16.12.2012 Aufrufe

Erfolgsfaktoren bei der Beratung - Wirtschaftspsychologie aktuell

Erfolgsfaktoren bei der Beratung - Wirtschaftspsychologie aktuell

Erfolgsfaktoren bei der Beratung - Wirtschaftspsychologie aktuell

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

eDossier<br />

<strong>Erfolgsfaktoren</strong><br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

powered by


Trigon Academy<br />

Lehrgänge I Seminare I Specials I Inhouse Angebote<br />

Lernen und Qualifi zieren<br />

Trigon Academy bündelt die<br />

Aus- und Weiterbildungsaktivitäten<br />

<strong>der</strong> Trigon Entwicklungsberatung.<br />

Wir sind eine<br />

europaweit tätige Gruppe von<br />

mehr als 30 erfahrenen, hochprofessionellen<br />

und menschlich<br />

kompetenten Beraterinnen und<br />

Beratern in Österreich, Deutschland<br />

und <strong>der</strong> Schweiz.<br />

Wir ergänzen das Academy Programm<br />

laufend, bitte informieren<br />

Sie sich hierzu auf unserer Website<br />

www.trigon-academy.info<br />

Nutzen Sie über 25 Jahre Erfahrung in den Bereichen:<br />

• Organisationsentwicklung I Change Management<br />

• Personalentwicklung I HR Management<br />

• Konfl iktberatung I Mediation<br />

• Coaching<br />

• professionelle Persönlichkeitsentwicklung<br />

Als Spezialist für erwachsenengerechtes und erfahrungsorientiertes Lernen<br />

unterstützt Sie Trigon Academy Ihr Potential zu entwickeln: alltagspraktisch,<br />

transfergeeignet und nachhaltig.<br />

Die Angebote <strong>der</strong> Trigon Academy richten sich an Führungkräfte, ProjektleiterInnen,<br />

ExpertInnen, Mitar<strong>bei</strong>terInnen, interne Organisations- und<br />

PersonalentwicklerInnen sowie an externe BeraterInnen, TrainerInnen,<br />

Coachs und MediatorInnen.


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

beraten und verkauft – mit dem Image <strong>der</strong> Berater steht es nicht zum Besten. Vermeintlich<br />

einfache Rezepte für komplexe Prozesse, verpackt in bunte Powerpoint-Präsen tationen,<br />

das sind nur einige <strong>der</strong> Vorwürfe.<br />

War so mancher Manager vor einigen Jahren noch beeindruckt von den flotten Sprüchen,<br />

so lassen sich die Einkäufer von Consulting-Leistungen heute nicht mehr so leicht blenden.<br />

Dennoch bleibt die Professionalisierung <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Beraterauswahl oft eine Wunschvorstellung.<br />

Denn je strukturierter und formalistischer ein Unternehmen den Auswahlprozess<br />

gestaltet, desto mehr Tricks finden die Mitar<strong>bei</strong>ter, um die Regeln zu umgehen.<br />

Das hat <strong>der</strong> Organisationsexperte Professor Alfred Kieser von <strong>der</strong> Universität Mannheim<br />

herausgefunden.<br />

Auch die <strong>Beratung</strong> selbst ist noch immer so etwas wie eine Blackbox. Keiner weiß genau,<br />

was dort eigentlich passiert und was wie wirkt. Was macht eine <strong>Beratung</strong> erfolgreich?<br />

Welche Rolle spielt die Persönlichkeit eines Beraters? Das alles sind psychologische Fragestellungen,<br />

die noch besser erforscht werden müssten. Mit ihrem Verfahren, das die<br />

Interaktionen zwischen Berater und Kunden analysiert, liefert die Braunschweiger Psychologieprofessorin<br />

Simone Kauffeld da<strong>bei</strong> einen wertvollen Ansatz mit teils erstaunlichen<br />

Ergebnissen.<br />

<strong>Beratung</strong> ist eine komplexe Tätigkeit, die vielfältige Kompetenzen erfor<strong>der</strong>t. Berater müssen<br />

fachliches Wissen vermitteln, Gespräche zeitlich strukturieren und in die gewünschte<br />

Richtung lenken. Sie müssen gute Kommunikatoren sein und brauchen das notwendige<br />

Einfühlungsvermögen, um ihren Gesprächspartner zu überzeugen. Doch je komplexer<br />

unsere Welt wird, desto gefragter sind Experten, die die vielen Fäden professionell entwirren<br />

und da<strong>bei</strong> helfen, sie wie<strong>der</strong> zu einem neuen Ganzen zusammen zu führen.<br />

powered by<br />

Bärbel Schwertfeger, Dipl.-Psych.<br />

Chefredakteurin <strong>der</strong> „<strong>Wirtschaftspsychologie</strong> <strong>aktuell</strong>“<br />

3


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

5<br />

11<br />

18<br />

24<br />

30<br />

powered by<br />

Der professionalisierte Klient: Wunschdenken o<strong>der</strong><br />

Wirklichkeit?<br />

N. Jung, A. Kieser<br />

Viele Unternehmen haben zwar den Einkauf von Beratern formalisiert und<br />

bürokratisiert, doch die Vorschriften werden oft unterlaufen, und die damit<br />

suggerierte Objektivität und Rationalität <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Auswahl von Beratern gibt es<br />

faktisch nicht. Das zeigt eine empirische Studie.<br />

Persönlichkeit bestimmt <strong>Beratung</strong>serfolg: Eine Studie<br />

zeigt Zusammenhänge<br />

H. Schnei<strong>der</strong>, S. Kauffeld<br />

Was macht einen Berater erfolgreich? Welche Rolle spielen da<strong>bei</strong> die Persönlichkeit<br />

und <strong>der</strong> berufliche Ehrgeiz eines Beraters? Die Ergebnisse einer Feldstudie<br />

im Bereich Verkaufsberatung geben Hilfestellungen für die richtige Personalauswahl.<br />

Wie statt warum: Was das Prinzip <strong>der</strong> lösungsorientierten<br />

<strong>Beratung</strong> Personalmanagern bringt<br />

T. Leipoldt, B. Lenhart<br />

Die Erwartungen an Personaler als sogenannte Business-Partner in Bezug auf<br />

ihre <strong>Beratung</strong>s-, Coaching- und Change-Kompetenz sind hoch. Die lösungsorientierte<br />

<strong>Beratung</strong> ist da<strong>bei</strong> eine geeignete Methode, um in <strong>der</strong> Rolle eines internen<br />

Beraters rasch überzeugende Ergebnisse zu erzielen.<br />

Presencing – wie Lernen und Handeln von <strong>der</strong> Zukunft her<br />

funktionieren<br />

I. Kohlhofer, H. Jäckel<br />

Management-Methoden basieren meist auf alten mentalen Modellen und werden<br />

<strong>der</strong> immer komplexeren Realität nicht mehr gerecht. Die <strong>Beratung</strong> nach<br />

dem Presencing-Ansatz hinterfragt bisherige Erklärungsmuster, rückt neue<br />

Zusammenhänge in den Fokus und nutzt die Intuition, um eine bisher nicht<br />

denkbare Zukunft zu antizipieren.<br />

Auf <strong>der</strong> Suche nach <strong>der</strong> Core Story: Im Kern steht immer<br />

eine Geschichte<br />

M. Müller<br />

Die Entwicklung einer Core Story hilft Unternehmen und Einzelpersonen, ihre<br />

berufliche o<strong>der</strong> geschäftliche Identität zu schärfen, und bietet gleichzeitig eine<br />

Blaupause für die Kommunikation nach außen.<br />

4


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Der professionalisierte Klient:<br />

Wunschdenken o<strong>der</strong> Wirklichkeit?<br />

N. Jung, A. Kieser<br />

Viele Unternehmen haben zwar den Einkauf<br />

von Beratern formalisiert und bürokratisiert,<br />

doch die Vorschriften werden<br />

oft unterlaufen, und die damit suggerierte<br />

Objektivität und Rationalität <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

Auswahl von Beratern gibt es faktisch<br />

nicht. Das zeigt eine empirische Studie.<br />

Es ist noch nicht allzu lang her, da wurden<br />

in <strong>der</strong> wissenschaftlichen Literatur wie<br />

auch in <strong>der</strong> Presse Berater als rhetorisch<br />

versierte „Händler in Problemen, Praktiken<br />

und Sinn“ charakterisiert. Sie würden<br />

Lösungen für Probleme verkaufen, von <strong>der</strong>en<br />

Existenz die Manager vor dem Auftritt<br />

<strong>der</strong> Berater nichts geahnt hätten. Manager<br />

wurden als Opfer <strong>der</strong> Überredungskunst<br />

<strong>der</strong> Berater geschil<strong>der</strong>t. Sie seien „beraten<br />

und verkauft“.<br />

Neuerdings wollen Beobachter <strong>der</strong> Szene<br />

jedoch eine Aufrüstung aufseiten <strong>der</strong> Klienten<br />

erkannt haben. Die Klienten, so wird<br />

vielfach betont, würden systematischer<br />

und selbstbewusster – rationaler – im Umgang<br />

mit Beratern. Sogar von einer „Klienten-Professionalisierung“<br />

ist die Rede, die<br />

die Klienten sozusagen auf Augenhöhe mit<br />

den Beratern als „Experten“ bringt (wo<strong>bei</strong><br />

allerdings oft übersehen wird, dass <strong>der</strong>en<br />

Expertentum längst nicht gesichert ist). In<br />

einer empirischen Untersuchung sind wir<br />

<strong>der</strong> Frage nachgegangen, wie stark sich das<br />

Management von <strong>Beratung</strong>sprozessen tatsächlich<br />

verän<strong>der</strong>t hat und welche Chancen<br />

und Risiken damit einhergehen.<br />

powered by<br />

Klienten-Professionalisierung – was<br />

ist das?<br />

Diejenigen, die über Klienten-Professionalisierung<br />

berichten – o<strong>der</strong> diese for<strong>der</strong>n –,<br />

lassen keine Zweifel an <strong>der</strong>en Vorteilen.<br />

Zweifelsohne trage sie etwa zu einer Erhöhung<br />

<strong>der</strong> <strong>Beratung</strong>squalität und zu einer<br />

Senkung <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong>skosten <strong>bei</strong>. Was sich<br />

tatsächlich hinter dem Begriff verbirgt, ist<br />

allerdings nicht so einfach auszumachen.<br />

Nach Michael Mohe, Juniorprofessor für<br />

Business Consulting an <strong>der</strong> Universität Oldenburg,<br />

geht es darum, Klienten mit Expertise<br />

zur Auswahl und Steuerung von<br />

Beratern sowie zur Kooperation mit ihnen<br />

auszustatten. Die Tipps für die Klienten leiten<br />

sich da<strong>bei</strong> nicht selten direkt aus ver-<br />

Dr. Nicole Jung,<br />

Diplom-Kauffrau,<br />

wissenschaftliche Mitar<strong>bei</strong>terin an<br />

<strong>der</strong> Universität Mannheim<br />

jung@orga.bwl.uni-mannheim.de<br />

Professor Dr. Dr. h. c.<br />

Alfred Kieser,<br />

Inhaber des Lehrstuhls für<br />

Allgemeine Betriebswirtschaftslehre<br />

und Organisation an <strong>der</strong><br />

Universität Mannheim<br />

kieser@bwl.uni-mannheim.de<br />

5<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


istockphoto/pinopic<br />

eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Genehmigung von Budgets für Berateraufträge: Oft erst nach<br />

strikter Kosten-Nutzen-Rechnung<br />

muteten „Best Practices“ ab, die einzelne<br />

größere Unternehmen in ihrem Umgang<br />

mit Beratern zur Schau stellen. Was die Auswahl<br />

von Beratern anbelangt, wird etwa<br />

auf verschiedene Selektionsstufen und<br />

Auswahlrunden o<strong>der</strong> strategisch angepasste<br />

Beschaffungsstrategien verwiesen.<br />

Um die Steuerung von Beratern effektiver<br />

zu machen – die Rede ist in diesem Zusammenhang<br />

auch von Governance-Mechanismen<br />

<strong>der</strong> <strong>Beratung</strong> –, wird die Schaffung adäquater<br />

Anreiz- und Kontrollmechanismen<br />

empfohlen. Als Teil <strong>der</strong> Governance wird<br />

auch die Evaluation abgeschlossener <strong>Beratung</strong>sprojekte<br />

gesehen. Ergebnisse solcher<br />

Evaluierungen können dann wie<strong>der</strong> für<br />

Aus wahl ent schei dungen in zukünftigen<br />

Projek ten herangezogen werden.<br />

powered by<br />

Einschaltung zentraler Stellen<br />

Den Befürwortern einer Klienten-Professionalisierung<br />

erscheint es zweckmäßig,<br />

Expertise und Verfahren zu Auswahl und<br />

Steuerung <strong>der</strong> Berater in zentralen Einheiten<br />

des Unternehmens zu verankern, um<br />

<strong>der</strong>en Anwendung <strong>bei</strong> allen <strong>Beratung</strong>sprojekten<br />

in gleichem Umfang sicherzustellen.<br />

Dafür kommt etwa <strong>der</strong> zentrale<br />

Einkauf in Betracht, aber auch das Inhouse-<br />

Con sul ting kann eine wichtige Rolle <strong>bei</strong><br />

<strong>der</strong> Koordination und Evaluation von <strong>Beratung</strong>sprojekten<br />

übernehmen. Ein gewünschter<br />

Effekt <strong>der</strong> Einschaltung solcher<br />

zentralen Stellen ist es, die mitunter engen<br />

persönlichen Beziehungen zwischen Beratern<br />

und den sie anfor<strong>der</strong>nden Managern<br />

auf Distanz zu bringen, die in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

nicht selten zu überflüssigen <strong>Beratung</strong>saufträgen<br />

und übertrieben positiven<br />

Einschätzungen abgelaufener Projekte geführt<br />

haben. Nicht mehr persönliche Beziehungen<br />

sollen zu Aufträgen führen und <strong>der</strong><br />

wechselseitigen För<strong>der</strong>ung von Interessen<br />

dienen, son<strong>der</strong>n es soll nur eine absolut<br />

erfor<strong>der</strong>liche <strong>Beratung</strong> von den dazu am<br />

besten qualifizierten Beratern geben.<br />

Sinnvolle Professionalisierung?<br />

Auf den ersten Blick scheint eine solche<br />

Klienten-Professionalisierung ein sinnvolles<br />

und folgerichtiges Unterfangen. Auf den<br />

zweiten Blick ist das nicht mehr so klar. An<br />

welchen Merkmalen etwa kann <strong>der</strong> Klient<br />

eine objektiv fundierte Auswahl von Beratern<br />

durchführen, wenn er diese Leistung<br />

vor dem konkreten Projekt nicht greifen,<br />

sehen, schmecken o<strong>der</strong> hören kann und<br />

es auch nicht möglich ist, identische Leistungen<br />

zu reproduzieren? Er kann allenfalls<br />

die Lösungsvorschläge, die Präsentationen<br />

und die Persönlichkeit <strong>der</strong> Berater auf sich<br />

6<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

wirken lassen. Aber diese Eindrücke sagen<br />

kaum etwas über die in einem eventuellen<br />

Projekt tatsächlich erbrachten Leistungen<br />

aus. So vernünftig die For<strong>der</strong>ung nach<br />

einer Ex-post-Evaluierung von Projekten<br />

auch ist, <strong>bei</strong> genauerem Hinsehen dürfte<br />

sich ihre Umsetzung als höchst problematisch<br />

erweisen: Wie soll man die Leistung<br />

des Beraters von an<strong>der</strong>en Einflüssen isolieren,<br />

wie etwa <strong>der</strong> Konjunktur, den Aktivitäten<br />

<strong>der</strong> Wettbewerber o<strong>der</strong> den mehr<br />

o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> qualifizierten Beiträgen <strong>der</strong><br />

eigenen Mitar<strong>bei</strong>ter <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Implementierung<br />

einer Lösung? Zudem erfüllen Berater<br />

nicht nur die Funktion, überlegene Lösungen<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Gestaltung von Strategien<br />

o<strong>der</strong> Prozessen zu schaffen; sie werden<br />

auch geholt, weil sie einzuführende o<strong>der</strong><br />

bestehende Maßnahmen gegenüber den<br />

Banken, <strong>der</strong> Öffentlichkeit und den eigenen<br />

Mitar<strong>bei</strong>tern als beste Praktiken legitimieren.<br />

Wie soll man solche Funktionen<br />

bewerten? Derartige Fragen lassen Zweifel<br />

aufkommen, inwieweit die Klienten-Professionalisierung<br />

tatsächlich ein sinnvolles<br />

und realistisches Projekt darstellt.<br />

Ergebnisse einer empirischen Studie<br />

Überlegungen dieser Art haben uns zu einem<br />

empirischen Projekt veranlasst, in dem<br />

folgende Fragen im Mittelpunkt standen:<br />

Gibt es tatsächlich eine Entwicklung,<br />

die sich als Klienten-Professionalisie rung<br />

kennzeichnen lässt?<br />

Welches sind die Hintergründe für die<br />

Einführung neuer Praktiken, die in die<br />

Richtung von Klienten-Professionalisierung<br />

weisen?<br />

Wie werden neue Vorgehensweisen im<br />

Alltag eines <strong>Beratung</strong>sprojekts gehandhabt<br />

und gelebt, wie kommen sie zur<br />

Anwendung?<br />

powered by<br />

Welche (potenziellen) Chancen und Risiken<br />

sind mit den gefundenen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

aufseiten <strong>der</strong> Klienten verbunden?<br />

Welche Schlüsse lassen sich hieraus für<br />

die Frage nach dem Sinn einer Klienten-<br />

Professionalisierung ziehen?<br />

Wir sind diesen Fragen durch Fallstudien<br />

in acht Unternehmen unterschiedlicher<br />

Größe und Branchenzugehörigkeit nachgegangen.<br />

Ausnahmslos ging es da<strong>bei</strong> um<br />

<strong>Beratung</strong>sprojekte in Zusammenhang mit<br />

IT. Solche Projekte bieten den Vorteil, dass<br />

sie handfester sind und eine Beurteilung<br />

von Qualität eher zulassen als etwa Strategieprojekte.<br />

In unseren Interviews stellten<br />

wir zunächst <strong>bei</strong> etlichen Befragten ein<br />

großes Misstrauen bis hin zur Geringschätzung<br />

gegenüber <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong>sbranche<br />

