PDF-Format (7.0 MB) - Allgemeine Zeitung Namibia
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Als ich 1954 der Pferde<br />
wegen für eineinhalb<br />
Jahre auf Einladung von<br />
Gerhard Voigts nach Voigt-<br />
and im damaligem Südwestfrika<br />
kam, war ich tief beindruckt.<br />
Nicht nur von der<br />
- Reitsport in <strong>Namibia</strong> -<br />
Sieg mit Amboß – Der Schreck von Johannesburg<br />
wunderschönen, für mich<br />
überwältigenden Landschaft,<br />
sondern auch von den Menschen,<br />
mit denen ich von vornherein<br />
ein vertrauensvolles<br />
Verhältnis hatte. Noch heute<br />
pflege ich gerne die freund-<br />
schaftlichen Kontakte.<br />
Mein Rahmenprogramm<br />
auf Voigtland war vielseitig.<br />
Es beinhaltete neben Reiten<br />
und Jagen alle Farmarbeiten.<br />
Unvergesslich waren<br />
die vielen Ausflüge und Fes-<br />
Henner Voigts (vorne) mit dem legendären Amboß. • Foto: Gretel Keding<br />
Unser Leben änderte<br />
sich durch einen Anruf<br />
im Jahr 1981. Wir<br />
wurden von <strong>Namibia</strong>s Sonne<br />
verbrannt, sie und die Menschen<br />
ließen uns bis heute<br />
nicht mehr los. An Stelle<br />
von Hans Günter Winkler,<br />
der Legende des Reitsports,<br />
landeten Barbara und ich im<br />
Juni in Windhoek; es galt, auf<br />
einem Turnier zu richten und<br />
den Parcours aufzubauen, wir<br />
sollten Reiter mit ihren Pferden<br />
unterrichten, Richter und<br />
Parcours-Bauer schulen und<br />
Empfehlungen aussprechen.<br />
Rudolf Scherer holte uns<br />
als Initiator der Einladung<br />
(mit AZ-Chefredakteur Arthur<br />
Surén) am Flughafen ab<br />
und brachte uns durch den<br />
uns unbekannten dichten<br />
Staub der Pads in Windeseile<br />
zur Reiterbar des Reitervereins<br />
Omaruru. Nach herzlicher<br />
Begrüßung und einigen<br />
Bieren sanken wir, über<br />
40 Stunden auf den Beinen,<br />
todmüde ins Bett.<br />
Geweckt wurde am nächsten<br />
Morgen beim Sonnenaufgang<br />
mit „coffee, mister”.<br />
Auf dem Reitplatz staunten<br />
wir über das großzügige<br />
Sportareal mit Offenboxen für<br />
die Pferde und über die familiäre<br />
Atmosphäre auf den Zeltplätzen<br />
für Gäste und Teilnehmer;<br />
sie luden uns während<br />
der Turniertage zu Kaffee und<br />
Braai ein. Kameradschaft mit<br />
dem Motto „Jeder hilft Jedem“<br />
wurde großgeschrieben.<br />
Ohne Hektik blieb Zeit für<br />
te zu den schönen landesüblichen<br />
Gestüten, auf die ich<br />
in dankbarer Erinnerung zurückblicke.<br />
Die kontinuierliche Arbeit<br />
mit den Pferden und die bescheidenen<br />
Erfolge in SWA<br />
brachten uns eine Einladung<br />
zum Turnier nach Kapstadt<br />
und Johannesburg ein. Henning<br />
Voigts, Ernst Holtz und<br />
ich durften die aufregende<br />
und unvergessliche Turnierreise<br />
antreten.<br />
An einen langen Güterzug<br />
wurde für die dreitägige<br />
Bahnreise kurzer Hand für<br />
uns Reiter ein Personenwagen<br />
und für die Pferde ein<br />
Tiertransportwagen angehängt.<br />
Zwei Lokomotiven zogen<br />
den Zug, eine war hinten.<br />
So verließen wir Windhoek<br />
und die Berge. Bald wurden<br />
die Hilfsloks abgekoppelt<br />
und es ging auf ebener Fläche<br />
durch die Wüste gen Süden.<br />
Stopps wurden nur bei Wasser-<br />
und Kohleaufnahme gemacht.<br />
Am zweiten Tag dann<br />
ein Halt auf freier Fläche. Der<br />
Lokführer erklärte uns, dass<br />
der Feinsand, der bei Erhebungen<br />
vor die Antriebsräder<br />
auf die Schiene gestreut<br />
wurde, aufgebraucht sei. Die<br />
uns kaum erkennbare „Steigung“<br />
könne nicht bewältigt<br />
werden, weil die Antriebsräder<br />
rutschten.<br />
Heizer, Zugführer, zwei<br />
Pferdepfleger und drei Reiter<br />
bekamen eine Sonderaufgabe:<br />
Wir mussten per<br />
Hand Sand auf die Schienen<br />
streuen, möglichst schnell,<br />
um eine weite Strecke mit<br />
