EVENT JOURNAL - SOMMER 2018
EVENT JOURNAL - SOMMER 2018
EVENT JOURNAL - SOMMER 2018
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
14 event journal<br />
Wort „des“ hinter seinem Ohr<br />
haben. Auf meine Frage hin erzählte<br />
er, dass seine Mutter<br />
ständig zu ihm sagte, er solle<br />
sich „des hinter die Ohren<br />
schreiben“. Das war eine witzige<br />
und clevere Idee. Er zeigte<br />
ihr es dann und sagte ihr, er<br />
solle sich ja „des hinter die Ohren<br />
schreiben“.<br />
EJ: Den Namen Ihres Studios<br />
haben Sie aus der nordischen<br />
Mythologie entlehnt. Und wenn<br />
ich mich hier so umsehe, entdecke<br />
ich viele Motive, die dem<br />
ebenfalls entsprechen.<br />
W: Die Wikinger-Motive sind<br />
immer schon sehr beliebt, da<br />
sie einen rebellischen Charakter<br />
haben. „Walhalla“ hat natürlich<br />
den Ursprung, dass die<br />
Menschen früher es als jenseitige<br />
Belohnung für einen heldenhaften<br />
Tod angesehen haben.<br />
Das ist eine Vorstellung,<br />
die mir gefällt und ich habe<br />
deshalb auch meinen Sohn<br />
Odin genannt. Wikinger faszinieren<br />
mich auch heute übrigens<br />
noch. Für mich bedeutet<br />
es Rebellion und Stärke und<br />
auch Selbstbewusstsein in dem<br />
Sinn, dass man dazu steht, was<br />
man tut.<br />
EJ: Eigentlich ist es schade,<br />
dass dann manche Kunstwerke<br />
mit dem Tod des Trägers für<br />
immer verschwinden…<br />
W: Früher war es so in Japan,<br />
dass man zu Lebzeiten ein besonderes<br />
Gemälde auf der Haut<br />
verkaufen konnte, das dann tatsächlich<br />
nach dem Ableben in<br />
den Besitz des Käufers überging.<br />
In früheren Zeiten war das<br />
also tatsächlich der Fall, aber<br />
heutzutage wäre das absolut<br />
undenkbar.<br />
EJ: Gehört das Tätowieren<br />
denn heute noch wirklich zu<br />
den künstlerischen Tätigkeiten?<br />
W: Meiner Meinung nach nicht.<br />
Es gibt durchaus Künstler in<br />
unserer Zunft, aber die sind<br />
wirklich sehr rar. Die meisten<br />
sind Handwerker. Viele Motive<br />
werden mit der Schablone aufgedruckt<br />
und dann mit der Nadel<br />
nachgestochen, das ist der<br />
handwerkliche Aspekt. Bei uns<br />
wird ganz viel frei Hand gearbeitet<br />
und ich finde, hier ist der<br />
Begriff einer künstlerischen Tätigkeit<br />
durchaus angebracht.<br />
Wir arbeiten teilweise auch mit<br />
Schablonen, aber je nach der<br />
Ausgefallenheit der Motivauswahl<br />
stechen wir auch frei<br />
Hand. Teilweise kommen auch<br />
Leute mit total verhunzten Bildern<br />
zu uns, die sich im Internet<br />
Schablonen und Farben bestellt<br />
haben und nun eine Lösung für<br />
ihre Entstellung erwarten. An<br />
dieser Stelle rate ich dringend<br />
von Billigfarben aus China ab,<br />
die oft mit hochgiftigen Substanzen<br />
z. B. mit Autolacken,<br />
gestreckt oder aufgepeppt werden.<br />
Ich möchte den handwerklichen<br />
Gesichtspunkt auf gar<br />
keinen Fall schmälern, denn<br />
wie gesagt, auch wenn es sich<br />
nicht um einen Ausbildungsberuf<br />
handelt, sind wir umfassend<br />
geschult in Bezug auf die Verträglichkeit<br />
von Farben und Hygienevorschriften.<br />
Es gibt Tätowierer<br />
oder welche, die sich dafür<br />
halten, die das alles außer<br />
Acht lassen. Wir sind hier der<br />
Meinung, dass beide Aspekte<br />
unerlässlich sind, der künstlerische<br />
wie der handwerkliche.<br />
Wenn beides perfekt beherrscht<br />
und vereint wird, dann wird das<br />
Tattoo eine coole Sache. Was<br />
gibt es Besseres für den Kunden,<br />
wenn wir ihm eine Zeichnung<br />
nach seinen Vorstellungen<br />
anfertigen und diese dann<br />
auf seiner Haut anbringen können<br />
- ohne Infektionen, Unverträglichkeitsreaktionen<br />
etc.?<br />
EJ: Wenn es wirklich mal ganz<br />
schief geht oder sich der Geschmack<br />
im Laufe des Lebens<br />
total ändert, welche Möglichkeiten<br />
gibt es dann, das Bild zu<br />
entfernen?<br />
W: Man kann es weglasern lassen<br />
oder mit einem neuen<br />
überdecken. Das ist eine Möglichkeit,<br />
die wir hier oft praktizieren.<br />
Wir überdecken das alte<br />
und geben dem Menschen ein<br />
völlig neues Motiv.<br />
EJ: Tätowierer ist kein alltäglicher<br />
Beruf…<br />
W: Wir wählen unsere Mitarbeiter<br />
nach besonderen Kriterien<br />
aus. Zum einen muss er oder<br />
sie sämtliche medizinischhygienischen<br />
Schulungen<br />
durchlaufen, zum anderen legen<br />
wir aber natürlich auch<br />
Wert darauf, dass er eine künstlerische<br />
Ader mitbringt. Er sollte<br />
auf jeden Fall kreativ sein und<br />
seine Vorstellungen zeichnerisch<br />
umsetzen können und da<br />
wir hier ein familiäres Klima haben,<br />
muss er auch von seiner<br />
Persönlichkeit her zu uns passen.<br />
Das ist unsere Perspektive.<br />
Sie zielen natürlich auf die<br />
andere Seite ab, was einen<br />
Menschen dazu bewegt, das<br />
ausüben zu wollen. Bei mir war<br />
es so, dass ich mir tatsächlich<br />
schon als Kind die Arme vollgeklebt<br />
habe, weil mich Bilder auf<br />
der Haut faszinierten. Und irgendwann<br />
habe ich faszinierende<br />
Menschen aus einer bestimmten<br />
Szene getroffen und<br />
mich daran orientiert.<br />
EJ: Wir bedanken uns für das<br />
interessante Gespräch.<br />
Sonya Hochrein<br />
UNTER DIE HAUT<br />
Walhalla | Hanau<br />
Walhalla | Hanau<br />
Walhalla | Hanau