fest. Beratern zu vertrauen wird zunehmend<br />

als schwierig empfunden. Den <strong>Beratung</strong>en<br />

wird vorgeworfen, dass sie einen<br />

Großteil ihrer Ar<strong>bei</strong>t auf das Generieren<br />

von Managementmoden und Folgeaufträgen<br />

konzentrieren. Als beson<strong>der</strong>s kritisch<br />

gegenüber Beratern erweisen sich da<strong>bei</strong><br />

ehemalige Berater, die heute Führungspositionen<br />

in Unternehmen haben.<br />

Formalisierte Beantragung<br />

Deutlich zu spüren ist in den meisten Unternehmen<br />

auch eine Entwicklung in Richtung<br />

eines mehr formalisierten, deutlich<br />

stärker geregelten Weges <strong>der</strong> Beantragung<br />

von <strong>Beratung</strong>sprojekten. Budgets sind in<br />

fast allen Unternehmen nicht nur einer generellen<br />

Kürzung, son<strong>der</strong>n auch einer strikteren<br />

Verwaltung unterworfen. Zumindest<br />

größere Projekte müssen heute in nahezu<br />

allen Unternehmen <strong>bei</strong> abteilungs- und<br />

funk tions übergreifenden Projektgremien<br />

und im Rahmen einer Projektportfolio-<br />

7<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Steue rung formell beantragt werden. Ihnen<br />

müssen teilweise äußerst detaillierte<br />

Kosten-Nutzen-Rechnungen beziehungsweise<br />

sogenannte Business Cases präsentiert<br />

werden, die zum Beispiel anhand des<br />

Kapitalwerts eines Projekts dessen Vorteilhaftigkeit<br />

aufzeigen sollen. Genügte vormals<br />

ein Hinweis auf die Aktualität und den<br />

Neuig keitsgrad einer IT-Lösung, scheint<br />

dies nun nicht mehr ausreichend. Investitionen<br />

in neue Lösungen und innovative<br />

Projekte bedürfen ex ante einer Demonstration<br />

beziehungsweise Verifizierung ihres<br />

Beitrags und Nutzens für die Geschäftstätigkeit.<br />

Für den spezifischen Nutzen <strong>der</strong><br />

<strong>Beratung</strong>sleistung gilt dies indes nicht –<br />

hier sind nur die Kosten zu berücksichtigen,<br />

denen eine pauschale Erfolgsvermutung<br />

gegenüberzustehen scheint. In einigen<br />

Unternehmen wurden darüber hinaus<br />

Richt linien eingeführt, die die Überprüfung<br />

intern vorhandener und nicht ausgeschöpfter<br />

Kapazitäten vorschreiben.<br />

Buying Center und Beauty Contest<br />

Auch die Prozesse zur Auswahl von <strong>Beratung</strong>en<br />

unterliegen radikalen Än<strong>der</strong>ungen.<br />

Traditionell basierten Auswahlentscheidungen<br />

in den untersuchten Unternehmen<br />

vor allem auf bisherigen Erfahrungen und<br />

Beziehungen und wurden pragmatisch<br />

und dezentral gehandhabt. Heute gibt es<br />

vielfach ausführliche Richtlinien, die von<br />

formal geregelten Ausschreibungen über<br />

a priori festgezurrte Listen mit Auswahlkriterien,<br />

die Formung bereichs- und hierarchieübergreifen<strong>der</strong><br />

Buying Center bis hin<br />

zu sogenannten Beauty Contests reichen,<br />

<strong>bei</strong> denen mehrere Berater gegeneinan<strong>der</strong><br />

antreten. Nicht zuletzt schließen sie auch<br />

die Einschaltung beziehungsweise Aufwertung<br />

des zentralen Einkaufs ein. Während<br />

vor einigen Jahren auch Vertragsgestaltung<br />

powered by<br />

Formale Ausschreibungen und Beauty Contest: Die Berater<br />

müssen sich den neuen Auswahlprozessen stellen<br />

und -abschluss mit <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong> häufig<br />

durch die jeweiligen Anfor<strong>der</strong>er erfolgten,<br />

obliegt dies heute fast ausschließlich den<br />

Einkäufern. Diese führen im Anschluss an<br />

die Entscheidung für eine <strong>Beratung</strong> noch<br />

einmal umfassende Preisverhandlungen<br />

durch. Gleichzeitig werden juristische Aspekte<br />

mit <strong>der</strong> Rechtsabteilung abgeklärt<br />

und Rahmenverträge (sofern nicht bereits<br />

vorhanden) abgeschlossen. Die meisten<br />

<strong>der</strong> Unternehmen zielen da<strong>bei</strong> darauf ab,<br />

zwar nicht erfolgsorientierte beziehungsweise<br />

leistungsabhängige Vergütungselemente<br />

einzuführen, aber zumindest die<br />

bislang fast ausschließlich vorherrschenden<br />

Zeit- und Materialverträge durch Werk- und<br />

Festpreisverträge zu ersetzen. Nicht selten<br />

sind im Vorfeld eines Projekts auch Vorstudien<br />

mit begrenztem Umfang vorgesehen,<br />

um ein klareres Bild <strong>der</strong> gewünschten Ergebnisse<br />

zu erhalten.<br />

Deutlich weniger Aufmerksamkeit wird <strong>der</strong><br />

Erfolgskontrolle des abgeschlossenen Projekts<br />

gewidmet. Eine umfassende Evaluierung<br />

und Versuche einer zumindest ansatzweisen<br />

Isolierung o<strong>der</strong> gar Quantifizierung<br />

istockphoto/studiovision<br />

8<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

des Beitrags <strong>der</strong> Berater o<strong>der</strong> des Erfolgs<br />

<strong>der</strong> in Anspruch genommenen Leistungen<br />

waren in keinem <strong>der</strong> von uns untersuchten<br />

Unternehmen vorgesehen.<br />

Unterlaufen <strong>der</strong> Richtlinien<br />

Die befragten Manager sind mit <strong>der</strong> Zunahme<br />

an Formalisierung und Bürokratisierung<br />

des <strong>Beratung</strong>sprozesses nicht recht<br />

glücklich. Dies liegt insbeson<strong>der</strong>e an ihrem<br />

wahrgenommenen und/o<strong>der</strong> tatsächlichen<br />

Macht- und Kompetenzverlust, <strong>der</strong> vor allem<br />

mit <strong>der</strong> Zentralisierung von Entscheidungen<br />

und Kompetenzen einhergeht.<br />

Dieser Umstand führt auch zu – zumeist<br />

erfolgreichen – Versuchen, die formalen<br />

Richtlinien zu unterlaufen. Sowohl Manager<br />

als auch Einkäufer ließen durchblicken, dass<br />

nicht immer alles nach Vorschrift läuft. Entscheidungen<br />

für Berater würden oft bereits<br />

sehr früh durch die Beteiligten und (immer<br />

noch) nach Nasenfaktor getroffen; <strong>der</strong> formale<br />

Prozess müsse dann nachträglich für<br />

die Akten geführt werden. Auch würden<br />

größere Projekte in kleinere Pakete aufgeteilt,<br />

um nicht die Grenze zu überschreiten,<br />

ab <strong>der</strong> ein formaler Projektantrag o<strong>der</strong> die<br />

Beteiligung eines Lenkungsausschusses<br />

verlangt wird. Budgets würden <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Beantragung<br />

großzügig kalkuliert.<br />

Kosten reduzieren<br />

Festzuhalten ist zudem, dass weniger die<br />

skeptischeren Einstellungen gegenüber<br />

dem Leistungsvermögen <strong>der</strong> Berater o<strong>der</strong><br />

ein Bemühen um mehr <strong>Beratung</strong>squalität<br />

zur Umgestaltung des <strong>Beratung</strong>smanagements<br />

<strong>bei</strong>getragen haben. Vielmehr konnten<br />

sich die Manager in den untersuchten<br />

Unternehmen angesichts <strong>der</strong> Wirtschaftskrise<br />

<strong>der</strong> Notwendigkeit nicht verschließen,<br />

<strong>Beratung</strong>sleistungen – die einen großen,<br />

powered by<br />

direkten und gut sichtbaren Kostenblock<br />

bilden – zu reduzieren. In Krisensituationen<br />

ist es beson<strong>der</strong>s wichtig zu signalisieren,<br />

dass man kostenproduzierende Prozesse im<br />

Griff hat. Detaillierte Kosten-Nutzen-Analysen,<br />

eine umfassende Beteiligung verschiedener<br />

Personen, mehrere Auswahlrunden,<br />

„objektive“ Kriterienkataloge o<strong>der</strong> gar die<br />

generelle Überprüfung, ob überhaupt externe<br />

Hilfe notwendig ist, erwecken den<br />

Eindruck, dass das Unternehmen sowohl<br />

die Berater als auch die internen Prozesse<br />

unter Kontrolle hat. Angesichts <strong>der</strong> <strong>aktuell</strong>en<br />

Entwicklungen hat <strong>der</strong> „Mythos des<br />

Vertrauens in Berater“ (offiziell) ausgedient,<br />

und das Allheilmittel rationaler Vorgehensweisen<br />

sowie die Hinwendung zu einem<br />

neuen Expertentum kommen zum Einsatz.<br />

Der neue Klient entspricht dem Bedürfnis<br />

<strong>der</strong> Sharehol<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

nach Transparenz und einem aktiveren, kritischeren<br />

und kostenbewussteren Verhalten<br />

im Umgang mit <strong>Beratung</strong>en.<br />

Gleichzeitig sind die mit <strong>der</strong> neuen Formalisierung<br />

und Zentralisierung suggerierte<br />

Objektivität und Rationalität in <strong>der</strong> Auswahl<br />

faktisch nie gegeben. Kriterienkataloge <strong>bei</strong>nhalten<br />

immer auch subjektive Einschätzungen<br />

und Bewertungen. Die ganzen<br />

Verfahren seien, so bringt es ein von uns<br />

befragter Chief Information Officer auf den<br />

Punkt, selbst <strong>bei</strong> vollständiger Befolgung<br />

ein wenig „pseudo“. Im Endeffekt überlege<br />

man nach allen Auswahlrunden und Kriterien,<br />

mit wem man glaubt, zusammenar<strong>bei</strong>ten<br />

zu können, und wem man Vertrauen für<br />

dieses Projekt schenkt. Allerdings entlasten<br />

die formalisierten Verfahren die Manager<br />

von <strong>der</strong> Verantwortung für ihr Vertrauen –<br />

an<strong>der</strong>en, aber auch sich selbst gegenüber.<br />

Schließlich können sie sich rechtfertigen,<br />

sich Beratern (weiterhin) anzuvertrauen<br />

und sich (weiterhin) auf sie zu verlassen,<br />

9<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

weil sie alles Menschenmögliche getan haben<br />

und sich sicher sein können, dass die<br />

ausgewählten Berater vertrauenswürdige<br />

Exemplare einer ansonsten kritisch zu betrachtenden<br />

Branche sind.<br />

Chance für bessere Ergebnisse <strong>bei</strong><br />

<strong>Beratung</strong>sprojekten?<br />

Der Umstand, dass (einzelne) Manager<br />

<strong>der</strong> <strong>Beratung</strong> kritischer und reflektierter<br />

begegnen und dies vereinzelt sogar eine<br />

Selbst reflexion <strong>bei</strong>nhaltet, könnte jedoch<br />

eine Basis für bessere, zielführen<strong>der</strong>e Ergebnisse<br />

von <strong>Beratung</strong>sprojekten und<br />

damit eine Chance darstellen. Relevant ist<br />

in diesem Zusammenhang zudem, dass<br />

verstärkt Wert auf die Umsetzung vorgeschlagener<br />

Strategien und die Mitverantwortung<br />

<strong>der</strong> Berater gelegt wird, o<strong>der</strong> auf<br />

die stärkere und frühzeitigere Einbindung<br />

eigener Überlegungen <strong>der</strong> Mitar<strong>bei</strong>ter in<br />

ein Projekt. Gleichzeitig könnte allein die<br />

Signal wirkung, die mit den Maßnahmen<br />

einhergeht – die Klienten sind nicht nur<br />

kritischer und systematischer, son<strong>der</strong>n die<br />

Berater müssen sich auch auf harte Konkurrenz<br />

gefasst machen –, auf <strong>Beratung</strong>sseite<br />

Ansporn für höhere Anstrengungen und<br />

sauberere, individuellere und realistischere<br />

Konzeptionen sein. Und selbstverständlich<br />

können Maßnahmen wie etwa verschiedene<br />

Auswahlrunden, Teamar<strong>bei</strong>t o<strong>der</strong><br />

detaillierte Ausschreibungsunterlagen mit<br />

klaren, durchdachten Anfor<strong>der</strong>ungen dazu<br />

führen, dass die Angebote <strong>der</strong> Berater jenseits<br />

oberflächlicher Powerpoint-Folien<br />

eine höhere Qualität, Realitätsnähe und<br />

kundenindividuelle(re) Konzeptionen sowie<br />

ein realistisches Preis-Leistungs-Gefüge<br />

aufweisen (müssen) und Auswahlentscheidungen<br />

somit fundierter als zuvor getroffen<br />

werden können. Ob und inwieweit dies<br />

letztlich <strong>der</strong> Fall ist, hängt nicht nur davon<br />

powered by<br />

ab, wie konsequent die neuen Praktiken in<br />

den Projekten tatsächlich umgesetzt werden,<br />

son<strong>der</strong>n auch davon, inwieweit <strong>der</strong>en<br />

grundsätzliche Grenzen reflektiert und berücksichtigt<br />

werden. Auch die Frage niedrigerer<br />

<strong>Beratung</strong>skosten o<strong>der</strong> Einkaufspreise<br />

durch die zentralisierten Maßnahmen<br />

ist längst nicht geklärt. Die Unternehmen<br />

stellen die Kosten selten umfassend gegenüber,<br />

verwenden unterschiedliche Maßstäbe<br />

und beachten insbeson<strong>der</strong>e die (indirekten)<br />

Kosten, die durch höhere Formalisierung<br />

und Personalintensität entstehen,<br />

nicht. Wenige Anreize bestehen zudem unter<br />

<strong>aktuell</strong>en Voraussetzungen für den Berater,<br />

Ideen o<strong>der</strong> Verbesserungen, die etwa<br />

während des Projekts aufkommen, weiterzuverfolgen<br />

und grundlegende Aspekte zu<br />

hinterfragen. Schließlich legen Festpreisverträge<br />

den exakten Leistungsumfang<br />

fest, und aufwendige Än<strong>der</strong>ungsanfor<strong>der</strong>ungen<br />

kratzen am Image <strong>der</strong> Berater.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Jung, N. (2010). Fakten und Fiktionen <strong>der</strong><br />

Klientenprofessionalisierung: Eine kritische<br />

Analyse des Umgangs mit <strong>Beratung</strong>sleistungen.<br />

Wiesbaden: Gabler.<br />

Kieser, A. (2003). Wissenschaft und <strong>Beratung</strong>.<br />

Heidelberg: Winter.<br />

Mohe, M. (2003). Klientenprofessionalisierung.<br />

Marburg: Metropolis.<br />

Petmecky, A. & Deelmann, T. (Hrsg.)<br />

(2005). Ar<strong>bei</strong>ten mit Managementberatern:<br />

Bausteine für eine erfolgreiche Zusammenar<strong>bei</strong>t.<br />

Berlin: Springer.<br />

Treichler, C., Wiemann, E. & Morawetz,<br />

M. H. (Hrsg.). (2004). Corporate Governance<br />

und Managementberatung: Strategien<br />

und Lösungsansätze für den professionellen<br />

Beratereinsatz in <strong>der</strong> Praxis. Wiesbaden:<br />

Gabler.<br />

10<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Persönlichkeit bestimmt <strong>Beratung</strong>serfolg:<br />