Sand zu versorgen. Der Zug<br />
fuhr nun ohne Begleitpersonal<br />
etwa drei Kilometer zurück<br />
und kam mit neuem<br />
Schwung angedampft. Das<br />
Vorhaben gelang auf Anhieb.<br />
Bis der Zug die schwierige<br />
Stelle überwunden hatte<br />
und zum Stehen kam, mussten<br />
wir weit hinterherlaufen,<br />
um schließlich wieder „aufsitzen“<br />
zu können.<br />
Der Empfang in Kapstadt<br />
war herzlich und von Freundlichkeit<br />
geprägt. In der reiterlich<br />
fairen Auseinandersetzung<br />
mussten wir dort zwar<br />
Federn lassen, konnten aber<br />
in Kapstadt und Johannesburg<br />
auch respektvolle Siege<br />
und Platzierungen in Springprüfungen<br />
verbuchen. Ein<br />
Höhepunkt war mein Erfolg<br />
im Mächtigkeitsspringen in<br />
Johannesburg. Ausgerechnet<br />
der mächtige Schimmel Amboß<br />
vom Gestüt Voigtland<br />
hatte diesen internen Erfolg<br />
errungen.<br />
Amboß hatte noch vor<br />
Jahresfrist bei meiner ersten<br />
Besichtigung der Voigtländer<br />
Pferde durch sein „außerordentliches“<br />
Verhalten Aufsehen<br />
erregt. Viele Pferde, die<br />
zur weiteren Ausbildung vorgesehen<br />
waren, standen im<br />
2,20 Meter hohen, eingefriedeten<br />
und staubigen Steinkrahl.<br />
Bei der Selektion kam<br />
Unruhe auf. Amboß machte<br />
sich auf den Weg, diese Anlage<br />
zu verlassen. Er sprang<br />
zu unserer großen Verwunderung<br />
kurzerhand über die<br />
Mauer und machte sich im<br />
wahrsten Sinne des Wortes<br />
- Mittwoch, 2. Juli 2008<br />
aus dem Staub. Mein Gedanke<br />
war nur: Der muss her! Er<br />
war in der Tat „der Umwelt<br />
gegenüber sehr aufmerksam“<br />
– jeder Reiter weiß was das<br />
heißt. Es ging nun darum,<br />
beharrlich Angst in Vertrauen<br />
umzusetzen. Amboß wurde<br />
dann eines meiner Berittpferde.<br />
Als Amboß seiner Zeit<br />
nach dem Siegessprung mich<br />
auch noch in den gepflegten<br />
Rasen gelegt hat, nachdem<br />
ich mich bis über die Ziellinie<br />
retten konnte, kam mir<br />
eine Erleuchtung: Nie wieder<br />
stürzen, schon gar nicht<br />
vor so viel Publikum. Meine<br />
heimliche Liebe zum Military<br />
wurde dadurch gefestigt.<br />
So habe ich später in<br />
Deutschland den Bereich<br />
Vielseitigkeit – mit großem<br />
Respekt vor der „Krone der<br />
Reiterei“ – weiter verfolgt. In<br />
meiner sehr sorgfältig vorbereiteten<br />
fünfjährigen Military-Karriere,<br />
mit Erfolgen<br />
in Deutschen und Europameisterschaften,<br />
habe ich<br />
tatsächlich keine Schramme<br />
mehr bekommen und auch<br />
kein Pferd krank entlassen.<br />
So lange hat der Schreck von<br />
Johannesburg angehalten. So<br />
gesehen wurde der Ausflug<br />
nach Südafrika eine Art Botschaftsdienst<br />
– nicht nur für<br />
die Reiterei, sondern auch<br />
für die Pferdezucht in Südwestafrika;<br />
und er wurde<br />
zum Wegweiser weiterer Zusammenarbeit<br />
der Reit- und<br />
Zuchtverbände. n<br />
Siegfried Dehning, München<br />
Seit drei Jahrzehnten mit dem Reitsport in <strong>Namibia</strong> verbunden<br />
Gespräche mit sehr gut informierten<br />
Diskussionspartnern<br />
bis nach Farmers Mitternacht,<br />
man hatte Zeit, lernte, sich als<br />
Europäer Zeit zu lassen, zuzuhören,<br />
entwickelte Verständnis<br />
für das afrikanische Überlebensproblem,<br />
den Regen.<br />
Man hörte „One raindrop is a<br />
kiss from heaven!”, wie relativ<br />
klein waren da unsere Sorgen<br />
in Deutschland.<br />
In Omaruru blieb Zeit zur<br />
Geselligkeit mit Tanz bis zum<br />
Klaus Pade • Foto: privat<br />
frühen Morgen, verbunden<br />
mit Reitsport. Reiten mit<br />
kleinem Volksfestcharakter;<br />
man kam und ging zum<br />
Derby. Die Teilnehmer ritten<br />
frisch-fröhlich über die<br />
Hindernisse und bewältigten<br />
auch die 27 Derbysprünge<br />
überraschend gut. Besonders<br />
