VSAO JOURNAL Nr. 4 - August 2018
Kostbar - Immunologie Schmerz Medizin statt Bürokratie - zweite Welle
Kostbar -
Immunologie
Schmerz
Medizin statt Bürokratie - zweite Welle
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<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte<br />
Association suisse des médecins-assistant(e)s et chef(fe)s de clinique<br />
Associazione svizzera dei medici assistenti e capiclinica<br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong><br />
Kostbar<br />
• Immunologie<br />
• Schmerz<br />
• Medizin statt Bürokratie – zweite Welle
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INHALT<br />
Titelbild: aebi, grafik & illustration, bern<br />
EDITORIAL<br />
5 Selten, edel, teuer<br />
POLITIK<br />
7 Gesundheitspolitik: «Medizin statt<br />
Bürokratie!» – konstruktiv und konkret<br />
10 Auf den Punkt gebracht:<br />
Allzeit bereit – aber zu welchem Preis?<br />
WEITERBILDUNG /<br />
ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
11 Die Spitalrose blüht nun im Jura<br />
12 Visitationen: Wichtiges auf drei Seiten<br />
14 Sitzt der «Steigbügel» richtig?<br />
<strong>VSAO</strong><br />
17 Sektion Basel<br />
18 Sektion Bern<br />
19 Sektion Graubünden<br />
20 Sektion Zürich<br />
21 <strong>VSAO</strong>-Rechtsberatung<br />
FOKUS KOSTBAR<br />
23 Vom Wert der Dinge<br />
25 Wie bitte? Seltene Erden?<br />
28 «Kostbar heisst selten und schön»<br />
30 Das kostbarste Gut von allen<br />
32 Der Heilige Gral der Schauspieler<br />
34 Gold, das nicht glänzt<br />
36 Alter und neuer Luxus<br />
PERSPEKTIVEN<br />
37 Impfen bei immunkompromittierten<br />
Patienten<br />
40 Aus der «Therapeutischen Umschau» –<br />
Übersichtsarbeit: Opiate – Fluch oder<br />
Segen? – Eine aktuelle Übersicht<br />
46 Das erlesene Objekt:<br />
Eine segensreiche Maschine<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
48 Briefkasten<br />
50 Patientendaten im Visier von<br />
Cyberkriminellen<br />
52 Den Moment bewusst erleben<br />
53 Impressum<br />
Geborgenheit<br />
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Telefon +41 33 972 81 11<br />
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<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
3
STS 0292<br />
LE<br />
VIGARO<br />
281<br />
/ 07.<strong>2018</strong><br />
Mehr als ein Newsletter für Labormedizin<br />
Dr. med. Edouard H. Viollier, FMH Innere Medizin<br />
Dominic Viollier, lic. oec. HSG<br />
Hepatitis B<br />
Der Weg zur Diagnose<br />
Hintergrund<br />
Der Erreger ist das hochinfektiöse Hepatitis B Virus (HBV) mit 6 – 8 Neuinfektionen pro Tag<br />
in der Schweiz. HBV wird beim Kontakt mit Körperflüssigkeiten (Blut und Genitalsekrete)<br />
infizierter Personen übertragen.<br />
Die Primärinfektion kann asymptomatisch, akut oder fulminant verlaufen. Meistens heilt die<br />
Infektion aus und verleiht dabei eine lebenslange Immunität. In 5 – 10% der Fälle entsteht ein<br />
chronischer Verlauf, der in eine Leberzirrhose oder ein Leberzellkarzinom übergehen kann.<br />
Erkrankungsbeginn<br />
Impfen schützt<br />
HBsAg<br />
HBeAg<br />
Ikterus<br />
Anti HBc IgG<br />
Anti HBc IgM<br />
Anti HBe<br />
Anti HBs<br />
Erstinfektion<br />
mit HBV<br />
-2 -1 0 1 2 3 4 5 6<br />
Zeit (in Monaten)<br />
Diagnose<br />
Die HBV Diagnostik basiert auf dem Vorliegen klinischer Symptome, der Bestimmung der<br />
Transaminasen sowie spezifischen serologischen und molekularbiologischen Analysen.<br />
• Im Rahmen einer Schwangerschaft wird ein HBV Suchtest empfohlen (auch bei Geimpften).<br />
• Beim Nachweis von HBs Ag sollte zusätzlich eine Koinfektion durch das Hepatitis D Virus<br />
(HDV Ak) ausgeschlossen werden.<br />
Verdacht Stadium Chronisch Impfschutz Virusreplikation<br />
Suchtest Status Verlauf Impfstatus Virämie (infektiös)<br />
HBs Ag / HBc Ak<br />
HBs Ag / HBe Ag<br />
HBc IgM / HBc Ak<br />
HBe Ak / HBs Ak<br />
HBs Ag<br />
HBs Ak<br />
HBe Ag<br />
HBs Ak<br />
HBV DNA PCR qn<br />
Material<br />
Preis<br />
Serologie<br />
Serum-Gel-Tube, goldgelb (1)<br />
Gemäss Analysenliste BAG<br />
HBV DNA Virämie<br />
EDTA-Tube, lila (6),<br />
unzentrifugiert<br />
Information Literatur auf Anfrage<br />
Dr. med. univ. Michael Nägele, Kandidat Spezialist für Labormedizin FAMH, Mikrobiologie<br />
Dr. rer. nat. Christiane Beckmann, Spezialistin für Labormedizin FAMH, Stv. Leiterin Mikrobiologie<br />
Dr. sc. nat. ETH Diana Ciardo, Spezialistin für Labormedizin FAMH, Stv. Leiterin Corelab, Stv. Leiterin Mikrobiologie<br />
Dr. med. Olivier Dubuis, Spezialist für Labormedizin FAMH, Leiter Mikrobiologie<br />
Dr. phil. II Claudia Lang, Spezialistin für Labormedizin FAMH, Stv. Leiterin Mikrobiologie<br />
Redaktion<br />
Dr. med. Maurice Redondo, FMH Hämatologie, Spezialist für Labormedizin FAMH, Bereichsleiter Produktion West
EDITORIAL<br />
Foto: Severin Novacki<br />
Catherine Aeschbacher<br />
Chefredaktorin <strong>VSAO</strong>-Journal<br />
Selten, edel, teuer<br />
Für den Designer und die Auktionatorin ist die Sache klar:<br />
Kostbar wird ein Gegenstand, wenn er selten und von hoher<br />
Qualität ist – und eine Nachfrage besteht. Sind diese Kriterien<br />
erfüllt, wird aus kostbar in der Regel auch kostspielig. Dabei<br />
spielt der Materialwert nicht zwingend eine Rolle. Eine Briefmarke<br />
ist ein bedrucktes Stückchen Papier, das, falls selten,<br />
schön und nachgefragt, ziemlich teuer sein kann. Welch seltsame<br />
Blüten im wahrsten Sinn des Wortes die Jagd nach einem<br />
Statussymbol treiben kann, zeigen wir anhand des holländischen<br />
Tulpenfiebers auf. Dieses ist zwar längst abgeklungen,<br />
seine Spuren lassen sich aber bis in Schweizer Bauernstuben<br />
verfolgen. Blutige Spuren hinterlassen zuweilen auch Kostbarkeiten,<br />
die kaum je an Wert verlieren: Diamanten und Edelmetalle.<br />
Im Fokus-Teil beschäftigen wir uns mit Blutgold und<br />
dessen verschlungenen Pfaden. Der Kampf um einen Apfel<br />
mündete einst in den Trojanischen Krieg. Um den Iffland-Ring<br />
wird zwar nicht ganz so heftig gerungen, aber zu Zwistig keiten<br />
kann er sehr wohl führen. Zu den von uns präsentierten Kostbarkeiten<br />
gehören schliesslich noch die Seltenen Erden und<br />
das kostbarste Gut von allen – die Zeit.<br />
Um die kostbare Zeit geht es auch im Politik-Teil. Genauer um<br />
jene Zeit, die Ärztinnen und Ärzte mit administrativen Tätigkeiten<br />
verbringen. Der <strong>VSAO</strong> hat der ausufernden Bürokratie<br />
unter dem Motto «Medizin statt Bürokratie!» den Kampf angesagt.<br />
Nun rollt die zweite Welle der Kampagne an. Dass man<br />
nicht zwingend bis zu 80 Prozent seines Arbeitsalltags vor dem<br />
PC verbringen muss, beweisen drei Spitäler mit wegweisenden<br />
Projekten. Das Hôpital du Jura wurde nicht zuletzt für seine<br />
Bemühungen in diesem Bereich mit der vom <strong>VSAO</strong> alljährlich<br />
vergebenen Spitalrose ausgezeichnet.<br />
Viel Papier hat bislang auch die Zulassungssteuerung erzeugt.<br />
Eine Lösung wurde jedoch noch nicht gefunden. Die vom<br />
Bundesrat im Mai vorgeschlagene Regelung soll im Sommer<br />
2019 in Kraft treten, wenn sie denn vom Parlament gutgeheissen<br />
wird. Der <strong>VSAO</strong> wird sich in die Diskussion einbringen,<br />
um eine möglichst vorteilhafte Lösung für die Mitglieder<br />
zu erzielen.<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
5
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POLITIK<br />
GESUNDHEITSPOLITIK<br />
«Medizin statt Bürokratie!» –<br />
konstruktiv und konkret<br />
Die zweite Welle der <strong>VSAO</strong>-Kampagne «Medizin statt Bürokratie!» rollt an. Unter dem Motto<br />
«konstruktiv und konkret» zeigen Beispiele aus der Praxis, wie sich die administrative Belastung<br />
der Spitalärztinnen und -ärzte reduzieren lässt. Zudem geht bald eine neue Themenwebsite<br />
online. Und: Der <strong>VSAO</strong> wird mit seinem Anliegen im Bundeshaus anklopfen.<br />
Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation/stv. Geschäftsführer <strong>VSAO</strong><br />
Vor genau einem Jahr fiel der Startschuss<br />
für die Kampagne «Medizin statt Bürokratie!».<br />
Sie richtete sich in der ersten<br />
Etappe vor allem an die Leitungen der<br />
Spitäler und Weiterbildungsstätten. Das<br />
Ziel: sensibilisieren. Mit leichtem Augenzwinkern<br />
illustrierte ein Leiterspiel die<br />
bürokratischen Hürden für Ärztinnen und<br />
Ärzte auf dem Weg ans Krankenbett. Zusätzlich<br />
informierte eine Broschüre über<br />
Lösungsansätze, die den Anteil der Bürotätigkeiten<br />
im ärztlichen Dienst verringern<br />
– zum unmittelbaren Nutzen der<br />
Patienten und auch der Finanzen. Denn<br />
weniger Administration heisst weniger<br />
Kosten.<br />
Bei den Lösungen setzt nun die Fortsetzung<br />
an. «Aufgrund einer Umfrage in<br />
unseren Sektionen haben wir drei Spitäler<br />
herausgegriffen, um konkret aufzuzeigen,<br />
dass man etwas tun kann», erklärt <strong>VSAO</strong>-<br />
Präsidentin Anja Zyska. Was getan wird,<br />
ist unterschiedlich. «Deshalb zum Auftakt<br />
der zweiten Kampagnenwelle mal diese<br />
drei Beispiele, stellvertretend für viele andere,<br />
die es sicher gibt.» Man freue sich<br />
auf weitere Rückmeldungen, «da wir in<br />
einem nächsten Schritt den Katalog von<br />
möglichen, weil schon umgesetzten Massnahmen<br />
erweitern und propagieren wollen»,<br />
so Zyska.<br />
Hôpital du Jura:<br />
Es gewinnen alle<br />
Das erste Beispiel stammt aus dem Jura.<br />
Angeregt durch die Kampagne entstand<br />
im Kantonsspital mit der lokalen <strong>VSAO</strong>-<br />
Sektion eine Arbeitsgruppe zum Thema<br />
«Medizin statt Bürokratie!». Derzeit läuft<br />
ein erster Test: Das Sekretariat der Abteilung<br />
Innere Medizin wurde reorganisiert,<br />
damit seine Mitarbeitenden zusätzliche<br />
Aufgaben übernehmen und die Ärzteschaft<br />
entlasten können. «Etwa beim<br />
Diktieren», präzisiert Spitaldirektor Thierry<br />
Charmillot: «Die Assistentin prüft die auf<br />
Band gesprochenen Krankenberichte zum<br />
weiteren Vorgehen. Bei Bedarf ruft sie<br />
auch den Hausarzt der Patientin an, um<br />
fehlende Informationen im Dossier zur<br />
bisherigen Behandlung einzuholen.»<br />
Das Hôpital du Jura bietet in der Inneren<br />
Medizin jedes Jahr zirka 55 Weiterbildungsplätze<br />
an. Nicht zuletzt für die<br />
Schaffung der Arbeitsgruppe hat es vom<br />
<strong>VSAO</strong> kürzlich die Spitalrose erhalten (siehe<br />
Bericht Seite 11). Direktor Charmillot<br />
weist darauf hin, dass die finanziellen<br />
Rahmenbedingungen für Verbesserungen<br />
schwierig seien. Aber von den Veränderungen<br />
profitierten alle: «Unseren jungen<br />
Ärztinnen und Ärzten werden Bürden<br />
abgenommen, und für die Mitarbeitenden<br />
im Sekretariat wird das Aufgabenspektrum<br />
interessanter.»<br />
Spital Thun:<br />
«reduce to the max»<br />
Szenenwechsel, Spital Thun im Kanton<br />
Bern. Dort steht die administrative Belastung<br />
seit längerem auf der Agenda, namentlich<br />
in der Medizinischen Klinik. Am<br />
Ball ist eine Arbeitsgruppe mit dem Namen<br />
«reduce to the max». Sie setzt sich<br />
aus der Leitung der Medizinischen Klinik<br />
(zwei leitende Ärzte) sowie zwei Vertretern<br />
der Assistenzärzte zusammen. Fallweise<br />
hinzu kommen Chefarzt Armin Stucki<br />
und sein Stellvertreter. «Wir holen über die<br />
Assistenzärzte regelmässig Verbesserungsvorschläge<br />
ein und schauen gemeinsam,<br />
ob und falls ja wie sich diese realisieren<br />
lassen», erläutert Stucki. «Darüber hinaus<br />
haben wir beschlossen, getroffene Massnahmen<br />
regelmässig zu überprüfen.»<br />
Der Chefarzt schildert ein Beispiel, das<br />
sich in der Praxis bereits bewährt hat:<br />
Wenn eine Assistenzärztin Unterlagen von<br />
extern anfordern muss, kann sie sich diese<br />
neu per E-Mail ins Sekretariat übermitteln<br />
lassen. Dort werden die Dokumente<br />
direkt ins Informationssystem der Klinik<br />
eingespeist. «Der Umweg über die Ärztin<br />
entfällt – und sie gewinnt wertvolle Zeit<br />
für ihre eigentliche Arbeit.»<br />
Ein anderes Thema ist die Patientenbetreuung,<br />
für die es in der Medizinischen<br />
Klinik spezielle Coaches gibt. Dabei handelt<br />
es sich um diplomierte Pflegefachfrauen,<br />
welche frühzeitig die Entlassung<br />
planen, Gespräche koordinieren und den<br />
Informationsfluss gewährleisten. Es geht<br />
um die Optimierung der Schnittstellen<br />
zwischen Arzt, Pflege und Patient. Wichtig<br />
sei, ergänzt Armin Stucki, «dass die Coaches<br />
zusammen mit den Assistenzärzten<br />
auf der Abteilung sind. Dadurch besteht<br />
ein enger Kontakt und Austausch, auch<br />
bei der Chefarztvisite und entsprechenden<br />
Entscheiden.» Im Weiteren führt die Klinik<br />
Qualitätszirkel durch, um Projekte<br />
interdisziplinär zu bearbeiten und sie an<br />
Anlässen allen Mitarbeitenden vorzustellen.<br />
Zu nennen ist etwa die Vereinfachung<br />
von Rezepten und das Erfassen der Medikamente<br />
beim Spitaleintritt.<br />
Spital Thusis:<br />
Kampf den Zeitfressern<br />
Im Spital Thusis in Graubünden wiederum<br />
hat man mit einer externen Firma die<br />
Durchlaufzeiten bei der Erstellung aller<br />
Berichte in der Chirurgie, Gynäkologie<br />
und Geburtshilfe unter die Lupe genommen.<br />
«Das Ärztesekretariat mit drei Teil-<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
7
POLITIK<br />
Die Fortsetzung der <strong>VSAO</strong>-Kampagne ist visuell sofort erkennbar. Sie basiert auf den Figuren<br />
und Illustrationen der ersten Welle, die unter anderem beim Leiterspiel Verwendung fanden.<br />
Zulassung: Wie weiter?<br />
Mitte 2019 soll eine neue, definitive Regelung für die Zulassung von Ärztinnen und<br />
Ärzten zum Beruf in Kraft treten. Als Nächstes wird das Parlament die Vorlage beraten.<br />
Auch der <strong>VSAO</strong> bringt sich dabei ein.<br />
Der Bundesrat hat im Mai die Botschaft für die künftige Zulassungssteuerung verabschiedet. Zwei<br />
Haupteinwänden des <strong>VSAO</strong> in der Vernehmlassung zum Gesetzesentwurf trägt er Rechnung: Er verzichtet<br />
zum einen auf eine zweijährige Wartefrist nach der Aus- und Weiterbildung. Zum andern sind<br />
die Kantone dafür zuständig, die Zulassungsgesuche und die Qualitätsanforderungen zu prüfen. Im<br />
Entwurf war diese Aufgabe einer Organisation zugedacht, welche die Krankenversicherer bezeichnen.<br />
Bei einem dritten zentralen Punkt hatte der Bundesrat kein Einsehen: Die Kantone sollen die Neuzulassung<br />
von Ärzten und Ärztinnen in einem oder mehreren ambulanten medizinischen Fachgebieten<br />
auf eine Höchstzahl beschränken können. Mehr noch, sie dürfen auch Neuzulassungen stoppen. Für<br />
den <strong>VSAO</strong> öffnet dies Bürokratie und Willkür Tür und Tor. Es drohen 26 unterschiedliche Praxen. Was<br />
es stattdessen braucht, ist eine überregionale Handhabung. Denn die heutige Realität sind Versorgungsräume,<br />
die über die Kantonsgrenzen hinausgehen. Zumal die einzelnen Kantone gar nicht die Zahlen<br />
und Instrumente für eine bedarfsgerechte Steuerung hätten.<br />
Gibt es einen dritten Weg?<br />
Wenn die Neuregelung wie vorgesehen Mitte 2019 in Kraft treten soll, muss sie das Parlament im<br />
laufenden Jahr verabschieden. Vorher sind harte Fronten programmiert: Während die rechten Parteien<br />
primär auf die Aufhebung des Vertragszwangs zwischen Leistungserbringern und Versicherern<br />
setzen, steht die Linke dem Vorschlag von SP-Gesundheitsminister Alain Berset wohlwollend gegenüber.<br />
Daher stellt sich auch die Frage nach einem dritten Weg.<br />
Ein Kompromiss könnte nach Ansicht des <strong>VSAO</strong> darin bestehen, dass es für die Zulassung wie bisher<br />
mindestens drei Jahre Tätigkeit an einer anerkannten Weiterbildungsstätte braucht – neu aber zusätzlich<br />
in der für die Zulassung beantragten Fachdisziplin. Ferner muss die in der Tätigkeitsregion erforderliche<br />
Sprachkompetenz mit einer Sprachprüfung in der Schweiz nachgewiesen werden, und zwar<br />
vor Berufsantritt. Für Personen, die über eine Schweizer Maturität verfügen oder das Staatsexamen in<br />
der Amtssprache der Tätigkeitsregion absolviert haben, entfällt die Prüfung.<br />
Dank dieser zwei Kriterien sind neue Ärzte in eigenverantwortlicher Tätigkeit gut mit dem schweizerischen<br />
Gesundheitssystem vertraut. Sie können sich präzise mit Patienten bzw. Fachleuten verständigen,<br />
eine umfassende Anamnese erheben sowie komplexe Texte und Fachdiskussionen verstehen und<br />
wiedergeben. Die vorgeschlagene Lösung hat nicht zuletzt den Vorteil, dass die Kantone über die Spitallisten<br />
und Leistungsaufträge weiterhin Einfluss auf die Zulassung nehmen können.<br />
zeitmitarbeiterinnen schreibt jährlich<br />
über 13 000 Berichte, also zirka 20 pro<br />
Person und Tag», führt Spitaldirektor<br />
Reto Keller aus. Bei der Analyse stachen<br />
die unzähligen Schnittstellen, die häufigen<br />
Rückfragen sowie mehrere Genehmigungs-,<br />
Prüf- und Nacharbeitsschleifen<br />
ins Auge. So dauerte die Erstellung eines<br />
Austrittsberichts bis zur Freigabe 13,5 Tage<br />
– das Verfassen selber hingegen nur 40<br />
Minuten.<br />
«Wir haben daher die Wege visualisieren,<br />
Informationsflüsse aufzeichnen, Bestände<br />
zählen und das Geschehen beobachten<br />
lassen», berichtet Reto Keller. «Bei den<br />
Änderungen lag uns dann am Herzen,<br />
dass das Ganze nicht in ein IT-Projekt<br />
ausartet. Bis auf die Erneuerung respektive<br />
Digitalisierung der Diktaphone wollten<br />
wir deshalb keine neuen Systeme einführen,<br />
sondern die vorhandene Infrastruktur<br />
effizienter und sinnvoller nutzen.» Zur<br />
Zeitersparnis wurden ausserdem die Abläufe<br />
organisatorisch vereinfacht und die<br />
Anzahl Schnittstellen reduziert.<br />
Von Gutem noch besser<br />
berichten<br />
Mehr über die drei Fallbeispiele ist ab Mitte<br />
September auf einer neuen Kampagnenwebsite<br />
zu erfahren. «Unsere Verbandswebsite<br />
soll zwar voraussichtlich im<br />