Eine Studie zeigt Zusammenhänge<br />

H. Schnei<strong>der</strong>, S. Kauffeld<br />

Was macht einen Berater erfolgreich? Welche<br />

Rolle spielen da<strong>bei</strong> die Persönlichkeit<br />

und <strong>der</strong> berufliche Ehrgeiz eines Beraters?<br />

Die Ergebnisse einer Feld studie im Bereich<br />

Verkaufsberatung geben Hilfestellungen<br />

für die richtige Personalauswahl.<br />

<strong>Beratung</strong> nimmt in unserer Kultur einen<br />

hohen Stellenwert ein und stellt nicht nur<br />

eine psy cho logische Tätigkeit und Dienstleistung,<br />

son<strong>der</strong>n eine gesellschaftliche Institution<br />

dar. Menschen suchen immer häufiger<br />

Fach leute in verschiedensten Bereichen<br />

auf, um Lösungen für ihre Anliegen und<br />

Antworten auf ihre Fragen zu erhalten. Auch<br />

Unternehmen setzen verstärkt Verkaufsberater<br />

ein, um ihren Profit zu steigern. Daher<br />

ist es aus psychologischer Sicht sinnvoll<br />

und notwendig, genauer zu untersuchen,<br />

welche Faktoren <strong>Beratung</strong> erfolgreich machen.<br />

Welche Berater führen erfolgreich<br />

<strong>Beratung</strong>en durch? Welche Rolle spielt die<br />

Persönlichkeit eines Beraters? Beraten beruflich<br />

ehrgeizige Personen besser?<br />

Extrinsischer und intrinsischer<br />

<strong>Beratung</strong>serfolg<br />

Beruflicher Erfolg ist das Ergebnis einer beruflichen<br />

Leistung. Eine Leistung ist dann<br />

als Erfolg zu werten, wenn ein persönliches<br />

berufliches Leistungsziel erreicht o<strong>der</strong><br />

übertroffen ist. Häufig wird da<strong>bei</strong> zwischen<br />

extrinsischem und intrinsischem Berufserfolg<br />

unterschieden. Extrinsischer Erfolg<br />

ist objektiv und beobachtbar. Zu dessen<br />

powered by<br />

Beschreibung werden meist drei Kriterien<br />

genannt: Einkommen, hierarchische Position<br />

o<strong>der</strong> beruflicher Aufstieg sowie berufliches<br />

Ansehen o<strong>der</strong> Stellung im Beruf.<br />

Unter intrinsischem Berufserfolg wird die<br />

subjektive Einstellung zum eigenen Beruf<br />

wie <strong>bei</strong>spielsweise die Ar<strong>bei</strong>tszufriedenheit<br />

verstanden. Während <strong>der</strong> Berater auf <strong>der</strong> einen<br />

Seite versucht, für seine eigenen Ziele<br />

zu ar<strong>bei</strong>ten (extrinsische Motivation), wird<br />

auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite die Problemsituation<br />

des Klienten thematisiert und besprochen<br />

(intrinsische Motivation). Am Beispiel <strong>der</strong><br />

Finanz- und Versicherungsberatung werden<br />

diese zwei Faktoren des Erfolgs deutlich.<br />

Die extrinsische Motivation liegt meistens<br />

im Versuch begründet, den Kunden zu<br />

Henrike Schnei<strong>der</strong>,<br />

Diplom-Psychologin,<br />

wissenschaftliche Mitar<strong>bei</strong>terin<br />

am Institut für Psychologie,<br />

Lehrstuhl Ar<strong>bei</strong>ts-, Organisations-<br />

und Sozialpsychologie <strong>der</strong> Technischen<br />

Universität Braunschweig<br />

h.schnei<strong>der</strong>@tu-braunschweig.de<br />

Prof. Dr. Simone Kauffeld,<br />

Diplom-Psychologin,<br />

Professorin am Institut für Psychologie,<br />

Leiterin des Lehrstuhls<br />

Ar<strong>bei</strong>ts-, Organisations- und<br />

Sozialpsychologie <strong>der</strong> Technischen<br />

Universität Braunschweig<br />

s.kauffeld@tu-braunschweig.de<br />

11<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Gewissenhaftigkeit Gewissenhafte Personen kennzeichnet ihre sorgfältige, verlässliche,<br />

selbstdisziplinierte und organisierte Ar<strong>bei</strong>tsweise.<br />

Extraversion Extraversion beschreibt eine gesellige, herzliche, erlebnishungrige, aber<br />

auch aktive, durchsetzungsfähige und dominante Art.<br />

Emotionale<br />

Stabilität<br />

binden und ein Produkt zu verkaufen. Die<br />

Dienstleistung <strong>Beratung</strong> wird demnach<br />

zum Zweck <strong>der</strong> eigenen Profitsteigerung<br />

angeboten. Die intrinsische Motivation des<br />

Beraters besteht dagegen vor allem in <strong>der</strong><br />

empfundenen Zufriedenheit im Kontakt<br />

mit dem Kunden. Der Berater bemüht sich,<br />

zur besseren Befindlichkeit des Kunden <strong>bei</strong>zutragen.<br />

Dies kann durch die unmittelbare<br />

Befriedigung seiner psychischen und sozialen<br />

Bedürfnisse geschehen. Intrinsisch ist<br />

<strong>der</strong> Berater demnach erfolgreich, wenn er<br />

seine Tätigkeit als Hilfe für den Klienten <strong>bei</strong><br />

<strong>der</strong> Lösung seines Problems wahrnimmt.<br />

Beruflicher Ehrgeiz und<br />

<strong>Beratung</strong>serfolg<br />

In Berufsfel<strong>der</strong>n, die durch eine hohe<br />

Selbstverantwortlichkeit und einen hohen<br />

Gestaltungsspielraum geprägt sind,<br />

kommt dem beruflichen Ehrgeiz eine beson<strong>der</strong>e<br />

Bedeutung als Antreiber zu. Beruflich<br />

Ehrgeizige streben nach Leistung,<br />

Anerkennung und Weiterkommen und<br />

richten ihr Handeln auf ihren beruflichen<br />

Erfolg aus. Sie setzen sich eher mit Qualitätsstandards<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>t auseinan-<br />

powered by<br />

Von emotionaler Stabilität wird gesprochen, wenn eine Person in sich<br />

ruhend, zufrieden, ausgeglichen und rücksichtsvoll ist.<br />

Verträglichkeit Verträglichkeit beschreibt den Grad, in dem ein Individuum an<strong>der</strong>en<br />

gegenüber vertrauensvoll, altruistisch, gutherzig, kooperativ und tolerant<br />

agiert.<br />

Offenheit für neue<br />

Erfahrungen<br />

Merkmale <strong>der</strong> Big-Five-Persönlichkeitsfaktoren<br />

Offenheit für neue Erfahrungen wird Menschen zugesprochen, die durch<br />

hohen Einfallsreichtum, Vielseitigkeit und Aufgeschlossenheit gekennzeichnet<br />

sind.<br />

<strong>der</strong> und haben den Anspruch, beson<strong>der</strong>e<br />

Leistungen zu erbringen und Qualitätsstandards<br />

zu erfüllen o<strong>der</strong> sogar zu übertreffen.<br />

Sie bevorzugen Aufgaben mit<br />

überdurchschnittlicher Schwierigkeit. Sie<br />

setzen sich aber nicht nur herausfor<strong>der</strong>nde<br />

Ziele für sich selbst und fühlen sich für<br />

diese verantwortlich, son<strong>der</strong>n suchen auch<br />

eine Ar<strong>bei</strong>tsumgebung, in <strong>der</strong> sie ein Feedback<br />

über ihre Leistung erhalten. Ein hoher<br />

beruflicher Ehrgeiz sollte somit einerseits<br />

extrinsischen Berufserfolg (in <strong>der</strong> Verkaufsberatung<br />

etwa abgeschlossene Geschäfte,<br />

Gehalt, Beför<strong>der</strong>ung, beruflicher Aufstieg)<br />

und an<strong>der</strong>erseits intrinsischen Berufserfolg<br />

(zum Beispiel Ar<strong>bei</strong>tszufriedenheit durch<br />

den Kontakt zum Kunden und Befriedi-<br />

Beruflicher<br />

Ergeiz<br />

Persönlichkeit<br />

Beruflicher<br />

Erfolg<br />

Beruflicher Ehrgeiz hat als Antreiber eine beson<strong>der</strong>e<br />

Rolle<br />

12<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

gung von dessen Bedürfnissen und Anliegen)<br />

för<strong>der</strong>n. In <strong>der</strong> Forschung gibt es Hinweise,<br />

dass in vertrieblichen <strong>Beratung</strong>sberufen<br />

eine erhöhte Leistungsorientierung<br />

zu Verkaufserfolg führt. Sie kann durch den<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter selbst o<strong>der</strong> durch äußere Einflüsse<br />

– wie das Vorleben durch den Vorgesetzten<br />

– geför<strong>der</strong>t werden. Durch welche<br />

vermittelnden Prozesse <strong>der</strong> Zusammenhang<br />

zwischen Leistungsorientierung und<br />

<strong>Beratung</strong>serfolg zustande kommt, ist noch<br />

ungeklärt.<br />

Persönlichkeit und <strong>Beratung</strong>serfolg<br />

Auch die Persönlichkeit eines Menschen<br />

beeinflusst seine individuelle berufliche<br />

Leistung – etwa das Engagement in sozialen<br />

Interaktionen. Die Persönlichkeit setzt<br />

sich aus verschiedenen Eigenschaften zusammen.<br />

Dies sind überdauernde Merkmale,<br />

in denen sich Menschen unterscheiden<br />

und die ihr Verhalten in konkreten Situationen<br />

beeinflussen. Seit den 1980er-Jahren<br />

hat sich mit dem sogenannten Big-Five-Ansatz<br />

von Paul T. Costa und Robert R. McCrae<br />

(deutsche Fassung von Peter Borkenau und<br />

Fritz Ostendorf, 1993) eine einheitliche<br />

und allgemeingültige Terminologie zur<br />

Beschreibung <strong>der</strong> Persönlichkeit durchgesetzt.<br />

In einer Vielzahl faktorenanalytischer<br />

Studien erwiesen sich folgende fünf abstrakte<br />

Faktoren als weitgehend stabil: Gewissenhaftigkeit,<br />

Extraversion, emotionale<br />

Stabilität, Verträglichkeit und Offenheit für<br />

neue Erfahrungen (siehe Tabelle oben).<br />

In <strong>der</strong> Literatur finden sich Belege, dass<br />

diese Persönlichkeitsfaktoren mit dem<br />

beruflichen Ehrgeiz von Verkaufsberatern<br />

in Verbindung stehen. Gewissenhaftigkeit<br />

zeigt die höchsten und Verträglichkeit<br />

die geringsten Zusammenhänge mit<br />

Leistungsmotivation. In <strong>der</strong> Studie soll da-<br />

powered by<br />

Das Hauptergebnis: verträgliche, umgängliche und offene<br />

Finanzberater(innen) sind beson<strong>der</strong>s erfolgreich<br />

her ein Modell über den Zusammenhang<br />

zwischen beruflichem Ehrgeiz und Persön<br />

lich keit über prüft werden. Unserem<br />

Modell zu fol ge vermitteln die einzelnen<br />

Persönlichkeits eigenschaften <strong>der</strong> Big Five<br />

die positive Beziehung zwischen beruflichem<br />

Ehrgeiz und extrinsischen sowie<br />

intrinsischen Aspekten des beruflichen Erfolgs<br />

von Beratern. Demnach soll eine Beziehung<br />

zwischen Leistungsorientierung<br />

und den Facetten des Erfolgs <strong>der</strong> Berater<br />

über die einzelnen Big-Five-Faktoren zustande<br />

kommen.<br />

Untersuchung im<br />

Finanzdienstleistungsbereich<br />

Für die Untersuchung wurde eine Onlinebefragung<br />

mit 214 Beratern des Finanzdienstleistungsbereichs<br />

durchgeführt. Ein<br />

Viertel <strong>der</strong> Befragungsteilnehmer waren<br />

Frauen. Das durchschnittliche Alter lag <strong>bei</strong><br />

M = 36,52 Jahren (Min = 21 Jahre; Max = 62<br />

Jahre).<br />

Die Befragungsteilnehmer wurden um<br />

eine Selbsteinschätzung zu den fünf Persönlichkeitseigenschaften<br />

gebeten. Hierzu<br />

wurde das Messinstrument „Ten-Item Personality<br />

Inventory“ (TIPI) eingesetzt (Gos-<br />

istockphoto/sturti<br />

13<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

1. Beruflicher Ehrgeiz 4.47 1.10<br />

2. Gewissenhaftigkeit 5.83 0.92 .29**<br />

ling, Rentfrow & Swann Jr., 2003; deutsche<br />

Fassung von Muck, Hell & Gosling, 2007). Zur<br />

Erhebung <strong>der</strong> Leistungsorientierung wurde<br />

eine Skala (beruflicher Ehrgeiz) des Fragebogens<br />

zur Messung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsmotivation<br />

(AVEM) von Schaarschmidt und Fischer<br />

(1996, Schaarschmidt, 2004) verwendet.<br />

Zusätzlich beantworteten die Finanzberater<br />

Fragen, die sich auf ihr zuletzt geführtes<br />

<strong>Beratung</strong>sgespräch bezogen. Sie wurden<br />

gebeten einzuschätzen, ob sich <strong>der</strong> Kunde<br />

an ihre Empfehlungen halten würde (Übernahme<br />

des Rates), und sie bewerteten<br />

Aussagen zur Kundenbindung sowie zur<br />

Kundengewinnung. Diese Einschätzungen<br />

wurden als Kriterien für extrinsischen <strong>Beratung</strong>serfolg<br />

herangezogen. Als zusätzliche<br />

extrinsische Erfolgsmaße wurden die<br />

Teilnehmer nach ihrem Bruttojahresgehalt<br />

und nach ihrer <strong>aktuell</strong>en Position im Unternehmen<br />

(mit o<strong>der</strong> ohne Leitungsfunktion;<br />

Anzahl <strong>der</strong> unterstellten Mitar<strong>bei</strong>ter) gefragt.<br />

powered by<br />

M SD 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.<br />

3. Extraversion 5.39 1.19 .27** .14*<br />

4. Verträglichkeit 5.67 1.01 .07 .13 † .14*<br />

5. Emotionale<br />

Stabilität<br />

5.68 1.01 .18** .33** .34** .14*<br />

6. Offenheit 5.73 0.99 .30** .32** .36** .16* .73**<br />

7. Extrinsischer<br />

<strong>Beratung</strong>serfolg<br />

8. Intrinsischer<br />

<strong>Beratung</strong>serfolg<br />

4.73 0.64 .18** .14* .23** .23** .19** .21**<br />

5.26 0.46 .30** .17* .24** .29** .23** .29** .67**<br />

Anmerkungen: N = 214; **p≤.01; *p≤.05; †p≤.10; a: erhoben durch ein Item<br />

Die stärksten Zusammenhänge mit beruflichem Ergeiz finden sich für die Persönlichkeitsdimensionen Gewissenhaftigkeit,<br />

Extraversion und Offenheit<br />

Um den intrinsischen <strong>Beratung</strong>serfolg abzubilden,<br />

wurden vier Kriterien verwendet.<br />

Die Fragen betrafen die Sicherheit des<br />

Beraters über die Korrektheit <strong>der</strong> Empfehlung,<br />

eine Einschätzung zur Qualität <strong>der</strong><br />

<strong>Beratung</strong> aus Kundensicht, eine Einschätzung<br />

zur Zufriedenheit aus Kundensicht<br />

und zum Nutzen für den Kunden. Diese vier<br />

Kriterien Sicherheit, Qualität, Zufriedenheit<br />

sowie Nutzen wurden zur Gesamtskala intrinsischer<br />

<strong>Beratung</strong>serfolg zusammengefasst.<br />

Ergebnisse: Beruflicher Ehrgeiz und<br />

<strong>Beratung</strong>serfolg hängen zusammen<br />

Die Analysen über korrelative Zusammenhänge<br />

zeigen, dass beruflicher Ehrgeiz<br />

positiv mit extrinsischem <strong>Beratung</strong>serfolg<br />

(Gesamtskala, Kundenbindung und Kundengewinnung)<br />

zusammenhängt (siehe für<br />

alle Ergebnisse Tabelle oben). Zudem lässt<br />

sich auch ein positiver Zusammenhang<br />

zwischen beruflichem Ehrgeiz und intrin-<br />

14<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

sischem <strong>Beratung</strong>serfolg finden (Gesamt -<br />

skala, Sicherheit, Qualität, Zufriedenheit<br />

und Nutzen). Die Antwort auf unsere eingangs<br />

gestellte Frage, ob beruflich ehrgeizige<br />

Personen besser beraten, lautet:<br />

Beruflich ehrgeizige Personen haben mehr<br />

extrinsischen und mehr intrinsischen Berufserfolg.<br />

Inwieweit hängt <strong>der</strong> berufliche Ehrgeiz eines<br />

Beraters nun mit seiner Persönlichkeit<br />

zusammen? Die stärksten Zusammenhänge<br />

können wir für die Persönlichkeitsdimensionen<br />

Offenheit, Gewissenhaftigkeit<br />

und Extraversion finden. Keinen bedeutsamen<br />

Zusammenhang gibt es zwischen<br />

<strong>der</strong> Verträglichkeit <strong>der</strong> Finanzberater und<br />

ihrem beruflichen Ehrgeiz. Welche Berater<br />

beraten erfolgreich?<br />

Gewissenhaftigkeit: Der Persönlichkeitsfaktor<br />

Gewissenhaftigkeit korreliert<br />

tendenziell positiv mit extrinsischem<br />

<strong>Beratung</strong>serfolg (Gesamtskala, Kundengewinnung).<br />

Zudem hängt die Gewissenhaftigkeit<br />

eines Beraters signifikant<br />

positiv mit dem intrinsischen <strong>Beratung</strong>serfolg<br />

(Gesamtskala, Sicherheit, Qualität<br />

und Zufriedenheit) zusammen. Diese Ergebnisse<br />

stehen im Einklang mit bisherigen<br />

Forschungsstudien. Eine gewissenhafte<br />

Ar<strong>bei</strong>tsweise führt zu einer größeren<br />

Wahrscheinlichkeit, befriedigende<br />

formelle (zum Beispiel Gehalt o<strong>der</strong> Beför<strong>der</strong>ung)<br />