faszinierten uns die Pferde,<br />
verladen zum Teil auf Bakkies,<br />
direkt aus dem Busch<br />
kommend, bis zu 500 Kilometer<br />
angereist. Hier konnte<br />
man manch ungeschliffenes<br />
Juwel entdecken. Pix von<br />
Prittwitz begleitete als Ansager<br />
jeden Start mit einem<br />
humorvollen bon mot über<br />
Pferd oder Reiter.<br />
Der anschließende Lehrgang<br />
und weitere auf Wunsch<br />
des namibischen Verbandes<br />
unter Führung von Cord<br />
Cordes in den nächsten Jahren<br />
führten zu Prüfungsabnahmen<br />
für Reiter, Richter<br />
und Parcours-Bauer, die allen<br />
und uns sehr viel Freude<br />
gemacht haben. Wie schwer<br />
fällt es, im Verein und auf<br />
der Farm allein auf sich gestellt,<br />
unseren Empfehlungen<br />
zu folgen, wie schwer<br />
ist es, ohne dauerhaften Unterricht<br />
und entsprechende<br />
Schulung sportlich weiter zu<br />
kommen?<br />
Die regelmäßige Durchführung<br />
von Richter- und<br />
Parcours-Baulehrgängen mit<br />
dem Druck, dem Zwang, einer<br />
Prüfung vor dem offiziellen<br />
Einsatz wäre auch<br />
weiterhin für Richter und<br />
Parcours-Bauer sinnvoll<br />
und notwendig. Im Moment<br />
gibt es noch zwei aktive Parcours-Bauer,<br />
die Zahl der geprüften<br />
Richter pendelt bei<br />
fünf und wird durch eingeflogene<br />
Fremdrichter aufgestockt.<br />
Das Pferdepotenzial<br />
ist vorhanden und wartet<br />
auf Reiter, die sie ausbilden,<br />
die Vereine sind mit ihren<br />
ehrenamtlichen Helfern<br />
mit Freude bei der Sache.<br />
Dank vieler Idealisten, die<br />
man in Deutschland immer<br />
schwerer findet, werden regelmäßig<br />
Turniere veranstaltet.<br />
Die Reiterjugend kommt<br />
mit den Eltern zum Pferd<br />
und zum Sport, doch wer<br />
übernimmt und schult sie zu<br />
Pferdeleuten?! Die Zahl der<br />
Pferdeleute mit „Pferdesachverstand”<br />
schrumpft altersbedingt<br />
und berufsbedingt;<br />
der Mangel an Ausbildern ist<br />
unübersehbar, ihre Daueranstellung<br />
ist zu teuer. Im Top-<br />
10-Springen der zehn besten<br />
Springreiter <strong>Namibia</strong>s starten<br />
sieben Teilnehmer wie<br />
im Dressurderby auf D-Standard.<br />
International weltweite<br />
Qualifikationen für Starts im<br />
Bereich der Entwicklungsländer<br />
erfolgen nur durch eigenes<br />
Engagement.<br />
Die Leistungen könnten<br />
vorerst auf dem derzeitig<br />
einfacheren Standard gehalten<br />
werden und wären vielleicht<br />
auf lange Sicht zu steigern.<br />
Dazu muss ein und<br />
derselbe Spezialist in möglichst<br />
kurzfristigen Intervallen,<br />
anfangs alle zwei Monate,<br />
für drei Tage kommen<br />
und nach den gleichen reiterlichen<br />
Grundsätzen unterrichten.<br />
Er muss schulen<br />
und Ausbildungsempfehlungen<br />
schriftlich über jeden<br />
Reiter als Grundlage der Anschlussschulung<br />
– damit für<br />
jeden Fachmann ersichtlich –<br />
erfassen. In Form der Selbst-<br />
hilfe können und müssen<br />
die reiterlich Fortgeschrittenen<br />
am Ort auf der Basis dieser<br />
Empfehlungen die Basis<br />
schulen. Durchführung,<br />
Fleiß, Erfolg und Egoismus<br />
sind so überprüfbar.<br />
Nun kommen wir seit 27<br />
Jahren, <strong>Namibia</strong> ist zur zweiten<br />
Heimat geworden. Unsere<br />
Reiterkinder sind inzwischen<br />
selbst gestandene<br />
Farmer und Eltern reitender<br />
Kinder geworden. Weiter<br />
machen und nicht verzagen,<br />
rufen wir allen zu! Wir<br />
werden dem Reitsport in <strong>Namibia</strong><br />
auch weiterhin mit Rat<br />
und Tat zur Seite stehen. n<br />
Barbara und Klaus Pade,<br />
Osnabrück<br />
Klaus Pade kommt seit fast drei Jahrzehnten nach <strong>Namibia</strong> und hat hier als Parcourschef<br />
gewirkt sowie Kurse gegeben. Das Bild zeigt den Springparcours in Omaruru während<br />
des Turniers im Jahr 2005. • Foto: Stefan Fischer