nächsten Jahr ohnehin ein frisches, zeitgemässes<br />
Gesicht erhalten», erzählt <strong>VSAO</strong>-<br />
Präsidentin Anja Zyska. «Aber wir möchten<br />
der Kampagne bereits jetzt mehr Gewicht<br />
geben und über Gutes noch besser<br />
berichten.»<br />
Zyska denkt dabei auch an den im Rahmen<br />
der Herbstsession geplanten Auftritt<br />
im Bundeshaus. Zu Einzelheiten lässt sie<br />
sich noch nicht in die Karten blicken.<br />
Doch sie verrät, dass die Aktion darauf<br />
abziele, den Parlamentsmitgliedern die<br />
Problematik mit Situationen aus der Praxis<br />
vor Augen zu führen. «Schliesslich<br />
können sie als Patientinnen und Patienten<br />
ebenfalls von den negativen Folgen<br />
von zu viel Bürokratie statt mehr Zeit für<br />
den Menschen betroffen sein.»<br />
Bei sämtlichen Aktivitäten während der<br />
zweiten Kampagnenwelle prüft der <strong>VSAO</strong><br />
die Vernetzung mit anderen Organisationen<br />
im Gesundheitswesen. Denn konstruktiv<br />
heisst nicht zuletzt Hand in Hand<br />
mit Partnern, wo dies sinnvoll ist. Grundsätzliche<br />
Absprachen dazu sind bereits<br />
getroffen.<br />
■<br />
8 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
Das kühle Rezept<br />
gegen hektik<br />
Patient X will den Termin verschieben, der Arzt muss zu einem Notfall, das Spital<br />
verlangt dringend das Dossier der Patientin Y und im Wartezimmer sitzen mehrere<br />
Neupatienten, deren Daten aufgenommen werden müssen. Beste Voraussetzungen<br />
für einen hektischen Arbeitstag, aber mit den Dienstleistungen und Informatikprodukten<br />
der Ärztekasse haben Sie alles problemlos im Griff!<br />
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POLITIK<br />
Auf den PUNKT gebracht<br />
Allzeit bereit –<br />
aber zu welchem Preis?<br />
Studien belegen, was im Spital bereits alltäglich<br />
ist: Eine Ärztin verbringt viel mehr<br />
Zeit am Computer als beim Patienten. So<br />
bleiben ihr zum Beispiel auf einer Station<br />
mit acht Patienten noch bescheidene 15<br />
Minuten pro Person und Tag.<br />
Der <strong>VSAO</strong> sieht hier nicht tatenlos zu, sondern<br />
legt mit seiner Kampagne «Medizin<br />
statt Bürokratie!» (siehe den gesundheitspolitischen<br />
Artikel auf Seite 7) den Finger<br />
auf den wunden Punkt. Die Spitäler sind<br />
aufgerufen, die Ärzte von delegierbarer<br />
Schreibtischarbeit zu entlasten, und werden<br />
von uns dabei unterstützt. Denn die<br />
mühselige Auseinandersetzung mit den<br />
vielen administrativen Aufgaben hat unerwünschte<br />
Nebenwirkungen. Eine davon<br />
sind die bekannten Überstunden. Gemäss<br />
unserer repräsentativen Mitgliederbefragung<br />
wird bei über der Hälfte der Mitglieder<br />
die gesetzliche Höchstgrenze von wöchentlich<br />
50 Stunden regelmässig überschritten.<br />
Ein Arzt mit einem Vollzeitpensum<br />
arbeitet im Schnitt fast 56<br />
Wochenstunden. Damit verbunden ist eine<br />
auf Dauer gravierende Nebenwirkung:<br />
Stress. Dieser äussert sich in vielfacher<br />
Hinsicht. Stress ist zum Beispiel, wenn am<br />
späteren Nachmittag nicht klar ist, ob die<br />
eigenen Kinder in der Tagesstätte noch<br />
rechtzeitig abgeholt werden können. Stress<br />
bedeutet, das Sporttraining für den persönlichen<br />
Ausgleich einmal mehr zu verpassen.<br />
Stress auslösen kann auch die<br />
Erkenntnis, nun schon wieder nicht zur<br />
ersehnten Erholung zu kommen, weil am<br />
nächsten Tag eine neue Reihe von Nachtdiensten<br />
beginnt.<br />
Hinzu kommt der Stress während des Arbeitstages:<br />
Gemäss unserer Mitgliederbefragung<br />
fühlt sich jede(r) zweite Befragte<br />
oft oder meist müde, jede(r) dritte ausgelaugt.<br />
Diese Eindrücke bestätigt die telefonische<br />
Anlaufstelle ReMed der FMH.<br />
2017 nahmen die Beratungen bei Ärztinnen<br />
und Ärzten in Krisensituationen markant<br />
zu (141 Fälle, in den vorherigen<br />
Jahren durchschnittlich 100 Fälle). Auffallend<br />
war besonders auch der Anstieg der<br />
Anzahl Beratungen bei den jüngeren Berufstätigen<br />
in Weiterbildung.<br />
Dass sich Stress negativ auf die mentale<br />
und körperliche Gesundheit auswirkt, ist<br />
längst erwiesen. Vor diesem Hintergrund<br />
erscheinen mir die aktuellen politischen<br />
Bestrebungen zur Lockerung der arbeitsgesetzlichen<br />
Bestimmungen als äusserst<br />
bedenklich. Die viel gepriesene Flexibilität<br />
wird als Feigenblatt benutzt, damit die<br />
Arbeitnehmenden letztlich dauernd erreichbar<br />
und mit einem Fuss stets bei der<br />
Arbeit sind. Umso wichtiger erachte ich<br />
das Engagement des <strong>VSAO</strong> im Bereich<br />
Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Freizeit.<br />
Und umso mehr gilt mein Respekt all<br />
jenen <strong>VSAO</strong>-Mitgliedern, die sich in ihrer<br />
raren Freizeit für unseren Verband engagieren<br />
und sich mit viel Herzblut für ihre<br />
Rechte starkmachen. Die Geschichte lehrt<br />
es uns täglich: Nur wer für seine Rechte<br />
einsteht, kann etwas bewegen und verändern.<br />
Zu guter Letzt und als Ausnahme sei noch<br />
der Fall einer seltenen angenehmen Nebenwirkung<br />
erwähnt. Das Engagement<br />
beim <strong>VSAO</strong> zeigt nebst dem spannenden<br />
Austausch unter Kolleginnen und Kollegen<br />
und neu geknüpften Freundschaften<br />
eines klar: Gemeinsam geht vieles leichter<br />
und vor allem gemeinsam ist man<br />
stark!<br />
■<br />
Simone Burkhard Schneider,<br />
Stabsjuristin/stv. Geschäftsführerin<br />
<strong>VSAO</strong><br />
10 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
Die Spitalrose blüht nun im Jura<br />
Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen oder bei der ärztlichen Weiterbildung lohnen sich:<br />
Mit der Spitalrose honoriert der <strong>VSAO</strong> entsprechende Bemühungen. Die jüngste Preisverleihung<br />
fand im Hôpital du Jura in Delsberg statt.<br />
Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation/stv. Geschäftsführer <strong>VSAO</strong><br />
Gesetzeskonforme und korrekt verbuchte<br />
Arbeitszeiten sollten selbstverständlich<br />
sein – sind es aber nicht: In vielen Spitälern<br />
wird die gesetzliche Höchstarbeitszeit<br />
von wöchentlich 50 Stunden weiterhin oft<br />
überschritten und die Überzeit häufig<br />
nicht erfasst.<br />
Doch es geht auch anders, wie das Hôpital<br />
du Jura zeigt. Das Kantonsspital beschäftigt<br />
an vier Standorten (Delsberg, Pruntrut,<br />
Saignelégier und in der Résidence La<br />
Promenade, ebenfalls in Delsberg) 1650<br />
Personen und betreibt rund 500 Betten. In<br />
der Inneren Medizin stehen jährlich etwa<br />
55 Weiterbildungsplätze zur Verfügung.<br />
Gemeinsam mit der <strong>VSAO</strong>-Sektion Jura<br />
wurden bei den Anstellungsbedingungen<br />
grosse Fortschritte gemacht. Alle Assistenz-<br />
und Oberärztinnen und -ärzte profitieren<br />
mittlerweile von einer präzisen<br />
Zeiterfassung mit Kompensation oder<br />
Auszahlung sämtlicher Überstunden am<br />
Ende der Anstellung. Eine weitere Neuerung<br />
ist der erstmals abgeschlossene Gesamtarbeitsvertrag<br />
(GAV). Darin verankert<br />
sind unter anderem unbefristete Arbeitsverträge,<br />
ein Vaterschaftsurlaub von zehn<br />
Tagen sowie mehr Ferien ab einem bestimmten<br />
Lebens- bzw. Dienstalter. Zudem<br />
prüft eine Arbeitsgruppe, wie sich die<br />
Belastung durch die zunehmende Bürokratisierung<br />
des Arztberufs verringern<br />
lässt.<br />
■<br />
Angesichts der positiven Erfahrungen<br />
hat der Zentralvorstand des<br />
<strong>VSAO</strong> entschieden, die Spitalrose bis<br />
2021 zu verleihen.<br />
Geteilte Freude ist doppelte Freude (v. l. n. r.): Valentin Simonin, Präsident der <strong>VSAO</strong>-Sektion Jura, Thomas Sauvain,<br />
Verwaltungsratspräsident ad interim des Hôpital du Jura, <strong>VSAO</strong>-Präsidentin Anja Zyska und Spitaldirektor<br />
Thierry Charmillot bei der Preisübergabe. (Bilder: Olivier Guerdat, Hôpital du Jura)<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
11
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
Visitationen:<br />
Wichtiges auf drei Seiten<br />
Visitationen sind wichtig, um die Qualität der ärztlichen Weiterbildung sicherzustellen. Deshalb<br />
ist der <strong>VSAO</strong> bei diesen Besuchen stets dabei. Ein Treffen in Bern bot den <strong>VSAO</strong>-Visitatorinnen und<br />
-Visitatoren Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch. Als Hilfsmittel steht ihnen neu ein Dokument<br />
mit den wichtigsten Fragen und Antworten zur Verfügung.<br />
Sabrina Ribeaud, Sachbearbeiterin Weiterbildung und Recht<br />
Jedes Jahr finden in rund 100 Weiterbildungsstätten<br />
aus allen Fachgebieten Visitationen<br />
statt. Dabei prüft ein dreiköpfiges<br />
Besuchsteam vor Ort die Umsetzung des<br />
Weiterbildungskonzepts. Dies soll gewährleisten,<br />
dass die Kriterien des jeweiligen<br />
Weiterbildungsprogramms erfüllt werden.<br />
Ziel ist es, im Sinne einer positiv-konstruktiven<br />
Rückmeldung Verbesserungspotenziale<br />
zu erkennen und zu nutzen. Um<br />
seine Visitatorinnen und Visitatoren gut<br />
auf ihre Aufgabe vorzubereiten, lädt sie<br />
der <strong>VSAO</strong> periodisch zu Treffen ein.<br />
Beim jüngsten Stelldichein im Zentralsekretariat<br />
in Bern widmete sich Dina-Maria<br />
Jakob, die Visitationsverantwortliche<br />
des <strong>VSAO</strong>, insbesondere der Vorbereitung,<br />
Durchführung und Nachbearbeitung der<br />
Besuche. Die Informationen boten den 20<br />
Anwesenden – Neulinge und alte Hasen<br />
bunt gemischt – anschliessend bei Speis<br />
und Trank Stoff für angeregte Gespräche.<br />
«Wichtig ist, den persönlichen Eindruck und die kritischen Punkte nach<br />
der Visitation im Bericht zu erwähnen», unterstreicht Dina-Maria Jakob,<br />
Visitationsverantwortliche beim <strong>VSAO</strong> und Mitglied im Geschäfts ausschuss.<br />
Den Austausch fördern<br />
Der Verband will den Austausch unter den<br />
Visitatorinnen und Visitatoren auch neben<br />
den offiziellen Zusammenkünften fördern.<br />
Da sich im Rahmen der Besuche oft<br />
immer wieder ähnliche Fragen stellen,<br />
hat der <strong>VSAO</strong> vor dem letzten Treffen eine<br />
Umfrage lanciert. Das Dokument mit den<br />
wichtigsten dieser Fragen und natürlich<br />
vor allem mit den Antworten ist nun auf<br />
der Website aufgeschaltet (siehe unter Weiterbildung/Visitationen).<br />
Hinweise zu<br />
weiteren wichtigen Aspekten werden gerne<br />
entgegengenommen. Kontakt, auch für<br />
neu Interessierte: ribeaud@vsao.ch. ■<br />
Vorbereiten, durchführen, nachbearbeiten: Alle drei Phasen sind für<br />
eine erfolgreiche Visitation gleichermassen wichtig, wie der Erfahrungsaustausch<br />
unter den <strong>VSAO</strong>-Visitatorinnen und -Visitatoren zeigte.<br />
(Bilder: Micha Riechsteiner)<br />
12 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
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Signifikante Entzündungshemmung 2<br />
Mit oralem NSAR kombinierbar<br />
Natürlich wirksam<br />
Referenzen: 1. Kucera M and Hladikova M (2012). «Topischer Beinwellextrakt: Studie bestätigt rasche Wirksamkeit bei Myalgien durch Überlastung oder akut stumpfe Traumen.»<br />
J. Pharmakol. Ther. 21(4): 112-117. 2. Casetti F, Wölfl e U, Seelinger G and Schempp CM (2014). «Beinwellsalbe. Klinischer Nutzen und Wirkmechanismus in der Haut.» Z. Phytother.<br />
35(6): 268-272.<br />
Traumaplant ® Salbe Z: 1 g: Symphyti herbae recentis extractum eth. liq. (DER 2–3:1) 100 mg. I: Prellungen, Verstauchungen, Gelenk- und Muskelschmerzen, Schürf wunden.<br />
D: Kinder >6 Jahre u. Erw.; 1–5x tgl. UW: Selten: Allerg. Hautreaktionen. P: Tube 100 g. Abgabekategorie: D. Kassenzulässig. Ausführliche Angaben siehe www.swissmedicinfo.ch.<br />
Weitere Informationen: BioMed AG, 8600 Dübendorf, www.biomed.ch. © BioMed AG. 11/2016. All rights reserved.
WEITERBILDUNG / ARBEITSBEDINGUNGEN<br />
Sitzt der «Steigbügel» richtig?<br />
«Steigbügel» ist ein Projekt, das Ärztinnen beim Wiedereinstieg in den Beruf unterstützt. Als<br />
Steigbügelhalterin wirkt medical women switzerland (mws). Nach dem Start vor einem halben Jahr<br />
zeigt sich: Manches läuft anders als gedacht. Das «<strong>VSAO</strong>-Journal» fühlt Projektleiterin Marianna<br />
Bodenmann-Zanetti auf den Zahn.<br />
Marcel Marti, Leiter Politik und Kommunikation/stv. Geschäftsführer <strong>VSAO</strong><br />
Frau Bodenmann, was hat<br />
mws bewogen, das Projekt<br />
«Steigbügel» zu lancieren?<br />
Die Schweizer Universitäten haben während<br />
Jahren zu wenig Ärztinnen und Ärzte<br />
ausgebildet. Hinzu kommt, dass etwa<br />
ein Zehntel davon nicht mehr kurativ tätig<br />
ist. Gerade Ärztinnen möchten aber gerne<br />
wieder in der Grundversorgung arbeiten.<br />
Da setzen wir an.<br />
Und wie geschieht das?<br />
Wir arbeiten mit den Praxen der Medbase-<br />
Gruppe zusammen. Diese hat speziell<br />
geschulte Lehrpraktiker, um interessierten<br />
Frauen den Wiedereinstieg in den<br />
Arztberuf zu ermöglichen. Während dreier<br />
Jahre wird im Rahmen einer Praxisassistenz<br />
eine zwölfmonatige praktische<br />
Tätigkeit mit einem Beschäftigungsgrad<br />
von 50 Prozent angeboten. Man arbeitet<br />
also vollwertig im Team mit. Als Ergänzung<br />
zu den Schulungen und Netzwerkanlässen<br />
gibt es Einzel- und Gruppenberatungen.<br />
An wen genau richten Sie sich<br />
mit dem Projekt?<br />
Unsere Zielgruppe sind Grundversorgerinnen<br />
mit weit fortgeschrittener Weiterbildung,<br />
die aus familiären Gründen mindestens<br />
zwölf Monate nicht mehr erwerbstätig<br />
waren. Ziel ist der unterstützte Wiedereinstieg<br />
mit der Möglichkeit eines<br />
Weiterbildungsabschlusses in Allgemeiner<br />
Innerer Medizin.<br />
Haben Sie für den «Steigbügel»<br />
Partner gefunden?<br />
Ja. Finanzielle Unterstützung leisten unter<br />
anderem das SECO (Staatssekretariat für<br />
Wirtschaft) sowie das Eidgenössische Büro<br />
für die Gleichstellung von Frau und Mann<br />
(EBG). Auch das Schweizerische Institut<br />
für ärztliche Weiter- und Fortbildung<br />
(SIWF) und die Stiftung zur Förderung<br />
der Weiterbildung in Hausarztmedizin<br />
(WHM) stehen hinter uns. Das Institut für<br />
Medizinische Lehre (IML) macht zudem<br />
die Begleitevaluation.<br />
Wie sieht denn die Zwischenbilanz<br />
seit dem Start am<br />
1. März <strong>2018</strong> aus?<br />
Ehrlich gesagt durchzogen. Es gab doch<br />
die eine oder andere Überraschung. Ich<br />
habe rund 20 ernsthafte Anfragen erhalten.<br />
Fünf davon passen in unser Programm,<br />
darunter ist auch ein Mann.<br />
… was aber wohl nicht die<br />
grösste Überraschung war?<br />
Das ist so – und schon gar keine negative<br />
(lacht). Als Stolpersteine erweisen sich<br />
jedoch die Bewilligungen: In jedem einzelnen<br />
Fall muss abgeklärt werden, ob die<br />
bisherige Weiterbildung für den Wiedereinstieg<br />
anerkannt wird. Was Zeit braucht<br />
und mit einer grossen Enttäuschung enden<br />
kann.<br />
Zum Beispiel?<br />
Eine Interessentin aus Vevey erhielt nach<br />
sechsmonatigen Abklärungen in der<br />
Glaubt trotz eher harzigem Start an<br />
ein Gelingen: Marianna Bodenmann-Zanetti,<br />
bei mws Leiterin des<br />
Projekts «Steigbügel». (Bild: zvg)<br />
Waadt den Bescheid, dass ihr die Weiterbildung<br />
in innerer Medizin beim «Steigbügel»<br />
nichts nützt. Grund: Diese Weiterbildung<br />
fand in Afrika statt. Deshalb versucht<br />
die Frau ihr Glück jetzt im Wallis.<br />
Eine andere Ärztin stammt aus Italien. Sie<br />
ist Onkologin, und für den Facharzttitel<br />
Allgemeine Innere Medizin (AIM) fehlen<br />
ihr 18 Monate. Sobald ihr der Kanton die<br />
Arbeitserlaubnis erteilt, kann sie bei Med-<br />
Base in St. Gallen beginnen. Und ganz<br />
abgesehen davon brauchen Frauen, die<br />
bei uns mitmachen wollen, in aller Regel<br />
zuerst auch einen Platz für die Kinderbetreuung.<br />
Was mich übrigens nicht überrascht hat:<br />
Es haben sich viel mehr Lehrpraktiker<br />
inklusive Gruppenpraxen von Netzwerken<br />
und sogar Spitäler bei uns gemeldet. Ich<br />
musste vorerst allen mitteilen, dass ich sie<br />
sehr gerne berücksichtigen werde, wenn<br />
sie selber eine Kandidatin finden.<br />
Wie geht es denn jetzt weiter?<br />
Trotz der gemischten Erfahrungen: Entmutigt<br />
bin ich nicht. Wir sind bei mws<br />
inzwischen offen für eine Erweiterung des<br />
Programms: Es können sich auch Kandidatinnen<br />
melden, welche erst zwei bis drei<br />
Jahre Spitalerfahrung in Innerer Medizin<br />
mitbringen. Abgesehen davon rühre ich<br />
wie bei unserem Interview die Werbetrommel<br />
für das «Steigbügel»-Projekt. Denn<br />
ich bin sicher, dass unsere Idee ein Bedürfnis<br />
abdeckt und die anfängliche<br />
Durststrecke deshalb nicht mehr ewig<br />
dauert.<br />
■<br />
Für Anfragen und weitere<br />
Informationen:<br />
Dr. med. Marianna Bodenmann-Zanetti<br />
Eichstrasse 4<br />
8620 Wetzikon<br />
marianna.bodenmann@medbase.ch<br />
www.medbase.ch<br />
marianna.bodenmann@medicalwomen.ch<br />
www.medicalwomen.ch<br />
14 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
12. Ausgabe – 12 ème édition<br />
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<strong>VSAO</strong><br />
SEKTION BASEL<br />
Der <strong>VSAO</strong> Basel<br />
tagte im Basler<br />
Fussballstadion<br />
Für die Auflage seiner ordentlichen Mitgliederversammlung<br />
von <strong>2018</strong> wählte der<br />
<strong>VSAO</strong> Basel eine wohl populäre, in diesem<br />
Fall aber eher ungewöhnliche Stätte. Man<br />
traf sich am 30. Mai zur Bereinigung der<br />
Jahresgeschäfte im Stadion St. Jakob-<br />
Park, der grössten Schweizer Fussballarena,<br />
eröffnet im Jahr 2001. Die Eröffnung<br />
des Stadions markierte den Beginn einer<br />
jahrelangen Dominanz des FC Basel 1893,<br />
ehe dieses Jahr der Schweizer Meistertitel<br />
wieder einmal nach Bern zu den Young<br />
Boys ging.<br />
Um sich auch über derlei schöne Nebensächlichkeiten<br />
zu unterhalten, dazu hatten<br />
