EVENT JOURNAL - SOMMER 2018
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8 event journal<br />
Kopf durchgehen, durch die<br />
Pinselstriche und die somit<br />
meine Werke entscheidend<br />
mitgestalten. Es geht mir um<br />
diesen Prozess des Arbeitens.<br />
Du erfährst etwas über dich und<br />
lässt etwas teilweise bewusst,<br />
teilweise unbewusst, entstehen.<br />
EJ: Lassen Sie uns bitte noch<br />
auf Ihre Materialien zu sprechen<br />
kommen. Etliche Ihrer<br />
Werke haben Sie auf Buchrücken<br />
und sogar auf Streichholzschachteln<br />
verewigt.<br />
AR: Ein Buch ist für mich ein<br />
fantastisches Objekt. Zudem<br />
gibt es noch viele Bücher, die<br />
auch von außen sehr schön gestaltet<br />
und mit Leinen gebunden<br />
sind. Für mich haben sie sich<br />
regelrecht angeboten, um als<br />
Träger für meine Bilder zu dienen,<br />
wobei „dienen“ ein Wort<br />
ist, das ihnen nicht gerecht<br />
wird. Es handelt sich eher um<br />
eine Synthese zwischen einem<br />
schönen und auch guten Buch<br />
und meinem Werk. Das Buch<br />
wird dabei nicht verletzt, es<br />
verändert seinen wertvollen Inhalt<br />
nicht, es wird erweitert. Ich<br />
finde, das ist auch wieder ein<br />
neuer Aspekt von Malerei, dass<br />
der Stoff auf dem gemalt wird,<br />
selbst eine Bedeutung erfährt,<br />
selbst zum Objekt wird. Ein<br />
Buch erzählt eine Geschichte<br />
und ich erzähle teilweise auch<br />
Geschichten und so ergänzen<br />
sich Bild und Buch in ihrem Erzählaspekt.<br />
Die Idee mit den<br />
Streichholzschachteln kam mir,<br />
als ich ein schwangeres Modell<br />
im Atelier hatte. Eine schwangere<br />
Frau trägt in sich Unerwartetes.<br />
Man weiß zwar, es wird<br />
ein Mensch sein, männlich oder<br />
weiblich, aber wie er oder sie<br />
tatsächlich sein wird, welches<br />
Leben sie führen wird, welche<br />
Eigenschaften und Talente in<br />
ihr wohnen oder welche Entscheidungen<br />
sie trifft, das weiß<br />
niemand. Ein Streichholz trägt<br />
auch etwas Verborgenes in<br />
sich. Es ist ein Stück Holz, aus<br />
dem plötzlich eine Flamme entstehen,<br />
aus der ein Feuer oder<br />
ein Brand werden kann. Wir<br />
wissen es nicht, bis es so weit<br />
ist, bis es sich zeigt.<br />
EJ: Vor kurzem waren Sie auf<br />
einer Reise durch den Iran.<br />
AR: Ja, ich war auf einer Reise<br />
durch meine Heimat und habe<br />
dadurch eigene Aspekte zusammengetragen,<br />
auf die ich<br />
gar keinen Allgemeingültigkeitsanspruch<br />
erheben möchte. Die<br />
Stimmung dort im Hinblick auf<br />
die außenpolitische Lage ist so,<br />
dass man das Gefühl hat, es<br />
könnte etwas Gefährliches auftreten.<br />
Davor habe ich teilweise<br />
Angst, aber die Politik der Europäer<br />
hat gezeigt, dass man<br />
das Regime auch in den Griff<br />
bekommen kann. Mit der veränderten<br />
Außenpolitik durch<br />
Trump jedoch schwindet die<br />
Bedeutung der diplomatischen<br />
Ebene bzw. die Kooperation mit<br />
der westlichen Welt und man<br />
kann nur das Beste hoffen. Es<br />
ist bitter zu sehen, dass jetzt,<br />
wo man den Iran an den Verhandlungstisch<br />
geholt hat, dieser<br />
Prozess gar nicht mehr<br />
wichtig ist. Ich habe den Eindruck,<br />
es geht im Iran um das<br />
ganz große Geld, um das Aushandeln<br />
von Verträgen für ganze<br />
Industriezweige. Ansonsten<br />
kann ich sagen, dass ich wunderschöne<br />
Städte besuchen<br />
konnte und großartige Menschen<br />
treffen durfte. Bei den<br />
Menschen ist eine große Offenheit<br />
zu spüren. Man hat den<br />
Eindruck, dass ein Umschwung<br />
bevorsteht zu einer Öffnung der<br />
Gesellschaft. Auch unter dem<br />
künstlerischen Aspekt war meine<br />
Reise interessant. Ich werde<br />
demnächst u. a. mit einer iranischen<br />
Künstlerin eine Ausstellung<br />
organisieren unter dem<br />
Leitbild „Don Quijote“. Die Idee,<br />
AHMAD RAFI<br />
V I T A<br />
Künstler als Don Quijote darzustellen,<br />
beschäftigt mich schon<br />
seit Jahren und nun scheint es<br />
endlich einmal geklappt zu haben.<br />