und informelle Ar<strong>bei</strong>tsbelohnungen<br />

(zum Beispiel Anerkennung<br />

o<strong>der</strong> Respekt) zu erhalten.<br />

Extraversion: Eine gesellige, herzliche,<br />

aber auch aktive und durchsetzungsstarke<br />

Persönlichkeit (Extraversion)<br />

hängt deutlich mit extrinsischem <strong>Beratung</strong>serfolg<br />

(Gesamtskala, Übernahme<br />

des Rates, Kundenbindung, Kundenge-<br />

powered by<br />

winnung signifikant, Anzahl <strong>der</strong> Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

tendenziell) zusammen. Mit dem<br />

intrinsischen <strong>Beratung</strong>serfolg lassen<br />

sich ebenfalls positive Korrelationen<br />

mit Extraversion finden (Gesamtskala,<br />

Sicherheit, Qualität, Zufriedenheit).<br />

Emotionale Stabilität: Unsere Ergebnisse<br />

zeigen, dass emotionale Stabilität<br />

positiv mit extrinsischem Erfolg (Bruttojahresgehalt,<br />

Übernahme des Rates,<br />

Kun den bin dung, Kunden gewinnung)<br />

und intrinsischem Erfolg (Gesamtskala,<br />

Sicher heit, Qualität, Zufriedenheit,<br />

Nutzen) zusammenhängt. Verkäufer<br />

müssen häufig mit einer hohen Anzahl<br />

nicht verkaufter Produkte und Absagen<br />

und zunehmenden Zweifeln an ihrer<br />

Vertrauens würdigkeit umgehen. Dies<br />

können ernst zu nehmende Stressoren<br />

sein. Personen, die negativen Stressoren<br />

stand halten können, lassen sich davon<br />

anscheinend nicht entmutigen und zeigen<br />

weiter gute Ar<strong>bei</strong>tserfolge.<br />

Verträglichkeit: Der Persönlichkeitsfaktor<br />

Verträglichkeit hängt ebenfalls positiv<br />

mit extrinsischem <strong>Beratung</strong>serfolg<br />

zusammen. Zudem korreliert Verträglichkeit<br />

mit dem intrinsischen <strong>Beratung</strong>serfolg.<br />

In Studien mit verschiedensten<br />

Berufsgruppen waren bisherige Ergebnisse<br />

zur Verträglichkeit sehr unterschiedlich.<br />

In einigen Studien fand man<br />

einen negativen Zusammenhang, in an<strong>der</strong>en<br />

einen positiven Zusammenhang<br />

zwischen Verträglichkeit und beruflichem<br />

Erfolg. Aktuell wird diskutiert, dass<br />

die Beziehung zwischen Verträglichkeit<br />

und beruflichem Erfolg von <strong>der</strong> Art des<br />

Berufs mo<strong>der</strong>iert wird. In Berufen, in denen<br />

Beziehungen und Interaktionen zu<br />

an<strong>der</strong>en im Vor<strong>der</strong>grund stehen, wirkt<br />

sich Verträglichkeit positiv auf den Erfolg<br />

15<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Mediator-Modell Anmerkung<br />

Gewissenhaftigkeit mediiert die positive Beziehung<br />

zwischen beruflichem Ehrgeiz und intrinsischem<br />

<strong>Beratung</strong>serfolg<br />

Extraversion mediiert die positive Beziehung<br />

zwischen beruflichem Ehrgeiz und extrinsischem<br />

<strong>Beratung</strong>serfolg<br />

Offenheit für neue Erfahrungen mediiert die positive<br />

Beziehung zwischen beruflichem Ehrgeiz und extrinsischem<br />

<strong>Beratung</strong>serfolg<br />

Offenheit für neue Erfahrungen mediiert die positive<br />

Beziehung zwischen beruflichem Ehrgeiz und intrinsischem<br />

<strong>Beratung</strong>serfolg<br />

Bestätigte vermittelnde Zusammenhänge<br />

aus. Dies bestätigen unsere Ergebnisse<br />

aus dem Berufsfeld Finanzberatung, das<br />

stark durch Interaktionen mit Kunden<br />

geprägt ist.<br />

Offenheit: Der Faktor Offenheit hängt<br />

positiv mit dem extrinsischen <strong>Beratung</strong>serfolg<br />

zusammen und korreliert<br />

mit intrinsischem <strong>Beratung</strong>serfolg.<br />

Individuelle Selbstwahrnehmung eng<br />

mit intrinsischem Erfolg verbunden<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen,<br />

dass alle Persönlichkeitseigenschaften Zusammenhänge<br />

mit dem erhobenen <strong>Beratung</strong>serfolg<br />

zeigen. Die stärksten Zusammenhänge<br />

zwischen den Persönlichkeitsdimensionen<br />

und beruflichem Erfolg finden<br />

wir für die Dimensionen Verträglichkeit,<br />

Extraversion und Offenheit. Insgesamt zeigen<br />

sich durchweg stärkere Beziehungen<br />

zwischen den Persönlichkeitsmerkmalen<br />

und den intrinsischen <strong>Erfolgsfaktoren</strong> als<br />

zwischen den Persönlichkeitsmerkmalen<br />

und den extrinsischen <strong>Erfolgsfaktoren</strong>. Ein<br />

Grund dafür könnte darin liegen, dass individuelle<br />

Unterschiede in <strong>der</strong> Persönlichkeit<br />

powered by<br />

Mit den intrinsischen Erfolgsaspekten: intrinsischer<br />

<strong>Beratung</strong>serfolg (gesamt), Zufriedenheit<br />

und Qualität<br />

Mit Kundenbindung als Aspekt des extrinsischen<br />

<strong>Beratung</strong>serfolgs<br />

Mit Kundengewinnung als Aspekt des extrinsischen<br />

<strong>Beratung</strong>serfolgs<br />

Mit Qualität und Zufriedenheit als Aspekte<br />

des intrinsischen <strong>Beratung</strong>serfolgs<br />

die gefühlsmäßigen Reaktionen auf die eigene<br />

Ar<strong>bei</strong>t beziehungsweise die eigene<br />

Karriere beeinflussen. Dadurch bedingen<br />

die Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen,<br />

wie er sich selbst wahrnimmt. Die<br />

individuelle Selbstwahrnehmung ist eng<br />

mit intrinsischen und weniger mit extrinsischen<br />

Erfolgen verbunden.<br />

Mediator-Modelle<br />

Zusätzlich zu den korrelativen Zusammenhängen<br />

haben wir überprüft, ob die<br />

verschiedenen Persönlichkeitsmerkmale<br />

als Mediator fungieren, das heißt, für die<br />

Beziehung zwischen beruflichem Ehrgeiz<br />

und <strong>Beratung</strong>serfolg verantwortlich sind.<br />

Für das Modell sprechen vier Indizien (im<br />

Kasten oben die bestätigten vermittelnden<br />

Zusammenhänge im Überblick). Zum einen<br />

zeigt sich Gewissenhaftigkeit als Mediator<br />

zwischen beruflichem Ehrgeiz und intrinsischem<br />

<strong>Beratung</strong>serfolg (Gesamtskala,<br />

Zufriedenheit, Qualität). Ist ein Berater sehr<br />

ehrgeizig, heißt das, er setzt sich herausfor<strong>der</strong>nde<br />

Ziele und strebt nach großem<br />

Erfolg. Aber nur vermittelt durch eine gewissenhafte,<br />

das heißt fleißige, diszipli-<br />

16<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

nierte und zuverlässige Ar<strong>bei</strong>tsweise, führt<br />

beruflicher Ehrgeiz zu intrinsischem Erfolg.<br />

Dann vermuten Berater, dass die <strong>Beratung</strong><br />

dem Kunden genutzt hat, weil sie eine gute<br />

<strong>Beratung</strong>sleistung vollbracht haben.<br />

Ehrgeizige extravertierte Berater sind<br />

gesellig und kontaktfreudig<br />

Darüber hinaus vermittelt Extraversion die<br />

Beziehung zwischen beruflichem Ehrgeiz<br />

und extrinsischem Erfolg. Sind Berater beruflich<br />

sehr ehrgeizig, zeigt sich das <strong>bei</strong><br />

extravertierten Beratern in einer geselligen<br />

und kontaktfreudigen Art. Extravertierte<br />

Berater fühlen sich anscheinend wohler<br />

im Umgang mit Fremden und genießen<br />

die Unterschiedlichkeit <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Kontakte, die <strong>der</strong> Beruf des Verkaufens und<br />

Beratens mit sich bringt. An<strong>der</strong>e Studien<br />

zeigen den Einfluss von Networking (das<br />

Beziehungsnetz aktiv aufbauen und erweitern)<br />

auf Gehaltserhöhungen und Beför<strong>der</strong>ungen.<br />

Offenheit mediiert einerseits die Beziehung<br />

zwischen beruflichem Ehrgeiz und extrinsischem<br />

Erfolg (Kundengewinnung) und an<strong>der</strong>erseits<br />

die Beziehung zwischen beruflichem<br />

Ehrgeiz intrinsischem Erfolg (Qualität,<br />

Zufriedenheit). Dies verdeutlicht, dass es<br />

für beruflichen Erfolg in <strong>Beratung</strong>ssituationen<br />

Offenheit und Flexibilität aufseiten des<br />

Beraters benötigt, um auf individuelle Bedürfnissen<br />

<strong>der</strong> Kunden zu reagieren, damit<br />

die selbst gesteckten <strong>Beratung</strong>sziele, aber<br />

auch die Kundenziele erreicht werden.<br />

Fazit: Persönlichkeit sollte stärker<br />

beachtet werden<br />

Die Ergebnisse dieser Untersuchung können<br />

unter an<strong>der</strong>em <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Personalauswahl<br />

und <strong>bei</strong>m Einsatz von Beratern ge-<br />

powered by<br />

nutzt werden. Da<strong>bei</strong> sollte stärker auf die<br />

Persönlichkeit geachtet werden. So sollte<br />

<strong>bei</strong> Berufen, die beson<strong>der</strong>es Augenmerk<br />

auf die Kundenbindung legen, nach beruflich<br />

ehrgeizigen und extravertierten<br />

Beratern gesucht werden. Soll dagegen die<br />

Zufriedenheit <strong>der</strong> Kunden gesteigert werden,<br />

sollten eher beruflich ehrgeizige, offene<br />

o<strong>der</strong> gewissenhafte Berater eingesetzt<br />

werden.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Barrick, M. R., Steward, G. L. & Piotrowski,<br />

M. (2002). Personality and job performance:<br />

Test of mediating effects of<br />

motivation among sales representatives.<br />

Journal of Applied Psychology, 87, 43–51.<br />

Judge, T. A. & Kammeyer-Mueller, J. D.<br />

(2007). Personality and career success. In<br />

H. P. Gunz & M. A. Peiperl (Eds.), Handbook<br />

of Career Studies (pp. 59–78). Thousand<br />

Oaks, CA: Sage.<br />

Ng, T. W. H., Eby, L. T., Sorenson, K. L. &<br />

Feldman, D. C. (2005). Predictors of objective<br />

and subjective career success A<br />

meta-analysis. Personnel Psychology, 58,<br />

367–408.<br />

Seibert, S. E. & Kraimer, M. L. (2001). The<br />

five-factor model of personality and career<br />

success. Journal of Vocational Behavior,<br />

58, 1–21.<br />

Smithikrai, C. (2007). Personality traits and<br />

job success: An investigation in a Thai<br />

sample. International Journal of Selection<br />

and Assessment, 15, 134–138.<br />

Vinchur, A. J., Schippmann, J. S., Switzer<br />

F. S. & Roth, P. L. (1998). A meta-analytic<br />

review of predictors of job performance<br />

for salespeople. Journal of Applied Psychology,<br />

83, 586–597.<br />

17<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Wie statt warum: Was das Prinzip <strong>der</strong> lösungsorientierten<br />

<strong>Beratung</strong> Personalmanagern bringt<br />

T. Leipoldt, B. Lenhart<br />

Die Erwartungen an Personaler als sogenannte<br />

Business-Partner in Bezug auf<br />

ihre <strong>Beratung</strong>s-, Coachingund Change-<br />

Kompetenz sind hoch. Die lösungsorientierte<br />

<strong>Beratung</strong> ist da<strong>bei</strong> eine geeignete<br />

Methode, um in <strong>der</strong> Rolle eines internen<br />

Beraters rasch überzeugende Ergebnisse<br />

zu erzielen.<br />

Viele Unternehmen haben in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

Verbesserungssysteme implementiert<br />

und ihre Prozesse optimiert.<br />

Doch weil <strong>der</strong> Druck, Produktivitätspotenziale<br />

zu realisieren, weiter anhält, konzentrieren<br />

viele sich nun verstärkt auf ihre<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter und <strong>der</strong>en Zusammenar<strong>bei</strong>t.<br />

Damit steigen auch die Erwartungen an<br />

die Coaching- und Change-Kompetenz<br />

<strong>der</strong> Personalmanager im Unternehmen.<br />

Personaler müssen aus einer Vielzahl von<br />

Weiterbildungsmöglichkeiten das Angebot<br />

auswählen, das sie für diese Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

bestmöglich qualifiziert. Wer<br />

sich da<strong>bei</strong> für eine bestimmte Methode<br />

entscheidet, sollte sich im ersten Schritt<br />

informieren, welches <strong>Beratung</strong>sverständnis<br />

ihr zugrunde liegt. Was ist das Grundverständnis,<br />

wodurch Verän<strong>der</strong>ung entsteht?<br />

Damit geht neben <strong>der</strong> Methode<br />

auch ein bestimmtes Rollenverständnis<br />

des Beraters einher, und nicht alle sind für<br />

unternehmensinterne Personalmitar<strong>bei</strong>ter<br />

geeignet. Wichtiger als die Methode selbst<br />

ist also, ob sie in einer Rolle anwendbar ist,<br />

die die Geschäftsführung <strong>bei</strong> <strong>der</strong> eigenen<br />

Personalabteilung akzeptiert.<br />

powered by<br />

Eine Reihe von Methoden beruht auf einem<br />

Verän<strong>der</strong>ungsverständnis, <strong>bei</strong> dem <strong>der</strong> Berater<br />

zum Fachmann wird. Dazu gehören<br />

Methoden, die davon ausgehen, dass Verän<strong>der</strong>ung<br />

durch besseres Wissen entsteht.<br />

Hier erkennt <strong>der</strong> Berater mit seiner kritischen<br />

Analysefähigkeit falsche Überzeugungen<br />

und findet bessere Alternativen,<br />

um in entsprechenden Situationen <strong>bei</strong>m<br />

Gesprächspartner die passenden Überzeugungen<br />

zu aktivieren. Der Berater fungiert<br />

als Experte für besseres Wissen.<br />

Ein weiteres Grundverständnis ist, dass<br />

Verän<strong>der</strong>ung durch besseres Verstehen<br />

entsteht und dass verborgene Motive zur<br />

ständigen Wie<strong>der</strong>holung problematischer<br />

Thilo Leipoldt,<br />

Diplom-Psychologe,<br />

Nie<strong>der</strong>lassungsleiter <strong>der</strong><br />

PTA – Praxis für teamorientierte<br />

Ar<strong>bei</strong>tsgestaltung, München<br />

t.leipoldt@pta-muenchen.de<br />

Benedikt Lenhart,<br />

Diplom-Ökonom,<br />

Vice President Human Resources,<br />

IMS Gear, Donaueschingen<br />

benedikt.lenhart@imsgear.com<br />

18<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


IMS Gear<br />

eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Um Produkte und Prozesse zu optimieren, ist eine gute Zusammenar<strong>bei</strong>t wichtig<br />

Verhaltensweisen führen. Der Berater ist<br />

auch hier Fachmann – nämlich für die Entschlüsselung<br />

unerkannter Motive, Beziehungsmuster<br />

und Handlungsfaktoren. Ziel<br />

ist es, die Bremse zu lösen, anstatt stärker<br />

aufs Gas zu treten. Das Risiko <strong>bei</strong>m Einsatz<br />

solcher Methoden ist, dass Personaler als<br />

Besserwisser erlebt werden, die von <strong>der</strong><br />

Praxis keine Ahnung haben und die folglich<br />

von den Praktikern auch nicht akzeptiert<br />

werden. Der Prophet im eigenen Land gilt<br />

eben oftmals nichts, ganz gleich wie gut er<br />

ist.<br />

Berater auf Augenhöhe<br />

An<strong>der</strong>s ist es <strong>bei</strong> <strong>der</strong> lösungsorientierten<br />