die teilnehmenden Ärztinnen und<br />
Ärzte vor und nach der Versammlung<br />
genügend Zeit. Denn der geschäftliche<br />
Teil fand zwischen einer Stadionführung<br />
und einem «Apéro riche» im VIP-Bereich<br />
des «Joggeli» statt, wie das Stadion im<br />
Volksmund heisst.<br />
Zum zweiten Mal nach 2017 versuchte die<br />
Geschäftsleitung des <strong>VSAO</strong> Basel, der die<br />
Juristin Claudia von Wartburg, eine Spezialistin<br />
für Arbeitsrecht, vorsteht, die<br />
traditionell (zu) geringe Teilnehmerzahl<br />
zu verbessern. Im Vorjahr war die Mitgliederversammlung<br />
an eine Besichtigung<br />
eines Oldtimermuseums in Muttenz geknüpft,<br />
dieses Mal stand die Stadionbesichtigung<br />
im Mittelpunkt, bei der die<br />
Teilnehmenden das seltene Privileg hatten,<br />
ein paar Blicke in die Mannschaftskabine<br />
des FCB zu werfen.<br />
Rein quantitativ stand der Aufwand in<br />
einem unbefriedigenden Verhältnis zum<br />
Ertrag. Denn der Fakt, dass auch dieses<br />
Mal nur ein paar Dutzend von weit über<br />
2000 Mitgliedern der Einladung folgten,<br />
bestätigte eine Vermutung: Die Mehrzahl<br />
der <strong>VSAO</strong>-Mitglieder schätzt den Verband<br />
zweifellos, ist auch froh über sein Leistungsangebot,<br />
betrachtet aber unsere<br />
Organisation vermutlich in erster Linie als<br />
eine Art «Versicherung» für einen allfälligen<br />
beruflichen Problemfall.<br />
Für den <strong>VSAO</strong> Basel, der im Moment plant,<br />
auch im Jahr 2019 die Mitgliederversammlung<br />
mit einem Zusatzprogramm<br />
zu ergänzen, wäre es interessant, zu vernehmen,<br />
ob auch in anderen Sektionen<br />
die Teilnehmerzahl bei Versammlungen<br />
gering ist und ob es da oder dort gar Ideen<br />
für eine Verbesserung dieser Sachlage<br />
gibt.<br />
Auf jeden Fall lohnte es sich für jene, die<br />
<strong>2018</strong> ins Basler Stadion kamen. Entwickelte<br />
sich in der Versammlung selbst, in der<br />
es neben den üblichen statutengemässen<br />
und damit «vorgeschriebenen Traktanden»<br />
keine spektakulären Geschäfte abzuarbeiten<br />
gab, doch eine länger dauernde,<br />
sehr spannende Diskussion zum Thema<br />
administrative Überbelastung von Ärzten<br />
vor allem in Spitälern und Kliniken.<br />
Alle wissen davon, viel zu wenige in den<br />
Spitaldirektionen oder in der Politik tun<br />
jedoch etwas Nachhaltiges dagegen. So<br />
wenden Mediziner weiterhin Tag für Tag<br />
unverantwortlich viel Energie für die Administration<br />
auf, wodurch das Patientenwohl<br />
zu kurz kommt. Aus diesem Grund<br />
plant der <strong>VSAO</strong> Basel zu dieser oft unsinnig<br />
grossen administrativen Belastung<br />
der Ärzteschaft an Spitälern eine umfangreiche<br />
und möglichst aussagekräftige<br />
Untersuchung. Sie soll eine unterstützende<br />
Ergänzung zur laufenden nationalen<br />
Kampagne des <strong>VSAO</strong> Schweiz («Medizin<br />
statt Bürokratie!») sein.<br />
Personell bleiben Vorstand und Geschäftsstelle<br />
des <strong>VSAO</strong> Basel weiterhin in fast allen<br />
Belangen unverändert. Miodrag Savic<br />
ist seit dem laufenden Geschäftsjahr alleiniger<br />
Präsident. Dazu gesellen sich die<br />
Vorstandsmitgliedern Sibyl Iso, Alexandra<br />
Nagy, Susi Stöhr, Sonja Trüstedt, Sebastian<br />
Lamm, Martin Sailer, Sergio Sesia und<br />
Florian Thieringer.<br />
■<br />
Josef Zindel<br />
Öffentlichkeitsbeauftragter<br />
der Sektion Basel<br />
Kitaplatz gesucht – der <strong>VSAO</strong> hilft<br />
Wenn Sie einen Betreuungsplatz für Ihr Kind suchen, denken Sie daran: Seit 2011 unterstützt<br />
Ihr Verband Sie bei dieser zeitaufwendigen Aufgabe. Eine Anfrage mittels Online-Formular beim <strong>VSAO</strong> genügt und Sie<br />
erhalten Informationen zu verfügbaren Plätzen in Ihrer Wunschregion und die entsprechenden Kontaktdaten<br />
der Tagesstätten. Weitere wichtige Informationen und das Formular finden Sie unter der neuen Rubrik Arztberuf und Familie<br />
auf der <strong>VSAO</strong>-Homepage www.vsao.ch.<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
17
<strong>VSAO</strong><br />
SEKTION BERN<br />
Spannende<br />
Zahlen zum Teilzeitprojekt<br />
Der <strong>VSAO</strong> Bern hat vor rund drei Jahren<br />
eine Projektgruppe zum Thema Schaffung<br />
von Teilzeitstellen für Ärztinnen und<br />
Ärzte in Weiterbildung ins Leben gerufen.<br />
Es ging darum, die Vor- und Nachteile<br />
sowie die Chancen und Risiken zu evaluieren.<br />
Zusammen mit der Insel Gruppe<br />
fand im Universitären Notfallzentrum des<br />
Inselspitals ein erstes Pilotprojekt statt.<br />
Zusätzlich konnte die Neurologie für das<br />
Projekt gewonnen werden. Nachfolgend<br />
sind interessante Ergebnisse aus der im<br />
Frühling im Universitären Notfallzentrum<br />
durchgeführten zweiten Umfrage<br />
dargestellt.<br />
Bereits mit der Durchführung des Projekts,<br />
also noch ohne das Ableiten von<br />
konkreten Massnahmen, konnten Veränderungen<br />
festgestellt werden, wie diese<br />
Antworten zeigen:<br />
• Es arbeiten mehr Leute Teilzeit (29,4%).<br />
• Es wurde mehr über Teilzeit diskutiert<br />
(55,8%).<br />
• Meine Einstellung zur Teilzeitarbeit hat<br />
sich positiv verändert (20,6%).<br />
• Ich wurde ermutigt, mein Pensum zu<br />
reduzieren (11,7%).<br />
Fazit: Allein durch die Aufnahme der Thematik<br />
hat sich die Haltung der Mitarbeitenden<br />
zu Teilzeitarbeit positiv verändert.<br />
Aufgrund dieser Ergebnisse wird die Sektion<br />
Bern das Projekt weiterhin intensiv<br />
vorantreiben und in einem ersten Schritt<br />
versuchen, ein regionales Spitalzentrum<br />
oder ein Privatspital zum Mitmachen zu<br />
bewegen. Dadurch lassen sich die Ergebnisse<br />
miteinander vergleichen. Das langfristige<br />
Ziel ist, ein Modell zu entwickeln,<br />
welches erlaubt, Stationsarbeit auch für<br />
Assistenzärztinnen und -ärzte mit einem<br />
Pensum in der Grössenordnung von 80<br />
Prozent attraktiv zu gestalten. ■<br />
Janine Junker,<br />
Geschäftsführerin <strong>VSAO</strong> Bern<br />
Längere<br />
Weiterbildun…<br />
Keine<br />
Betreung fü…<br />
Aufwand für<br />
Planung des…<br />
Betreuung der<br />
Kinder zu teuer<br />
Weniger Lohn<br />
Keine<br />
Begründung<br />
Andere Gründe<br />
(bitte angeben)<br />
Wenn Sie frei wählen könnten, welches Arbeitspensum würden<br />
Sie wählen? (beantwortet: 36, übersprungen: 3)<br />
Fazit: Das Wunschpensum liegt zwischen 70 und 80 Prozent.<br />
Was sind Gründe gegen ein Teilzeitpensum? (beantwortet: 34,<br />
übersprungen: 5)<br />
Fazit: Die Lohneinbusse und die Verlängerung der Weiterbildungszeit<br />
sprechen gegen eine Reduktion des Pensums.<br />
Antwortoptionen<br />
Beantwortungen<br />
Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf 78,79% 26<br />
Längere Erholungsphasen 69,70% 23<br />
Mehr Freizeit 51,52% 17<br />
Angst vor Überforderung 9,09% 3<br />
Antworten gesamt: 33<br />
Was wären/sind Gründe für ein Teilzeitpensum? (beantwortet: 33, übersprungen: 6)<br />
Fazit: Das Bedürfnis nach Teilzeitarbeit besteht neben der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch für<br />
längere Erholungsphasen und mehr Freizeit.<br />
18 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
<strong>VSAO</strong><br />
SEKTION GRAUBÜNDEN<br />
«Graubünden<br />
vernetzt»<br />
Schwungvoll und mit zahlreichen Ideen<br />
ist der erfreulich grösser gewordene Vorstand<br />
gestartet. Mit dem Flyer «Graubünden<br />
vernetzt», auf dem eine Karte mit den<br />
Telefonnummern aller Bündner Spitäler<br />
mit Zusatzangaben zum <strong>VSAO</strong> Graubünden<br />
ergänzt wurde, wurden zwei Schwerpunkte<br />
der Sektion publikumswirksam<br />
lanciert. Neben der Aufklärung über die<br />
Tätigkeiten und den Nutzen einer Mitgliedschaft<br />
geht es darum, die Anbindung<br />
der zahlreichen peripheren Bündner Spitäler<br />
weiter vorantreiben.<br />
Zusätzlich zur Sicherstellung eines ausreichenden<br />
Weiterbildungsangebots in Form<br />
eines kantonalen Weiterbildungskalenders<br />
soll diesen Spitälern bei Besuchen der<br />
Puls gefühlt werden. So lassen sich die<br />
Auswirkungen des zunehmenden Drucks<br />
auf sie erkennen, und die Assistenz- und<br />
Oberärzte können unterstützt und in ihren<br />
Rechten vertreten werden. Erfreulicherweise<br />
treibt auch die <strong>VSAO</strong>-Spitalrose,<br />
welche letztes Jahr an die Geschäftsleitung<br />
des Kantonsspitals für das Engagement<br />
als attraktiver Arbeitsgeber ging, neue<br />
Blüten: mit einer umfassenden Informationsseite<br />
auf dem Intranet des KSGR zum<br />
Thema Elternschaft.<br />
■<br />
Manuel Vestner,<br />
Vorstandsmitglied Sektion<br />
Graubünden<br />
Der neu zusammengesetzte Vorstand der Sektion Graubünden (v. l. n. r.): Samuel Nadig (Sektionsjurist),<br />
Alexandra Tabord, Atanas Todorov, Hanna Wellauer, Manuel Vestner, Jelsche Apel und Livia Küchler. Auf dem<br />
Foto fehlen Stephanie Eich sowie Stefanie Herzog. (Bild: <strong>VSAO</strong> GR)<br />
Feedback-Pool<br />
(D)ein kleiner, aber wertvoller<br />
Beitrag für eine gute<br />
Weiter- und Fortbildung<br />
Um im Bereich der ärztlichen Weiter- und Fortbildung Meinungen<br />
unserer Mitglieder zu einem Thema einholen zu<br />
können, wurde der Feedback-Pool eingerichtet.<br />
Macht mit, und helft dem <strong>VSAO</strong> damit, den Horizont im Ressort<br />
Weiterbildung etwas zu erweitern und Überlegungen<br />
breiter abzustützen.<br />
Weitere Infos unter www.vsao.ch und Anmeldung per E-Mail<br />
an ribeaud@vsao.ch.<br />
Deine Erfahrung zählt!<br />
Visitationen bilden ein Element für das Überprüfen und Sicherstellen<br />
der Weiterbildungsqualität an einer Weiterbildungsstätte.<br />
Ein Visitationsteam, bestehend aus Vertretern des<br />
SIWF, der entsprechenden Fachgesellschaft und des <strong>VSAO</strong>,<br />
besucht die Klinik; vor Ort können die Umsetzung des Weiterbildungskonzeptes<br />
und die Verhältnisse überprüft werden. Ziel<br />
ist es, im Sinne einer positiv-konstruktiven Rückmeldung<br />
mögliche Verbesserungspotenziale zu erkennen und zu nutzen.<br />
Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte, die gerne für den<br />
<strong>VSAO</strong> Visitationen begleiten möchten, melden sich bei Sabrina<br />
Ribeaud, unserer Sachbearbeiterin für Weiterbildung/Visitationen<br />
im <strong>VSAO</strong> (ribeaud@vsao.ch).<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
19
<strong>VSAO</strong><br />
SEKTION ZÜRICH<br />
Mitgliederversammlung<br />
vom 5. Juni <strong>2018</strong><br />
Dieses Jahr fand die Mitgliederversammlung<br />
der Zürcher Spitalärztinnen und<br />
Spitalärzte im Zunfthaus zum grünen<br />
Glas statt. Angekündigt war ein spannendes<br />
Referat zum Thema «Lohnverhandlungen:<br />
Wie Sie bekommen, was Sie verdienen».<br />
Der Abend startete mit einem regen Austausch<br />
während des Apéros bei hochsommerlichen<br />
Temperaturen, danach wandten<br />
sich die Teilnehmenden den geschäftlichen<br />
Angelegenheiten zu.<br />
Dieses Jahr wurden folgende Beschlüsse<br />
für die Sektion Zürich gefasst: Ruedi Reck<br />
wurde zum Ehrenmitglied auf Lebenszeit<br />
ernannt, da er sich in besonderem Masse<br />
für den <strong>VSAO</strong> ZÜRICH eingesetzt hatte. Die<br />
Geschäftsleitung bekam Zuwachs und<br />
zählt aktuell elf Mitglieder, neu dabei sind<br />
Rolf Erlebach, Laura Münst, Fabian Kraxner<br />
und Anna Wang. Bei Martin Johansson,<br />
Geschäftsleitungsmitglied seit 2002,<br />
und Leander Muheim bedanken wir uns<br />
ganz herzlich für ihren Einsatz und die<br />
wertvolle Zeit. Wir freuen uns zudem über<br />
die Wiederwahl von Jana Siroka als Präsidentin.<br />
Am Ende des geschäftlichen Teils<br />
gab es noch eine Wortmeldung einer jungen<br />
Kollegin aus der Swiss Medical Students’<br />
Association (swimsa), die die Wichtigkeit<br />
der Unterstützung der Transplantationsinitiative<br />
betonte.<br />
Highlight des Abends war das Referat über<br />
ein Thema, das bei Medizinern oft viel zu<br />
kurz kommt, obwohl es unabdingbar zum<br />
beruflichen Leben gehört: Lohnverhandlungen.<br />
Frau Danuser, Leiterin des Student<br />
Career Services der Universität St.<br />
Gallen, betonte die Wichtigkeit, im Gespräch<br />
mit der Klinikleitung auch über<br />
Lohnverhältnisse zu sprechen und diese<br />
zu verhandeln. An der HSG werde den<br />
Studenten von Anfang an beigebracht,<br />
dass man nicht an einem Gespräch teilnimmt,<br />
ohne sich über Fakten und Zahlen<br />
informiert zu haben, erzählte Frau Danuser.<br />
Aber wie ist es in der Gesundheitsbranche?<br />
Weiss jeder, wie viel Lohn ihm zusteht?<br />
Reden wir offen über dieses Thema?<br />
Im Anschluss an das spannende Referat<br />
konnten die Mitglieder interessante Erfahrungen<br />
miteinander teilen und über das<br />
Thema Lohnverhandlungen diskutieren:<br />
Wer hat bereits erlebt, dass die Klinikleitung<br />
gesagt hat, sie wisse nicht über die<br />
Lohneinteilung Bescheid? Wie kann ein<br />
Assistenzarzt, der sich wegen seiner Facharztausbildung<br />
in einem offensichtlichen<br />
Abhängigkeitsverhältnis zum Universitätsspital<br />
befindet, in einem Gespräch mit<br />
dem Kader über Lohn verhandeln? Die<br />
regen Diskussionen wurden anschliessend<br />
im Rahmen eines Flying Dinners weitergeführt.<br />
Wir bedanken uns für den durchaus<br />
erfolgreichen Abend.<br />
Wie steht es mit Dir? Weisst Du<br />
Bescheid über Deinen Lohn?<br />
Auf der Website des <strong>VSAO</strong> ZÜRICH findet<br />
sich für alle jene, die nicht dabei waren,<br />
eine Kurzanleitung für erfolgreiche Lohnverhandlungen.<br />
Werde jedoch nicht ungeduldig,<br />
wenn es nicht beim ersten Mal<br />
klappt – freue Dich auf Deinen nächsten<br />
Vorstoss – denn wie überall gilt: Übung<br />
macht den Meister!<br />
■<br />
Anna Wang,<br />
Mitglied Geschäftsleitung<br />
Sektion Zürich<br />
20 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
<strong>VSAO</strong><br />
§<br />
Rechtsberatung<br />
Janine Junker, Rechtsanwältin,<br />
Geschäftsführerin <strong>VSAO</strong> Bern<br />
Wann ist ein Arbeitszeugnis<br />
wohlwollend,<br />
klar und wahr?<br />
Ein Arzt erhielt nach dreieinhalbjähriger<br />
Tätigkeit in einer Praxis ein Schlusszeugnis<br />
mit der folgenden Formulierung: «Leider<br />
ist es im Verlauf der Anstellung zu<br />
Behandlungsfehlern gekommen.» Ihm<br />
wurde unter anderem aufgrund dieser<br />
Vorwürfe gekündigt. Ein Jahr vorher hatte<br />
er noch ein sehr gutes Zwischenzeugnis<br />
erhalten. Die Vorwürfe wurden nicht konkretisiert<br />
und der Arbeitnehmer streitet ab,<br />
dass es zu Behandlungsfehlern gekommen<br />
ist.<br />
Gestützt auf Artikel 330a Absatz 1 OR haben<br />
alle Arbeitnehmer Anspruch auf ein<br />
Zeugnis, welches über die Art und die<br />
Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über<br />
die Leistungen und das Verhalten Auskunft<br />
erteilt. Inhaltlich muss ein Zeugnis<br />
folgende Elemente aufweisen:<br />
• Personalien Arbeitnehmer,<br />
• notwendige Angaben, damit der Aussteller<br />
eindeutig identifiziert werden<br />
kann, und dessen rechtsgültige Unterschrift<br />
samt Ausstellungsdatum,<br />
• Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses,<br />
• detaillierte Auflistung der wichtigen<br />
Funktionen und der das Arbeitsverhältnis<br />
prägenden Tätigkeiten<br />
sowie deren Zeitdauer und<br />
• aussagekräftige Bewertung der<br />
Arbeitsleistung und des Verhaltens.<br />
• Ein Zeugnis sollte entsprechend den<br />
folgenden Grundsätzen formuliert<br />
werden:<br />
• Vollständigkeit,<br />
• Wahrheitspflicht,<br />
• Verhältnismässigkeitsprinzip,<br />
• Treu und Glauben sowie<br />
• Wohlwollen.<br />
Ein Zeugnis soll das berufliche Fortkommen<br />
des Arbeitnehmers fördern, einem<br />
zukünftigen Arbeitgeber aber gleichzeitig<br />
ein wahrheitsgetreues Bild vermitteln.<br />
Diese Anforderungen können zu Diskussionen<br />
und einem Interessenkonflikt führen.<br />
Diese Konstellation ist in diesem Fall<br />
eingetreten. Die Arbeitgeberin beharrt auf<br />
der Erwähnung der Behandlungsfehler,<br />
welche der Arbeitnehmer abstreitet. Auch<br />
wenn die Behandlungsfehler tatsächlich<br />
auftraten, bin ich der Meinung, dass sie<br />
im Sinne eines wohlwollenden Zeugnisses<br />
nicht erwähnt werden dürfen, ausser sie<br />
seien äusserst gravierender Natur. Das<br />
Zeugnis soll einen fairen Überblick über<br />
das gesamte Arbeitsverhältnis vermitteln<br />
und sich nicht nur auf den oftmals missgestimmten<br />
Abschluss abstützen. Auf<br />
Dankesworte und Zukunftswünsche hat<br />
man übrigens keinen Anspruch.<br />
Zum Nebenschauplatz wurde in diesem<br />
Fall der Rückruf des vorher ausgestellten<br />
Zwischenzeugnisses. Die Arbeitgeberin<br />
stellte sich im Verlauf des Verfahrens auf<br />
den Standpunkt, dass nach dem Ausstellen<br />
des sehr guten Zwischenzeugnisses<br />
Fehler aufgedeckt worden seien, die sich<br />
vor dem Ausstellen des Zwischenzeugnisses<br />
zugetragen hätten. Sie forderte in der<br />
Folge die Rückgabe des Zwischenzeugnisses.<br />
Bei einem Arbeitszeugnis handelt es<br />
sich um eine Urkunde, welche meines<br />
Erachtens nicht zurückgerufen werden<br />
kann. Die Arbeitgeberin hatte sie bedingungsfrei<br />
ausgestellt und hätte den Inhalt<br />
vorher sorgfältig(er) abklären müssen.<br />
Die gerichtliche Beurteilung des Falles ist<br />
noch ausstehend.<br />
Grundsätzlich empfiehlt es sich, das Arbeitszeugnis<br />
vor Unterzeichnung sorgfältig<br />
durchzusehen und sich im Zweifelsfall<br />
rechtlich beraten zu lassen. ■<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
21
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22 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
FOKUS KOSTBAR<br />
Vom Wert der Dinge<br />
Was des einen Uhl, ist des andern Nachtigall: Je nach Epoche, Region oder Kultur gewinnt oder<br />
verliert eine Sache an Wert. Das im 17. Jahrhundert in Holland grassierende «Tulpenfieber» ist nur<br />
