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Stadtmagazin CLP Ausgabe 23

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Ruhige Zeiten im Rhythmus der Kamelkarawane<br />

Stutenmilch zum Vergären gebracht ist Kymuss – eine traditionelle Leibspeise<br />

ren, während sie schon gegen fünf am Abend in eine tiefe<br />

Schwärze versinken.<br />

Auch darüber weiß Bayagthor natürlich ein Lied zu singen.<br />

Er tut es mit einem ehrfürchtigen Timbre in der Stimme. Er<br />

und seine Frau Munkthuya arbeiten sonst in der Hauptstadt<br />

Ulan Bator, ihre Kinder sehen sie nur, wenn sie Munkthuyas<br />

Eltern besuchen, denn die Kleinen wachsen bei den Großeltern<br />

auf. Und die ziehen, wie mehr als die Hälfte der 2,4 Millionen<br />

Mongolen, als Nomaden über Land. Meist kommt das<br />

Ehepaar zum Wechsel der Jahreszeiten ins Nomadenlager,<br />

um zu helfen, wenn Munthuyas Familie wieder einmal mit<br />

allem Hab und Gut, mit Pferden, Kamelen, tausend Schafen<br />

und Hunderten von Kaschmirziegen zu neuen Weidegründen<br />

aufbricht. Schon Anfang August, wenn der erste Frost<br />

droht, wechseln viele ins Wintercamp. Die kalten Monate mit<br />

Temperaturen unter 50° Grad minus verbringt man am besten<br />

im Schutz einer Senke oder Schlucht.<br />

Für Munkthuya und ihren Mann sind die Karawanentouren<br />

eine willkommene Abwechslung vom Alltag und eine Art<br />

Heimkehr: „Wir machen unser Geld in der Stadt, doch unsere<br />

Herzen sind noch immer auf Wanderschaft.“ Wobei man sich<br />

Ulan-Bator trotz der rund 800 000 Einwohner nicht als Großstadt<br />

vorstellen sollte. Zwar gibt es in den schmalen Straßen<br />

gelegentlich Staus, weil der wirtschaftliche Aufschwung des<br />

Landes in Form neuer Autos Früchte trägt. Von geschäftigem<br />

Treiben zu sprechen wäre dennoch übertrieben. Manchmal<br />

hängt eine gelb graue Wolke über der Stadt: Ausstoß des<br />

Kohlekraftwerks, das Ulan-Bator mit Wärme versorgt. Das<br />

passt so recht zum etwas trostlosen Stadtbild mit seiner fast<br />

einförmigen Plattenbauarchitektur. Wo auch kein Platz für<br />

Gärten oder Parks, für Blumen oder Bäume zu sein scheint.<br />

Dschingis Khans Rückkehr<br />

Die roten Sterne an Regierungsgebäuden, am Nationalmuseum<br />

und anderen öffentlichen Gebäuden verraten einen<br />

Grund der Tristesse: Bis 1990 war die Mongolei russischer Satellitenstaat.<br />

Bayagthor kennt die Zeit, in der den Mongolen<br />

mit kommunistischer Gleichheitsideologie jegliche Identität<br />

genommen werden sollte, aus den Erzählungen seiner Großeltern.<br />

Die lebten in der Nähe von Karakorum“, erzählt er. „Die<br />

russischen Soldaten kamen mit Bulldozern und machten<br />

die Hauptstadt des alten Mongolenreiches dem Erdboden<br />

gleich, ebenso alle Tempel und Paläste.“ Er berichtet von absichtlich<br />

gelegten Feuersbrünsten, denen Schriftrollen und<br />

Bücher, sakrale und Kunstgegenstände zum Opfer fehlen,<br />

während die antiken Reichtümer klammheimlich nach Moskau<br />

geschafft wurden. „Es war uns verboten, die angestammten<br />

Namen zu tragen, unsere Sprache zu sprechen, den Göttern<br />

zu huldigen und nach unseren Traditionen zu leben.“<br />

Lange Zeit spricht niemand mehr in der Karawane. Dann<br />

beginnt Bayagthor wieder zu singen. Sein Lied, das von<br />

der Revolution erzählt und wie die Russen aus dem Land<br />

gejagt wurden. „Doch wir müssen auch erwähnen, was wir<br />

dem Kommunismus verdanken“, wirft Munkthuya ein. „Unser<br />

Gesundheitssystem zum Beispiel, das in jedem Winkel<br />

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