<strong>Beratung</strong>: Hier agiert <strong>der</strong> Berater auf Augenhöhe<br />

des Gesprächspartners. Er bewirkt<br />

Verän<strong>der</strong>ungen, indem er verstärkt,<br />

was bereits wie gewünscht funktioniert.<br />

Wenn man in komplexen Situationen und<br />

Systemen die Aufmerksamkeit <strong>der</strong> Beteiligten<br />

auf alles lenkt, was noch nicht wie<br />

powered by<br />

gewünscht funktioniert, und damit auf die<br />

Fehlersuche, dann entwickeln die Beteiligten<br />

eine hohe Kreativität, um die Schuld<br />

für den Ist-Zustand in die Schuhe an<strong>der</strong>er<br />

zu schieben. Hilfreicher ist oft, unvoreingenommen<br />

zu beobachten, was alles bereits<br />

wie gewünscht funktioniert, um in kleinen<br />

Schritten mehr davon zu tun. Der lösungsorientierte<br />

Berater lenkt die Aufmerksamkeit<br />

des Gesprächspartners auf beobachtbares<br />

Verhalten, auf die Ausnahmen<br />

vom Problemzustand und auf die eigenen<br />

Stärken und Kompetenzen. Das erlebt <strong>der</strong><br />

Gesprächspartner als positive Bestätigung,<br />

sodass Engagement und Kreativität für<br />

neue Wege freigesetzt werden. Der Berater<br />

bleibt in guter Erinnerung und wird gern<br />

wie<strong>der</strong> aufgesucht. Seine Akzeptanz im<br />

Unternehmen wird so gestärkt.<br />

Verantwortung für die Lösung<br />

Im unternehmerischen Kontext verbreitet<br />

sich die lösungsorientierte <strong>Beratung</strong> unter<br />

19<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

dem Begriff „Reteaming“. Sie hilft Teams,<br />

aber auch Einzelnen, Probleme konstruktiv<br />

zu lösen und Ziele auf effizientem Weg<br />

zu erreichen, verbessert die Zusammenar<strong>bei</strong>t<br />

und gestaltet Verän<strong>der</strong>ungsprozesse<br />

nachhaltig. Entwickelt wurde Reteaming<br />

von dem Psychiater Ben Furmann und<br />

dem Sozialpsychologen Tapani Ahola,<br />

<strong>bei</strong>de Co-Direktoren des Instituts für Kurztherapie<br />

in Helsinki. Im deutschsprachigen<br />

Raum koordiniert <strong>der</strong> Pädagoge, Betriebswirt<br />

und Organisationsberater Wilhelm<br />

Geisbauer seit 1998 die Ausbildung zum<br />

Reteaming-Coach. Reteaming ist konsequent<br />

zukunfts- und lösungsorientiert und<br />

regt Menschen an, gewünschte Verän<strong>der</strong>ungen<br />

zustande zu bringen. Auf eine Problemanalyse<br />

wird da<strong>bei</strong> ganz verzichtet.<br />

Reteaming folgt dem Motto: „Keiner ist für<br />

das Problem, je<strong>der</strong> aber für die Lösung verantwortlich.“<br />

Neuorganisation in <strong>der</strong><br />

Personalabteilung<br />

Das mittelständische Unternehmen IMS<br />

Gear in Donaueschingen ist ein international<br />

aufgestellter Spezialist <strong>der</strong> Zahnradund<br />

Getriebetechnik mit einer klaren<br />

Vision und Strategie. Die stetige Pflege<br />

<strong>der</strong> Kundenbeziehungen und Kompetenzen<br />

sowie die Optimierung <strong>der</strong> Produkte<br />

und Prozesse bilden die Basis des Unternehmenswachstums.<br />

In den vergangenen<br />

zehn Jahren hat sich die stark administrativ<br />

ausgerichtete Personalabteilung des<br />

Automobilzulieferers über ihre Mitar<strong>bei</strong>t<br />

in Projekten weiterentwickelt. Ziel ist es,<br />

die <strong>Beratung</strong>skompetenz auszubauen<br />

und eine prozessorientierte Organisation<br />

umzusetzen. Mit <strong>der</strong> Standardisierung<br />

und Beschreibung <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsabläufe kam<br />

die Frage nach einem Standard für <strong>Beratung</strong>saufgaben<br />

auf. Alle neun Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

powered by<br />

<strong>der</strong> Personalabteilung an zwei Standorten<br />

sollten nach einem gemeinsamen Standard<br />

für die Lösung von menschlichen<br />

und zwischenmenschlichen Problemen<br />

geschult werden. Start <strong>der</strong> Qualifizierung<br />

war ein zweitägiger Abteilungsworkshop.<br />

Die <strong>aktuell</strong>e Situation war geprägt durch<br />

die zusätzlichen Aufgaben zur Umsetzung<br />

<strong>der</strong> Kapazitäts- und Kostenanpassungen<br />

im Unternehmen. Und das in einer Situation,<br />

in <strong>der</strong> die Personalabteilung zudem<br />

mit <strong>der</strong> Einar<strong>bei</strong>tung neuer Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

beschäftigt war. Die Mitar<strong>bei</strong>ter wussten<br />

nicht, wie sie das alles bewältigen sollten.<br />

Im Workshop sollten einerseits wirksame<br />

Lösungen für die Leitfrage entwickelt<br />

werden: „Wie gestalten wir unsere Zusammenar<strong>bei</strong>t,<br />

um die <strong>aktuell</strong>e Situation<br />

erfolgreich zu meistern?“ An<strong>der</strong>erseits<br />

sollten die Teilnehmer für sich selbst die<br />

lösungsorientierte Vorgehensweise kennenlernen<br />

und erfahren.<br />

Motivierendes Bild: Die bessere<br />

Zukunft im Blick<br />

Der Ablauf wurde nach dem Reteaming-<br />

Konzept gestaltet. Zunächst wurden die<br />

Workshop-Teilnehmer aufgefor<strong>der</strong>t, sich<br />

auszumalen, wie sie in Zukunft zusammenar<strong>bei</strong>ten<br />

müssten, um die <strong>aktuell</strong>e Situation<br />

erfolgreich zu meistern. Ergebnis: das motivierende<br />

Bild einer besseren Zukunft. Danach<br />

wurden Verhaltensziele gesammelt,<br />

um den angestrebten Zustand zu erreichen<br />

– als Brücke in die gewünschte Zukunft.<br />

Der nächste Schritt war die Einigung auf<br />

ein einziges dieser Ziele – nämlich darauf,<br />

sich gegenseitig so zu unterstützen, dass<br />

je<strong>der</strong> gemäß seinen Rollen und Aufgaben<br />

handeln kann. Die Konzentration auf ein<br />

Ziel erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit<br />

und beeinflusst häufig auch an<strong>der</strong>e Ziele<br />

günstig.<br />

20<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

powered by<br />

Traditionelles Verständnis von<br />

<strong>Beratung</strong><br />

Rolle des Beraters Experte o<strong>der</strong> Fachmann, <strong>der</strong> über<br />

einen Wissensvorsprung verfügt<br />

Wirkmechanismus für<br />

Verän<strong>der</strong>ung<br />

Berater richtet<br />

die Aufmerksamkeit<br />

auf ...<br />

Charakteristik <strong>der</strong><br />

Vorgehensweise<br />

Geeigneter<br />

Gegenstandsbereich<br />

Reparieren von Abweichungen zum<br />

Soll-Zustand<br />

• Problemzustand<br />

• Schwächen bzw. Entwicklungsbedarf<br />

• Abweichungen<br />

• Problemanalyse und Ursachenforschung<br />

• Projektplanung<br />

Dann wurde <strong>der</strong> Nutzen definiert, den die<br />

Personaler selbst und an<strong>der</strong>e von <strong>der</strong> Erreichung<br />

dieses Ziels haben. Die Teilnehmer<br />

identifizierten die Stärken und Fähigkeiten<br />

im Team, die ihnen auf dem Weg zur Zielerreichung<br />

helfen würden. Sie planten die<br />

nächsten Schritte auf dem Weg zur Erreichung<br />

des gewählten Ziels und schätzten<br />

auf einer Skala von eins bis zehn ein, wo<br />

sie <strong>aktuell</strong> standen und wo sie nach sechs<br />

Monaten stehen wollten. Auch <strong>der</strong> Umgang<br />

mit möglichen Rückschritten wurde<br />

betrachtet – da man nach einem Schritt<br />

zurück oft besser und mit optimierter Strategie<br />

zum Ziel kommt.<br />

Lösungsorientierte <strong>Beratung</strong><br />

Agiert auf Augenhöhe<br />

Verstärken dessen, was bereits wie<br />

gewünscht funktioniert<br />

• Ausnahmen vom Problemzustand<br />

• Stärken und Kompetenzen<br />

• Fortschritte<br />

• Beschreibung des Zielzustands<br />

• Strategie <strong>der</strong> kleinen Schritte<br />

Technische Problemlösung Verän<strong>der</strong>ung von menschlichen<br />

Verhaltensweisen<br />

Auswirkungen • Reduzierter Aufwand <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

Lösungsfindung<br />

• Gefahr, dass Problemanalysen zu<br />

Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen<br />

führen<br />

• Risiko, dass Zusammenar<strong>bei</strong>t erschwert,<br />

Kreativität beeinträchtigt<br />

und Motivation verhin<strong>der</strong>t wird<br />

• Stärkt die Verän<strong>der</strong>ungsfähigkeit<br />

des beratenden Systems<br />

• För<strong>der</strong>t die Eigenverantwortung<br />

• Setzt positive Energie und Motivation<br />

für die Lösungsfindung<br />

und Umsetzung frei<br />

Motto Jedem Problem seinen Experten Probleme sind verkleidete Ziele<br />

Unterschiede zwischen traditioneller und lösungsorientierter <strong>Beratung</strong><br />

Üben mit Kollegen <strong>bei</strong>m<br />

Qualifizierungsworkshop<br />

Ein halbes Jahr später fand dann ein eintägiger<br />

Qualifizierungsworkshop in lösungsorientierter<br />

<strong>Beratung</strong> statt. Der erste Teil<br />

bestand aus einem Rückblick auf die eigene<br />

Erfahrung mit lösungsorientiertem Ar <strong>bei</strong> -<br />

ten im Rahmen des Abteilungsworkshops<br />

sechs Monate vorher. Der zweite Teil war<br />

eine Einführung in die Grundlagen <strong>der</strong> lösungsorientierten<br />

<strong>Beratung</strong>. Im dritten Teil<br />

übten die Teilnehmer, wie sie einen Kolle gen<br />

mit lösungsorientierten Fragen <strong>bei</strong> einem<br />

konkreten Anliegen unterstützen können.<br />

21<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Geplante Fortschritte: Alle ziehen am<br />

gleichen Strang<br />

Der Rückblick startete mit <strong>der</strong> Frage: Wer<br />

hat im vergangenen halben Jahr welchen<br />

wertvollen Beitrag zur Erreichung <strong>der</strong> gemeinsamen<br />

Zielsetzung geleistet? Zwar<br />

waren nicht alle nächsten Schritte, die sich<br />

die Gruppe im Abteilungsworkshop vorgenommen<br />

hatten, abgear<strong>bei</strong>tet. Trotzdem<br />

waren sich die Teilnehmer einig, dass sie<br />

den geplanten Fortschritt auf dem Weg<br />

zur Zielerreichung gemacht hatten. Bei <strong>der</strong><br />

konkreten Planung für die weitere Zielerreichung<br />

zählten die Mitar<strong>bei</strong>ter vier Maßnahmen<br />

auf, die schon angestoßen worden<br />

waren, wenn auch noch nicht umgesetzt.<br />

Das zeigte deutlich, wie gut die Gruppe<br />

ihre Aktivitäten auf ein gemeinsames Ziel<br />

hin ausgerichtet hatte: Alle ziehen am gleichen<br />

Strang in die gleiche Richtung.<br />

Die Grundlagen <strong>der</strong> lösungsorientierten<br />

<strong>Beratung</strong> wurden durch einen Trainerinput<br />

und eine vertiefende Gruppendiskussion<br />

zu folgenden Themen vermittelt:<br />

das Verständnis von Verän<strong>der</strong>ung, das<br />

dem lösungsorientierten Ansatz zugrunde<br />

liegt;<br />

die Unterschiede zur traditionellen<br />

problemorientierten Herangehensweise<br />

zur Bear<strong>bei</strong>tung menschlicher und<br />

zwischenmenschlicher Probleme und<br />

lösungsorientierte Fragen, um lösungsorientierte<br />

<strong>Beratung</strong> möglichst schnell<br />

selbst anzuwenden und zu üben.<br />

Das Frage-Set zur Vorbereitung auf das<br />

praktische Üben im dritten Teil des Qualifizierungsworkshops<br />

lautete wie folgt:<br />

Was ist Ihre Frage?<br />

Was genau wollen Sie erreichen? Wel-<br />

powered by<br />

Schafft positive Stimmung: Die Gesprächspartner <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Entwicklung<br />

eigener Ideen zur Lösung unterstützen<br />

che Ideen haben Sie schon, wie Sie das<br />

angehen können?<br />

Welche Stärke beziehungsweise beson<strong>der</strong>e<br />

Fähigkeit haben Sie, die Ihnen da<strong>bei</strong><br />

hilft?<br />

Was ist Ihr nächster Schritt?<br />

Der lösungsorientierte Berater will den<br />

Gesprächspartner da<strong>bei</strong> unterstützen, sich<br />

darüber klar zu werden, was er erreichen<br />

will. Er will ihn anregen, erste Ideen zur<br />

Zielerreichung zu entwickeln – und zuletzt<br />

dazu, den nächsten Schritt konkret zu machen.<br />

Die ersten <strong>bei</strong>den Fragen helfen, die<br />

Ausgangssituation und den gewünschten<br />

Zielzustand zueinan<strong>der</strong> in Bezug zu bringen.<br />

Die Fragen drei und vier aktivieren<br />

die Kreativität des Gesprächspartners, eigene<br />

Lösungen zu entwickeln. Die fünfte<br />

Frage übersetzt die Lösungsidee in einen<br />

umsetzbaren, konkreten Schritt – ganz im<br />

Sinne <strong>der</strong> in Unternehmen gefor<strong>der</strong>ten<br />

Umsetzung.<br />

Stolperstein „Warum?“<br />

Die praktische Anwendung in Übungsgesprächen<br />

unter den Teilnehmern zeigten<br />

IMS Gear<br />

22<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

zwei Stolpersteine. Erstens bemerkten<br />

die Teilnehmer, wie stark sie in <strong>der</strong> traditionellen<br />

Vorgehensweise verhaftet sind,<br />

Problem lösung mit Ursachenforschung zu<br />

beginnen. Häufig tauchten in den Übungsgesprächen<br />

Warum-Fragen auf – zum Beispiel<br />

„Warum hast du das so gemacht?“.<br />

Das „Warum“ zwingt aber die Gesprächspartner,<br />

sich zu rechtfertigen, warum etwas<br />

nicht funktioniert. In <strong>der</strong> lösungsorientierten<br />

<strong>Beratung</strong> wird deshalb mit „Wie?“ gefragt.<br />

Das „Warum“ ist untersagt. Das „Wie“<br />

bewirkt dagegen Antworten, die stärker<br />

beschreibend und weniger wertend sind<br />

und die Lösungen vorbereiten.<br />

Unterstützung <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Ideen-<br />

Entwicklung: Einfach, aber nicht leicht<br />

Zweitens bemerkten die Teilnehmer, wie<br />

stark die Neigung ist, als Berater eigene<br />

Lösungen vorzuschlagen, anstatt den Gesprächspartner<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Entwicklung eigener<br />

Ideen zu unterstützen. Aber: Die eigenen<br />

Ideen umzusetzen macht mehr Spaß<br />

und erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit.<br />

Der lösungsorientierte Berater nutzt seine<br />

Ideen, indem er die dazu passende Frage<br />

stellt – die Frage, auf die die Lösung im Kopf<br />

des Beraters eine mögliche Antwort wäre.<br />

Damit erschließt <strong>der</strong> Berater eine Quelle für<br />

Fragen, mit denen er das kreative Potenzial<br />

des Gesprächspartners freisetzt. Fazit: Die<br />

lösungsorientierte Methode ist einfach,<br />

aber nicht leicht.<br />

Die Teilnehmer erlebten bereits das Kennenlernen<br />

<strong>der</strong> Methode als Entlastung, weil<br />

sie fortan nicht mehr versuchen mussten,<br />

die Probleme an<strong>der</strong>er zu lösen. Menschen<br />

da<strong>bei</strong> zu unterstützen, eigene Ideen umzusetzen,<br />

steigert zudem die Wirksamkeit <strong>der</strong><br />

eigenen <strong>Beratung</strong>. Als Erleichterung erlebten<br />

die Teilnehmer die starke Fokussierung<br />

powered by<br />

auf Stärken und Ressourcen. Der Fokus auf<br />

das Gute schafft eine positive Stimmung, in<br />

<strong>der</strong> es mehr Spaß macht, Neues auszuprobieren.<br />

Das setzt <strong>bei</strong> allen Beteiligten konstruktives<br />

Engagement frei. Zum Abschluss<br />

bewerteten die Teilnehmer die Methode<br />

<strong>der</strong> lösungsorientierten <strong>Beratung</strong> als absolut<br />

praktikabel.<br />

Training <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungsfähigkeit<br />

Für das Unternehmen sind in <strong>der</strong> lösungsorientierten<br />

<strong>Beratung</strong> qualifizierte Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

in <strong>der</strong> Personalabteilung eine lohnende<br />

Investition. Die Form <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

schärft den Blick für die Wahrnehmung<br />

<strong>der</strong> eigenen Rolle. Das gilt insbeson<strong>der</strong>e<br />

für die Übernahme <strong>der</strong> Verantwortung in<br />

den fachlichen Befugnissen in Abgrenzung<br />

zur Unterstützung <strong>der</strong> Führungskräfte in<br />

ihren Führungsfragen. Personaler führen<br />

viele Gespräche über alle Hierarchiestufen<br />

hinweg. Lösungsorientierte Fragen schaffen<br />

da<strong>bei</strong> schnell einen Nutzen <strong>bei</strong>m Gesprächspartner.<br />