ein Beispiel hierfür. Obwohl es längst abgeklungen ist, lassen sich dessen Spuren noch heute<br />
finden, auch in der Schweiz.<br />
M. A. Tabea Buri, Kuratorin Museum der Kulturen Basel<br />
Kulturen können sich in ihren Wertvorstellungen<br />
unterscheiden – das wird<br />
aktuell oft diskutiert im Kontext von Radikalismus<br />
oder Gleichberechtigung.<br />
Werte unterscheiden sich aber nicht nur<br />
in Bezug auf Ideologien. Kulturen weisen<br />
Phänomenen und Objekten aller Art Bedeutung<br />
zu. Der deutsche Soziologe Max<br />
Weber beschrieb Kultur folgendermassen:<br />
«Kultur ist ein vom Standpunkt des Menschen<br />
aus mit Sinn und Bedeutung<br />
bedachter endlicher Ausschnitt aus der<br />
sinnlosen Unendlichkeit des Weltgeschehens.»<br />
Welchen Sinn und welche Bedeutung<br />
wir einem Objekt zuschreiben, ist<br />
folglich kulturell bedingt. So verhält es<br />
sich auch mit Kostbarkeiten: Was in<br />
einem Kontext als kostbar gilt, ist in einem<br />
anderen Umfeld möglicherweise<br />
unbedeutend. Selbstverständlich sind<br />
diese Zuschreibungen nicht fix; sie werden<br />
laufend in Frage gestellt, über Bord<br />
geworfen oder erneuert. So wandeln sich<br />
Kulturen und damit die Definitionen<br />
dessen, was kostbar ist.<br />
Tulpen und Geheimfächer<br />
Was kostbar ist, ist häufig ein Stück weit<br />
exklusiv. Was nur wenige haben können,<br />
gilt oft als besonders erstrebenswert und<br />
wertvoll. Ein Beispiel dafür ist die Tulpe.<br />
Während wir Tulpen heute in jeder Migros-<br />
oder Coop-Filiale kaufen können,<br />
waren diese Blumen einst rarstes Gut –<br />
und entsprechend kostbar! Nachdem die<br />
Tulpenzwiebel Mitte des 16. Jahrhunderts<br />
aus dem Osmanischen Reich nach Europa<br />
importiert worden war, brach einige Jahrzehnte<br />
später in Holland ein regelrechtes<br />
«Tulpenfieber» aus: Die Zwiebeln wurden<br />
zum Wert von Häusern gehandelt, und so<br />
manche Kaufleute gingen mit Preisspekulationen<br />
um die Tulpe bankrott. Wer die<br />
Blüte in seinem Garten zeigen konnte, war<br />
sich hohen Ansehens sicher – sie war der<br />
Inbegriff von Exotik und Luxus. Besonders<br />
die gestreiften Tulpen waren wertvoll.<br />
Erst zum Ende der 1920er-Jahre wurde<br />
bekannt, dass die Streifen durch einen<br />
Virus zustande kommen, der der Pflanze<br />
an sich schadet.<br />
Die Tulpe wurde zum Symbol für Exotik<br />
und Reichtum – und auch wenn sich die<br />
«Tulpomanie» Ende des 17. Jahrhunderts<br />
wieder beruhigt hatte, galt die Tulpe weiterhin<br />
als Kostbarkeit und wurde unter<br />
anderem in der Bauernmalerei häufig als<br />
Symbol des Reichtums verwendet. So zum<br />
Beispiel auf einer Truhe unserer Sammlung<br />
aus Heimberg von 1736. Zu jener Zeit<br />
war eine Truhe meist Teil der Mitgift: Die<br />
Familie der Braut liess das Möbel in Auftrag<br />
geben und übergab sie der frisch<br />
Vermählten beim festlichen Einzug in den<br />
neuen Haushalt. Beim Hochzeitszug wurde<br />
sie zur Schau gestellt; in der Stube<br />
hatte sie repräsentativen Charakter – entsprechend<br />
wurde das Möbel in gut situierten<br />
Bauernfamilien aufwendig bemalt.<br />
Während die Truhe gegen aussen mit den<br />
Tulpen Reichtum anzeigt, verstecken sich<br />
die wahren Kostbarkeiten in ihren Geheimfächern:<br />
Die Fronten lassen sich bei<br />
Truhe mit Geheimfach. Heimberg, Bern; 1736; VI 2192<br />
© Museum der Kulturen, Fotograf Omar Lemke<br />
geöffnetem Deckel nach oben schieben<br />
und legen damit Schubladen frei. Die<br />
verborgene Kostbarkeit (vielleicht ein<br />
Schmuck- oder Erinnerungsstück) ist<br />
symbolisch zwar angedeutet, bleibt aber<br />
dennoch gut geschützt. Die Truhe steht<br />
aktuell in der Ausstellung «Das Geheimnis»<br />
im Museum der Kulturen Basel und<br />
zeigt dort ihre Geheimfächer.<br />
Stroh und Gold<br />
Was kostbar ist, verändert sich je nach<br />
Kontext. Sehr deutlich ist das bei Reliquien:<br />
Wird ein Stück Textil oder gar ein<br />
Knochensplitter mit einer heiligen Figur<br />
assoziiert, so steigt der Wert dieses Stücks<br />
für Gläubige ins fast Unermessliche.<br />
Irdische Kostbarkeiten wie Edelmetalle<br />
oder Edelsteine kommen bei der Gestaltung<br />
der Schatullen oder des Schreins<br />
zum Einsatz – und diese Behältnisse sind<br />
in säkularen Museen dann wiederum als<br />
die eigentlichen Kostbarkeiten ausgestellt.<br />
Wie sich Sinn und Bedeutung von Objekten<br />
oder Materialien wandeln, dem widmet<br />
sich das Museum der Kulturen Basel<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
23
FOKUS KOSTBAR<br />
in der Dauerausstellung «StrohGold –<br />
kulturelle Transformationen sichtbar gemacht».<br />
Die Ausstellung zeigt, dass es eine<br />
Frage der Perspektive ist, ob etwas als<br />
wertlos oder wertvoll, als Stroh oder Gold<br />
wahrgenommen wird. Ein und derselbe<br />
Gegenstand kann für einen Menschen<br />
Abfall, für einen anderen ein wertvoller<br />
Werkstoff sein. Titelgebendes Beispiel dafür<br />
sind Schmuckstücke aus Stroh, wie sie<br />
vor allem im Europa des 19. Jahrhunderts<br />
hergestellt wurden. Stroh ist ein günstiges<br />
Material, das bei Getreidebauern im Überfluss<br />
anfällt und oft im Stall als Streu<br />
endet. Bleiben die Halme unversehrt, haben<br />
sie einen goldenen Schimmer, der den<br />
Flechtwerken eine kostbare Optik verleiht.<br />
Dies machte sich auch der prominente<br />
Modeschöpfer Jean-Paul Gaultier zunutze,<br />
als er das kostengünstige Material für die<br />
Haute Couture seiner Kollektion im Jahr<br />
2006 einsetzte. Hier ist es die Kunstfertigkeit,<br />
die Originalität, bestimmt auch der<br />
Markenname, der aus den Kleidungsstücken<br />
eine Kostbarkeit macht – nicht aber<br />
das Material. Vergleichbare Prozesse der<br />
Aufwertung lassen sich beim Upcycling<br />
beobachten: wenn Abfallprodukte umgenutzt<br />
und durch eine neue Verwendung<br />
aufgewertet werden.<br />
Herz und Kultur<br />
Was für jeden Menschen persönlich kostbar<br />
ist, das ist noch einmal eine andere<br />
Geschichte. In Liebesbriefen unserer<br />
Sammlung ist die Rede von «Liebes-<br />
Kleinoden» und von «theuren Geliebten».<br />
Wer oder was uns kostbar ist, ist<br />
also einerseits kulturell, andererseits<br />
auch persönlich geprägt. Indem wir entscheiden,<br />
welchen Wert wir einem Objekt<br />
oder einer Person zusprechen, orientieren<br />
wir uns in der «sinnlosen Unendlichkeit<br />
des Weltgeschehens». Wir schaffen<br />
Bedeutung und sind damit Teil einer<br />
Kultur.<br />
■<br />
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24 Credits SGP<br />
DIABETES<br />
15. – 17. November <strong>2018</strong><br />
21 Credits SGED / 6 Credits SVDE<br />
PNEUMOLOGIE<br />
30. Nov. – 1. Dez. <strong>2018</strong><br />
14 h<br />
INNERE<br />
MEDIZIN<br />
4. – 8. Dezember <strong>2018</strong><br />
40 h<br />
KARDIOLOGIE<br />
9. – 10. November <strong>2018</strong><br />
16 h<br />
ONKOLOGIE /<br />
HÄMATOLOGIE<br />
16. – 17. November <strong>2018</strong><br />
14 h<br />
PSYCHOLOGIE<br />
4. – 7. Dezember <strong>2018</strong><br />
28 h<br />
CHIRURGIE<br />
17. – 18. Januar 2019<br />
16 h<br />
Veranstaltungsorte<br />
Technopark Zürich | Novotel Zürich City West |<br />
UniversitätsSpital Zürich<br />
Information / Anmeldung<br />
Tel.: 041 567 29 80 | Fax: 041 567 29 81<br />
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FOKUS KOSTBAR<br />
Wie bitte? Seltene Erden?<br />
Mit Erde im herkömmlichen Sinn haben sie nichts zu tun, und so selten wie ihr Name sagt, sind<br />
sie auch nicht. Im Gegenteil, wir begegnen ihnen heutzutage auf Schritt und Tritt. Die technischen<br />
Errungenschaften des modernen Lebens sind ohne sie kaum denkbar. Ob Handy, Katalysator,<br />
Leuchtröhre oder MRI – überall finden sie sich. Doch was sind seltene Erden eigentlich?<br />
Jean-Claude G. Bünzli, Ecole polytechnique fédérale de Lausanne, Institut des sciences et ingénierie chimiques, 1015 Lausanne,<br />
Dr. Kennedy Wong, Distinguished Professor, Hong Kong Baptist University, Hong Kong, S.A.R., P.R. China<br />
Der Begriff «seltene Erden» bezeichnet<br />
eine Serie von 17 chemischen Elementen:<br />
Scandium, Yttrium, Lanthan und 14<br />
Lanthanoide (Abbildung 1). Das erste Element<br />
dieser Serie, Yttrium, wurde Ende<br />
des 18. Jahrhunderts in Turku (heute<br />
Finnland) entdeckt. Der Begriff «Erde»<br />
wurde damals verwendet, um das Oxyd<br />
eines Elements oder seiner mineralischen<br />
Form zu bezeichnen; und «selten», weil<br />
sich diese Elemente aufgrund ihrer sehr<br />
ähnlichen chemischen Eigenschaften als<br />
schwer trennbar erwiesen. Trotz dieser<br />
Bezeichnung sind sie in der Erdkruste<br />
ziemlich weit verbreitet. Deren Konzentration<br />
reicht von 66 Milligramm pro Kilogramm<br />
(ppm) für das am reichlichsten<br />
vorhandene, Cerium, bis 1 ppm für das<br />
am wenigsten vorhandene, Lutetium.<br />
Zum Vergleich findet man Kupfer, Silber<br />
und Platin in Mengen von 68 ppm,<br />
0.08 ppm und 0.01 ppm. Es gibt über 200<br />
Mineralien, die seltene Erden beinhalten.<br />
In ihrer elementaren Form sind seltene<br />
Erden sehr reaktive Metalle, ähnlich wie<br />
Calcium oder Natrium [1, 2].<br />
Abbildung 1<br />
Seltene Erden im Periodensystem der Elemente, oben zwei der metallischen<br />
Elemente, unten drei Mineralien, wovon rechts das Mineral, aus welchem<br />
die erste seltene Erde, Yttrium, 1794 durch Johann Gadolin extrahiert wurde.<br />
Efficacité de conversion électricité/lumière<br />
Abbildung 2<br />
Beitrag der seltenen Erden zur Verbesserung der Beleuchtung.<br />
Die Zwerge der Industrie<br />
Die Derivate der seltenen Erden finden in<br />
sämtlichen technischen Gegenständen<br />
Verwendung. Dies dank ihrer einzigartigen<br />
chemischen, optischen und magnetischen<br />
Eigenschaften. Zahlreiche Schlüsseltechnologien<br />
sind von diesen Elementen<br />
abhängig und wurden von vielen<br />
Staaten, wie den USA, China sowie der EU,<br />
als strategisch wichtige Elemente klassifiziert.<br />
Die chemischen Eigenschaften. Als<br />
elektropositive und oxophile Elemente<br />
findet man die seltenen Erden gerne als<br />
trivalente Ionen vor. Einige davon sind<br />
auch divalent oder tetravalent, wie bspw.<br />
Ceriumoxid CeO 2 , aber alle sind Lewis-<br />
Säuren. Daher werden sie bereits seit<br />
1962 in Katalysatoren für die Umwandlung<br />
von Erdöl in Benzin und die Nachbehandlung<br />
von Abgasen in Motorfahrzeugen<br />
verwendet. Hier wird hauptsächlich<br />
Ceriumoxid verwendet. Es wird auch in<br />
den selbstreinigenden Backöfen eingesetzt.<br />
Die Produktion von künstlichem<br />
Gummi für die Herstellung von Autoreifen<br />
nutzt die Neodymsalze (Nd), die als<br />
Katalysatoren gleichzeitig die Verwendung<br />
von weniger umweltschädlichen<br />
Lösungsmitteln ermöglichen.<br />
Optik und Photonik. Etliche optische<br />
Gläser beinhalten seltene Erden, entweder<br />
als Pigmente zur Färbung oder um<br />
sie durch Oxidation der Eisenrückstände<br />
durch CeO 2 transparenter zu machen.<br />
Lanthanoxid dient der Erhöhung des<br />
Brechungsindexes der Linsen für Kameras<br />
oder Mikroskope. Ceriumoxid, als<br />
Feinpartikel, ist ein hervorragendes Poliermittel<br />
und es gibt kaum eine Glasfläche,<br />
Linse, Brille, Bildschirm oder<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
25
FOKUS KOSTBAR<br />
Efficacité de conversion électricité/lumière<br />
Abbildung 3<br />
Europium schützt die Euro-Geldscheine<br />
durch seine orange<br />
Lumineszenz. Abschnitt einer<br />
50-Euro-Note unter UV-Licht<br />
(gemessen im Labor des Autors).<br />
Abbildung 4<br />
Ein 1,5-MW-Windkraftwerk beinhaltet<br />
900 kg Nd-Fe-B-Magnete. Ist seine<br />
Produktion umweltschädigend?<br />
Heutzutage kann man mit den<br />
geltenden Gesetzen und adäquaten<br />
Techniken sagen: nicht schädigender<br />
als die Produktion anderer<br />
Metalle. Die graue Energie, die für<br />
die Herstellung einer solchen<br />
Turbine notwendig ist, entspricht<br />
der Strommenge, welche die Turbine<br />
in 4 bis 6 Monaten produziert.<br />
Fenster, die nicht durch dieses Oxid poliert<br />
wird.<br />
Seltene Erden wurden erstmals industriell<br />
für die 1891 durch Carl Auer von Welsbach<br />
patentierten Gasglühlichter für Gaslampen<br />
verwendet, die mit 1 Prozent CeO 2 der<br />
Flamme ein intensiv weisses Licht verliehen.<br />
Der kommerzielle Erfolg war entsprechend<br />
gross und diese Gasglühlichter<br />
werden noch heute für Campinglampen<br />
verkauft. Beiläufig löste Auer auch ein<br />
wiederkehrendes Problem der seltenen<br />
Erden: Das schlechte Verhältnis zwischen<br />
Verfügbarkeit und Nachfrage. Bei der Extraktion<br />
von Cerium fand Auer grosse<br />
Mengen anderer nicht verwendeter seltener<br />
Erden. Er erfand das «Mischmetall»,<br />
eine pyrotechnische Legierung, die 30<br />
Prozent Eisen beinhaltet und für Feuersteine<br />
verwendet wird.<br />
Der Beitrag der seltenen Erden zur Beleuchtung<br />
ist beeindruckend (Abbildung<br />
2). Dank der grossen Reinheit des durch<br />
die Ionen der seltenen Erden erzeugten<br />
Lichts ermöglichte ab 1960 eine Kombination<br />
von drei Phosphoren (rot, grün,<br />
blau) in Leuchtstoffröhren die Erzeugung<br />
von weissem Licht, das dem Tageslicht<br />
ähnlich ist. 1995 fand das Abenteuer seine<br />
Fortsetzung mit der ersten Generation von<br />
LED-Lampen, zuerst mit Gleichstrom und<br />
heute mit Wechselstrom. Von 1970 bis 2015<br />
konnte die Umwandlungseffizienz von<br />
elektrischer Energie zu Licht um den<br />
Faktor 8–9 erhöht werden, was zu entsprechenden<br />
Energieersparnissen geführt hat.<br />
Andere photonische Materialien, die mit<br />
seltenen Erden gedopt werden, sind Laser,<br />
insbesondere diejenigen für Glasfasern in<br />
der Telekommunikation, Nachtsichtgeräte,<br />
Sicherheitsabdrucke gegen Fälschungen,<br />
Sicherheitstinten für Banknoten<br />
(Abbildung 3), fluoreszierende Markierungen,<br />
um strukturelle Fehler in Brücken<br />
oder Druckbehältern sichtbar zu<br />
machen, oder die Generierung von unsichtbaren<br />
Barcodes oder QR-Codes.<br />
Man kann sogar auf die molekulare Ebene<br />
gehen, um Biomoleküle zu markieren.<br />
Und kürzlich konnte mittels wellenlängenumwandelnder<br />
Materialien die Leistung<br />
der Solarzellen verbessert werden [3].<br />
Die Magnete. 1970 wurde eine Legierung<br />
aus Samarium und Kobalt entdeckt, deren<br />
magnetische Eigenschaften denjenigen<br />
der klassischen Magnete deutlich überlegen<br />
waren. Diese Entdeckung ermöglichte<br />
die schrittweise Miniaturisierung der<br />
Motoren und der Audiokopfhörer, die in<br />
die Produktion des berühmten Walkmans<br />
mündete (1979–2010). Probleme bei der<br />
Versorgung mit Kobalt und die hohen Kosten<br />
von Samarium führten zur Entwicklung<br />
einer anderen, 2,5-mal stärkeren,<br />
aus Neodym, Eisen und Bor bestehenden<br />
Legierung. Diese Permanentmagnete werden<br />
überall verwendet, insbesondere in<br />
sämtlichen Objekten mit einem elektrischen<br />
Antrieb, beispielsweise Autos, die<br />
20–25 davon beinhalten, E-Bikes oder<br />
Magnetschwebebahnen (in Asien, bis<br />
600 km/h). Diese Magnete finden weiter<br />
eine Verwendung in Windkraftwerken<br />
(Abbildung 4), in Magnetresonanztomographen,<br />
in Kopfhörern, Computerfestplatten,<br />
magnetisch-optischen Aufnahmegeräten<br />
und Blasenspeichern der<br />
Supercomputer. Bezüglich Menge und<br />
Kosten handelt es sich um die am meisten<br />
verwendeten seltenen Erden.<br />
Andere Verbundstoffe. Zu erwähnen sind<br />
noch, unter anderem, Hydride von<br />
seltenen Erden für wiederaufladbare elektrische<br />
Batterien, für Elektroden der<br />
Brennstoffzellen, Hochtemperatur-Supraleiter,<br />
keramische Bestandteile von elektronischen<br />
Komponenten, Komponenten<br />
für die magnetische oder optische Kühlung,<br />
Leichtmetalllegierungen, die Scandium<br />
beinhalten, für die Aviatik.<br />
Und in der Medizin?<br />
In diesem Bereich findet man auch seltene<br />
Erden, die häufig versteckt, aber dennoch<br />
sehr wichtig sind. Mitte der 1970er-Jahre<br />
wurden sie in die Produktion der Röntgenstrahlbildverstärker<br />
eingebracht, was eine<br />
starke Senkung der Strahlendosis für die<br />
Patienten ermöglichte. Parallel dazu konnte<br />
man dank der Lumineszenz immunologische<br />
anstelle von radioaktiven Analysen<br />
durchführen, was die Laboratorien von<br />
den mit der Radioaktivität verbundenen<br />
Auflagen befreit hat. Ab 1988 wurden auf<br />
Gadolinium basierte Kontrastmittel für<br />
die Magnetresonanztomographie (MRI)<br />
zertifiziert und die Qualität der Bilder<br />
erheblich verbessert. Zurzeit sind es die optischen<br />
Eigenschaften, die im Rahmen der<br />
neuen in Labors oder in der Praxis getesteten<br />
Anwendungen zum Tragen kommen,<br />
beispielsweise bei der photodynamischen<br />
Krebstherapie, der optischen medizinischen<br />
Bildgebung, beispielsweise von<br />
Krebsgewebe (Abbildung 5) [4], oder dem<br />
Transport und der Freisetzung von Medikamenten<br />
in einem bestimmten Organ [5].<br />
Die Nuklearmedizin verwendet mehrere<br />
Isotope von seltenen Erden, entweder für<br />
die PET-Bildgebung (Positronen-Emissions-Tomographie)<br />
oder die Strahlentherapie,<br />
wie Yttrium-90 (heterogene Tumore),<br />
Samarium-153 (Prostata), Lutetium-177<br />
(kleine Tumore), Holmium-166<br />
oder Promethium-149 (Biodistributionsstudien)<br />
[6, 7].<br />
26 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
FOKUS KOSTBAR<br />
20 m<br />
Kilogramm führen würde. Die Preise sind<br />
aktuell eher tief. Sie hängen von der seltenen<br />
Erde und deren Reinheit ab. Sie liegen<br />
zwischen 2,5 USD pro Kilogramm Ceriumoxid<br />
bis 465 für Terbium oder 4200 für<br />
Scandium (Shanghai, Ende 2017). ■<br />
Abbildung 5<br />
Gleichzeitiger Nachweis der Östrogenmarker (ER, rot) und HER2/neu (grün)<br />
