Taxi Times DACH Österreich - April 2018
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
TAXI-SHARING<br />
Die Demonstranten kritisierten eine anhaltende Serie von<br />
Regeländerungen, die das <strong>Taxi</strong>gewerbe schwächen.<br />
120 Teilnehmer nahmen an der Kundgebung vor dem Gebäude der<br />
Verkehrsbehörde teil.<br />
Die Existenz einer „Lücke zwischen ÖPNV<br />
und <strong>Taxi</strong>gewerbe“, die Moia wohl schließen<br />
möchte, sei nicht bewiesen, so Tasbilek. Es<br />
gebe zwar Gebiete mit einer schlechten Versorgung<br />
des ÖPNV, aber niemand würde<br />
garantieren, dass die Moia-Busse auch<br />
gerade dort eingesetzt würden. Das<br />
befürchtet auch Clemens Grün: Moia könnte<br />
nur in jenen Gebieten der Stadt operieren,<br />
in denen es sich lohnen würde.<br />
Tasbilek, Krijan und Grün zweifelten an<br />
dem propagierten Ziel der VW-Tochter, die<br />
Umweltbelastung zu reduzieren. Die deutschen<br />
Autohersteller würden dem <strong>Taxi</strong>gewerbe<br />
nämlich keine verwendbaren reinen<br />
Elektrofahrzeuge bereitstellen, sondern<br />
hätten das erst für 2021 angekündigt. Von<br />
staatlicher Seite wünschte sich Tasbilek<br />
eine Verlängerung der Subventionen für<br />
die Umstellung auf Hybridfahrzeuge, bis<br />
die Industrie Elektrofahrzeuge produziere.<br />
Umso verwunderter ist man, da VW nun<br />
der Tochter Moia einen elektrisch angetriebenen<br />
Kleinbus mit 400 km Reichweite<br />
exklusiv zur Verfügung stellen wird. An<br />
dem hätte auch das <strong>Taxi</strong>gewerbe Interesse.<br />
Clemens Grün formulierte pointiert: Die<br />
„Wolfsburger Abgasbetrüger“ wollten dem<br />
<strong>Taxi</strong>gewerbe mit Subventionen von 50 Millionen<br />
Euro jährlich erhebliche Marktanteile<br />
abkaufen. Sie wollten ihre eigenen Preise<br />
machen und auch nach dem Prinzip des<br />
„Surge Pricings“ die Fahrpreise in den Stoßzeiten<br />
„kräftig erhöhen“. Die VW-Tochter<br />
betreibe eine absichtliche Diskriminierung<br />
von Fahrgästen, um Gewinn zu erzielen. Ein<br />
solcher Verkehrsanbieter, der auch mit den<br />
städtischen ÖPNV-Betrieben um Fahrgäste<br />
konkurriere, könne nicht „auf dem Verwaltungswege<br />
kalt durchgewunken werden,<br />
ohne Diskussion im Verkehrsausschuss“.<br />
Die Bitte wurde erhört. Das Thema ist<br />
mittlerweile auf die Tagesordnung des Verkehrsausschusses<br />
der Hamburger Bürgerschaft<br />
gelandet. Außerdem wurden zwei<br />
Anfragen an den Senat der Hansestadt Hamburg<br />
gestellt, so im Januar von dem FDP-<br />
Abgeordneten Ewald Aukes und im März<br />
von den AfD-Abgeordneten Prof. Jörn Kruse<br />
und Detlev Ehlebracht. Der Senat verweist<br />
jedoch darauf, dass der Volkswagen-Konzern<br />
seinen Probebetrieb eigenverantwortlich<br />
durchführe und die geschäftlichen Details<br />
ohnehin Betriebsgeheimnisse wären. Die<br />
Antworten des Senats bleiben somit in vielen<br />
Punkten lapidar.<br />
BEHÖRDE PRÜFT PROBEBETRIEB<br />
Hinzu kommt: Ein Zustimmungsvorbehalt<br />
politischer Gremien ist in einem Antragsverfahren<br />
gesetzlich nicht vorgesehen. Dirk<br />
Ritter von der Behörde für Wirtschaft, Verkehr<br />
und Innovation stellte gegenüber <strong>Taxi</strong><br />