Sie bewirken Impulse zur<br />

Problemlösung, regen die Eigenmotivation<br />

<strong>der</strong> Mitar<strong>bei</strong>ter an und för<strong>der</strong>n so letztlich<br />

auch ihre Verän<strong>der</strong>ungsfähigkeit im Sinne<br />

<strong>der</strong> Gesamtziele des Unternehmens.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Eidenschink, K. (2003). Grundverständnis:<br />

Was bewirkt Verän<strong>der</strong>ung? Wirtschaft +<br />

Weiterbildung, 11–12/2003, 15.<br />

Geisbauer, W. (Hrsg.). (2006). Reteaming:<br />

Methodenhandbuch zur lösungsorientierten<br />

<strong>Beratung</strong> (2. Aufl.). Heidelberg: Carl-Auer.<br />

Ulrich, D. (1998). Das neue Personalwesen:<br />

Mitgestalter <strong>der</strong> Unternehmenszukunft.<br />

Harvard Businessmanager, 20, 59–69.<br />

23<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Presencing – wie Lernen und Handeln von<br />

<strong>der</strong> Zukunft her funktionieren<br />

I. Kohlhofer, H. Jäckel<br />

Management-Methoden basieren meist<br />

auf alten mentalen Modellen und werden<br />

<strong>der</strong> immer komplexeren Realität nicht<br />

mehr gerecht. Die <strong>Beratung</strong> nach dem<br />

Presencing-Ansatz hinterfragt bisherige<br />

Erklärungsmuster, rückt neue Zusammenhänge<br />

in den Fokus und nutzt die<br />

Intuition, um eine bisher nicht denkbare<br />

Zukunft zu antizipieren.<br />

Die <strong>aktuell</strong>e Krise ist noch nicht bewältigt<br />

und wird uns auch noch länger beschäftigen.<br />

Was wir jedoch dadurch gelernt haben:<br />

Unsere globalisierte Welt hat einen<br />

Vernetzungsgrad und eine Komplexität<br />

erreicht, die mit herkömmlichen Management-Methoden<br />

kaum noch zu bewältigen<br />

ist. Die Zukunft wird an<strong>der</strong>s sein als<br />

eine Variante <strong>der</strong> Vergangenheit und <strong>der</strong><br />

gegenwärtigen Realität. Ein Schlüssel für<br />

einen wirkungsvollen Umgang mit Krisen<br />

liegt daher darin, die Fähigkeit des schöpferischen<br />

Tätigwerdens gemeinsam neu zu<br />

erlernen. Welches sind die inneren Quellen,<br />

aus denen heraus Einzelne o<strong>der</strong> Gruppen<br />

wirksam werden, wenn sie wahrnehmen,<br />

kommunizieren und handeln? Claus Otto<br />

Scharmer, Dozent an <strong>der</strong> Sloan School of<br />

Management am Massachusetts Institute of<br />

Technology (MIT) in Boston, hat mit seinen<br />

Kollegen die Bedingungen für fundamentale<br />

Innovationsund Erneuerungsprozesse<br />

erforscht. Das Ergebnis ist ein Ansatz für<br />

Führung und Lernen, um Zugang zu noch<br />

nicht manifesten zukünftigen Potenzialen<br />

zu erhalten, diese in die Welt zu bringen<br />

powered by<br />

und umzusetzen. Scharmer bezeichnet<br />

dieses Lernen und Handeln von <strong>der</strong> Zukunft<br />

her als „Presencing“. Dahinter steht<br />

ein Kunstwort aus „Presence“ (Gegenwart)<br />

und „Sensing“ (hinspüren).<br />

Zukünftiges Potenzial realisieren?<br />

Presencing erlaubt, tiefere Fel<strong>der</strong> <strong>der</strong> gemeinsamen<br />

Wahrnehmung und Willensbildung<br />

zu erschließen. Da<strong>bei</strong> lautetet<br />

die zentrale Frage für eine transformative<br />

Verän<strong>der</strong>ung: „Wie können wir aus den<br />

Mustern <strong>der</strong> Vergangenheit aussteigen<br />

und das beste zukünftige Potenzial realisieren?“<br />

Unser Denken und Handeln basiert<br />

auf Gewohnheitsmustern (mentalen Mo-<br />

Ingrid Kohlhofer,<br />

Mag. phil., Studium <strong>der</strong> Katholischen<br />

Theologie und Geschichte,<br />

Gesellschafterin <strong>bei</strong> Trigon<br />

München<br />

ingrid.kohlhofer@trigon.de<br />

Harald Jäckel,<br />

Dipl.-Kfm., Studium <strong>der</strong><br />

Betriebswirtschaft,<br />

Gesellschafter <strong>bei</strong> Trigon München<br />

harald.jaeckel@trigon.de<br />

24<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

dellen), <strong>bei</strong> denen ein vertrauter Stimulus<br />

eine gewohnte Reaktion auslöst. Es sind<br />

tief verwurzelte Annahmen, die in unser<br />

Tun einfließen. Sie repräsentieren das, was<br />

in unserer Vergangenheit erfolgreich war<br />

und was uns auch in Zukunft erfolgreich<br />

machen lassen soll. Wie eine Landkarte, die<br />

wesentliche Merkmale einer Landschaft<br />

darstellt, aber nicht die Landschaft selbst<br />

ist, geben uns unsere mentalen Modelle<br />

Orientierung und ermöglichen sinnvolles<br />

Handeln. Sie helfen uns, unsere Erfahrung<br />

zu interpretieren. Es sind individuelle Landkarten<br />

und sie repräsentieren die eigene,<br />

spezifische Sichtweise. Eine gemeinsame<br />

Sicht verschiedener Personen entsteht erst<br />

durch Kommunikation. Um sich aus den<br />

Verhaltensmustern <strong>der</strong> Vergangenheit zu<br />

lösen (Komfortzone), ist eine tiefere Ebene<br />

<strong>der</strong> Aufmerksamkeit nötig. Erfor<strong>der</strong>lich ist<br />

eine Öffnung des Denkens, des Fühlens<br />

und des Willens, die mit drei Kernkompetenzen<br />

verbunden ist. Die Fähigkeit zur<br />

Öffnung des Denkens basiert auf dem<br />

Vermögen, analytisch und intellektuell<br />

unvoreingenommen zu denken und zu ar<strong>bei</strong>ten.<br />

Die Fähigkeit zur Öffnung des Fühlens<br />

ist gleichbedeutend mit emotionaler<br />

Intelligenz (<strong>der</strong> Fähigkeit, sich in an<strong>der</strong>e<br />

und an<strong>der</strong>e Kontexte hineinzufühlen). Die<br />

Öffnung des Willens hängt mit dem Vermögen<br />

zusammen, die alte Intention loszulassen<br />

und neue Intentionen kommen<br />

zu lassen. Presencing setzt voraus, dass<br />

diese Kompetenzen auf individueller und<br />

kollektiver Ebene ausgebildet werden. Um<br />

die Zukunft in <strong>der</strong> Gegenwart zu erspüren,<br />

sind die Verän<strong>der</strong>ung grundlegen<strong>der</strong> seelischer<br />

Gewohnheiten und die Gestaltung<br />

neuer Bewusstseinsqualitäten notwendig.<br />

Es geht darum:<br />

aufmerksam zu werden und aus Gewohnheitshandeln<br />

auszusteigen;<br />

powered by<br />

bekannte Erklärungsmuster zu verlassen<br />

und mit offenem Blick hinzu schauen;<br />

Fähigkeiten des Fühlens aus dem emotionalen<br />

Reagieren zu befreien und zum<br />

Erspüren <strong>der</strong> Realität zu kommen;<br />

den eigenen Willen so zu lockern und<br />

zu öffnen, damit die Zukunftssignale<br />

spürbar werden können;<br />

mit schöpferischer Fantasie Ideen für<br />

die Zukunft zu entwickeln;<br />

konkrete Handlungen und Prototypen<br />

für die zukünftige Realität auszuar<strong>bei</strong>ten;<br />

neue Vorgehensweisen, Strukturen und<br />

Prozesse zu schaffen, in denen sich das<br />

Neue verkörpern kann.<br />

Wie handelt man gemeinsam?<br />

Die größte Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>bei</strong> Verän<strong>der</strong>ungsprozessen<br />

liegt unserer Erfahrung<br />

nach im gemeinsamen Handeln. Die unterschiedlichen<br />

Weltbil<strong>der</strong>, Verhaltensmuster<br />

und Interessen <strong>der</strong> Akteure lassen zwar oft<br />

die Erar<strong>bei</strong>tung gemeinsamer Ziele und<br />

Strategien zu. Das heißt aber nicht, dass die<br />

Akteure dann auch zügig und mit Engagement<br />

gemeinsam handeln. Viele Unternehmen<br />

konnten nicht auf Verän<strong>der</strong>ungen in<br />

ihrem Umfeld eingehen, obwohl sie diese<br />

sehen konnten. Um gemeinsam zu handeln,<br />

bedarf es einer gemeinsamen Willensbildung.<br />

Sonst bleiben Prozesse in den Strukturen<br />

<strong>der</strong> Vergangenheit („Wir nicken und<br />

machen weiter wie bisher“) stecken. Doch<br />

um die Öffnung des Denkens, des Fühlens<br />

und des Willens hinzubekommen, müssen<br />

wir uns inneren Wi<strong>der</strong>ständen stellen:<br />

„Die Stimme des Urteilens“ blockiert die<br />

Öffnung des Denkens durch das Abspulen<br />

alter Denkschablonen.<br />

„Die Stimme des Zynismus“ blockiert<br />

die Öffnung des Fühlens: Zynismus um-<br />

25<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

fasst emotionale Handlungen, die zur<br />

Distanzierung führen.<br />

„Die Stimme <strong>der</strong> Angst“ blockiert die<br />

Öffnung des Willens: Angst vor ökonomischem<br />

Misserfolg o<strong>der</strong> Scheitern hin<strong>der</strong>t<br />

uns loszulassen.<br />

In unserer Zeit <strong>der</strong> Überflutung mit Bil<strong>der</strong>n<br />

und Informationen sind wir gezwungen,<br />

Wesentliches von Unwesentlichem zu<br />

trennen. Was da<strong>bei</strong> verloren gehen kann,<br />

ist die Fähigkeit, sich in eine Situation empathisch<br />

und vorbehaltlos hineinzuversetzen<br />

und nicht schon innerlich Ja o<strong>der</strong><br />

Nein zu sagen. Im Presencing-Konzept hat<br />

die Beobachtung <strong>der</strong> Ist-Situation – ohne<br />

Beurteilung – höchste Priorität. Es gibt<br />

immer tausend Gründe, die Ist-Situation<br />

zu relativieren o<strong>der</strong> als aussichtslos zu interpretieren<br />

(„Das haben wir schon hun<strong>der</strong>t<br />

Mal versucht, und nie ist es etwas<br />

geworden!“). Presencing setzt darauf, zunächst<br />

mit Stakehol<strong>der</strong>-Interviews und Erkundungsreisen<br />

Material zur Diagnose zu<br />

sammeln. Ziel ist die unverstellte Sicht auf<br />

das, was ist.<br />

Wie wir auch aus <strong>der</strong> <strong>aktuell</strong>en Gehirnforschung<br />

wissen, ist ein Entschluss, <strong>der</strong> nur<br />

auf einem intellektuellen Konzept beruht,<br />

in <strong>der</strong> Umsetzung nicht nachhaltig. Die<br />

Diagnose muss beeindrucken, also die<br />

Gefühle <strong>der</strong> Beteiligten ansprechen und<br />

Betroffenheit auslösen. Nur dann entsteht<br />

trotz Risiken Handlungsbereitschaft. Doch<br />

bevor das Neue sich zeigt, muss das Alte<br />

Platz machen. So heißt es nach <strong>der</strong> intensiven<br />

Diagnose und dem Ins-Bild-Setzen<br />

(zum Beispiel durch Metaphern, gespielte<br />

Szenen, Unternehmenstheater), innerlich<br />

Abstand zu gewinnen, eine Auszeit zu nehmen<br />

und die Eindrücke dem Unbewussten<br />

zur Verar<strong>bei</strong>tung anzuvertrauen. Dann<br />

kann <strong>der</strong> Glücksmoment eintreten, dass<br />

powered by<br />

das Bild einer zukunftsorientierten Lösung<br />

entsteht, die stufenweise ausgemalt und<br />

im Kontakt mit <strong>der</strong> Umwelt umgesetzt<br />

werden muss.<br />

Presencing ist zuallererst eine Haltung,<br />

die bestimmte methodische Indikationen<br />

nach sich zieht. Zu einem <strong>Beratung</strong>sansatz<br />

wird es erst durch den jeweiligen Berater<br />

selbst. Da<strong>bei</strong> gibt es unterschiedliche Anwendungsformen.<br />

Einige verwenden Teile<br />

des Ansatzes als Erklärungsmodelle (zum<br />

Beispiel in Trainings), an<strong>der</strong>e nutzen ihn<br />

als Innovationsmethodik. Bei <strong>der</strong> Entwicklungsberatung<br />

Trigon verbinden wir den<br />

Ansatz mit eigenen Methoden und verwenden<br />

ihn auf <strong>der</strong> Organisationsebene<br />

– für Themen wie die strategische Neuausrichtung<br />

<strong>der</strong> Organisation, die Vorbereitung<br />

auf neue Entwicklungen o<strong>der</strong> die<br />

Identifizierung strategischer Wachstumsfel<strong>der</strong>.<br />

Ein Praxis<strong>bei</strong>spiel<br />

20 Geschäftsführer von Non-Profit-Organisationen,<br />

die alle Mitglie<strong>der</strong> eines Verbands<br />

sind, sorgen sich um dessen Zukunftsfähigkeit.<br />

Sie entscheiden zunächst in einem<br />

eineinhalbtägigen Workshop, Innovationsimpulse<br />

für die Zukunft zu erar<strong>bei</strong>ten. Alle<br />

Personen sind seit vielen Jahren in ihrem<br />

Beruf tätig und besitzen sehr hohe Fachkompetenz.<br />

Aufmerksam werden, innehalten<br />

Ausgangspunkt eines Presencing-Prozesses<br />

ist immer eine klare Frage, die sich im<br />

Lauf des Prozesses verän<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> verdichten<br />

kann. Je<strong>der</strong> Teilnehmer formuliert<br />

seine Frage zur Zukunft des Verbands und<br />

untersucht sie mit zwei Kollegen hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> Kriterien: Klarheit, Konkretheit, Lösungsorientierung.<br />

26<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


fotolia/Woodapple<br />

eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Presencing bedeutet aufmerksam zu werden, hinzuspüren, loszulassen und mit dieser Haltung Probleme zu lösen<br />

Mit offenem Blick hinsehen<br />

Im zweiten Schritt wird die Frage auf die<br />

Diagnose <strong>der</strong> Situation des Verbands gerichtet.<br />

Als Instrument dient das Quadrantenmodell<br />

nach Ken Wilber (siehe Grafik<br />

Seite 28). In vier Fel<strong>der</strong>n wird zusammengetragen,<br />

wie man die Situation als<br />

Person innerlich erlebt, wie sie in <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />

innerlich erlebt wird, wie sich<br />

das Verhalten des Verbands o<strong>der</strong> seiner<br />

Mitglie<strong>der</strong> aus objektiverer Sicht darstellt<br />

und wie <strong>der</strong> Verband im Gesamtsystem<br />

wirkt. Die Ergebnisse werden im Plenum<br />

gezeigt und verdichtet. Im Dialog wird<br />

aus den vielen Fragen die zentrale Frage<br />

für die Zukunft des Verbands herausgear<strong>bei</strong>tet.<br />

Hinspüren<br />

Um das Gefühl einzubeziehen, werden<br />

etwa hun<strong>der</strong>t Farbbil<strong>der</strong> ausgelegt. Die<br />

Teil nehmer wählen spontan eins davon –<br />

passend zur Frage und ihrem inneren Erle-<br />

powered by<br />

ben – und suchen in Dreier-Gruppen nach<br />

tiefer liegenden unterbewussten Motiven<br />

ihrer Wahl. Da<strong>bei</strong> sind oft viele überrascht,<br />

welche Botschaften in den Bil<strong>der</strong>n stecken.<br />

Der gemeinsame Austausch zu Fragen wie<br />

„Was fehlt mir?“, „Was suche ich, was nicht<br />

möglich ist?“ o<strong>der</strong> „Von welchen Hypothesen<br />

gehe ich da<strong>bei</strong> aus?“ objektiviert<br />

die Einzelsichtweisen und führt meist zu<br />

erstaunlichen Gemeinsamkeiten in <strong>der</strong><br />

Einschätzung <strong>der</strong> Situation. Es wird schnell<br />

deutlich, was den Beteiligten am Verband<br />

fehlt – zum Beispiel fehlen<strong>der</strong> Austausch,<br />

lange schwelende Konflikte, persönliche<br />

Kränkungen – all die „heißen“ Themen,<br />

über die vorher geschwiegen wurde.<br />

Loslassen<br />

Nachdem sich je<strong>der</strong> <strong>der</strong> Beteiligten seine<br />

Gefühle vergegenwärtigt hat, heißt die<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung: zwei Stunden an nichts<br />

zu denken, sich stressfrei zu beschäftigen<br />

und sich innerlich zu befreien, zum Beispiel<br />

27<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

individuell<br />

kollektiv<br />

allein spazieren gehen, auf dem Bett liegen<br />

– und die Seele ar<strong>bei</strong>ten lassen.<br />

Moment <strong>der</strong> Intuition<br />

Fast alle Menschen kennen spontane Intuition:<br />

Man fasst augenblicklich einen wichtigen<br />

Entschluss und weiß, was zu tun ist.<br />

Daran gilt es anzuknüpfen. Die Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Gruppe beschreiben sich gegenseitig<br />

