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„Im Paradoxen erscheint die Wirklichkeit.“ – Das Groteske in ...

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IV. Gegen <strong>die</strong> Satire.<br />

Die Satire zielt gegen <strong>die</strong> aktuell existente <strong>Wirklichkeit</strong> <strong>–</strong> angereichert mit sozialen,<br />

politischen und moralischen Erfahrungen <strong>–</strong>, <strong>die</strong> durch <strong>in</strong>ten<strong>die</strong>rtes geschichtliches Pathos<br />

und das Urteil des Autors (und des Publikums) über <strong>die</strong> zeitgenössische Gegenwart als<br />

„nichtse<strong>in</strong>sollend<strong>“</strong> 78 , gar als Vergangenheit suggeriert wird. Als Haupth<strong>in</strong>dernis<br />

geschichtlicher Entwicklung wird das System der Klassengesellschaft betrachtet, vor allem<br />

<strong>die</strong> herrschende Klasse und ihre Ideologie. Die Satire erklärt <strong>die</strong> Realität als e<strong>in</strong>zig<br />

vorhanden, verzerrt aber biologisch Natürliches durch Übertreibungen und Zuspitzungen<br />

<strong>in</strong>s Monströse und das Physische <strong>in</strong>s Unharmonische. <strong>Das</strong> beobachtete Bestehende wird<br />

unberechtigt und unfähig erklärt. Der Zerfallsprozess des gegenwärtigen Zustandes wird<br />

getragen von geschichtlich neuen Kräften. 79<br />

Die Satire orientiert sich also <strong>–</strong> anders als das <strong>Groteske</strong> <strong>–</strong> an der bestehenden <strong>Wirklichkeit</strong><br />

und sucht nicht nach alternativen Möglich- und (Un-)Wahrsche<strong>in</strong>lichkeiten <strong>in</strong> der<br />

Gegenwart, sondern richtet ihr Augenmerk nach dem Zerfallsprozess der Gegenwart auf<br />

Zukünftiges mit se<strong>in</strong>en neuen Tendenzen und Veränderungen, <strong>die</strong> moralisch berechtigt,<br />

geschichtlich notwendig und sozial wünschenswert s<strong>in</strong>d.<br />

5. ZWISCHENFAZIT<br />

Es wurde versucht anhand verschiedener (aber nicht völlig unterschiedlicher)<br />

Def<strong>in</strong>itionsangebote von Seiten der Literaturtheoretiker e<strong>in</strong>en relativ anwendbaren<br />

Überblick über das <strong>Groteske</strong> zu erstellen, der der Analyse von Der Besuch der alten Dame<br />

gerecht werden kann.<br />

Auch wenn <strong>die</strong> Charakterisierung des Begriffes stellenweise über <strong>die</strong> Anwendung auf <strong>die</strong><br />

Texte Dürrenmatts h<strong>in</strong>ausgeht, kann ke<strong>in</strong>esfalls e<strong>in</strong> Diktum für <strong>die</strong> gesamten<br />

<strong>Groteske</strong>nphänomene <strong>in</strong> der Literatur dar<strong>in</strong> gesehen werden, vielmehr ist der Versuch<br />

unternommen, den komplexen S<strong>in</strong>nbezirk des <strong>Groteske</strong>n auf das Nötige e<strong>in</strong>zugrenzen.<br />

Zusammenfassend können folgende Merkmale als wesentlich erkannt werden: Die<br />

Darstellung e<strong>in</strong>er Konfliktsituation durch zwei widersprüchliche Ebenen (<strong>die</strong> man<br />

durchaus als Konflikt zwischen Handlung und Person bezeichnen kann 80 ) läuft auf e<strong>in</strong>en<br />

78 Erich Kühne: Satire und groteske Dramatik. Über weltanschauliche und künstlerische Probleme bei<br />

Dürrenmatt. In: Weimarer Beiträge 12 (1966), S. 539-565, h.: S. 541.<br />

79 Ebd., S. 541f.<br />

80 Böth: Vom religiösen Drama zur politischen Komö<strong>die</strong>, S. 229.<br />

<strong>–</strong> „Der Ausgang von e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>fall […] bietet Dürrenmatt e<strong>in</strong>e Möglichkeit, e<strong>in</strong> Theaterstück von<br />

vornhere<strong>in</strong> und als ganzes auf <strong>die</strong> Kontrastierung von Handlung und Person h<strong>in</strong> anzulegen und ihm dar<strong>in</strong><br />

zugleich <strong>die</strong> jeweils e<strong>in</strong>heitliche und <strong>in</strong>dividuelle Gestalt zu geben. […] [Es] s<strong>in</strong>d aber nicht Antworten,<br />

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