in Brustkrebsgewebe. Der Nachweis erfolgt mittels monoklonarer Antikörper,<br />
von welchen einer mit einem Europium (rot) oder Terbium (grün) konjugiert<br />
wird [4].<br />
Die Ressourcen und der<br />
Markt<br />
Bis auf wenige Ausnahmen, wobei die der<br />
Magnete bekannt ist, finden seltene Erden<br />
in kleinen Mengen Anwendung in Produkten,<br />
die sie zum Leben erwecken: Wenige<br />
Prozente in einem Katalysator, ungefähr<br />
1 Gramm in einer Leuchtstoffröhre,<br />
0,1 Gramm in einer LED, 0,2–0,3 Gramm<br />
in einem Smartphone (7–9 verschiedene<br />
seltene Erden), weniger als 1 Promille<br />
Gewicht in einer Glasfaser, weniger als ein<br />
Mikrogramm für eine immunologische<br />
Analyse! Dies erklärt, weshalb der jährliche<br />
Verbrauch an seltenen Erden mit<br />
Mengen zwischen 120 000 und 160 000<br />
Tonnen (in Oxidäquivalenten), d.h. ungefähr<br />
250 Intermodalcontainer, nicht sehr<br />
gross ist. Dies entspricht 0,01 Prozent aller<br />
auf der Erde produzierten Metalle. Die<br />
Ressourcen sind ziemlich gut verteilt. China<br />
soll angeblich 35 Prozent davon besitzen,<br />
aber 80–85 Prozent produzieren, was<br />
ein geopolitisches Problem mit sich<br />
bringt. Brasilien besitzt 15–20 Prozent,<br />
Russland 15 Prozent, Indien 6 Prozent,<br />
Australien zwar nur 3 Prozent, produziert<br />
aber 15 Prozent. Global reichen die bekannten<br />
Reserven für mindestens 100<br />
Jahre aus. Einige der Elemente sind seltener<br />
als andere, was deren Anwendung<br />
einschränkt. Sie können zwar ersetzt<br />
werden, was aber mit einem Leistungsverlust<br />
verbunden ist. Beispielsweise könnten<br />
die Magnete der Lautsprecher, die sich in<br />
den Türen eines Autos befinden durch<br />
Eisenmagnete ersetzt werden, was aber zu<br />
einer Gewichtssteigerung von 100 bis 150<br />
Ausgewählte Bibliographie<br />
(es können Sonderdrucke beim Autor bestellt<br />
werden)<br />
1. J.-C. G. Bünzli, Lanthanides, Kirk-Othmer<br />
Encyclopedia of Chemical Technology, Wiley<br />
Online Library, (2013), 2013, pp. 1–43.<br />
2. J.-C. G. Bünzli, I. McGill, Rare Earth Elements,<br />
Ullmann’s Encyclopedia of Industrial<br />
Chemistry (<strong>2018</strong>) pp. 1–53.<br />
3. J.-C. G. Bünzli, Lanthanide Luminescence:<br />
From a Mystery to Rationalization, Understanding,<br />
and Applications, in: Bünzli, J.-C.<br />
G. and Pecharsky, V. K., Handbook on the<br />
Physics and Chemistry of Rare Earths, Elsevier<br />
Science, B.V., Amsterdam, 2016, Vol. 50,<br />
Ch. 287, pp. 141–176.<br />
4. J.-C. G. Bünzli, C. D. B. Vandevyver, A.-S.<br />
Chauvin, M. A. M. Gijs, H.-A. Lehr, Lighting<br />
up Cancerous Cells with Lanthanide Luminescence,<br />
Chimia 65 (2011) p. 361–361.<br />
5. H. Li, C. Xie, R. Lan, S. Zha, C. F. Chan, W. Y.<br />
Wong, K.-L. Ho, B. D. Chan, Y. Luo, J. Pan,<br />
J.-X. Zhang, G. L. Law, W. C. S. Tai, J.-C. G.<br />
Bünzli, K.-L. Wong, A smart europium-ruthenium<br />
complex as anticancer prodrug: controllable<br />
drug release and real-time monitoring<br />
under different light excitations, J. Med.<br />
Chem. 60 (2017) pp. 8923–8932.<br />
6. J.-C. G. Bünzli, Lanthanides in Biological<br />
Labeling, Imaging, and Therapy, in: Kretsinger,<br />
R. H., Uversky, V. N., Permyakov, E. A.<br />
(Eds), Encyclopedia of Metalloproteins,<br />
Springer Science+Business Media, New York,<br />
(2013), 150, pp. 1110–1118.<br />
7. J.-C. G. Bünzli, Lanthanide light for biology<br />
and medical diagnosis, J. Lumin. 170 (2016)<br />
pp. 866–878.<br />
Die Elemente<br />
Die chemischen Elemente sind die Bausteine des Universums. Bis heute wurden 118 entdeckt, aber 20 Prozent davon sind synthetische<br />
Elemente. Jedes Element wird durch ein chemisches Symbol mit einem oder zwei Buchstaben identifiziert. In der Erdkruste<br />
ist Sauerstoff (O, 46% des Gewichts) das häufigste Element, gefolgt von Silizium (Si, 28%), Aluminium (Al, 8,2%), Eisen (Fe,<br />
5,6%), Kalzium (Ca, 4,2%) und Natrium (Na, 2,5%). Karbon (C) befindet sich an 15. Stelle mit 0,02%. Unter den 94 Elementen, die<br />
man auf der Erde findet, sind 25 davon Bestandteil der biologischen Systeme. Die gängigsten Elemente sind Karbon, Wasserstoff<br />
(H), Sauerstoff, Phosphor (P) und Schwefel (S). Wasser H 2 0 enthält zwei davon, Tafelzucker C 12 H 22 O 11 drei und Hämoglobin sechs<br />
(C, H, N, O, S, Fe).<br />
Und wie sieht es mit Ihrem Handy aus? Aus wie vielen chemischen Elementen besteht es?<br />
Aus ungefähr 60, davon 7–9 seltene Erden<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
27
FOKUS KOSTBAR<br />
«Kostbar heisst selten und schön»<br />
Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten: Im Auktionshaus Rapp im sankt-gallischen Städtchen Wil<br />
kommen regelmässig Kostbarkeiten unter den Hammer. Geschäftsleiterin Marianne Rapp Ohmann<br />
bereist mit ihrem Expertenteam die halbe Welt, um ihrer internationalen Kundschaft erlesene<br />
Sammlerstücke anbieten zu können.<br />
Mit Marianne Rapp Ohmann, Geschäftsleiterin Auktionshaus Rapp, sprach Catherine Aeschbacher, Chefredaktorin <strong>VSAO</strong>-Journal.<br />
Bilder: Martin Guggisberg.<br />
Das Motto Ihres Auktionshauses<br />
lautet «Was kostbar ist,<br />
gehört in gute Hände». Was ist<br />
Ihnen kostbar?<br />
Marianne Rapp Ohmann: Im übertragenen<br />
Sinn ist das Kostbarste natürlich meine<br />
Familie. Wenn es um Materielles geht,<br />
ist es wohl mein Schmuck (lacht). Weniger<br />
wegen seines Werts, sondern weil ich<br />
mit den einzelnen Stücken Gefühle und<br />
Erinnerungen verbinde. Ich denke an die<br />
Person, die mir ein Schmuckstück geschenkt<br />
hat oder an eine spezielle Gelegenheit,<br />
bei der ich etwas getragen habe.<br />
Aus beruflicher Sicht würde ich sagen:<br />
Briefmarken, Münzen, Schmuck und Uhren.<br />
Mit diesen Objekten habe ich täglich<br />
zu tun.<br />
Sprechen wir über die berufliche<br />
Sicht. Wodurch wird ein<br />
Gegenstand kostbar?<br />
Es müssen verschiedene Faktoren zusammenkommen,<br />
um einen Gegenstand kostbar<br />
zu machen. Zunächst spielt auch hier<br />
das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Ist<br />
etwas sehr selten, wächst die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass es kostbar ist. Bestimmend<br />
sind im Weiteren die Qualität eines Objekts<br />
und seine Ausstrahlung, seine<br />
Schönheit. Kommen diese Eigenschaften<br />
zusammen, wird etwas meist auch teuer,<br />
d.h., der Preis ist ein weiterer Faktor.<br />
Ihr Unternehmen gehört zu den<br />
weltweit führenden Auktionshäusern<br />
im Bereich Philatelie.<br />
Briefmarken besitzen im<br />
Gegensatz zu Schmuck keinen<br />
Warenwert. Worin liegt ihr<br />
Wert?<br />
Bei Briefmarken ist es in erster Linie die<br />
Seltenheit, aber auch die Schönheit, welche<br />
den Wert ausmachen. Hinzu kommt<br />
die Unversehrtheit.<br />
Welches ist der wertvollste<br />
Gegenstand, der bis jetzt bei Ihnen<br />
«unter den Hammer kam»?<br />
Ursprünglich haben wir ausschliesslich<br />
mit Briefmarken gehandelt. Von daher<br />
sind die teuersten Objekte sicher Briefmarken.<br />
Wir hatten sehr kostbare Sammlungen,<br />
aber auch Einzelstücke, die einen<br />
Verkaufspreis von über einer Million erzielt<br />
hatten. Der Umsatz der jährlichen<br />
Auktionen beläuft sich auf 8 bis 15 Millionen<br />
Franken.<br />
Ist Briefmarkensammeln<br />
heutzutage noch aktuell?<br />
Es ist sicher nicht mehr so verbreitet wie<br />
früher. Heute gibt es deutlich weniger<br />
Sammler im Hobbybereich, aber immer<br />
noch eine stattliche Anzahl von ernsthaften<br />
Sammlern, die zu unsern Kunden<br />
gehören. Diese kaufen Briefmarken quasi<br />
professionell und investieren in ihre<br />
Sammlungen.<br />
Inwiefern sind Briefmarken<br />
eine Investition?<br />
Das ist ähnlich wie bei Kunstsammlern.<br />
Es gibt Briefmarkensammler, die Millionen<br />
investieren und gezielt kaufen und<br />
verkaufen, um ihre Sammlungen möglichst<br />
zu vervollständigen. Solche Sammler<br />
erwerben Stücke auch mit einem Investitionsgedanken.<br />
Aber natürlich wird<br />
kaum jemand ein Vermögen nur in Briefmarken<br />
anlegen. Wie überall ist der Markt<br />
in Bewegung und Trends unterworfen. Vor<br />
40 Jahren beispielsweise hat sich kaum<br />
jemand für chinesische Briefmarken interessiert.<br />
Heute sind diese Marken extrem<br />
gefragt und entsprechend teuer. Das Gegenteil<br />
sind Ersttagsbriefe, die die Schweizer<br />
Post regelmässig herausgibt. Diese<br />
sind heute kaum noch etwas wert. Wer vor<br />
40, 50 Jahren dafür zwei, drei Franken<br />
bezahlt hat, erhält heute noch 20 Rappen.<br />
Das hängt mit der massenhaften Verbreitung<br />
dieser Briefe und Marken zusammen.<br />
Wer also vor 50 Jahren für 10 000<br />
Franken chinesische Briefmarken erworben<br />
hat, besitzt heute ein Vermögen. Wer<br />
dieselbe Summe in Schweizer Ersttagsbriefe<br />
investiert hat, hat deutlich Geld<br />
verloren.<br />
28 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
FOKUS KOSTBAR<br />
Wie gelangen die Gegenstände,<br />
die Sie versteigern, überhaupt<br />
zu Ihnen?<br />
Wir werden in der Regel angefragt, ob wir<br />
uns für einen Gegenstand oder eine<br />
Sammlung interessieren, oftmals von Erben.<br />
Folglich bin ich sehr viel in Europa<br />
unterwegs, um zusammen mit meinem<br />
Expertenteam Objekte zu besichtigen.<br />
Idealerweise organisieren wir vor Ort zusätzlich<br />
eine offene Veranstaltung, zu der<br />
alle Interessierten mit ihren Objekten<br />
kommen können. Wir entscheiden dann,<br />
ob wir etwas in die Auktion nehmen oder<br />
nicht.<br />
Wie stellen Sie die Provenienz<br />
der Objekte fest?<br />
Bedeutende Einzelstücke, z.B. Kunstwerke,<br />
sind in der Regel bekannt, und man<br />
weiss, woher sie stammen. Bei Münzen<br />
und Marken jedoch ist es schwieriger, da<br />
es sich eben nicht um Einzelstücke handelt.<br />
Wird uns etwas angeboten, klären wir<br />
zuerst die Echtheit ab. Bei unbekannten<br />
Anbietern frage ich nach der Geschichte<br />
eines Objekts. Wenn mir Zweifel an der<br />
Glaubwürdigkeit kommen, lehne ich es<br />
ab. Wir hatten schon Fälle, wo Leute gutgläubig<br />
etwas gekauft hatten, es uns Jahre<br />
später in die Auktion gaben und wir<br />
feststellen mussten, dass es ursprünglich<br />
gestohlen worden war. Das kommt nicht<br />
oft vor, aber mit diesem Problem sind alle<br />
Auktionshäuser konfrontiert.<br />
Wie muss man sich eine Auktion<br />
heute vorstellen? Sitzen<br />
die Bieter noch immer im Saal<br />
oder läuft es hauptsächlich via<br />
Telefon oder online?<br />
Wir haben noch immer eine traditionelle<br />
Auktion mit Bietern hier vor Ort. Pro Auktion<br />
kommen rund 2000 Leute persönlich<br />
nach Wil, vor allem aus dem Ausland.<br />
Natürlich treffen auch viele Gebote übers<br />
Telefon oder via Internet ein. Deshalb haben<br />
wir an Auktionstagen zwölf Telefonlinien<br />
in Betrieb und ein eigenes Internetteam.<br />
Wir halten aber an der traditionellen Auktion<br />
fest, da wir mit unsern Stammkunden<br />
so in Kontakt bleiben können. Diesen<br />
Kunden bieten wir natürlich ein anspruchsvolles<br />
Rahmenprogramm und<br />
einen angemessenen Service. Da wir in<br />
einer absoluten Luxusbranche tätig sind,<br />
gehört dieses Umfeld einfach dazu.<br />
Wie wissen Sie, ob ein Bieter<br />
auch zahlen kann? Insbesondere<br />
wenn er am andern Ende<br />
der Welt sitzt?<br />
Zur Person<br />
Marianne Rapp Ohmann, (geb. 1976) ist in Wil (SG) aufgewachsen,<br />
wo sie eine Banklehre absolvierte. Nach einigen Semestern an der<br />
Hotelfachschule übernahm sie bereits 1998 die Geschäftsleitung des<br />
von Vater Peter Rapp gegründeten Auktionshauses und der Galerie<br />
Kunsthaus Rapp. Sie ist verheiratet, hat ein Kind und leitet erfolgreich<br />
und innovativ mit Leidenschaft und Engagement das traditionsreiche<br />
Familienunternehmen .<br />
Im Vorfeld einer Auktion klären wir ab, ob<br />
ein Bieter zahlungsfähig ist und bis zu<br />
welchem Limit. Da wir zunehmend Kunden<br />
aus Asien, insbesondere aus China,<br />
haben, wird diese Aufgabe immer anspruchsvoller.<br />
Der potentielle Kunde muss<br />
sich ausweisen und Bankverbindungen,<br />
Referenzen etc. angeben. Zudem gilt natürlich:<br />
Ware nur gegen Bezahlung. ■<br />
Auktionshaus Rapp<br />
Das Auktionshaus Rapp gehört international<br />
zu den führenden Auktionshäusern<br />
für Briefmarken, Münzen,<br />
Schmuck und Uhren und besitzt zudem<br />
eine Galerie für zeitgenössische<br />
Kunst. Seit rund 50 Jahren werden<br />
persönliche Beziehungen zu Sammlern,<br />
Liebhabern und Investoren von<br />
schönen und kostbaren Objekten gepflegt.<br />
Das Auktionshaus Rapp befindet<br />
sich seit der Gründung im Jahr<br />
1970 zu 100 Prozent in Familienbesitz.<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
29
Das kostbarste Gut von allen<br />
Sich Zeit nehmen, jemandem Zeit schenken oder Zeit vergeuden – die Verben machen klar, dass Zeit<br />
unserem Empfinden nach eine endliche Ressource ist. Spätestens seit der Industrialisierung besteht<br />
ein direkter Zusammenhang zwischen Zeit und Geld. Seither bestimmt die Uhr unser Dasein. Wer<br />
seine Lebenszeit geniessen will, sollte ein vielfältiges Zeitempfinden entwickeln.<br />
Ludwig Heuwinkel, Dr. phil., Dozent (pens.) am Westfalen-Kolleg Bielefeld und Zeitforscher<br />
Benjamin Franklin (1706–1790) hat mit<br />
seiner berühmten Aussage «Zeit ist Geld»<br />
die seit der Industrialisierung zentrale<br />
Maxime der effektiven Zeitnutzung in<br />
prägnanter Form auf den Punkt gebracht.<br />
Für ihn ist Zeit die kostbarste Ressource.<br />
«Wie viel verlieren wir nicht allein dadurch,<br />
dass wir länger schlafen, als nötig<br />
wäre, ohne zu bedenken, dass der schlafende<br />
Fuchs kein Huhn fängt, und dass<br />
wir im Grabe lange genug schlafen werden.<br />
Ist die Zeit das kostbarste unter allen<br />
Dingen, so ist Verschwendung der Zeit<br />
die grösste aller Verschwendungen...»<br />
(Benjamin Franklin).<br />
In der Agrargesellschaft waren die Arbeitszeiten<br />
weitgehend durch die natürlichen<br />
Tages- und Jahresrhythmen und die<br />
damit verbundenen Arbeiten wie Viehfütterung,<br />
Feldbestellung und Ernte bestimmt.<br />
Diese aufgabenbezogene Zeiteinteilung<br />
ist nach Auffassung des englischen<br />
Historikers Edward P. Thompson<br />
für Bauern und Landarbeiter, welche die<br />
Notwendigkeit ihrer Arbeit unmittelbar<br />
wahrnehmen, verständlicher als eine<br />
durch eine abstrakte Uhrzeit vorgegebene<br />
Arbeitszeit. Ferner scheine die Trennung<br />
zwischen «Arbeit» und «Leben» im Mittelalter<br />
weniger ausgeprägt gewesen zu<br />
sein, «und es gibt kaum das Gefühl eines<br />
Konflikts zwischen ‹Arbeit› und ‹Zeit verbringen›»<br />
(ebenda, 39).<br />
Arbeitszeit = Warenwert<br />
Seit dem Beginn des Industriekapitalismus,<br />
worauf sich Franklin bezieht, wird<br />
dagegen für einen erweiterten anonymen<br />
Markt produziert, der weitestgehend unabhängig<br />
von natürlichen Rhythmen<br />
funktioniert und der einen anderen Umgang<br />
mit Zeit erfordert. Der auf den Märkten<br />
festgelegte Preis für Waren und<br />
Dienstleistungen wird auf der Grundlage<br />
der in ihnen enthaltenen gesellschaftlich<br />
durchschnittlich notwendigen Arbeitszeit<br />
ermittelt. «Als Werte sind alle Waren nur<br />
bestimmte Masse festgeronnener Arbeitszeit»<br />
(Marx/Engels). Im Interesse der<br />
Unternehmen ist es daher, die Arbeitszeit<br />
möglichst effektiv zu nutzen. Wer im gleichen<br />
Zeitraum und bei gleichbleibender<br />
Qualität mehr produziert, gewinnt zum<br />
einen Marktanteile gegenüber der Konkurrenz,<br />
und zum anderen erhöht er<br />
seinen Gewinn.<br />
Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts<br />
verweisen Begriffe wie z.B. Just-in-time-<br />
Produktion, Lean-Management, Digitalisierung,<br />
flexible Arbeitszeiten, Kennziffernvorgaben<br />
und Berichtspflichten auf<br />
Zeitknappheit und Zeitdruck erzeugende<br />
betriebswirtschaftliche Zeitlogiken (vgl.<br />
30 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
FOKUS KOSTBAR<br />
Heuwinkel 2006). Zeitliche Freiräume als<br />
wichtige Voraussetzung für Kreativität<br />
und Erholung sind in der Arbeitswelt nicht<br />
vorgesehen; vermeintliche Gegentrends<br />
z.B. in der IT-Branche basieren letztlich<br />
auf ausgeklügelten Managementmethoden<br />
zur Steigerung der Arbeitsproduktivität.<br />
Der durch die Digitalisierung und<br />
auch die Globalisierung erhöhte Wettbewerbs-<br />
und Kostendruck erhöht den Zeitund<br />
Leistungsdruck in den Betrieben.<br />
Dieser wird mit der in den 70er und 80er<br />
Jahren des 20. Jahrhunderts beginnenden<br />
Neoliberalisierung von Wirtschaft und<br />
Gesellschaft auf bis dahin marktferne<br />
gesellschaftliche Sphären, wie z.B. Bildung,<br />
Gesundheit, Sport und Kultur, ausgeweitet.<br />
Während das ökonomische<br />
Effizienzdenken für ökonomische Bereiche<br />
wie Produktion und Finanzmärkte<br />
als weitgehend unproblematisch angesehen<br />
wird, beurteilen Kritiker die Ökonomisierung<br />
des Nichtökonomischen, so<br />
auch die zunehmende effizienzorientierte<br />
Bewertung der Zeit, differenzierter.<br />
Konkrete Beispiele für die zunehmende<br />
Ökonomisierung der Zeit sind z.B. die<br />
Verkürzung von Schul- und Studienzeiten,<br />
die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten,<br />
Fast-Food-Angebote und die<br />
Abrechnung von Pflegezeiten nach vorgegebenen<br />
Zeiteinheiten, die keine Zeit für<br />
persönliche Gespräche oder unvorhergesehene<br />
Ereignisse vorsehen. Der in der<br />
Soziologie entwickelte Typus des ab<br />
hängig Beschäftigten als «Arbeitskraftunternehmer»<br />
(Voss/Pongratz) kommt<br />
angesichts der an betriebswirtschaftlichen<br />
Rentabilitätserwägungen ausgerichteten<br />
Vorgaben und Kontrollen mächtig<br />
ins Schwitzen, von der versprochenen<br />
höheren Arbeitszeitautonomie zur Erreichung<br />
