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„Im Paradoxen erscheint die Wirklichkeit.“ – Das Groteske in ...

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Aus den menschlichen Individuen Jakob Hühnle<strong>in</strong> und Ludwig Sparr s<strong>in</strong>d masch<strong>in</strong>enhafte<br />

und automatische Wesen ohne Eigenleben geworden, das Menschliche hat an Leben<br />

verloren, übrig geblieben s<strong>in</strong>d „Kopien von Menschen<strong>“</strong> 132 . Ihrer eigenständigen Identität<br />

s<strong>in</strong>d sie zusätzlich durch <strong>die</strong> ununterbundene Dopplung beraubt. Der Zwill<strong>in</strong>gscharakter<br />

wirkt e<strong>in</strong>erseits belustigend, andererseits erlangt er durch <strong>die</strong> Unverwechselbarkeit und das<br />

Infragestellen der menschlichen Individualität e<strong>in</strong>e unheimliche Komponente. Gerade<br />

durch <strong>die</strong> unnatürliche Herstellung <strong>die</strong>ser Gem<strong>in</strong>atio werden sie zu grausig-lächerlichen,<br />

also grotesken 133 Figuren. 134<br />

Ihre persönliche Zukunft ten<strong>die</strong>rt gegen null, verbunden damit s<strong>in</strong>d auch <strong>die</strong><br />

exemplarischen Vorausdeutungen auf <strong>die</strong> zukünftige menschliche Existenz im<br />

Allgeme<strong>in</strong>en, auf mögliche „groteske Missbildungen<strong>“</strong> 135 im Atomzeitalter, auf <strong>die</strong><br />

fortwährende Bedrohung und Gefahr.<br />

7. ERGEBNIS<br />

Es tritt der unverkennbare Kontrast zwischen menschlichem Anspruch auf Autonomie und<br />

<strong>die</strong> Subjektivität auslöschende <strong>Wirklichkeit</strong>. In der Moderne gibt es ke<strong>in</strong>en <strong>in</strong>dividuellen<br />

Menschen mehr, der e<strong>in</strong> Ebenbild der Gottheit darstellt, weil er <strong>in</strong> der Masse untertaucht<br />

als e<strong>in</strong> „Rädchen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gut geschmierten Masch<strong>in</strong>enwerk<strong>“</strong> 136 . Alle<strong>in</strong> Ill bekommt,<br />

glaubt man e<strong>in</strong>igen Theoretikern 137 , Züge des Gottessohnes, vermag aber weder <strong>in</strong> der<br />

Welt zu bestehen noch <strong>die</strong>se nachhaltig moralisch zu ändern.<br />

Auf den ersten Blick wirkt das <strong>Groteske</strong>, das Claire anhaftet, grauenerregender als das der<br />

alltäglichen Güllener, doch das tödliche Ende ist weniger <strong>die</strong> Unheimlichkeit der<br />

Zachanassian denn <strong>die</strong> biedere und Harmlosigkeit gaukelnde Durchschnittlichkeit der<br />

Güllener. Damit ist auch auszuschließen, dass das treibende Moment <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gott oder<br />

131<br />

Profitlich: Friedrich Dürrenmatt, S. 39.<br />

132<br />

Müller: Komö<strong>die</strong> im Atomzeitalter, S. 84.<br />

133<br />

„unwirklich, märchenhaft, leise, gespensterhaft<strong>“</strong><br />

Dürrenmatt: Der Besuch der alten Dame, S. 143. (Anmerkung I)<br />

134<br />

Müller erläutert <strong>die</strong> Erweiterung des <strong>Groteske</strong>nbegriffes von den Figuren im Drama auf das Leben <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Gegenwart (1987), <strong>in</strong> der das <strong>Groteske</strong>, das durch Paradoxien Unvere<strong>in</strong>bares mite<strong>in</strong>ander verknüpft,<br />

nicht mehr auf e<strong>in</strong>zelne Phänomene reduzierbar bleibe. Als Beispiel führt er <strong>die</strong> technische Entwicklung <strong>in</strong><br />

H<strong>in</strong>blick Konstruktion von Masch<strong>in</strong>en („Homöostaten<strong>“</strong>) mit metaphysischen Eigenschaften an. Diese<br />

seien imstande sich selbst zu programmieren. <strong>Das</strong> Phantastisch-Märchenhafte der Figuren verliere durch<br />

<strong>die</strong> Realisierung, durch <strong>die</strong> Verschmelzung von Paradoxien zu Ähnlichkeiten den <strong>Groteske</strong>ncharakter.<br />

Müller: Komö<strong>die</strong> im Atomzeitalter, S. 89f.<br />

135<br />

Ebd., S. 93.<br />

136<br />

Ebd., S. 155.<br />

137<br />

Z.B.: Waldmann: Dürrenmatts paradoxes Theater; Dick: Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame<strong>“</strong>.<br />

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