2019 wird in Frankfurt eine<br />
Ausstellung mit diesem Titel<br />
stattfinden unter Beteiligung einiger<br />
internationaler Künstler.<br />
EJ: Don Quijote ist ein interessantes<br />
Thema, literarisch wie<br />
auch für die bildenden Künste…<br />
AR: Ganz einfach ausgedrückt,<br />
geht es um Künstlerexistenz.<br />
Die Figur des lächerlichen Ritters<br />
gehört zum Weltkulturerbe<br />
und symbolisiert das Streben<br />
nach einem Ideal, die damit<br />
verbundene Opferbereitschaft<br />
und vielleicht auch ein gewisses<br />
Maß an Verblendung des Einzelnen<br />
bzw. die Möglichkeit in<br />
die Irre zu gehen. Der Künstler<br />
ist, wie Don Qijote, in einer<br />
ständigen Auseinandersetzung<br />
mit sich selbst. Und natürlich<br />
möchten die Künstler auch die<br />
Welt verändern, aber nach einer<br />
gewissen Zeit merkt man,<br />
natürlich. Und trotzdem setzt<br />
man den Kampf fort, denn Ideale<br />
kann man nicht einfach weglassen.<br />
Künstler funktionieren<br />
1961 geboren in Teheran/Iran<br />
1980-1983 Militärdienst<br />
1983-1985 Künstler in Teheran<br />
1986-1997 Künstler in Aschaffenburg<br />
Seit 1997 lebt und arbeitet in Frankfurt/Main<br />
PREISE<br />
dass man gegen Windmühlen<br />
kämpft, im übertragenen Sinn<br />
nur durch ihre Ideale.<br />
EJ: Sie blicken auf eine rege<br />
Ausstellungsstätigkeit zurück<br />
und auch „Don Qijote“ ist nicht<br />
ihr einziges zukünftiges Projekt.<br />
AR: Im September bereits realisiere<br />
ich mit einem Künstlerkollegen<br />
im Atelier von Konrad<br />
Franz in Hausen/Bayern eine<br />
Ausstellung zum Thema Stofflichkeit.<br />
Holz und Leinwand als<br />
Materie und dann Performance<br />
und Musik als flüchtige Elemente,<br />
die nur für einen kurzen<br />
Moment da sind.<br />
Im November wird es dann<br />
eine Ausstellung in Frankfurt<br />
beim Kunstverein Montez geben,<br />
wo ich das Lampedusa-<br />
Projekt abschließen werde. Dort<br />
werde ich Bilder und Video-<br />
Installationen zeigen, die ich<br />
bisher noch nicht veröffentlicht<br />
hatte.<br />
EJ: Vielen Dank für das anspruchsvolle<br />
und interessante<br />
Gespräch.<br />
Sonya Hochrein<br />
1996 Advancement award for contemporary of Art, Neuer Kunstverein Aschaffenburg<br />
2011-12 Nomination for St. Leopold-Peace award, Austria<br />
AUSSTELLUNGEN<br />
1992-2001 Many group and solo exhibitions<br />
2002 Das Haar der Berenike, Gallery Forum, Usingen<br />
2002 Taste of Place, open-air action with invited international artists, Frankfurt/Main<br />
2003 Flüchtige Verfestigung, Hessischer Rundfunk, Frankfurt/Main<br />
2003 HautNahOst, open-air action with 33 invited international artists, Frankfurt/Main<br />
2005 Unort, open-air action with invited international artists, Frankfurt/Main<br />
2007 Project Space, Gallery Schuster, Frankfurt/Main<br />
2008 GLS Bank, Frankfurt/Main<br />
2008 Rhythmus im Alltag, Caligari, Wiesbaden<br />
2008 Fluchten, Künstlerverein Walkmühle e.V., Wiesbaden<br />
2008 1442666 steps between Dartington and Frankfurt, Dartington College of Arts, GB<br />
2009 Grenzland, Evangelische Stadtakademie Frankfurt/Neuer Kunstverein Aschaffenburg<br />
2010 Of War and Idyll, Bellevue-Saal, Wiesbaden<br />
2010 Gallery Erhard Witzel, Wiesbaden<br />
2011 Gerechtigkeit schafft Frieden, Klosterneuburg, Austria<br />
2012 Die Große, Museum Kunstpalast, Düsseldorf<br />
2012 Menschenwürde contra Zynismus, Klosterneuburg, Austria<br />
2014 Faro, exhibition cycle, Frankfurt/Main and Aschaffenburg<br />
2015 Die Große, Museum Kunstpalast, Düsseldorf<br />
WEITERE TEILNAHMEN<br />
2007 Scope New York, Scope Basel, Scope Köln<br />
Kataloge<br />
1992 Grenzenlos, Stiftung Kunst und Kultur e.V., Bonn<br />
1995 Ins Licht gerückt, Neuer Kunstverein Aschaffenburg<br />
2003 Flüchtige Verfestigung, Hessischer Rundfunk, Frankfurt/Main<br />
2008 10 Jahre Malerei in Frankfurt, Ahmad Rafi<br />
2010 Of War and Idyll, Bellevue-Saal, Wiesbaden<br />
2010 Der Deutsche Volkswirt, Frankfurt/Main<br />
2012 „Die Große“, Düsseldorf<br />
2015 „Die Große“, Düsseldorf