong> verfaßt.<br />

Die Texte aus den Bereichen „Erziehung<br />

– Bildung – Beruf“ und „Hochschulen<br />

– <strong>Wissenschaft</strong> – Forschung“<br />

wurden mehrheitlich zuerst in den<br />

1960er- und 1970er-Jahren veröffentlicht.<br />

Bei einer Relecture im Jahre <strong>2008</strong><br />

zeigen sich Gemeinsamkeiten und<br />

Unterschiede zur heutigen, ähnlich<br />

lebendigen Kontroverse. Was seit einigen<br />

Jahren <strong>der</strong> „PISA-Schock“ ist,<br />

waren seinerzeit elektrisierende Schlagwörter<br />

wie „Bildungskatastrophe“<br />

(Georg Picht) und „Bildung ist Bürgerrecht“<br />

(Ralf Dahrendorf). Maier hat<br />

sich bereits frühzeitig gegen falsche<br />

Weichenstellungen gewandt. Die Entwicklung<br />

seither hat ihm Recht gegeben.<br />

Theoretiker wie Picht und<br />

Dahrendorf för<strong>der</strong>ten mit ihren ebenso<br />

publizitätsträchtigen wie einseitigen<br />

Zwischenrufen einen Trend, <strong>der</strong> die<br />

Bildungspolitik zum Vehikel gesamtgesellschaftlicherEmanzipationsbestrebungen<br />

machte. Die allgemeine soziale<br />

Gleichheit mutierte zum obersten<br />

Reformziel. Welche Resultate brachte<br />

diese Intention mit sich? Im Mangel<br />

waren in <strong>der</strong> Tat alle Studenten gleich.<br />

Es fehlte durch die enorme Zunahme<br />

<strong>der</strong> Immatrikulierten fast alles: ausreichende<br />

Räume, Lehrpersonal, Studienmittel<br />

wie Bücher, später Computer,<br />

adäquate Bibliotheksöffnungszeiten etc.<br />

Neben diesen vielen problematischen<br />

Konsequenzen erkannte Maier früh die<br />

Schwierigkeiten, die sich aus <strong>der</strong> Abkopplung<br />

des Studiums vom Arbeitsmarkt<br />

ergeben mußten. Man konnte sie<br />

schon in den 1970er-Jahren mit Händen<br />

greifen. Eltern, die oftmals keine ausreichenden<br />

Bildungsgelegenheiten in ihrer<br />

Jugend hatten, wun<strong>der</strong>ten sich über die<br />

geringen beruflichen Chancen ihrer studierten<br />

Söhne und Töchter, die sich in<br />

nicht wenigen Fällen – zumindest für<br />

eine gewisse Zeit – durch Taxifahren<br />

und vergleichbare Jobs über Wasser halten<br />

mußten. Auch an<strong>der</strong>e Konsequenzen<br />

sah <strong>der</strong> Verfasser klug voraus, etwa<br />

die Folgen des überall vernehmbaren<br />

Zieles, das Leistungsniveau in Schulen<br />

und Universitäten abzusenken. Darüber<br />

hinaus ist die Ausweitung <strong>der</strong> staatlichen<br />

Stellenpläne in den 1970er-Jahren<br />

kritisch zu betrachten – nicht zuletzt<br />

deshalb, weil sie die Karrieremöglichkeiten<br />

<strong>der</strong>jenigen Jahrgänge, die jünger<br />

als die 68er waren, beispielsweise die so<br />

genannten 78er, nachhaltig einschränken<br />

mußte. Zudem wird <strong>der</strong> Steuerzahler<br />

zukünftig noch mehr Pensionslasten<br />

schultern müssen als das gegenwärtig<br />

ohnehin schon <strong>der</strong> Fall ist.<br />

Wirkungsgeschichte<br />

Die Bedeutung und Wirkungsgeschichte<br />

<strong>der</strong> Beiträge ist naturgemäß verschieden.<br />

Programmatische Bedeutung<br />

kommt dem Aufsatz „Kunst und Zeit“<br />

(1974) zu. Er wurde ursprünglich auf<br />

dem Kongreß „Tendenzwende“, an <strong>der</strong><br />

Münchner „Akademie <strong>der</strong> schönen<br />

Künste“, vorgetragen. Der Titel dieser<br />

Veranstaltung steht mittlerweile für den<br />

Umbruch Mitte <strong>der</strong> 1970er-Jahre. Das<br />

Ende <strong>der</strong> Reformeuphorie war absehbar,<br />

die zunehmend ins Bewußtsein<br />

breiterer Bevölkerungsschichten eingegangene<br />

Knappheit <strong>der</strong> Ressourcen<br />

schärfte den Blick dafür, daß die Bäume<br />

nicht in den Himmel wachsen. An<br />

diesem Aufsatz ist aus heutiger Sicht<br />

beson<strong>der</strong>s eines bemerkenswert: Er<br />

beobachtet in einem Jahrzehnt omnipräsenter<br />

progressiver Trends und Allüren<br />

auf allen kulturellen Sektoren hellsichtig<br />

eine gleichzeitig stattfindende, deutliche<br />

Rückkehr zum Historistischen,<br />

Kanonischen und Klassischen in manchem<br />

Bereich von Kunst, Architektur<br />

und Literatur. Die mo<strong>der</strong>nistischen Entwicklungen<br />

erschöpften sich immer<br />

mehr, <strong>der</strong> Übergang zum weiten Feld<br />

„Postmo<strong>der</strong>ne“ zeichnete sich in Umrissen<br />

ab. Dazu gehört auch die wachsende<br />

Bedeutung des Denkmalschutzes,<br />

mit <strong>der</strong> sich Maier in einem Vortrag<br />

beschäftigt.<br />

Als ein weiterer wegweisen<strong>der</strong> Beitrag<br />

darf die Ende 1970 anläßlich <strong>der</strong> Gründung<br />

des <strong>Bund</strong>es <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />

in Bad Godesberg gehaltene Rede<br />

Lektürehinweis:<br />

Bernd Rüthers, Verräter, Zufallshelden<br />

o<strong>der</strong> Gewissen <strong>der</strong><br />

Nation? Facetten des Wi<strong>der</strong>standes<br />

in Deutschland, Tübingen<br />

(Mohr Siebeck) <strong>2008</strong>; darin: S. 172<br />

– 219: Die „Achtundsechziger“ –<br />

Aufstand gegen die Väter o<strong>der</strong><br />

nachgeholter Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong><br />

Söhne und Töchter?, 19,00 Euro,<br />

ISBN 978-3161497513<br />

Besprechung folgt.<br />

<strong>fdw</strong> 4/<strong>2008</strong>

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