<strong>Times</strong> die Rechtslage klar: Die Firma Moia<br />
sei berechtigt, einen solchen Antrag bei der<br />
Behörde zu stellen. Deren Aufgabe sei es<br />
dann, darüber gemäß der Vorgaben des<br />
PBefG zu entscheiden.<br />
So wird die Verkehrsbehörde dann<br />
zunächst feststellen müssen, ob der Probebetrieb<br />
von 20 Fahrzeugen ab September<br />
<strong>2018</strong> im Sinne des § 1, Absatz 2, Satz 1 des<br />
Personenbeförderungsgesetzes (PBefG)<br />
genehmigungsfrei ist, weil die Betriebskosten<br />
angeblich nicht durch das Entgelt<br />
gedeckt werden. Hier wird die Begründung<br />
interessant, denn nach Kenntnis d. R. könnten<br />
auch mittelbare wirtschaftliche Vorteile<br />
als Entgelt anzusehen sein, zum Beispiel<br />
die Gewinnung von Kenntnissen und Daten<br />
über den Markt.<br />
Dirk Ritter bekräftigte gegenüber <strong>Taxi</strong><br />
<strong>Times</strong>, dass man die Bedenken des <strong>Taxi</strong>gewerbes<br />
sehr ernst nehmen würde: „Wir<br />
arbeiten für, nicht gegen das Gewerbe.“ Bei<br />
einer Genehmigung über den Antrag würde<br />
genau geprüft, ob und welche Bedingungen<br />
für das Bediengebiet, die Anzahl der Fahrzeuge<br />
und die Preise festgesetzt werden<br />
müssen. Wie diese Bedingungen dann im<br />
Detail aussehen werden, wird aus dem<br />
Behördenbescheid zu entnehmen sein.<br />
Anstatt Spekulationen anzustellen, solle<br />
man sich besser auf neue Konkurrenten<br />
einstellen.<br />
Die Auswirkungen des Projektes auf die<br />
wirtschaftliche Lage des <strong>Taxi</strong>gewerbes sollen<br />
während der Probephase untersucht<br />
werden. Ritter: Die Fragestellungen, Methodik<br />
und durchführende Stellen müssten<br />
erst noch bestimmt werden. Damit hätte<br />
die Behörde am Ende des vierjährigen Testbetriebes<br />
belastbare Entscheidungsgrundlagen<br />
über den weiteren Betrieb.<br />
<strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong> liegen derzeit keine Informationen<br />
vor, ob VW bereits an einer Realisierung<br />
von notwendigen Ladestationen<br />
arbeitet. Nach unbestätigten Informationen<br />
hat die Hamburger Hochbahn AG eine Mitbenutzung<br />
ihrer Betriebshöfe aus Kapazitätsgründen<br />
abgelehnt. Probleme könnte es auch<br />
bei der Genehmigung und Realisierung von<br />
„bis zu 3000“ virtuellen Haltestellen geben,<br />
denn weder deren Lage noch Ausgestaltung<br />
scheint spezifiziert. Ob sie sich gemäß Straßenverkehrsrecht<br />
sicher im knappen Stadtraum<br />
realisieren lassen, hat die<br />
Straßenverkehrsbehörde mitzuentscheiden.<br />
Die grundsätzliche Absicht, den Moia-<br />
Dienst einzuführen, scheint bereits an<br />
anderer Stelle beschlossen worden zu sein.<br />
Als Begründung werden vorgeschobene<br />
Vorteile für die Umwelt, für die Fahrgäste<br />
und eine angenommene verringerte Verkehrsbelastung<br />
genannt. Die Hansestadt<br />
Hamburg arbeitet mit der Wolfsburg AG,<br />
zu 50 Prozent im Besitz von VW, zusammen<br />
an einem Kongress für „Intelligente Transportsysteme“<br />
(ITS) unter dem Motto „City<br />
of Solutions“ („Stadt der Lösungen“); dort<br />
möchte Hamburg sich fortschrittlich präsentieren.<br />
<br />
prh<br />
TAXI APRIL / MAI <strong>2018</strong><br />
7