Erlebnisse, Umstände o<strong>der</strong> Orte, die <strong>bei</strong> ihnen<br />

zu intuitivem Handeln geführt haben.<br />

Eine Möglichkeit ist, sich innerlich wie<strong>der</strong><br />

dort hinzubegeben und mit <strong>der</strong> <strong>aktuell</strong>en<br />

Frage an das vergangene eigene Erlebnis<br />

anzuknüpfen. Dieser Schritt ist eine Sequenz<br />

<strong>der</strong> Stille und Öffnung auf hohem<br />

konzentriertem Niveau. Man muss sich<br />

meditativ vorbereiten und dann bewusst<br />

wahrnehmen, was an zukünftigen Lösungen<br />

erscheint.<br />

Das Zukunftsbild ausmalen<br />

Der Austausch über die individuellen Erleb-<br />

powered by<br />

Ich<br />

Vier Perspektiven des Lebens (Quadrantenmodell nach Ken Wilber)<br />

innerlich äußerlich<br />

Persönliches inneres Erleben<br />

Gedanken<br />

Gefühle/Bedürfnisse<br />

Willensimpulse<br />

Meine inneren Fähigkeiten<br />

Du/Wir<br />

Gemeinschaftliches inneres Erleben<br />

Kultur/Werte<br />

Resonanz auf soziales Miteinan<strong>der</strong><br />

Resonanz auf Vorgehen<br />

Einschätzen/Bedeutung <strong>bei</strong>messen/Beurteilen<br />

in <strong>der</strong> Gruppe<br />

Es (Singular)<br />

Objektiv wahrnehmbares Verhalten<br />

Beschreibbare Verhaltensdynamik<br />

Äußere Fähigkeiten<br />

Es (Plural)<br />

System/Organisation<br />

Aufbau/Ablauforganisation<br />

Input/Output<br />

Daten/Fakten<br />

nisse ist für die Teilnehmer spannend und<br />

energiespendend. Die unterschiedlichen<br />

Ansätze lassen sich im Dialog wie Puzzleteile<br />

zusammensetzen. Eine Zukunftsgestalt<br />

zeigt sich und bietet konkrete Ansätze<br />

zur Ausar<strong>bei</strong>tung. Beim Verband ist eine<br />

Neustrukturierung fällig, Konflikte müssen<br />

aktiv bear<strong>bei</strong>tet werden, und ein neues<br />

Handlungsfeld muss erschlossen werden.<br />

Hier endet <strong>der</strong> Workshop, und das Material<br />

wird an die verantwortliche Kerngruppe<br />

übergeben.<br />

Prototypen bilden – hervorbringen<br />

Eine Kerngruppe aus dem Kreis <strong>der</strong> Teilnehmer<br />

und Mitar<strong>bei</strong>tern des Verbands setzt<br />

sich mit den Zukunftsimpulsen auseinan<strong>der</strong>.<br />

Sie erar<strong>bei</strong>ten im kontroversen Dialog<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Umsetzung. Wichtig ist<br />

es in dieser Phase, engagierte Akteure aus<br />

verschiedenen Bereichen und Hierarchieebenen<br />

des Systems zusammenzubringen,<br />

die für zukünftige Ergebnisse vor Ort ver-<br />

28<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

antwortlich sind. Wenn die Konzeption bis<br />

zum Ende durchdacht ist, entstehen erste<br />

Prototypen und klare Handlungsansätze<br />

für die nächsten ersten Umsetzungsschritte.<br />

Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten<br />

werden definiert. Die Umsetzung<br />

kann beginnen. Es wird ein neues<br />

Strukturmodell des Verbands entwickelt:<br />

Neuordnung <strong>der</strong> Führungskonzeption, Definition<br />

<strong>der</strong> notwendigen Organe, Beschreibung<br />

<strong>der</strong> Funktionen und die Vorbereitung<br />

ihrer personellen Besetzung.<br />

Erproben und umsetzen<br />

In den Phasen <strong>der</strong> Konkretisierung und<br />

Realisierung tauchen ständig neue Fragen<br />

auf. Die verantwortliche Kerngruppe<br />

bezieht dann immer wie<strong>der</strong> Personen aus<br />

dem Innen- und Außenkreis des Verbands<br />

ein und kommuniziert den Weg <strong>der</strong> Umsetzung<br />

stetig. So ist zusätzlich ein Netzwerk<br />

entstanden, das mit neuen Augen und<br />

hohem Verantwortungsbewusstsein auf<br />

die weitere Entwicklung schaut. Ein Beirat<br />

überwacht aus Sicht verschiedener Stakehol<strong>der</strong>-Gruppen<br />

die Ar<strong>bei</strong>tsergebnisse und<br />

gibt Impulse für kontinuierliches Lernen.<br />

Fazit: Aktives Nutzen <strong>der</strong> Intuition<br />

ermöglicht Antizipieren <strong>der</strong> Zukunft<br />

Viele Management-Methoden basieren<br />

auf alten, mentalen Modellen. Sie lassen<br />

nur eine bestimmte Anzahl von Variablen<br />

zu und schreiben meist die Vergangenheit<br />

einfach weiter. Bestimmte Glaubenssätze<br />

wie etwa das „Business Mantra“ vom ewigen<br />

Wachstum werden nicht hinterfragt.<br />

So taucht die For<strong>der</strong>ung nach Nachhaltigkeit<br />

vielleicht in <strong>der</strong> Zielformulierung auf,<br />

wird aber <strong>bei</strong>m konkreten Vorgehen nicht<br />

beachtet. Presencing ist ein systemischer<br />

Ansatz, <strong>der</strong> einlädt, die tieferen Quellen gemeinsamer<br />

Wahrnehmung und Willensbil-<br />

powered by<br />

dung zu erschließen. Bisherige Erklärungsmuster,<br />

Selbst- und Fremdbil<strong>der</strong> werden<br />

hinterfragt und Zusammenhänge in den<br />

Fokus gerückt, die bisher nicht bedacht<br />

wurden. Die aktive Nutzung <strong>der</strong> Intuition<br />

ermöglicht, die Zukunft zu antizipieren. Das<br />

bisher „Nicht-Denkbare“ wird denkbar, und<br />

das Ergebnis ist ein originäres und neues<br />

Produkt.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Scharmer, C. O. (2009). Theorie U: Von <strong>der</strong><br />

Zukunft her führen. Heidelberg: Carl-<br />

Auer.<br />

Ballreich, R. (2004). Presencing: Wie<br />

kommt das Neue in die Welt? Trigon<br />

Themen, 1/2004, 4–6. Verfügbar unter:<br />

http://www.trigon.at/german/news/pdf/<br />

TrigonThemen_104.pdf [10.8.2010]<br />

29<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Auf <strong>der</strong> Suche nach <strong>der</strong> Core Story:<br />

Im Kern steht immer eine Geschichte<br />

M. Müller<br />

Die Entwicklung einer Core Story hilft<br />

Unternehmen und Einzelpersonen, ihre<br />

berufliche o<strong>der</strong> geschäftliche Identität<br />

zu schärfen, und bietet gleichzeitig eine<br />

Blaupause für die Kommunikation dieser<br />

Identität.<br />

Zum Kick-off-Meeting mit dem Berater<br />

sind <strong>der</strong> Geschäftsführer und zwei leitende<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter einer kleinen Internetfirma<br />

gekommen, die eine lokale Handwerkersuche<br />

im Internet anbietet. Die Geschäfte des<br />

Unternehmens laufen mittelprächtig, und<br />

wie das Vorgespräch ergeben hat, erhoffen<br />

sich <strong>der</strong> Geschäftsführer und sein Investor,<br />

dass <strong>der</strong> Umsatz durch eine Verbesserung<br />

des Internetauftritts wächst. Ziel <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

ist daher die Neukonzeption und Fokussierung<br />

des Internetportals. Nach <strong>der</strong><br />

Auftragsklärung stellt <strong>der</strong> Berater die Frage<br />

nach <strong>der</strong> Core Story des Unternehmens.<br />

Er erläutert, dass die Core Story als eine<br />

Art „Geschichte in einem Satz“ den Kern<br />

<strong>der</strong> Geschäftstätigkeit o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Marke des<br />

Unternehmens zusammenfasst. So könnte<br />

etwa die Core Story eines Autoherstellers<br />

lauten: „Wir bauen hochwertige Autos, um<br />

Menschen Spaß am Fahren zu vermitteln.“<br />

Sie könnte aber auch lauten: „Wir entwickeln<br />

nachhaltige Konzepte, um die Mobilitätsbedürfnisse<br />

von morgen befriedigen<br />

zu können.“ Beide Core Storys drücken<br />

verschiedene strategische Ansätze aus und<br />

erzählen unterschiedliche Geschichten<br />

des Unternehmens in die Zukunft hinein:<br />

Im ersten Fall konzentriert sich das Unter-<br />

powered by<br />

nehmen ganz auf das Bauen von Autos, im<br />

zweiten sind die Autos nur ein (wenn auch<br />

im Moment noch zentraler) Teil <strong>der</strong> Tätigkeit.<br />

Der Berater bittet den Geschäftsführer und<br />

seine <strong>bei</strong>den Mitar<strong>bei</strong>ter, die Core Story<br />

ihres Unternehmens aufzuschreiben. Sie<br />

haben nur zwei Minuten Zeit dafür. Nach<br />

einigen Diskussionen steht folgende Aussage<br />

auf dem Flipchart: „Wir bieten eine<br />

umfassende Handwerkerplattform für alle<br />

Bedürfnisse.“<br />

„Dumme Fragen“ für konkrete<br />

Antworten<br />

Nun beginnt die eigentliche Ar<strong>bei</strong>t. Der Berater<br />

beginnt, „dumme Fragen“ zu stellen:<br />

Was heißt „alle Bedürfnisse“? Was meinen<br />

Sie mit „umfassend“? Bedeutet das wirklich,<br />

dass auf <strong>der</strong> Plattform alle Fragen, die im<br />

Zusammenhang mit Handwerkern auftreten,<br />

beantwortet werden? „Nein, das nicht“,<br />

meint <strong>der</strong> Geschäftsführer. Also wird ein<br />

an<strong>der</strong>er Begriff für „umfassend“ benötigt.<br />

Dr. Michael Müller,<br />

Professor für Medienanalyse und<br />

Medienkonzeption an <strong>der</strong> Hochschule<br />

<strong>der</strong> Medien in Stuttgart,<br />

Mitbegrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Beratergruppe<br />

System + Kommunikation in<br />

München<br />

mueller@sys-kom.de<br />

30<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Und so geht es weiter. Nach zwei Stunden<br />

harter gemeinsamer Ar<strong>bei</strong>t ist die folgende<br />

Formulierung gefunden: „Die Plattform XY<br />

ermöglicht dem Kunden durch ein ausgefeiltes<br />

Suchsystem, genau den richtigen<br />

Handwerker für seinen Bedarf zu finden.“<br />

Dir Formulierung ist länger geworden, konkreter<br />

und genauer; die Suchfunktion wird<br />

zum Alleinstellungsmerkmal. Mit diesem<br />

Ergebnis vertagen wir uns für eine Woche<br />

und vereinbaren, bis dahin alle Konsequenzen<br />

und konzeptionellen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

zu sammeln, die sich aus dieser Core Story<br />

für den Internetauftritt ergeben, um dann<br />

auf sicherer Basis in die Neukonzeption einzusteigen.<br />

Wozu braucht man eine Core Story?<br />

Die erste Reaktion <strong>der</strong> meisten Unternehmer<br />

o<strong>der</strong> Unternehmensteams auf die Bitte,<br />

in einem Satz aufzuschreiben, was den<br />

Kern ihres Geschäfts, ihrer Tätigkeit ausmacht,<br />

ist eher entspannt: Das kann doch<br />

nicht so schwer sein! Dann scheiden sich<br />

die Geister: Während manche schnell einen<br />

Satz hinschreiben (oft ist es <strong>der</strong> Slogan des<br />

Unternehmens), kommen an<strong>der</strong>e ins Grübeln,<br />

schreiben, streichen aus, schreiben<br />

wie<strong>der</strong> etwas und bekennen, dass sie nicht<br />

gedacht hätten, wie schwer es sein könne,<br />

die eigene Core Story zu formulieren.<br />

Etwa 80 Prozent <strong>der</strong> Klienten erleben diese<br />

Schwierigkeiten, die für sie bereits eine erste<br />

Selbsterkenntnis sind: Im Grunde können<br />

wir gar nicht genau sagen, was wir eigentlich<br />

tun. Auch die Anfor<strong>der</strong>ung, einen Satz<br />

zu formulieren und nicht nur Stichpunkte<br />

aufzulisten, wird von den an Powerpoint-<br />

Präsentationen gewöhnten Managern<br />

meist als klärende Herausfor<strong>der</strong>ung empfunden:<br />

Sie erleben, wie das Formulieren<br />

von ganzen Sätzen zur Klarheit zwingt.<br />

powered by<br />

Wie auch immer die erste Formulierung<br />

entsteht – sie wird auf ein Flipchart geschrieben<br />

und ist <strong>der</strong> Ausgangspunkt für<br />

die weitere Ar<strong>bei</strong>t. Jetzt ist das Gespür des<br />

Beraters für die unklaren Stellen <strong>der</strong> Geschichte<br />

gefor<strong>der</strong>t, seine Fähigkeit, genau<br />

die Fragen zu stellen, die verborgenes Wissen<br />

an die Oberfläche bringen, neue Ideen<br />

entstehen lassen und dem Unternehmen<br />

erlauben, weiterzugehen auf dem Weg zur<br />

Klarheit: „Was bedeutet denn ... genau?“,<br />

„Welchen an<strong>der</strong>en Begriff könnte man für<br />

... verwenden?“, „Was verstehen Ihre Kunden<br />

unter ...?“ Die Haltung des Beraters ist<br />

ressourcenorientiert. Denn niemand kennt<br />

sein eigenes Geschäft so gut wie <strong>der</strong> Geschäftsführer<br />

o<strong>der</strong> Grün<strong>der</strong> eines Unternehmens.<br />

Doch dieses Wissen schlummert<br />

oft im Ungefähren und im Nicht-Bewussten.<br />

Die Ar<strong>bei</strong>t an <strong>der</strong> Core Story ist damit<br />

ein Prozess des Bewusstmachens dessen,<br />

was man immer schon tut. Wie häufig in<br />

<strong>der</strong> <strong>Beratung</strong> ist auch hier das Ergebnis<br />

(die formulierte Core Story) nur <strong>der</strong> halbe<br />

Zweck <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>t; die an<strong>der</strong>e Hälfte ist das<br />

Erleben des Prozesses, des „langsamen Verfestigens<br />

<strong>der</strong> Gedanken“. Dieser Prozess ist<br />

gewissermaßen die nachträgliche gedankliche<br />

Gründung des Unternehmens: die<br />

Selbstvergewisserung <strong>der</strong> eigenen Identität.<br />

Karriereplanung mit <strong>der</strong> Core Story<br />

In ähnlicher Weise wird die Methode auch<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Karriereberatung o<strong>der</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> beruflichen<br />