einer ausgewogenen «Work-Life-<br />
Balance» darf er nur träumen.<br />
Vielfalt der Zeiten<br />
Die Ausweitung der Maxime effektiver<br />
Zeitnutzung basiert auf der Vorstellung<br />
einer objektiven, physikalisch messbaren<br />
Uhrzeit, die homogen, quantitativ, kontinuierlich,<br />
abstrakt und universal ist und<br />
die möglichst effizient genutzt werden<br />
sollte. Dagegen lässt sich die subjektive,<br />
die sogenannte Handlungs- und Ereigniszeit,<br />
durch Adjektive wie qualitativ, heterogen,<br />
diskret, konkret und lokal kennzeichnen.<br />
In Michael Endes Buch<br />
«Momo» verkörpern die grauen Herren<br />
die erste, Momo die zweite Zeitauffassung.<br />
Heute wenden sich viele Zeitexperten gegen<br />
die einseitige naturwissenschaftliche<br />
Betrachtung der Zeit und sie plädieren für<br />
die Vielfalt der Zeiten (vgl. Heuwinkel<br />
2017). Diese Zeitdiversität kommt auch in<br />
unserem Zeitempfinden zum Ausdruck,<br />
wenn wir davon sprechen, dass die Zeit<br />
vergeht, rennt, verrinnt, kommt, schleicht<br />
oder kriecht. Unterschiedliche Zeitempfindungen,<br />
deren Wert bzw. Qualität von<br />
den Betroffenen unterschiedlich eingeschätzt<br />
wird, werden durch Begriffe wie<br />
Langeweile, Warten, Sehnsucht, Geduld,<br />
Gelassenheit, Trauer und Musse zum Ausdruck<br />
gebracht.<br />
Die in den vorindustriellen Agrargesellschaften<br />
verbreitete Vielfalt der Zeiten ist<br />
durch die Industrialisierung weitgehend<br />
zurückgedrängt worden, sie hat den Umgang<br />
mit der Zeit auf die Organisation<br />
und Kontrolle der Zeit eingeengt. Zeit- und<br />
Selbstmanagement fördern diese Entwicklung.<br />
Die Pflege und das Erleben<br />
verschiedener Zeitmodi ist aber die Voraussetzung<br />
dafür, ein von ökonomischen<br />
Zwängen befreites Zeitgefühl ausbilden<br />
zu können und die unterschiedlichen<br />
Qualitäten der Zeit erleben zu können.<br />
Ein Spaziergang am Strand hat eine andere<br />
Qualität als der morgendliche Weg<br />
zur Arbeit.<br />
Die unterschiedlichen Zeitqualitäten und<br />
die Grenzen einer einseitigen ökonomischen<br />
Betrachtungsweise der Zeit werden<br />
auch in Bereichen wie Erziehung, Bildung,<br />
Familie, Freundschaft, künstlerischem<br />
Schaffen oder Konzertbesuch<br />
deutlich, in denen einseitige zeiteffiziente<br />
Überlegungen fehl am Platz sind. Jean<br />
Jacques Rousseau hat sich bekanntlich in<br />
seinem Erziehungsroma «Emile» dafür<br />
ausgesprochen, dass es in der Erziehung<br />
darum gehe, Zeit zu verlieren, und nicht<br />
Zeit zu gewinnen.<br />
Um Zeit als kostbare Ressource empfinden<br />
zu können, muss die von Benjamin<br />
Franklin empfohlene Zeitvorstellung<br />
«Zeit ist Geld» relativiert werden. Diese<br />
hat zwar in der Betriebswirtschaft ihren<br />
Platz, und der durch eine effiziente Zeitnutzung<br />
ermöglichte materielle Wohlstand<br />
hat auch zur Erhöhung des Lebensstandards<br />
beigetragen. Aber aus der<br />
Glücksforschung wissen wir, dass ein<br />
hoher Wohlstand nicht automatisch die<br />
Lebenszufriedenheit steigert. Diese kann<br />
aber durch das bewusste Zulassen und<br />
Erleben unterschiedlicher Zeitempfindungen<br />
gefördert werden. «Das Leben,<br />
besonders aber das gute Leben, braucht<br />
Zeit, und es braucht dazu viele verschiedene<br />
gelebte und lebendige Zeitformen»<br />
(Geissler).<br />
■<br />
Literatur<br />
Franklin, Benjamin (1794): Der alte, arme Richard<br />
oder Mittel, reich zu werden. In: Ders.:<br />
Kleine Schriften, meist in der Manier des<br />
Zuschauers, nebst seinem Leben, 2. Teil,<br />
(Übersetzung: Schaz, Georg), Weimar: Verl.<br />
des Industrie-Comptoirs, S. 76–93.<br />
Geissler, Karlheinz A. (2006): Von der Vielfalt der<br />
Zeiten – und der Einfalt der Uhrzeit. In:<br />
Geissler, Karlheinz A; Kümmerer, Klaus und<br />
Sabelis, Ida (Hrsg.): Zeitvielfalt. Wider das<br />
Diktat der Uhr, Stuttgart: Hirzel Verlag.<br />
Heuwinkel, Ludwig (2006): Umgang mit Zeit in<br />
der Beschleunigungsgesellschaft, Schwalbach/Ts.:<br />
Wochenschau-Verlag.<br />
Heuwinkel, Ludwig (2017): Die Vielfalt von<br />
Zeitaspekten in Wissenschaft und Gesellschaft<br />
in aktuellen Neuerscheinungen. Literaturbericht.<br />
In: Sozialwissenschaftliche<br />
Literaturrundschau (SLR) 75, 2/2017, S.<br />
5–43.<br />
Marx, Karl/Engels, Friedrich (1970): Das Kapital.<br />
Band 1, MEW 23, 5. Auflage, (Ost-)Berlin:<br />
Dietz Verlag.<br />
Thompson, Edward P. (1980): Zeit, Arbeitsdisziplin<br />
und Industriekapitalismus. In: Ders.<br />
(Hrsg.): Plebejische Kultur und moralische<br />
Ökonomie, Frankfurt a.M., Berlin und Wien:<br />
Ullstein, S. 35–66.<br />
Voss, Gerd Günter/Pongratz, Hans J. (1998): Der<br />
Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform<br />
der «Ware Arbeitskraft»? In: Kölner<br />
Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie,<br />
50. Jg., Heft 1, S. 131–158.<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
31
FOKUS KOSTBAR<br />
Der Heilige Gral der Schauspieler<br />
Wer ihn trägt, überragt alle seiner Zunft. Im Gegensatz zu andern Auszeichnungen gibt es den<br />
Iffland-Ring nur einmal. Sein Gewinner erhält ihn auf Lebzeiten und bestimmt den Nachfolger. Der<br />
höchsten Auszeichnung für Schauspieler im deutschsprachigen Raum haftet selbst etwas Dramatisches<br />
an. Nicht nur die Bestimmung des Nachfolgers löst bisweilen mehr als bloss Theaterdonner aus.<br />
Rolf Krekeler, Trier (www.rolf-krekeler.de)<br />
Ob etwas kostbar ist, entscheidet man oft<br />
selbst. Wir sagen dann, dass es für uns<br />
kostbar ist. Was aber macht Dinge für<br />
viele andere auch so kostbar? Hier können<br />
verschiedene Aspekte ausschlaggebend<br />
sein: Es gibt vielleicht nur wenige Stücke<br />
davon wie etwa von der Roten und der<br />
Blauen Mauritius aus dem Jahr 1847, vielleicht<br />
ist es die Einmaligkeit eines Kunstwerks<br />
wie der Mona Lisa oder aber der<br />
Gegenstand gehörte einer bekannten<br />
Persönlichkeit, beispielsweise das goldene<br />
Piano von Elvis Presley.<br />
Wenn all diese Punkte zusammenkommen,<br />
kann man mit Fug und Recht von<br />
einer Kostbarkeit sprechen. Der Iffland-<br />
Ring existiert in dieser Form und Ausführung<br />
nur einmal, hat eine mystische und<br />
teilweise bewegte Vergangenheit und wurde<br />
zudem von vielen Persönlichkeiten<br />
(zugegeben nur aus dem schauspielerischen<br />
Umfeld) getragen.<br />
Die Legende<br />
<strong>August</strong> Wilhelm Iffland (1759–1814) war<br />
ein deutscher Schauspieler, Intendant und<br />
Dramatiker, der grosse Erfolge feierte.<br />
Goethe würdigte ihn als «bedeutendsten<br />
Schauspieler seiner Zeit». Wohl in Anlehnung<br />
an Lessings Ringparabel liess Iffland<br />
eine kleine Anzahl gleicher Ringe<br />
anfertigen und übergab sie seinen engsten<br />
Freunden. Die Goldringe enthalten einen<br />
dunkelvioletten Halbedelstein, in den das<br />
Antlitz Ifflands eingraviert ist. Einer dieser<br />
Ringe jedoch ist zusätzlich mit Brillantsplittern<br />
verziert, er gilt als der eigentliche<br />
Stiftungsring. Er soll dem «jeweils bedeutendsten<br />
und würdigsten Bühnenkünstler<br />
des deutschsprachigen Theaters auf<br />
Lebenszeit» verliehen werden. Wer diese<br />
Person ist, bestimmt der aktuelle Träger.<br />
Bereits die Gründungsurkunde enthält<br />
zwei Irrtümer. Auf einen Zettel, der an der<br />
Unterseite des Etuis befestigt ist, in dem<br />
sich der Ring befindet, schrieb Friedrich<br />
Haase (Träger des Rings 1878–1911) eigenhändig:<br />
«Insignie – von Theodor Döring<br />
(Träger 1872–1878) an Friedrich<br />
Haase ein Ring mit Ifflands Bildnis, den<br />
derselbe Ludwig Devrient (Träger bis<br />
1832) in Berlin übergab. Gewidmet von<br />
Dörings Witwe an mich 75.» In seinem<br />
Brief an Albert Bassermann (Träger 1911–<br />
1952) teilte Haase mit, dass Iffland bei<br />
seinem letzten Gastspiel in Breslau den<br />
Ring Ludwig Devrient übergeben habe.<br />
Diese Darstellung scheint der Wahrheit<br />
näher, da Devrient erst 1815 von Breslau<br />
an das Berliner Nationaltheater kam. Iffland<br />
aber starb schon im Dezember 1814.<br />
Unwahrscheinlich ist auch, dass die Witwe<br />
von Theodor Döring den Ring 1875 an<br />
Friedrich Haase weiterreichte, da ihr<br />
Mann erst drei Jahre später sterben sollte.<br />
Das Datum bezieht sich folglich wohl auf<br />
das Jahr, in dem Döring entschied, wer der<br />
nächste Träger sein soll.<br />
Dem Feuer entrissen<br />
Haase selbst vermachte den Iffland-Ring<br />
Albert Bassermann und schrieb diesem<br />
den berühmten Brief, der als die Geschichtsurkunde<br />
des Ringes gelten kann.<br />
Bassermann liess ein neues Etui anfertigen<br />
und vermachte das Kleinod nacheinander<br />
Alexander Girardi, Max Pallenberg<br />
und Alexander Moissi. Als alle drei (!)<br />
noch zu Lebzeiten Bassermanns verstarben,<br />
wollte er den Ring nicht mehr weitergeben.<br />
Beinahe theatralisch streifte<br />
Bassermann an der Beerdigung Moissis<br />
1935 den Ring mit der Bemerkung ab,<br />
dass nun kein Schauspieler mehr würdig<br />
sei, ihn zu tragen. Dann trat er auf den<br />
Sarg zu und legte den Iffland-Ring darauf.<br />
Noch hatten sich die Trauergäste vom<br />
Staunen nicht erholt, da eilte der Direktor<br />
des Wiener Burgtheaters, Hermann Röbbeling,<br />
nach vorne und nahm den Ring<br />
vom langsam nach unten gleitenden<br />
Sarg, wobei er in höchster Erregung die<br />
Worte ausstiess: «Dieser Ring gehört<br />
einem lebenden Schauspieler, nicht einem<br />
toten.» So hatte Röbbeling den Iffland-<br />
Ring vor den Flammen bewahrt. Vielleicht<br />
wäre es ein eindrucksvoller Abschluss der<br />
Ringgeschichte gewesen: Der letzte Träger<br />
schenkt in Anwesenheit der grössten deutschen<br />
Schauspieler den Ring einem Toten,<br />
so dass weder Hader noch Neid unter den<br />
Lebenden mehr herrsche.<br />
Bassermann selbst übergab den Ring<br />
offiziell am 10. Oktober 1935 der Theatersammlung<br />
der österreichischen Nationalbibliothek<br />
in Wien. Hier war es zunächst<br />
recht still um den Ring, bis ihn Dr. Egon<br />
32 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
FOKUS KOSTBAR<br />
Hilbert, Leiter der Bundestheaterverwaltung<br />
von 1946 bis 1953, entdeckte. Hilbert<br />
benutzte die Gelegenheit, als Bassermann<br />
im November 1946 in Wien zur Entgegennahme<br />
des Ehrenbürgerrechtes der Stadt<br />
weilte, um mit dem Schauspieler zwei<br />
Unterredungen zu führen. Bei der ersten<br />
Unterredung, bei der Hilbert die Frage<br />
nach dem Schicksal des Ringes stellte,<br />
brachte Bassermann in unmissverständlicher<br />
Form zum Ausdruck, dass er nicht<br />
die Absicht habe, den Ring wieder an sich<br />
zu nehmen. Bei der zweiten Unterredung<br />
erklärte der Künstler, Hilbert möge den<br />
Ring bis zu seinem (Bassermanns) Tode<br />
aufheben und sodann nach eigenem Gutdünken<br />
über ihn verfügen. Somit war<br />
Hilbert nach Bassermanns Tod 1952 bevollmächtigt,<br />
den künftigen Ringträger<br />
zu bestimmen.<br />
Umstrittene Verleihungen<br />
Am 28. November 1954 wurde der Iffland-<br />
Ring an Werner Krauss verliehen. Die<br />
Verleihung rief Kritik hervor. Zwar erfüllte<br />
Krauss alle Kriterien eines Ringträgers,<br />
was sein Talent betraf. Jedoch erschien er<br />
wegen seiner Haltung während des Nationalsozialismus,<br />
insbesondere wegen der<br />
Teilnahme am antisemitischen Film «Jud<br />
Süss» als ungeeignet. Ungeachtet der Einwände<br />
erhielt Krauss den Ring anlässlich<br />
seines 70. Geburtstags. Nur wenige Tage<br />
später übergab Krauss der Bundestheaterverwaltung<br />
einen versiegelten Briefumschlag,<br />
der die Bestimmung über seinen<br />
Nachfolger enthielt. Werner Krauss lebte<br />
noch fünf Jahre und starb am 20. Oktober<br />
1959 als letzter der deutschen Schauspielertitanen.<br />
Am 9. Juni 1958 schrieb er Josef<br />
Meinrad, den er schon 1954 zum Nachfolger<br />
bestimmt hatte, den Brief, in dem er ihm<br />
die Gründe seiner Entscheidung mitteilte:<br />
«Sie, lieber Josef Meinrad, sind für mich<br />
in Ihrer Einfachheit, Ihrer Schlichtheit,<br />
Ihrer Wahrhaftigkeit der Würdigste.»<br />
In Deutschland wurde die Entscheidung<br />
Werner Krauss’ nicht allgemein gebilligt.<br />
Viele meinten, dass Gustav Gründgens der<br />
berechtigte Nachfolger gewesen wäre.<br />
Zweifellos kommt Gründgens dem Stifter<br />
des Ringes, <strong>August</strong> Wilhelm Iffland, am<br />
nächsten, weil er im Theaterleben auf<br />
dreifache Art eine überragende Stellung<br />
einnimmt: als faszinierender Schauspieler,<br />
als richtungweisender Regisseur und<br />
als bester deutscher Theaterdirektor. Warum<br />
hat einer der dämonischsten Schauspieler<br />
(Krauss) den Ring einem Kollegen<br />
(Meinrad) vererbt, dem das Dämonische<br />
fremd zu sein schien? Vielleicht ist es<br />
gerade dieser Mangel, der das Menschliche<br />
in Meinrads Darstellung so rein aufleuchten<br />
liess. Vielleicht ist es auch das<br />
Wunder der Schlichtheit, das Krauss in<br />
Meinrads Darstellung berührte.<br />
Die Einfachheit siegte über die Berühmtheit,<br />
die Schlichtheit über die Faszination.<br />
Man kann darüber streiten, ob Meinrad<br />
der beste Schauspieler deutscher Sprache<br />
war. Auch über die Würde mögen die Meinungen<br />
auseinanderstreben, in einem<br />
aber kam Meinrad der Lessing’schen<br />
Ringparabel am nächsten: Er war der<br />
bisher Liebenswerteste von allen.<br />
Wien braucht Trost<br />
Sein letzter Auftritt war sein erster Streich:<br />
Der Österreicher Meinrad übergab den<br />
Ring 1996 nicht etwa einem der als Favoriten<br />
gehandelten Österreicher wie Klaus<br />
Maria Brandauer, Helmuth Lohner oder<br />
Otto Schenk, sondern dem Schweizer Bruno<br />
Ganz. Jetzt brauchte Wien viel Trost.<br />
Trost, der für die Tageszeitung «Die Presse»<br />
darin bestand, dass Bruno Ganz ein<br />
«makelloses, nicht regional zuordenbares,<br />
«Burgtheaterdeutsch» spricht. Immerhin.<br />
■<br />
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Publikation<strong>2018</strong><br />
FOKUSSIERT<br />
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<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
33
FOKUS KOSTBAR<br />
Gold, das nicht glänzt<br />
Gold ist der Inbegriff des Kostbaren. Das glänzende Material fasziniert die Menschen von jeher.<br />
Und von jeher sorgt es für Zwist, Hass und Krieg. Selbst wenn es in modernen Kriegen nicht unbedingt<br />
mehr Objekt der Begierde ist, so ist es doch Mittel zum Zweck. Was im Kongo aus den Minen geholt<br />
wird, zieht seine blutige Spur bis in die Schweiz.<br />
Daniel Puntas Bernet, Chefredaktor «REPORTAGEN»<br />
Kann man Schuld messen? Ja, man<br />
kann. 160 000 Tonnen schwer. Glitzernd.<br />
Pures Gold. Ein Würfel, etwas<br />
über 20 Meter Kantenlänge, das ist,<br />
zusammengetragen, all das Gold, das<br />
die Menschheit je gefördert hat. Darin<br />
steckt alles. Nicht nur Ihr Hochzeitsring,<br />
das Namenskettchen für Ihr Kind,<br />
die Uhr am Handgelenk. Auch der<br />
Holocaust, die Inquisition, die Kreuzzüge.<br />
All das verschwindet nicht, denn<br />
Gold ist zu wertvoll. Fast nichts in dieser<br />
Welt wird so exakt dokumentiert. Gold<br />
ist wie ein Register seiner eigenen Geschichte.<br />
Man spricht von Blutgold, wenn etwas<br />
daran nicht stimmt, wenn dafür getötet,<br />
geraubt und gefoltert wurde. Aber<br />
das ist falsch. Gold ist sauber. Das Blut<br />
klebt nicht am Gold, es klebt an den<br />
Händen der Täter. Gold wird gewaschen,<br />
immer wieder eingeschmolzen,<br />
vermengt, purifiziert. Am Schluss wird<br />
es raffiniert.<br />
Die Raffination ist die Wäsche des Goldes.<br />
Die glühend heisse Reinigung, alles<br />
kommt hinein in die Öfen, heraus<br />
kommen einheitliche Goldbarren. Die<br />
grösste Menge der besten Qualität<br />
strömt aus dem «goldenen Dreieck» im<br />
südlichen Tessin, das drei der weltgrössten<br />
Raffinerien beherbergt, die zusammen<br />
ein Drittel des Weltmarkts für<br />
24-Karat-Feingold kontrollieren. Reinheitsgrad<br />
99,99 Prozent, fast keine Spur<br />
von Schmutz. Es soll frei sein von aller<br />
Geschichte, aller Schuld. Aber so einfach<br />
ist es nicht.<br />
Relative Lichtgestalt<br />
«Sind wir nicht alle schuld am Unglück<br />
dieser Welt?», sagt Jürgen Heraeus und<br />
drückt an einem kleinen braunen Zuckerpäckchen<br />
herum, während er im<br />
Café Einstein in Berlin sitzt. Im Hinterzimmer,<br />
dort, wo nur die wirklich Wichtigen<br />
verkehren. Klimawandel und Autofahren,<br />
in Urlaub fliegen, Fleisch essen!<br />
Machen wir doch alle! Dr. Jürgen<br />
Heraeus. Er ist eine Lichtgestalt. Träger<br />
des Deutschen Bundesverdienstkreuzes,<br />
Chef von UNICEF Deutschland und<br />
Patriarch des Familienunternehmens<br />
Heraeus mit rund 15,5 Milliarden Euro<br />
Jahresumsatz. Ein Mann der Tat, formte<br />
er aus dem losen Firmenkonglomerat<br />
einen Stolz der deutschen Industrie,<br />
eines der zehn grössten Familienunternehmen<br />
des Landes, orchestriert von<br />
der Heraeus Holding GmbH. Aktiv ist die<br />
Gruppe vor allem in den Bereichen<br />
Technologie und Edelmetalle. Und der<br />
Patriarch ist über alles informiert: Die<br />
Compliance-Verantwortlichen aus jedem<br />
Unternehmen berichten an den<br />
zentralen Compliance-Officer, der wiederum<br />
ihm unterstellt ist.<br />
Wenn man Heraeus fragt, in welchem<br />
Bereich seines Weltkonzerns er sich am<br />
besten auskenne, dann sagt er: bei den<br />
Rohstoffen, namentlich bei Platin, Palladium,<br />
Gold. Dr. Jürgen Heraeus ist<br />
nämlich noch etwas: Miteigentümer der<br />
Raffinerie Argor-Heraeus. Hauptsitz ist<br />
Mendrisio, eine kleine Stadt im Tessin,<br />
nahe der italienischen Grenze.<br />
Beginnt hier die Schuld? Im so unschuldig<br />
wirkenden Tessin? In der Raffinerie<br />
von Dr. Jürgen Heraeus? Oder im<br />
Kongo, in jenem geschundenen und<br />
gebeutelten Land, das so weit weg<br />
