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s'Magazin usm Ländle, 10. Juni 2018

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ALPWIRTSCHAFT<br />

Almochsen statt<br />

Kälbertransporte!<br />

Vorarlbergs Alpwirtschaft<br />

steht und fällt mit dem<br />

Jungvieh –doch davon gibt<br />

es immer weniger.<br />

Die Alpwirtschaft ist in Vorarlberg identitätsstiftend<br />

–und in Gefahr, denn es gibt immer weniger<br />

Jungvieh, das abgelegene Weiden abgrast und so die<br />

Verbuschung stoppt. Andererseits werden Kälber zu<br />

Tausenden ins ferne Ausland transportiert. Ein<br />

Widerspruch, der sich auflösen ließe –wenn denn<br />

die Landwirtschaft umdenken würde.<br />

Es sind Bilder, die sich in<br />

das kollektive Bewusstsein<br />

der Bevölkerung eingebrannt<br />

haben: Gemächlich<br />

wiederkäuende<br />

Kühe in allen Schattierungen, seelenruhig<br />

auf der Alm liegend, sich die<br />

Sonne auf die Hörner scheinen lassend.<br />

Am frühen Abend werden die<br />

Tiere in den Stall beordert, wo sie –<br />

natürlich von Hand –gemolken werden.<br />

Und wer nicht das Glück hat,<br />

solche Szenen tatsächlich auf den<br />

Vorarlberger Almen gesehen zu haben,<br />

der kennt sie zumindest aus der<br />

Werbung, wo die Kühe ebenfallsinteressante<br />

Schattierungen aufweisen –<br />

leidernicht immer ganznaturnahe.<br />

Dabei ist die Alpwirtschaft nichts,<br />

was einer Romantisierung bedürfte,<br />

sie ist schlicht notwendig, um die<br />

Drei-Phasen-Wirtschaft(Stall –Vorsäß<br />

–Alpe) aufrechtzuerhalten. Ein<br />

Kulturgut, das sich über Jahrhunderte<br />

bewährt und für die einzigartige<br />

Kulturlandschaft Vorarlbergs geprägthat.<br />

Unddas letztlich auch dem<br />

Tourismus jene Bildern liefert, mit<br />

denen er Gäste aus dem In- und Ausland<br />

anlockt –überauserfolgreich.<br />

Dass es um die Vorarlberger Landwirtschaft<br />

–präziser umdie Milchwirtschaft<br />

–nicht mehrganz ideal bestellt<br />

ist, ist nicht erst seit dem Aufbranden<br />

der Turbokuh-Diskussion<br />

bekannt. Auch für die Alpwirtschaft<br />

stehen die Zeichen schlecht: Leistungs-<br />

und Hochleistungskühe sind<br />

für die Alpe ungeeignet, sie sind zu<br />

schwer und finden zuwenig Futter,<br />

was wiederum zur ebenfalls umstrittenen<br />

Zufütterung von Kraftfutter<br />

führt. Zudemwerden Betriebeimmer<br />

größer undindustrieller: Der Melkroboter<br />

löst den Älpler ab, der Aufwand,<br />

die Kühe auf die Alpe zu treiben,<br />

wäre viel zu groß. Was esdagegen<br />

braucht, sind Rinder, die für<br />

die Alpe geeignet sind, also solche,<br />

die weniger Milch geben, dafür aber<br />

auch für die Fleischvermarktung interessant<br />

sind –sogenannte Zweinutzungsrassen.<br />

Und was es dringend<br />

braucht, sind Jungtiere, denn diese<br />

kommen überall dorthin, wo ausgewachsene<br />

Rinder anstehen: So bleiben<br />

blühende Wiesen bestehen –und<br />

Verbuschung, Latschen und Wald<br />

wirdEinhalt geboten.<br />

Mehr Fleisch, weniger Milch<br />

Genau diese Jungtiere aber sind<br />

immer seltener auf den Alpen zu sehen.<br />

DerFachtierarzt fürTierhaltung<br />

und Tierschutz Erik Schmid nennt<br />

das Kind beim Namen: „Da Hochleistungskühe<br />

nicht mehr15, sondern<br />

nur knapp fünf Jahre alt werden,<br />

braucht es mehr Jungtiere für die<br />

eigene Nachzucht. Weiters liegt das<br />

Foto: lisamathis.at<br />

Erstkalbealter heute unter 2,5 Jahren,<br />

früher lag es bei über drei. Es<br />

fehlt also einJahrgang, derauf die Alpe<br />

kann.“ Zu beachten ist dabei, dass<br />

ohnehin nur weibliche Kälber auf die<br />

Alpe kommen, denn die männlichen<br />

Artgenossen werden früh geschlechtsreif:<br />

„Das macht dann auf<br />

derAlpe recht viel Arbeit“, kommentiert<br />

Schmid. Und so werden viele<br />

Stierkälber nach wie vor bevorzugt<br />

auf den Transporter geladen und ins<br />

tierwohlferne Ausland geschickt,<br />

denn für die Milchwirtschaft erfüllen<br />

sie keinen Zweck. Eine Lösung sieht<br />

Schmid in der Förderung von Zweinutzungsrassen<br />

und dem Kastrieren<br />

der Stierkälber: „Was spricht gegen<br />

10<br />

s’Magazin

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