TALIS Architekten und Bauingenieure Berufsstart 20018/2019
TALIS - der Karriereratgeber für junge Architekten und Bauingenieure, für alle die durchstarten wollen.
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ARBEITSMARKT<br />
Einsteigerbranchen<br />
15<br />
MIT KÜHLEM KOPF UND<br />
STARKEN NERVEN<br />
Der Diplom-Ingenieur Christian Wagner ist seit über zehn Jahren<br />
als Bauleiter tätig. <strong>TALIS</strong> sprach mit ihm über einen abwechslungsreichen<br />
Beruf, der starke Nerven erfordert.<br />
Herr Wagner, sind Sie zufrieden mit Ihrer Berufswahl?<br />
Christian Wagner: Ja, im Großen <strong>und</strong> Ganzen bin ich sehr zufrieden.<br />
Ein Bürojob wäre nicht das Richtige für mich gewesen, ich habe schon<br />
immer gerne draußen auf dem Bau gearbeitet. Nach einer Ausbildung<br />
als Zimmerer war ich ein Jahr lang in einer Holzbaufirma mit<br />
Hauptgeschäftsfeld Denkmalpflege tätig. Während meines Bauingenieurstudiums<br />
an der FH Würzburg habe ich weitere Erfahrungen in<br />
der Kalkulation <strong>und</strong> in der Bauleitung gesammelt. So lernt man das<br />
Umfeld sehr gut kennen; <strong>und</strong> da ist mir schnell klar geworden, dass<br />
der Beruf gut zu mir passt.<br />
Was gefällt Ihnen an Ihrer Tätigkeit besonders gut?<br />
Christian Wagner: Es fühlt sich einfach gut an, wenn man ein fertiges<br />
Bauwerk betrachtet <strong>und</strong> weiß, dass man mit seiner Arbeit zu<br />
seiner Entstehung beigetragen hat. Außerdem ist Bauleitung ein sehr<br />
abwechslungsreicher Beruf. Die Teams innerhalb des Unternehmens<br />
wechseln mit jedem neuen Projekt, das heißt, der Vorgesetzte, der<br />
Polier <strong>und</strong> auch die Mitarbeiter auf dem Bau sind in der Regel nicht<br />
gleich. Ich persönlich finde es interessant, Menschen immer wieder<br />
neu einschätzen zu müssen, natürlich kann das auch anstrengend<br />
sein.<br />
Welche Kehrseiten bringt der Beruf mit sich?<br />
Christian Wagner: Bauleitung erfordert ein hohes Maß an Engagement,<br />
ein Zwölf-St<strong>und</strong>en-Tag ist keine Seltenheit. Wem geregelte Arbeitszeiten<br />
wichtig sind, der sollte sich lieber für einen anderen Beruf<br />
entscheiden. Bauleiter brauchen starke Nerven <strong>und</strong> dürfen sich, wenn<br />
Probleme auftreten, nicht so schnell aus der Ruhe bringen lassen. Und<br />
man muss die Baubranche mit ihren Eigenheiten einfach mögen.<br />
Was meinen Sie damit? Den rauen Umgangston in der<br />
Baubranche?<br />
Christian Wagner: Nein – der viel zitierte raue Ton ist nach meinen<br />
Erfahrungen ein Klischee. Wie in anderen Branchen auch gibt es sicherlich<br />
Meinungsverschiedenheiten, die aber in der Regel sachlich<br />
<strong>und</strong> mit den gängigen Höflichkeitsregeln diskutiert werden. Wie die<br />
Baubranche tickt, lässt sich nicht in Worte fassen. Das muss jeder<br />
selbst herausfinden.<br />
Worin genau besteht Ihre Aufgabe als Bauleiter?<br />
Christian Wagner: Oberstes Ziel ist es, ein Projekt innerhalb einer<br />
vorgegebenen Zeit so umzusetzen, dass für das Bauunternehmen<br />
unterm Strich Gewinn übrig<br />
bleibt. Im Gr<strong>und</strong>e genommen<br />
bin ich ein Unternehmer im Unternehmen,<br />
denn jede Baustelle<br />
wird betriebswirtschaftlich gesehen<br />
eigenständig bewertet.<br />
Die Leistung eines Bauleiters<br />
hängt entscheidend von einer<br />
kostendeckenden Arbeitsweise<br />
ab. Ich bin in erster Linie dafür<br />
verantwortlich, die jeweils geeigneten<br />
Arbeitsverfahren auszuwählen.<br />
Natürlich stehe ich<br />
nicht allein vor dieser Aufgabe,<br />
ich bin Teil eines großen Teams.<br />
Schon bei der Kalkulation wird<br />
überlegt, mit welchen technischen Mitteln gewinnbringend gearbeitet<br />
werden kann. Eine meiner Hauptaufgaben besteht darin, anhand<br />
des Leistungsverzeichnisses mit entsprechend hinterlegten Preisen<br />
<strong>und</strong> der Baupläne die Arbeitsabläufe vorzubereiten; dazu gehören<br />
Einteilung der Arbeitskräfte, Materialbestellung <strong>und</strong> Terminkoordination.<br />
Ich bin aber auch für die Abrechnung oder Nachtragsverhandlungen<br />
mit dem Bauherrn zuständig.<br />
Was muss ein guter Bauleiter können?<br />
Christian Wagner: Bauleiter müssen mit den gängigen technischen<br />
Regelwerken, wie der VOB, Teil B, vertraut sein. Weiterhin ist die Fähigkeit,<br />
vorausschauend zu handeln, von großem Vorteil. Das lässt<br />
sich am Beispiel „Lagerung von Baumaterialien“ gut erklären: Es ist<br />
wenig sinnvoll, den gesamten Baustahl, den man für ein Projekt benötigt,<br />
von Anfang an vorzuhalten. Das liegt nicht nur an den begrenzten<br />
Lagerkapazitäten auf der Baustelle. Auch die Kosten müssen<br />
vorgestreckt werden, gegenüber dem Bauherrn können jedoch nur<br />
Materialien geltend gemacht werden, die bereits eingebaut wurden.<br />
Eine Just-in-time-Strategie ist demnach wirtschaftlich, erfordert aber<br />
auch Augenmaß, um im entscheidenden Moment das benötigte Material<br />
vor Ort zu haben. Was außerdem wichtig ist: Wer als Bauleiter<br />
arbeiten möchte, sollte niemanden von oben herab behandeln. Das<br />
kommt erstens nicht gut an <strong>und</strong> ist zweitens auch nicht gerechtfertigt.<br />
Bauleiter sind ohne ihren Polier, der zwar von der Hierarchie<br />
her untergeordnet ist, aufgeschmissen. Auch von den Leuten, die bei<br />
Wind <strong>und</strong> Wetter draußen arbeiten, wird viel verlangt. Mangelnder<br />
Respekt vor den Leistungen anderer wird sich irgendwann rächen.