scheint von der Schweiz – und doch so<br />
nah ist?<br />
Unermüdliche Jägerin<br />
Kathi Lynn Austin hat lange gebraucht,<br />
um eine Antwort auf diese Frage zu finden.<br />
Austin jagt Kriminelle. Sie ist eine<br />
der intimsten Kennerinnen globaler<br />
Waffenschmuggler-Netzwerke. Sie will<br />
wissen, wer die Schuld trägt. Daran,<br />
dass die Kriege im Kongo nicht aufhören.<br />
Und wer am Ende der Blutgoldkette<br />
steht.<br />
Bis sie alles belegen konnte, arbeitete sie<br />
zwei Jahrzehnte. Akribisch und unnachgiebig<br />
recherchierte sie im Auftrag<br />
der UNO, wie Gold aus den Minen des<br />
Kriegsgebiets Ostkongo erst nach Uganda<br />
gebracht wurde, von dort seinen Weg<br />
über England in die Schweiz fand –<br />
bis in die Raffinerie von Dr. Jürgen<br />
Heraeus, der von alldem nichts gewusst<br />
haben will. «Dieses Gold war mehrfach<br />
illegal», erklärt Austin in ihrer New<br />
Yorker Wohnung. «Einerseits durfte es<br />
nach kongolesischem Recht ohne staatliche<br />
Lizenz weder gefördert noch gehandelt<br />
werden. Zudem verletzt der<br />
Goldhandel das UNO-Waffenembargo,<br />
weil er die Rebellen finanziert. Und damit<br />
ist es ein Kriegsverbrechen.» Sie, die<br />
Jägerin, schweigt kurz, in ihrem Kopf<br />
scheint es zu arbeiten. «Wenn es eine<br />
Gemeinsamkeit zwischen all den<br />
Schmugglernetzwerken gibt», sagt sie,<br />
die Jägerin, «dann die, dass es immer<br />
einen sauberen Player geben muss.»<br />
2005 legte Austin ihren Bericht vor, die<br />
UNO-Mission war abgeschlossen. Ihre<br />
letzte Empfehlung ist eine Sanktionsliste.<br />
Darauf steht auch der saubere Player,<br />
nach dem sie so lange suchte: Argor-<br />
Heraeus.<br />
Am 31. Oktober 2013 reichte Kathi Lynn<br />
Austin zusammen mit zwei NGO Klage<br />
ein. 2950 Kilo Gold soll Argor-Heraeus<br />
zur Weiterverarbeitung zwischen Juli<br />
2004 und Mai 2005 von einem britischen<br />
Zwischenhändler angenommen<br />
haben, das entsprach zum damaligen<br />
Zeitpunkt etwa 48 Millionen US-Dollar<br />
Sachwert. Austin hat alles lückenlos<br />
dokumentiert. Von den traurigen Minenlöchern<br />
Afrikas bis in die Schweiz.<br />
34 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
FOKUS KOSTBAR<br />
#41 / JULI <strong>2018</strong><br />
Hinter<br />
KILIAN KIRCHGESSNER<br />
der<br />
Firewall<br />
Was tun, wenn Hacker angreifen?<br />
In einem Trainingszentrum in Tschechien<br />
proben Firmen den Ernstfall.<br />
S.34<br />
SUSANNE DONNER<br />
Der Profiteur<br />
Mehmet D.<br />
Millionenschwere Gewinne,<br />
Todesdrohungen, unbezahlte Rechnungen<br />
– vom fiesen Geschäft mit Flüchtlingen.<br />
S.18<br />
Sprachlos<br />
ROCÍO PUNTAS BERNET<br />
in Sevilla<br />
Staatliche Korruption, Faulheit und<br />
eine verbaute Zukunft: Das Leben der jungen<br />
Analphabeten aus Andalusien.<br />
S.50<br />
Die Anschuldigung: Gehilfenschaft zu<br />
Kriegsverbrechen durch Plünderung<br />
und Geldwäsche. Die Bundesanwaltschaft<br />
nahm die Klage so ernst, dass die<br />
Polizei am 4. November in Mendrisio<br />
eine Hausdurchsuchung bei Argor-Heraeus<br />
durchführte.<br />
www.reportagen.com CHF 20 / EUR 15<br />
Die<br />
DANIELA<br />
Party<br />
SCHRÖDER<br />
deines Lebens<br />
In Ghana sind Beerdigungen<br />
rauschende Feste – und ein Business,<br />
das boomt.<br />
S.66<br />
CHRISTIAN SCHMIDT<br />
Schweizer<br />
im Rotlicht<br />
Sie wollen schmusen, heiraten<br />
oder retten. Wieso es Freiern oft nur<br />
am Rande um Sex geht.<br />
S.82<br />
DIE HISTORISCHE REPORTAGE<br />
VIPASSANA<br />
TIZIANO TERZANI<br />
S.103<br />
Berlin, 2015. Heraeus erinnert sich. «Dass<br />
die Schweizer Staatsanwaltschaft überhaupt<br />
ermittelt hat, lag wohl auch daran,<br />
dass man zeigen wollte, dass man aufgrund<br />
des wachsenden Drucks gegen<br />
den Finanz- und Rohstoffhandelsplatz<br />
Schweiz aus Regierungssicht etwas tut.»<br />
Er schüttelt den Kopf. «Es gibt keine Möglichkeit<br />
in dieser Branche, sauberes Gold<br />
zu raffinieren. Seit 2005 importiert Argor-<br />
Heraeus nicht mehr aus Afrika.» Wieso<br />
blieben denn eigentlich neue Berichte<br />
in der Schweizer «Wochenzeitung» unwidersprochen,<br />
die behaupten, dass<br />
Argor-Heraeus bis 2008 Gold aus den für<br />
notorische Kinderarbeit berüchtigten<br />
Lehmlöchern Malis importiert habe?<br />
Heraeus wirkt auf einmal sehr müde. Daran<br />
könne er sich nicht erinnern.<br />
Die Bundesanwaltschaft sieht das anders.<br />
In ihrem Schlussbericht von 2015 schreibt<br />
sie, dass Argor-Heraeus 2950 Kilogramm<br />
Rohgold tatsächlich aus Uganda bezogen<br />
hat. «Argor-Heraeus leistete somit objektiv<br />
Hilfe zu den vor Ort in Ituri begangenen<br />
Kriegsverbrechen.» Trotz heftiger Kritik<br />
an Argor-Heraeus («das Unternehmen<br />
hätte dies wissen können»), sieht die Bundesanwaltschaft<br />
von einer Verurteilung<br />
ab.<br />
Auch Kathi Lynn Austin, diese kleine Frau<br />
mit dem netten Gesicht, weiss es besser.<br />
Auf all den Goldlieferscheinen, die sie über<br />
die Jahre gesichtet hat, steht immer wieder:<br />
Herkunftsland Demokratische Republik<br />
Kongo. Es ist schwer vorstellbar, dass<br />
bei Argor-Heraeus niemand gewusst hat,<br />
woher das Gold tatsächlich kam.<br />
Auf jedem Goldbarren, der das Haus<br />
Argor-Heraeus verlässt, steht: «Heraeus<br />
99,99». So gut wie sauber. Aber eben nur<br />
fast. Die Schuld, sie bleibt auch am reingewaschenen<br />
Gold kleben. ■<br />
Dieser Text ist eine gekürzte Fassung von «UNICEF und Blutgold», erschienen im<br />
Magazin REPORTAGEN <strong>Nr</strong>. 26 vom Januar 2016. Die ganze Reportage können Leserinnen<br />
und Leser des <strong>VSAO</strong>-Journals hier lesen: https://reportagen.com/content/<br />
unicef-und-blutgold. Ein kostenloses Kennenlernexemplar von REPORTAGEN gibt<br />
es hier: https://reportagen.com/kennenlernen.<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
35
FOKUS KOSTBAR<br />
Alter und neuer Luxus<br />
Ein Kofferset von Louis Vuitton, ein Aston Martin oder ein hochkarätiger Diamantring –<br />
Luxusgüter zeichnen sich nebst hohen Preisen durch Seltenheit und Qualität aus. Obgleich man von<br />
einer Luxusgüterindustrie spricht, sind es meist eher Manufakturen, die diese Güter produzieren.<br />
Die herkömmlichen Statussymbole erhalten jedoch Konkurrenz, nicht zuletzt durch einen<br />
gesellschaftlichen Wandel.<br />
Florian Fröhlich, Designer bei Mansur Gavriel, New York<br />
Beim Begriff kostbar<br />
kommt mir ein kleines<br />
Objekt in den Sinn, welches<br />
einen grossen Wert<br />
hat. Also Schmuck zum<br />
Beispiel. Gleichzeitig ist<br />
es eine Dimension, welche<br />
ich noch nie richtig<br />
verstehen konnte. Kein<br />
Wunder, studierte ich<br />
doch an einer deutschen<br />
Designfachhochschule,<br />
welche stark von der<br />
Bauhausphilosophie geprägt<br />
ist. Hier sind Minimalismus<br />
und Praktikabilität<br />
Trumpf. Die Gründer<br />
des Bauhauses wollten in erster Linie<br />
Konsumgüter in ansprechender Qualität<br />
zu erschwinglichen Preisen für die gesamte<br />
Bevölkerung kreieren. Wie kann<br />
also ein kleines Objekt alleine durch<br />
den Einsatz von etwas Metall und einigen<br />
Steinen in gewissen Fällen den<br />
Gegenwert eines Autos oder sogar eines<br />
Einfamilienhauses haben? Beim Diamantring<br />
bestimmt die Seltenheit des<br />
Steins den Preis. Man bezahlt also dafür,<br />
etwas zu besitzen, was nicht jeder<br />
besitzen kann.<br />
Savoir faire<br />
Qualitäten wie edles Material und Seltenheit<br />
sind wichtig in der Luxusgüterindustrie.<br />
Und genau dort landete ich<br />
nach meinem Studium. Mein erster Job<br />
als Designer führte mich zu einer grossen<br />
Pariser Lederwarenmarke. Bald<br />
realisierte ich, dass in dieser Sparte<br />
Seltenheit ausschlaggebend ist – quasi<br />
kommerziell kreierte Kostbarkeit. Das<br />
mag zunächst etwas kalt und berechnend<br />
klingen und ist es zum Teil wohl<br />
auch. An dieser Stelle möchte ich aber<br />
die positiven Aspekte dieser Industrie<br />
hervorheben. Dank ihr können nämlich<br />
bestimmte handwerkliche Berufe<br />
erhalten werden. Oftmals macht weniger<br />
das Material ein Objekt kostbar,<br />
sondern vielmehr die Kunstfertigkeit<br />
der Herstellung. In Frankreich gibt es<br />
sogar einen Begriff dafür: savoir faire!<br />
Der Luxusgüterproduzent Hermès hat<br />
beispielsweise der traditionsreichen<br />
französischen Glasmanufaktur Saint-<br />
Louis vor vielen Jahren neues Leben<br />
eingehaucht. So können heutzutage in<br />
den Geschäften von Hermès wieder<br />
wundervolle Kristallgläser bestaunt<br />
und – je nach Portemonnaie – gekauft<br />
werden, welche von begabten Glasschleifern<br />
mit herrlichen Motiven versehen<br />
wurden.<br />
Fair und langlebig<br />
Lustig, dass etwas, was früher üblich<br />
war, nämlich ein von einem Handwerker<br />
hergestelltes Unikat zu besitzen, in<br />
der Zeit der Massenproduktion etwas<br />
Seltenes und damit Kostbares geworden<br />
ist. Luxusprodukte haben jedoch noch<br />
andere positive Eigenschaften. So darf<br />
man beim Kauf eines solchen Produkts<br />
davon ausgehen, dass es unter ethisch<br />
einwandfreien Bedingungen hergestellt<br />
wurde, von Arbeitern mit fairen Löhnen<br />
und angemessenen Arbeitsbedingungen.<br />
Zustände also, die speziell in der Modebranche<br />
leider nicht zum allgemeinen<br />
Standard gehören. Ein weiterer wichtiger<br />
Faktor schliesslich ist die Qualität.<br />
Wer sich eine Uhr beispielsweise aus<br />
dem Hause Rolex gönnt, darf damit<br />
rechnen, dass diese noch einige weitere<br />
Generationen überlebt.<br />
Denken im Wandel<br />
Hochwertige Einzelstücke bekannter<br />
Marken liegen seit Jahrzehnten im<br />
Trend. Die Luxusgüterindustrie hat –<br />
allen wirtschaftlichen Hochs und Tiefs<br />
zum Trotz – grosse Gewinne erzielt,<br />
und diejenigen, die in sie investiert haben,<br />
gleichermassen. Doch derzeit ist<br />
ein Wandel im Gange. Die junge Generation<br />
definiert neue Statussymbole. Es<br />
geht oft nicht mehr darum, etwas zu<br />
besitzen, was nicht alle haben. Manchmal<br />
fallen modernste Technik oder weltanschauliche<br />
Gründe stärker ins Gewicht. So<br />
kann die Apple Watch einer Rolex den<br />
Rang ablaufen, und ein akkubetriebenes<br />
Auto vermag einen Lamborghini als<br />
überholtes Statussymbol erscheinen<br />
lassen. Erfrischend ist auch, dass die<br />
neue Erlebnisgeneration kostbare Momente<br />
kostbaren Objekten vorzieht: Es<br />
dürfen gerne einige Reisen mehr sein,<br />
bevor man sich mit einer Hypothek belastet.<br />
Von daher liegt eine spannende<br />
Zeit vor uns, in der immaterielle und<br />
materielle Kostbarkeiten aufeinandertreffen.<br />
Gutes tun<br />
Ich denke, die Organisation «Parley for<br />
the Oceans» ist hier ein Vorreiter. Gegründet<br />
wurde sie von dem deutschen<br />
Designer Cyrill Gutsch, der allerdings<br />
vor allem in den USA aktiv ist. «Parley<br />
for the Oceans» hat sich dem Schutz der<br />
Weltmeere verschrieben. Die Organisation<br />
arbeitet mit Firmen wie der Jeansmarke<br />
G-Star oder Adidas zusammen.<br />
Der aus Meeren und von Stränden gesammelte<br />
Plastikabfall wird aufbereitet<br />
und als «bionic yarn» in Kleiderstücken<br />
oder Schuhen verarbeitet. So entstand<br />
beispielsweise die Marke Parley Adidas.<br />
Das Motto der Organisation bringt es<br />
auf den Punkt: «Purpose is the new<br />
luxury». Man muss nicht immer nur<br />
sich selbst etwas Gutes tun, sondern<br />
sollte generell etwas Gutes tun. Für andere<br />
und unseren Planeten, denn der ist<br />
immer noch weitaus kostbarerer als alle<br />
Diamantringe zusammen. ■<br />
36 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
PERSPEKTIVEN<br />
FACHSERIE: AKTUELLES AUS DER IMMUNOLOGIE – IMPFEN<br />
Impfen bei<br />
immunkompromittierten Patienten<br />
Die Optimierung des Impfschutzes kann einen wichtigen Beitrag zum Wohlergehen immunkompromittierter<br />
Patienten leisten, gibt aber häufig Anlass zu Fragen, sowohl von Grundversorgern wie auch von<br />
jeweiligen Spezialisten. Im Folgenden werden die wichtigsten Prinzipien und Regeln zusammengefasst,<br />
die es beim Impfen von Patienten mit medikamentöser Immunsuppression oder anderen primären oder<br />
sekundären Immundefekten zu beachten gilt.<br />
Dr. med. Philipp Kaiser, Abteilung für Infektiologie und Spitalhygiene, Luzerner Kantonsspital<br />
Gegen viele Erreger wie Staphylokokken,<br />
Enterobakteriazeen, Pilze oder das<br />
Zytomegalievirus, die immunkompromittierte<br />
Patienten bedrohen, gibt es<br />
keine Impfungen. Mit den Impfungen<br />
gegen Influenza und Pneumokokken<br />
und in geringerem Masse auch gegen<br />
Meningokokken, Hepatitis B-, Varicella-<br />
Zoster- und humane Papillomaviren<br />
stehen uns jedoch Vakzinen gegen Erkrankungen<br />
zur Verfügung, welche bei<br />
immunkompromittierten Patienten<br />
gehäuft vorkommen oder virulentere<br />
Verläufe zeigen.<br />
Prinzipiell gelten für Immunkompromittierte<br />
die allgemeinen Impfempfehlungen<br />
(hierzulande gemäss Schweizerischem<br />
Impfplan [1]) mit den unten aufgeführten<br />
generellen Einschränkungen. Bei Diagnose<br />
einer Immunschwäche oder Erkrankung<br />
mit immunsupprimierender Therapie<br />
sollte der Impfstatus anhand von<br />
Impfdokumenten oder Antikörperbestimmungen<br />
geprüft werden und es<br />
sollten allenfalls Booster-Dosen oder<br />
neu indizierte Grundimmunisierungen<br />
appliziert werden (siehe Box). Ein besonderes<br />
Augenmerk gilt dabei den<br />
Lebendimpfstoffen, die unter Umständen<br />
später nicht mehr gegeben werden<br />
dürfen. In gewissen Situationen sind<br />
Erfolgskontrollen mittels Impfantikörpertiterkontrollen<br />
(siehe unten) gefordert.<br />
Auch ist zu bedenken, dass immunsupprimierte<br />
Patienten häufig ungenügend<br />
auf Impfungen ansprechen. Daher wäre<br />
die optimale Immunisierung der allgemeinen<br />
Population (Herdenimmunität),<br />
sicher aber der Familie und anderer<br />
enger Kontaktpersonen (sog. «Cocooning»)<br />
mindestens ebenso wichtig wie<br />
diejenige der Patienten selbst. So ist<br />
jedenfalls die Impfung von Angehörigen<br />
schwer immunkompromittierter<br />
Patienten gegen Influenza und Pneumokokken<br />
indiziert.<br />
Wann ist Vorsicht<br />
geboten?<br />
Lebendimpfstoffe (bei uns ausschliesslich<br />
MMR-, Varicella-Zoster-, Gelbfieber- und<br />
orale Typhusimpfung) gelten bei Patienten<br />
mit moderater bis schwerer primärer<br />
Immundefizienz [2] (z.B. severe<br />
combined immunodeficiency, common<br />
variable immunodeficiency, Agammaglobulinämien)<br />
oder mit medikamentös<br />
induzierter Immunsuppression generell<br />
als kontraindiziert. Ausnahmen bilden<br />
hier Monotherapien mit topischen oder<br />
niedrig dosierten systemischen Kortikosteroiden<br />
(
PERSPEKTIVEN<br />
Vorgehen Impfen (zukünftig) immunkompromittierter Patienten<br />
1. Impfstatus erheben<br />
Anamnese, Impfausweis<br />
Antikörpertiter: immer anti-HBs; wenn nicht dokumentiert, zusätzlich VZV und Masern<br />
2. Nachholimpfungen:<br />
Lebendimpfstoffe ≥4, Totimpfstoffe ≥2 Wochen vor Immunsuppression<br />
Impfung<br />
dTpa<br />
Hib<br />
IPV<br />
PCV13$<br />
HBV<br />
MMR*$<br />
VZV*$<br />
Zoster*§$<br />
Influenza$<br />
MenACWY<br />
HAV<br />
HPV<br />
Indikation Grundimmunisierung<br />
gemäss BAG [1]<br />
alle<br />
alle<br />
alle<br />
Risikogruppen inkl. Immunkompromittierte<br />
alle Immunkompromittierten<br />
alle nicht Immunen<br />
alle nicht Immunen<br />
alle Immunkompromittierten >50 Jahre<br />
alle Immunkompromittierten<br />
Risikogruppen inkl. Komplementdefekte<br />
und Asplenie<br />
Risikogruppen; für Immunkompromittierte<br />
sinnvoll<br />
alle 10 Jahre<br />
nicht notwendig<br />
nur Risikogruppen<br />
nicht notwendig<br />
bei anti-HBs 5 Jahre<br />
wenn insgesamt 100 IE/ml)<br />
vor Organtransplantation zusätzlich Tetanus, Masern, Röteln, VZV<br />
* Lebendimpfstoffe: kontraindiziert bei Immunsuppression innerhalb
PERSPEKTIVEN<br />
Als Grundregel sollten indizierte Impfungen<br />
mit Totimpfstoffen mindestens zwei<br />
Wochen vor Beginn einer schwer immunsupprimierenden<br />
Therapie appliziert werden.<br />
Im Allgemeinen darf drei Monate<br />
nach Therapieende (resp. 6 Monate nach<br />
Anti-B-Zell-Antikörpern) wieder von<br />
einem relativen Ansprechen ausgegangen<br />
werden [6]. Fällt die Grundimmunisierung<br />
(z.B. bei Kindern mit Neoplasien)<br />
zeitlich mit einer moderat immunsupprimierenden<br />
Therapie zusammen, empfiehlt<br />
sich die Weiterführung des Impfzyklus.<br />
Die entsprechenden Impfdosen<br />
sollten jedoch nach Beendigung der<br />
immunsupprimierenden Therapie nachgeholt<br />
werden oder es sollte eine Kontrolle<br />
des allfälligen Schutzkorrelates erfolgen.<br />
Schliesslich ist zu erwähnen, dass<br />
akute Entzündungszustände (Infektionen,<br />
Akut-Phase-Reaktion nach mechanischem<br />
Trauma) die Impfantwort signifikant<br />
beeinträchtigen können, sodass der<br />
Patient zum Zeitpunkt einer Impfung<br />
zumindest die katabole Phase hinter sich<br />
gelassen haben sollte. Pragmatischerweise<br />
impfen wir Patienten nach notfallmässiger<br />
Splenektomie kurz vor Spitalaustritt<br />
gegen Pneumo- und Meningokokken [7].<br />
Wann müssen Impfungen<br />
wiederholt werden?<br />
Gewisse medikamentöse Therapien können<br />
neben einer unmittelbaren Suppression<br />
der Impfantwort eine teilweise oder<br />
vollständige Auslöschung des zentralen<br />
immunologischen Gedächtnisses induzieren.<br />
Beste Beispiele dafür sind der<br />
Graft-versus-Leukämie-Effekt nach allogener<br />
Stammzelltransplantation und<br />
wahrscheinlich auch Apoptose-fördernde<br />
Onkologika wie Venetoclax. Rituximab,<br />
vor allem in Kombination mit hochdosierter<br />
aplasierender Chemotherapie beeinträchtigt<br />
zumindest das humorale<br />
