Taxi Times DACH Österreich - April 2018
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GASTKOMMENTAR<br />
PLÄDOYER FÜR DAS<br />
BEDINGUNGSLOSE<br />
GRUNDEINKOMMEN<br />
Wenn die Robo-<strong>Taxi</strong>s kommen, werden <strong>Taxi</strong>fahrer zunehmend<br />
überflüssig. Doch leider hat die Politik noch keine Antworten<br />
auf solche Folgen der Automatisierung unserer Arbeitswelt.<br />
FOTO: Fotolia / vsnyder<br />
Beispiele dafür, wie radikal Automatisierung<br />
unsere Arbeitswelt<br />
umkrempelt, gibt es bereits: Der<br />
Wandel von der Pferdekutsche zum Auto<br />
etwa oder jener von der Schreibmaschine<br />
zum PC. Und was wären wir heute ohne das<br />
Internet? Doch die technische Entwicklung<br />
schreitet immer rascher voran, und immer<br />
mehr Menschen werden aus ihren Jobs<br />
gedrängt. Drohen Massenarbeitslosigkeit<br />
und soziale Unruhen?<br />
Statt solche Horrorszenarien heraufzubeschwören<br />
sollte der Umschwung als<br />
Chance begriffen werden. Wenn durch die<br />
Automatisierung ein Großteil der menschlichen<br />
Arbeitskraft überflüssig wird, könnte<br />
Lebenszeit radikal neu definiert werden.<br />
Endlich so leben, wie man es immer schon<br />
wollte: Mehr Zeit mit Familie und Freunden<br />
verbringen und beruflich das tun, was Freude<br />
bereitet – dieser Luxus ist heute nicht<br />
vielen vergönnt. Doch woher käme das Geld<br />
für unser selbstbestimmteres Leben?<br />
Vielfach diskutiert und vereinzelt<br />
bereits getestet wurde das bedingungslose<br />
Grundeinkommen (BGE) – das auch von<br />
Top-Managern wie Bill Gates, Mark Zuckerberg<br />
und Elon Musk als unausweichlich<br />
angesehen wird. Die Logik des BGE: Es<br />
ersetzt das derzeitige Gewirr von über Steuern<br />
und Abgaben aus Arbeitseinkommen<br />
finanzierten Sozialleistungen. Hartz IV,<br />
Kindergeld und andere Sozialtransfers würden<br />
wegfallen, ebenso wie Steuervergünstigungen.<br />
Stattdessen bekämen alle<br />
Menschen von der Geburt bis zum Tod<br />
unabhängig von ihrer wirtschaftlichen<br />
Lage einen einheitlichen Betrag zur Finanzierung<br />
ihrer Grundbedürfnisse – bedingungslos.<br />
Es gäbe also, im Gegensatz zur<br />
heutigen Grundsicherung, keine Anrechnung<br />
von zusätzlichen Einkünften, keine<br />
Sanktionierungen und keinen Zwang,<br />
schlecht bezahlte Jobs anzunehmen.<br />
Das BGE würde nur der Existenzsicherung<br />
dienen. Wer mehr Lebensqualität<br />
wollte, müsste weiterhin zusätzliches Einkommen<br />
erwirtschaften. Jobs für Menschen<br />
wird es dafür auch in Zukunft noch geben:<br />
Pädagogen für unsere Kinder und Pflegekräfte<br />
für Kranke und die alte Generation<br />
zum Beispiel werden immer dringender<br />
benötigt. Auch bei der Personenbeförderung<br />
wird es künftig nicht ganz ohne Menschen<br />
gehen: Wer sonst sollte den Rollstuhl<br />
ins Auto laden oder Oma Müller beim Aussteigen<br />
und Tragen des Gepäcks behilflich<br />
sein?<br />
FURCHT VOR DEN FAULEN<br />
Kritiker bemängeln, dass ein BGE viele<br />
Menschen ermuntern würde, sich auf die<br />
faule Haut zu legen. Sicher ist: Diese Menschen<br />
wird es geben, wie es sie auch heute<br />
gibt. Doch für die meisten Menschen ist<br />
Nichtstun ein nur für wenige Wochen haltbarer<br />
Zustand, danach fehlt etwas Sinnstiftendes.<br />
Schon heute erbringen große Teile<br />
unserer Gesellschaft unbezahlte Leistungen,<br />
etwa in der häuslichen Pflege, in Vereinen,<br />
Bürgerinitiativen oder bei anderen<br />
ehrenamtlichen Tätigkeiten.<br />
Wirklich beunruhigend ist, dass die Politik<br />
bisher jegliche Antwort auf die anstehenden<br />
massiven Umwälzungen vermissen<br />
lässt. Das Drehen kleiner Rädchen reicht<br />
nicht mehr. Zur Finanzierung eines BGE<br />
etwa müsste unser Steuersystem radikal<br />
umgebaut werden. Kapitalerträge sollten<br />
endlich so hoch besteuert werden wie Einkommen<br />
aus Arbeit. Die mit zunehmendem<br />
Wegfall von Lohnkosten und höherer Effizienz<br />
durch die Automatisierung steigenden<br />
Unternehmensgewinne müssten viel<br />
stärker in die Solidarpflicht eingebunden<br />
werden.<br />
Oder, um es mit Blick auf die Personenbeförderung<br />
klarer auszudrücken: Die mit<br />
Robo-<strong>Taxi</strong>s erzielten Gewinne dürften nicht<br />
mehr zu großen Teilen in den Taschen<br />
weniger Manager landen, sondern müssten<br />
stärker zur Finanzierung des Grundeinkommens<br />
der dadurch weitgehend überflüssig<br />
gewordenen <strong>Taxi</strong>fahrer<br />
herangezogen werden. Denn der durch<br />
Automatisierung angestoßene Wandel<br />
unserer Arbeitswelt ist menschengemacht<br />
und sollte daher nach dem bewährten Solidarprinzip<br />
allen zugutekommen. sk<br />
Der Autor Stefan Köller (stefankoeller@gmx.de)<br />
arbeitet als freier Journalist in München. Er ist<br />
fassungslos, dass das BGE bei den politisch<br />
etablierten Parteien ein Tabuthema ist.<br />
Wenn Arbeitsplätze durch<br />
Digitalisierung wegfallen, muss<br />
der Staat für ein bedingungsloses<br />
Grundeinkommen sorgen.<br />
TAXI APRIL / MAI <strong>2018</strong><br />
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