Neuorientierung von Einzelpersonen<br />

angewendet – unabhängig davon,<br />

ob diese selbstständig o<strong>der</strong> als Angestellte<br />

ar<strong>bei</strong>ten. Auch hier geht es um die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> beruflichen Identität – im Zentrum<br />

je<strong>der</strong> erfolgreichen Laufbahn steht eben<br />

auch eine gute Geschichte.<br />

31<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Peter M., 49, leitet seit acht Jahren die Unternehmenskommunikation<br />

eines mittelständischen<br />

Unternehmens mit etwa 800<br />

Mitar<strong>bei</strong>tern. Er hat das Gefühl, in Routine<br />

zu ersticken und gleichzeitig in einer beruflichen<br />

Sackgasse zu stecken. Bei seinem<br />

Unternehmen, aber auch <strong>bei</strong> an<strong>der</strong>en Mittelständlern<br />

gibt es für ihn in <strong>der</strong> Unternehmenskommunikation<br />

nach eigener<br />

Einschätzung keine neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

mehr, und in einem Großunternehmen<br />

müsste er wohl wie<strong>der</strong> von unten anfangen,<br />

da man ihm als Mittelständler nicht<br />

zutraut, die Kommunikation eines Konzerns<br />

zu leiten. Das hat man ihn in mehreren Bewerbungsgesprächen<br />

spüren lassen. Die<br />

<strong>bei</strong>den Optionen, die M. offenbar zur Verfügung<br />

stehen, als er zur <strong>Beratung</strong> kommt,<br />

erscheinen ihm daher wenig verlockend:<br />

Er kann in seiner jetzigen Position „bis zur<br />

Rente“ bleiben o<strong>der</strong> <strong>bei</strong> einem Großunternehmen<br />

wie<strong>der</strong> „von unten“ anfangen. Er<br />

sagt selbst, er sei ratlos, was seine Karriere<br />

und damit auch die Zufriedenheit mit <strong>der</strong><br />

beruflichen Tätigkeit betreffe.<br />

Werte herausar<strong>bei</strong>ten<br />

Der Berater bittet M., seine Berufsbiografie<br />

zu erzählen – mit den wichtigsten Stationen,<br />

den Erlebnissen und Ereignissen, die<br />

beson<strong>der</strong>s im Gedächtnis geblieben sind,<br />

den angenehmen ebenso wie den unangenehmen.<br />

Wenn <strong>der</strong> Klient mit seiner Erzählung<br />

zu Ende ist, wird darüber gesprochen,<br />

was ihm selbst <strong>bei</strong>m Erzählen und<br />

was dem Berater <strong>bei</strong>m Zuhören aufgefallen<br />

ist. M. findet es erstaunlich, dass er ziemlich<br />

ausführlich von seinem ersten Job erzählt<br />

hat, <strong>bei</strong> dem er in <strong>der</strong> Personalentwicklung<br />

eines großen Unternehmens beschäftigt<br />

war. Er berichtete mit spürbarer Freude von<br />

Projekten, die er betreut, und Ideen, die er<br />

eingebracht hat. Er selbst hatte diese Pha-<br />

powered by<br />

se ganz aus seinem Fokus verdrängt, sah<br />

sich beruflich nur als Kommunikator. Aufbauend<br />

auf diesem Gespräch werden die<br />

Werte herausgear<strong>bei</strong>tet, die ihm beruflich<br />

wichtig sind, und dann in mehreren Stufen<br />

seine berufliche Core Story. Am Ende<br />

<strong>der</strong> etwa zweistündigen Sitzung haben wir<br />

folgende Formulierung gefunden: „Ich mache<br />

Menschen und Unternehmen erfolgreich,<br />

indem ich sie professionell <strong>bei</strong> ihrer<br />

Kommunikation und <strong>der</strong> Entwicklung ihrer<br />

Möglichkeiten unterstütze.“<br />

Feintuning für die Geschichte<br />

In den folgenden Sitzungen wird die Kerngeschichte<br />

einem Feintuning unterzogen<br />

und die sich daraus ergebenden konkreten<br />

Handlungsoptionen für M. erar<strong>bei</strong>tet: Welche<br />

Tätigkeitsfel<strong>der</strong> passen dazu und welche<br />

nicht? M. erlebt es als Befreiung, dass<br />

er einerseits nicht mehr nur im engen Feld<br />

<strong>der</strong> Unternehmenskommunikation suchen<br />

muss, an<strong>der</strong>erseits aber durch die Core Story<br />

eine Richtschnur hat, welche Voraussetzungen<br />

eine Stelle erfüllen muss, damit sie<br />

für ihn und seine Wünsche passt.<br />

Räume öffnen und Grenzen ziehen<br />

Die Entwicklung einer stimmigen Core Story<br />

nimmt we<strong>der</strong> <strong>bei</strong> Unternehmen noch<br />

<strong>bei</strong> Einzelpersonen den gesamten <strong>Beratung</strong>sprozess<br />

ein, steht aber an einer zentralen<br />

Stelle. Eine gut erar<strong>bei</strong>tete Geschichte<br />

öffnet einerseits Räume, setzt an<strong>der</strong>erseits<br />

aber auch Grenzen und bietet damit Orientierung.<br />

Einzelpersonen hilft sie, ihre Karriereplanung<br />

o<strong>der</strong> Jobsuche zu fokussieren.<br />

Peter M. etwa konnte sich mit seiner neuen<br />

Core Story von seiner Fixierung auf die<br />

Unternehmenskommunikation befreien. Er<br />

suchte fortan nach Aufgaben, die Personalentwicklung<br />

und Kommunikation mitein-<br />

32<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


istockphoto/Yuri_Arcurs<br />

eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Wenn die Mitar<strong>bei</strong>ter die Core Story ihres Unternehmens aufschreiben sollen, wird klar: Nicht Fakten, son<strong>der</strong>n<br />

Geschichten treiben sie an<br />

an<strong>der</strong> verbanden, und fand schließlich eine<br />

Position in einem Technikkonzern, <strong>bei</strong> dem<br />

er für die Evaluation und interne Kommunikation<br />

<strong>der</strong> Führungskräfteentwicklung zuständig<br />

ist. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite schränkt<br />

eine gut formulierte Kerngeschichte aber<br />

auch die Optionen ein. Reine Jobs als Kommunikator<br />

kamen für M. ab diesem Zeitpunkt<br />

nicht mehr in Frage.<br />

Ähnlich verhält es sich <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Core Story einer<br />

Firma: Sie lenkt den Fokus auf bestimmte<br />

Entwicklungsmöglichkeiten und schließt<br />

an<strong>der</strong>e aus. Für ein Unternehmen, das im<br />

Internet ein Reiseportal betrieb, wurde<br />

im <strong>Beratung</strong>sprozess die Core Story „XY<br />

bietet im Internet die beste und sicherste<br />

Buchung für Reisen aller Art an“ entwickelt.<br />

Damit hatte sich das Unternehmen auf einen<br />

konkreten Fokus festgelegt, <strong>der</strong> künftig<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Unternehmensentwicklung, aber<br />

powered by<br />

auch in <strong>der</strong> Unternehmenskommunikation<br />

im Mittelpunkt stehen würde: die Qualität<br />

und Sicherheit des Buchungssystems. An<strong>der</strong>e<br />

Services „rund um die Reise“ (wie <strong>der</strong><br />

Geschäftsführer den Unternehmenszweck<br />

zu Beginn unseres Prozesses beschrieben<br />

hatte), etwa die Entwicklung eines aufwendigen<br />

Online-Reiseführers, fielen weg<br />

o<strong>der</strong> rutschten in <strong>der</strong> Prioritätenliste ganz<br />

nach unten. Das Unternehmen konnte sich<br />

ganz darauf konzentrieren, was den Kern<br />

seiner Geschäftstätigkeit und damit auch<br />

den Kern seiner Positionierung im Wettbewerb<br />

ausmachte: Man war überzeugt,<br />

die sicherste, benutzerfreundlichste und<br />

schnellste Buchungstechnologie zu haben.<br />

Identität ist das, was erzählt wird<br />

Die Entwicklung einer Core Story ist letztlich<br />

nichts an<strong>der</strong>es als die Entwicklung und<br />

33<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Schärfung <strong>der</strong> beruflichen o<strong>der</strong> geschäftlichen<br />

Identität in narrativer Form. Der<br />

amerikanische Psychologe Jerome Bruner<br />

hat bereits Ende des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

in seinem Buch „Sinn, Kultur und Ich-Identität“<br />

auf die Bedeutung von Geschichten<br />

für die Identität hingewiesen. Denn es sind<br />

die Geschichten, die man selbst über sich<br />

erzählt, aber auch die Geschichten, die an<strong>der</strong>e<br />

über einen selbst erzählen, o<strong>der</strong> diejenigen,<br />

in denen man in irgendeiner Art<br />

„vorkommt“, die zusammen unsere Identität<br />

ausmachen: Ich bin <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> in<br />

eine bestimmte Familie hineingeboren ist,<br />

die selbst eine Geschichte hat und in <strong>der</strong><br />

Geschichten erzählt werden. Ich bin <strong>der</strong>jenige,<br />

<strong>der</strong> bestimmte Erlebnisse hatte, Erfahrungen<br />

machte, an Ereignissen beteiligt<br />

war und über den bestimmte Geschichten<br />

von an<strong>der</strong>en erzählt werden. Nicht umsonst<br />

verwenden wir ja mit dem Lebenslauf,<br />

dem Curriculum Vitae, eine narrative<br />

Form, wenn wir Fremden eine erste Vorstellung<br />

von uns geben wollen.<br />

Episodisches Gedächtnis<br />

Die mo<strong>der</strong>ne Gehirnforschung hat die außerordentliche<br />

Bedeutung von Geschichten<br />

für die Identitätsbildung weiter hervorgehoben.<br />

Man weiß mittlerweile, dass je<strong>der</strong><br />

Mensch unterschiedliche im Gehirn verortbare<br />

Typen von Gedächtnis hat. Einer dieser<br />

Gedächtnistypen ist das episodische beziehungsweise<br />

autobiografische Gedächtnis,<br />

das Episoden, Geschichten speichert und<br />

das unter an<strong>der</strong>em die Aufgabe hat, identitätsrelevante<br />

Inhalte aufzubewahren, wie<br />

es <strong>der</strong> Gehirnforscher Gerhard Roth (2003)<br />

in seinem Buch „Fühlen, Denken, Handeln“<br />

beschreibt.<br />

Die Erar<strong>bei</strong>tung und die Bewusstmachung<br />

<strong>der</strong> eigenen beruflichen Core Story sind<br />

powered by<br />

also eine Ar<strong>bei</strong>t an einem Teil <strong>der</strong> eigenen<br />

Identität: Wofür stehe ich mit meiner<br />

beruflichen Ar<strong>bei</strong>t und was will ich damit<br />

erreichen/verän<strong>der</strong>n? Ähnliches gilt natürlich<br />

auch für die Identität eines Unternehmens,<br />

eines Teams, einer Ar<strong>bei</strong>tsgruppe.<br />

Die Kerngeschichte schärft die berufliche<br />

o<strong>der</strong> geschäftliche Identität: Wofür stehe<br />

ich, was tue ich und mit welchem Ziel?<br />

Der Begriff Core Story betont da<strong>bei</strong> nicht<br />

nur, dass es um den Kern dieser Identität<br />

geht, son<strong>der</strong>n auch, dass sie den Kern aller<br />

Geschichten darstellt, die diese Identität<br />

(er)fassbar und kommunizierbar macht.<br />

Eine Geschichte ist eine zeitlich geordnete<br />

Folge von Ereignissen, innerhalb <strong>der</strong>er eine<br />

Verän<strong>der</strong>ung geschieht. Die Core Story<br />

bietet gewissermaßen die Blaupause, nach<br />

<strong>der</strong> sich jede (erzählbare) Geschichte des<br />

Unternehmens, des Individuums (in beruflicher<br />

Hinsicht) entwickeln muss. Wenn<br />

Peter M. von nun an erzählt, was er beruflich<br />

macht, ist das eine Geschichte, in <strong>der</strong><br />

er von den Verän<strong>der</strong>ungen berichtet, die<br />

durch seine kommunikativen und för<strong>der</strong>nden<br />

Tätigkeiten angestoßen o<strong>der</strong> begleitet<br />

wurden. Und das Internetunternehmen,<br />

das ein Handwerkerportal betreibt, wird<br />

vor allem Geschichten erzählen, in denen<br />

Menschen den richtigen Handwerker auch<br />

für schwierige Anfor<strong>der</strong>ungen gefunden<br />

haben.<br />

Handeln und Kommunizieren aus<br />

einem Kern heraus<br />

Eine Core Story bietet damit gleich zwei<br />

große Vorteile: Sie stellt eine Leitlinie für<br />

das geschäftliche und berufliche Handeln<br />

zur Verfügung und sie ist gleichzeitig Hohlform<br />

für die Kommunikation. Denn aus ihr<br />

lassen sich Geschichten entwickeln und<br />

Erlebnisse zu Geschichten schärfen, die ge-<br />

34<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

wissermaßen den Kern <strong>der</strong> Marke (auch <strong>der</strong><br />

Marke „Ich“) ausdrücken. Eine <strong>der</strong> konkreten<br />

Geschichten von Peter M. lautete etwa:<br />

„Ich habe gesehen, dass ein Geschäftsfeld<br />

unseres Unternehmens Mitar<strong>bei</strong>ter mit<br />

bestimmtem Profil braucht. Ich habe mir<br />

dann einige Mitar<strong>bei</strong>ter ausgewählt und<br />

für sie eine Qualifizierungsmaßnahme organisiert.<br />

Da<strong>bei</strong> war es nicht immer leicht,<br />

die Vorgesetzten dieser Mitar<strong>bei</strong>ter von <strong>der</strong><br />

Notwendigkeit <strong>der</strong> Maßnahme zu überzeugen.<br />

Aber jetzt geben mir alle recht: Der Geschäftsbereich<br />

hat eindeutig gewonnen.“<br />

Leitlinie für Kommunikation<br />

Mit <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Core Story eines<br />

Unternehmens o<strong>der</strong> einer Einzelperson<br />

hat man daher nicht nur die Identität entwickelt<br />

und geschärft, son<strong>der</strong>n gleichzeitig<br />

eine Leitlinie für die gesamte Kommunikation<br />

dieser Identität gewonnen. Denn<br />

Kommunikation, die wirklich <strong>bei</strong> den Menschen<br />

ankommt, ist die Kommunikation<br />

in Geschichtenform. Der Gehirnforscher<br />

Manfred Spitzer (2007) formulierte das so:<br />

„Nicht Fakten, son<strong>der</strong>n Geschichten treiben<br />

uns an, lassen uns aufhorchen, betreffen<br />

uns und gehen uns nicht mehr aus<br />

dem Sinn. Wir vergessen gerne, dass wir<br />

viel mehr von Geschichten bestimmt sind,<br />

als wir wahrhaben wollen. (...) Geschichten<br />

enthalten Fakten, aber diese Fakten verhalten<br />

sich zu den Geschichten wie das Skelett<br />

zum ganzen Menschen.“<br />

Weiterführende Literatur<br />

Bruner, J. (1997). Sinn, Kultur und Ich-Identität:<br />

Zur Kulturpsychologie de Sinns. Heidelberg:<br />

Carl-Auer.<br />

Frenzel, K., Müller, M. & Sottong, H.<br />

(2005). Das Unternehmen im Kopf: Story-<br />

powered by<br />

telling und die Kraft zur Verän<strong>der</strong>ung.<br />

Wolnzach: Kastner.<br />

Frenzel, K., Müller, M. & Sottong, H.<br />

(2006). Storytelling: Die Kraft des Erzählens<br />

fürs Unternehmen nutzen. München: dtv.<br />

Roth, G. (2003). Fühlen, Denken, Handeln:<br />

Wie das Gehirn unser Verhalten steuert.<br />

Frankfurt am Main: Suhrkamp.<br />

Spitzer, M. (2007). Lernen: Gehirnforschung<br />

und die Schule des Lebens. München:<br />

Spektrum.<br />

35<br />

Zum Inhaltsverzeichnis


eDossier <strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Impressum<br />

eDossier<br />

<strong>Erfolgsfaktoren</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

Chefredaktion<br />

Bärbel Schwertfeger, Dipl.-Psych.<br />

Redaktionsleitung<br />

Isabel Nitzsche, M.A. phil., Dipl.-Journ.<br />

Redaktionsbüro printTV<br />

Pettenkoferstr. 24 , 80336 München<br />

Telefon: +49 (0) 89 260 266 20<br />

Fax: +49 (0) 89 260 266 31<br />

E-Mail: redaktion@<br />

wirtschaftspsychologie-<strong>aktuell</strong>.de<br />

Homepage<br />

www.wirtschaftspsychologie-<strong>aktuell</strong>.de<br />

Ihr Schnupper-Abo zum<br />

Vorteilspreis plus Geschenk!<br />

Möchten Sie auch in Zukunft über die <strong>Erfolgsfaktoren</strong> in <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

informiert werden? Dann lesen Sie die Zeitschrift <strong>Wirtschaftspsychologie</strong><br />

<strong>aktuell</strong> und erfahren Sie mehr zu Hintergründen und <strong>Beratung</strong>sanlässen.<br />

Unser Angebot: Testen Sie im Schnupper-Abo zwei <strong>aktuell</strong>e Ausgaben.<br />

Zusätzlich schenken wir Ihnen das Themenheft „Coaching<br />

im Aufwind“ zu Coachingtrends, Business-Coaching und Neuigkeiten<br />

aus <strong>der</strong> Coaching-Szene. Sie sparen mehr als 45%!<br />

<strong>Wirtschaftspsychologie</strong> <strong>aktuell</strong> – Zeitschrift für Personal und Management<br />

– ist das führende unabhängige Fachmagazin für wirtschaftspsychologische<br />

Themen und Trends. In vier Themenschwerpunkten<br />

pro Jahr berichten darin Praktiker und Wissenschaftler ausführlich und<br />

praxisnah über die psychologischen Hintergründe in <strong>der</strong> Wirtschaft.<br />

Verlag<br />

Deutscher Psychologen Verlag GmbH<br />

Vertreten durch die Geschäftsführerin<br />

Ina Jungbluth<br />

Am Köllnischen Park 2, 10179 Berlin<br />

Telefon: +49 (0) 30 209 166 - 411<br />

Fax: +49 (0) 30 209 166 - 413<br />

E-Mail: wp@psychologenverlag.de<br />

Internet: www.psychologenverlag.de<br />

Layout und Satz<br />

Tanja Bregulla, Aachen<br />

Bildnachweise<br />

Cover, Seite 27: Fotolia<br />

Seite 6, Seite 8, Seite 13, Seite 33:<br />

istockphoto<br />

Seite 19, Seite 22: IMS Gear<br />

Geschenk:<br />

Themenheft<br />

„Coaching im<br />

Aufwind“<br />

Hier klicken: Zum Schnupper-Abo mit Geschenk!<br />

Ihr Vorteil:<br />

Sie sparen<br />

mehr als<br />

45% !<br />

36

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!