Gedächtnis ebenfalls. Empfohlen wird<br />
eine volle Grundimmunisierung frühestens<br />
sechs Monate nach allogener und –<br />
individualisiert – auch nach autologer<br />
Stammzelltransplantation [8]. Nach konventionellen<br />
Chemotherapien wird keine<br />
Neuimmunisierung empfohlen, allerdings<br />
können einmalig Auffrischimpfungen<br />
nach Abschluss der Therapie erwogen<br />
werden. Ich persönlich halte bei typischen<br />
erwachsenen Patienten drei Monate nach<br />
Lymphomtherapie eine Booster-Dosis<br />
dT(pa), die konjugierte Pneumokokkenimpfung<br />
sowie – je nach Alter – die Zosterimpfung<br />
[9] für sinnvoll.<br />
Wann sind Kontrollen<br />
von Impfantikörpertitern<br />
sinnvoll?<br />
Persistenz von neutralisierenden Antikörpern<br />
ist in vielen Impfungen ein entscheidender<br />
Faktor für den Schutz vor<br />
Infektion. Allerdings spielen gerade bei<br />
Lebendimpfstoffen häufig auch zellvermittelte<br />
Mechanismen eine wichtige<br />
Rolle. Validiert als Schutzkorrelate [10]<br />
sind Impfantikörpertiter gegen Tetanus,<br />
Diphtherie, Haemophilus influenzae Typ<br />
b, Hepatitis A und B, Pneumokokken,<br />
Frühsommer-Meningoencephalitis, Tollwut,<br />
Masern, Röteln und Varizellen [8,<br />
11]. Für die übrigen Impfungen inklusive<br />
Mumps und Gelbfieber gibt es keine<br />
routinemässig messbaren Schutzkorrelate.<br />
Die Bestimmung von Impfantikörpertitern<br />
ist nur in bestimmten Situationen<br />
indiziert; so wird sie vor und zwölf Monate<br />
nach einer Organtransplantation resp.<br />
vier bis sechs Wochen nach einer ergänzenden<br />
Impfung bei diesen Patienten<br />
empfohlen [11]. Weitere gute Indikationen<br />
sind die Erfolgskontrolle nach Impfung<br />
aktuell immunsupprimierter oder<br />
stammzelltransplantierter Patienten sowie<br />
der unklare Impfstatus. Klare Empfehlungen<br />
zur Kontrolle von Schutzkorrelaten<br />
nach Chemotherapie gibt es gegenwärtig<br />
nicht, ein solches Vorgehen stellt<br />
jedoch eine valable Alternative zur empirischen<br />
Auffrischimpfung dar. ■<br />
Referenzen<br />
1. BAG, Schweizerischer Impfplan 2017. Bern:<br />
Bundesamt für Gesundheit, 2017.<br />
2. Eibl, M. M. and H. M. Wolf, Vaccination in<br />
patients with primary immune deficiency,<br />
secondary immune deficiency and autoimmunity<br />
with immune regulatory abnormalities.<br />
Immunotherapy, 2015. 7(12): p.<br />
1273–92.<br />
3. BAG, Impfprinzipien und Empfehlungen für<br />
Personen mit chronisch entzündlichen<br />
Darmerkrankungen oder anderen gastroenterologischen<br />
(Auto-)Immunerkrankungen.<br />
Bern: Bundesamt für Gesundheit, 2017.<br />
4. BAG, Impfprinzipien und Empfehlungen für<br />
Personen mit autoimmu-entzündlichen<br />
rheumatischen Erkrankungen. Bern: Bundesamt<br />
für Gesundheit, 2014.<br />
5. S. Rothschild, C. B., L. Kaufmann, M. Stanczak,<br />
M. Syedbasha, D. Vogt, O. Gautschi, A.<br />
Egli, A. and H. L. C. Zippelius, Immune response<br />
and adverse events to influenza vaccine<br />
in cancer patients undergoing PD-1<br />
blockade. Abstract 112P_PR – European<br />
Lung Cancer Conference, Geneva, May 5–8<br />
2017, 2017.<br />
6. Rubin, L. G., et al., 2013 IDSA clinical practice<br />
guideline for vaccination of the immunocompromised<br />
host. Clin Infect Dis, 2014.<br />
58(3): p. 309–18.<br />
7. BAG, Prävention schwerer Infektionen bei<br />
anatomischer oder funktioneller Asplenie.<br />
Bern: Bundesamt für Gesundheit, 2015.<br />
8. BAG, Empfehlungen zur Impfung von Empfängerinnen<br />
und Empfängern von Blut-<br />
Stammzellen. Bern: Bundesamt für Gesundheit,<br />
2014.<br />
9. BAG, Empfehlungen zur Impfung gegen<br />
Herpes Zoster/«Gürtelrose». Bern: Bundesamt<br />
für Gesundheit, 2017.<br />
10. Plotkin, S. A. and P. B. Gilbert, Nomenclature<br />
for immune correlates of protection after<br />
vaccination. Clin Infect Dis, 2012. 54(11): p.<br />
1615–7.<br />
11. BAG, Impfempfehlungen für Personen vor<br />
und nach Transplantation eines soliden<br />
Organs. Bern: Bundesamt für Gesundheit,<br />
2014.<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
39
PERSPEKTIVEN<br />
AUS DER «THERAPEUTISCHEN UMSCHAU» * : ÜBERSICHTSARBEIT<br />
Opiate – Fluch oder Segen? –<br />
Eine aktuelle Übersicht<br />
Tobias Schneider und Wilhelm Ruppen<br />
Departement für Anästhesie, Operative Intensivbehandlung, präklinische Notfallmedizin und Schmerztherapie,<br />
Universitätsspital Basel, Basel<br />
Zusammenfassung: Opiate werden sowohl in der Behandlung von akuten als auch chronischen, häufig nicht malignen Schmerzen<br />
eingesetzt. Innerhalb der letzten 10 Jahre ist es weltweit, aber auch in der Schweiz, zu einer massiven Zunahme von Verschreibungen<br />
und Langzeitbehandlungen mit Opioiden gekommen. Neuere Zahlen über aus Opioid-Behandlungen entstehende Nebenwirkungen,<br />
Abhängigkeiten und auch Opioid bedingten Todesfällen haben uns vor allem aus den USA erreicht. Diese haben Opiate in<br />
den Fokus der medizinischen Untersuchungsbehörden gebracht und die Diskussion über eine Schmerztherapie mit Opiaten neu<br />
entfacht. In diesem Artikel geben die Autoren daher einen Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand bezüglich<br />
der in der klinischen Anwendung relevanten Themen: opiatinduzierte Hyperalgesie (OIH), Einfluss der Opiatbehandlung auf<br />
Lebensqualität und Schmerzlinderung, das Nebenwirkungsprofil, Komplikationsrisiko sowie das Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential<br />
einer Behandlung mit Opioiden. Zwei Beispiele aus der klinischen Praxis sowie eine Empfehlung für den Einsatz von<br />
Opioiden in der täglichen Praxis, orientiert an den Richtlinien des Universitätsspitals Basel, runden den Artikel ab.<br />
Opioids – boon or bane? – An overview<br />
Abstract: Opioids are frequently used in the treatment of acute and chronic, often not malignant, pain states. During the last decade<br />
prescriptions of and long term treatments with opioids have enormous increased, not only all over the world but also especially<br />
in Switzerland. New data, manly collected in the United States, about side-effects, addictions, and deaths related to treatment with<br />
opioids have set these substances into the focus of investigative authorities. Further these data have newly launched the discussion<br />
of the role of opioids in the treatment of chronic pain states. In this article we therefore give an overview of the current scientific<br />
state of knowledge about important questions in clinical use of opioids. This includes: opioid induced hyperalgesia, influence on<br />
quality of life and pain reduction, side-effects, risk of treatment complications and the misuse- and abuse-potential of a pain<br />
treatment with opioids. Two examples out of daily clinical work and a recommendation how to use opioids in pain treatment<br />
(based on the guidelines of the university hospital Basel) complete this overview.<br />
Einführung und<br />
Epidemiologie<br />
Opioide werden bei akuten, chronischen<br />
sowie Tumor-bedingten Schmerzen eingesetzt.<br />
Unbestritten ist, dass der Gebrauch<br />
von Opioiden im In- und Ausland<br />
massiv zugenommen hat. So zeigt eine<br />
Studie aus Deutschland, dass in den letzten<br />
10 Jahren der Gebrauch von Opioiden<br />
insgesamt um 37 % zugenommen hat [1].<br />
Auffallend war bei dieser Untersuchung,<br />
dass die grösste Zunahme der Opiatverschreibungen<br />
bei der Therapie von chronischen,<br />
nicht-malignen Schmerzen<br />
stattfand.<br />
* Der Artikel erschien ursprünglich in der «Therapeutischen<br />
Umschau» (2017), 74(5), 277–283. MEDISER-<br />
VICE <strong>VSAO</strong>-Mitglieder können die «Therapeutische<br />
Umschau» zu äusserst günstigen Konditionen abonnieren.<br />
Details s. unter www.hogrefe.ch/downloads/vsao.<br />
In der Schweiz ist der Gebrauch von Opioiden<br />
[2] in den letzten Jahren sogar<br />
noch deutlicher als in Deutschland angestiegen.<br />
So hat sich die Anzahl der<br />
Verschreibungen von Opioiden von 2006<br />
bis 2013 verdoppelt (von 64 839 auf<br />
137 458) [2]. Die durchschnittliche Anzahl<br />
Verschreibungen pro Person stieg von 3.9<br />
auf 4.8 an. Hochgerechnet auf 100 000<br />
Personen stieg die Morphin-Äquivalenz-<br />
Dosis um 117 % und die Anzahl der Behandlungstage<br />
um 101 %. Am meisten hat<br />
die Verschreibung starker Opioide in den<br />
Kantonen Jura (+ 260 %), Fribourg<br />
(+ 270 %), Basel-Stadt (+ 219 %), Uri<br />
(+ 220 %), und Schaffhausen (+ 201 %)<br />
zugenommen.<br />
Angefangen hat dieser Trend in den USA<br />
[3]: bis 1990 war die Abgabe von Opiaten<br />
zur Behandlung von chronischen<br />
Schmerzen in den meisten Bundesstaaten<br />
verboten. Ohne vorliegende wissenschaftliche<br />
Evidenz wurde ab 1990 empfohlen,<br />
Opiate chronischen Schmerzpatienten<br />
nicht weiter vorzuenthalten. Schmerz-<br />
Interessen Gruppen, medizinische Gesellschaften<br />
und Schmerz-Spezialisten<br />
begannen u. a. auch in Medical Boards<br />
und bei regulatorischen Behörden zu<br />
lobbyieren[4]; dies mit Erfolg, wie die<br />
retrospektive Entwicklung zeigt. So war<br />
Ende der 90-er Jahre in mindestens 20<br />
US-amerikanischen Bundesstaaten der<br />
Gebrauch von Opioiden bei der Behandlung<br />
benigner chronischer Schmerzen<br />
zugelassen. Einige dieser lobbyierenden<br />
Interessensgruppen wie auch Einzelpersonen<br />
sind unlängst offenbar in den Fokus<br />
der Untersuchungsbehörden und des<br />
US-Senats gekommen [3, 5].<br />
So stellt sich unweigerlich die Frage: warum<br />
dieser Aufschrei? Immerhin hat diese<br />
Bewegung es geschafft, das Bewusstsein<br />
für das Leid der Patienten mit chroni-<br />
40 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
PERSPEKTIVEN<br />
schen Schmerzen derart zu schärfen, dass<br />
Schmerz sogar als Vitalzeichen institutionalisiert<br />
wurde [6].<br />
Zudem galt auch in der Schweiz noch vor<br />
etwa 15 Jahren die Lehrmeinung, dass<br />
Opiate bei chronischen benignen Schmerzen<br />
sicher sind, keine Abhängigkeit erzeugen,<br />
kaum Nebenwirkungen haben (Ausnahme<br />
Obstipation) und bestens wirksam<br />
sind. Somit besser zur Therapie chronischer<br />
Schmerzen geeignet sind als jedes<br />
andere Analgetikum.<br />
Ebenso berichteten 92 % der Langzeit-<br />
Opioid-Patienten [7] in einer amerikanischen<br />
Befragung, dass Opioide zu einer<br />
merklichen Schmerzlinderung führen<br />
würden. 53 % berichteten, dass die<br />
Schmerzlinderung sogar sehr gut sei. 57 %<br />
berichten, dass ihre Lebensqualität deutlich<br />
besser sei als ohne Opioide [4]. Auch<br />
gaben 20 % der Befragten an, dass ihre<br />
psychische Verfassung unter Opioiden<br />
besser sei, 60 % behaupteten, dass die<br />
Opioide keinen Einfluss auf ihre Psyche<br />
hätten und weitere 20 % behaupteten, dass<br />
die Opioide einen auf die Psyche kompromittierenden<br />
Einfluss hätten [7]. Beeindruckend<br />
ist, dass 70 % dieser Patienten in<br />
der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit<br />
stark eingeschränkt beziehungsweise<br />
arbeitsunfähig waren, oder anführten in<br />
ihren alltäglichen Aktivtäten stark eingeschränkt<br />
zu sein.<br />
Der vorliegende Artikel versucht, das Phänomen<br />
«Opioide» kritisch näher zu<br />
beleuchten. Am Schluss werden anhand<br />
von zwei Patienten-Fällen wichtige Merkpunkte<br />
zur Therapie mit transdermalen<br />
Opioid-Pflastern (TTS) herausgearbeitet.<br />
Mehrere Empfehlungen für den praktischen<br />
Einsatz von Opioiden basierend auf<br />
internationalen Guidelines runden den<br />
Artikel ab.<br />
In diesem Artikel werden lediglich einige<br />
ausgewählte Thematiken aufgegriffen, da<br />
die Literatur riesig und schier unüberschaubar<br />
geworden ist. Diese sind aus<br />
Autoren Sicht jedoch von besonderer, auch<br />
klinischer Relevanz. Dem besonders interessierten<br />
Leser sei deshalb bereits an<br />
dieser Stelle der 90 (!) Seiten starke Review<br />
von Manchikanti et al mit 715 Referenzen<br />
diesen Jahres empfohlen [4].<br />
Opioid induzierte<br />
Hyperalgesie (OIH)<br />
Unter OIH versteht man den paradoxen<br />
Effekt, dass die Gabe von Opioiden zu<br />
einer Hyperalgesie (also Schmerzüberempfindlichkeit)<br />
führt. Gemäss dem Konzept<br />
der OIH werden also Patienten nach<br />
der Gabe von Opioiden für Schmerzreize<br />
empfindlicher. Mittlerweile gibt es genügend<br />
wissenschaftliche Evidenz, dass es<br />
kompensatorische Mechanismen im Sinne<br />
einer Pronociception gibt, die bei längerfristiger<br />
oder gar kurzfristiger niedrig<br />
dosierter Opioideinnahme aktiviert werden<br />
und die einerseits zu einer OIH und<br />
andererseits wesentlich zu einer Chronifizierung<br />
von Schmerzen beitragen können<br />
[8 – 10]. Dieser Effekt konnte sowohl<br />
für Fentanyl, Remifentanil, Morphin,<br />
Buprenorphin wie auch Tramadol nachgewiesen<br />
werden. In einer eigenen Untersuchung<br />
konnten wir an gesunden<br />
Probanden zeigen, dass eine OIH auch<br />
noch nach sechs Stunden anhand eines<br />
artifiziellen Schmerzmodells nachweisbar<br />
ist [11]. Bereits der kurzfristige Einsatz von<br />
Opioiden induziert Gen-bedingte Veränderungen<br />
sowie die Aktivierung am<br />
N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezeptor.<br />
Diese Modulationen führen zu einer Art<br />
«spinal pain memory» mit erhöhter<br />
Sensibilität für Schmerzreize [8]. Aufgrund<br />
von Labor- und Klinik-Daten<br />
konnte zudem gezeigt werden, dass diese<br />
Pronociception in der Tat eine Hyperalgesie<br />
induziert [9, 12]. So ist es für den Kliniker<br />
schlussendlich nicht mehr möglich<br />
zu unterscheiden, ob die vom Patienten<br />
beklagten Schmerzen nun durch vermehrte<br />
nozizeptive oder neuropathische<br />
Schmerzimpulse oder durch die Verabreichung<br />
von Opioiden bedingt ist. Eine<br />
Opiat-Dosisreduktion oder gar ein vollständiges<br />
Ausschleichen der Opiat-Therapie<br />
kann bei solchen Patienten zu einer<br />
Verbesserung der Schmerzsituation<br />
führen. Dies in dem Sinn, dass die Pronociception<br />
zugunsten von Schmerzinhibierenden<br />
Mechanismen aufgehoben<br />
wird [13 – 16]. Andererseits kann die<br />
durch die OIH-induzierte Vulnerabilität<br />
aber auch nach dem Absetzen persistieren<br />
[8], so dass auch Rivat und Ballantyne<br />
schlussfolgern, dass Opioide in die<br />
Chronifizierung von Akutschmerzen involviert<br />
sein können. So konnte im Tierversuch<br />
noch nach 119 Tagen eine latente<br />
Schmerzsensibilisierung nachgewiesen<br />
werden [17]: Stress führt normalerweise<br />
bei Ratten zu einer Analgesie. Wurden<br />
diese Tiere vorgängig mit Opioiden behandelt,<br />
führte Stress nun zu einer Hyperalgesie.<br />
Lebensqualität und<br />
Schmerzlinderung<br />
Oftmals ist weder den betroffenen<br />
Schmerzpatienten noch den Behandlern<br />
bewusst, dass Schmerzreduktion zwar<br />
eines der Behandlungsziele ist, viel wichtiger,<br />
langanhaltender und erstrebenswerter<br />
aber ist die Steigerung bzw. das Wiedererlangen<br />
der Lebensqualität. Unter<br />
dieser Prämisse ist es wichtig, zwischen<br />
der Wirksamkeit einer Therapie und den<br />
möglichen Nebenwirkungen und Komplikationen<br />
abzuwägen.<br />
Es gibt mehrere Studien, die die Wirksamkeit<br />
von Opioiden bei chronischen<br />
Schmerzpatienten untersuchten und auch<br />
belegen konnten. Die überwiegende Anzahl<br />
dieser Studien verfolgen die Patienten meist<br />
aber nur über wenige Wochen, womit jeweils<br />
nur Aussagen über einen sehr kurzen<br />
Therapieraum gemacht werden können.<br />
Drei in Deutschland 2014 durchgeführte<br />
und in einer Ausgabe des Deutschen Ärzteblatts<br />
zusammengefasste Metaanalysen<br />
[18] schlossen nur Studien mit einem<br />
Beobachtungszeitraum von mehr als vier<br />
Wochen ein. Untersucht wurden Patienten<br />
mit chronischen Rückenschmerzen, chronischen<br />
Arthrose Schmerzen sowie chronischen<br />
neuropathischen Schmerzen ein<br />
(Tabelle 1). Die «number needed to treat»<br />
bewegte sich dabei für eine 50 %-ige<br />
Schmerzreduktion um 19 bei chronischen<br />
Rückenschmerz-Patienten, die «number<br />
needed to harm» für die Abbruchrate wegen<br />
Nebenwirkungen lag bei 5 (chron.<br />
Arthrose Schmerz) bis 7 (chron. Rückenschmerzen).<br />
Dowell [19] führte aufgrund von Beobachtungsstudien<br />
und randomisiert-kontrollierten<br />
Studien eine Metaanalyse über<br />
die Wirksamkeit von Opioiden bei chronischen<br />
Schmerzpatienten durch. Da die<br />
eingeschlossenen Studien gemäss Evidence<br />
based Medicine-Kriterien von<br />
niedriger Studienqualität waren, eine<br />
hohe Variabilität bezüglich Studiendesign<br />
und klinischer Heterogenität sowie methodologische<br />
Schwächen aufwiesen,<br />
verzichtete Dowell auf das Erstellen einer<br />
Metaanalyse. Keine der Studien untersuchte<br />
das Outcome über mehr als ein<br />
Jahr. Dowell fand hingegen eine klare<br />
Tendenz zu erhöhtem Risiko bezüglich<br />
Missbrauch, Überdosierung und Tod.<br />
Diese Publikation zeigt, wie schwierig es<br />
ist, an qualitativ gute Daten zur Beurteilung<br />
der Wirksamkeit von Opioiden in der<br />
Langzeittherapie zu kommen.<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
41
PERSPEKTIVEN<br />
So gesehen erstaunen die Ergebnisse<br />
der zuvor genannten US-amerikanischen<br />
Umfrage bezüglich Beliebtheit<br />
und Wirksamkeit aus der Sicht der Patienten<br />
[4], da diese in Widerspruch zur<br />
wissenschaftlichen Evidenz stehen, die<br />
zeigt, dass die Funktionalität unter<br />
Opioiden abnimmt und der psychische<br />
Stress unter Opioiden zunimmt [16,<br />
19 – 31].<br />
Wir haben weitere 27 Arbeiten identifizieren<br />
können, die entweder keine oder<br />
nur geringfügige Vorteile von Opioiden<br />
gegenüber einer Placebo-Behandlung<br />
zeigten. Wenn Vorteile für eine Opioid-<br />
Therapie gezeigt werden konnten, waren<br />
dies meist Kurzzeitstudien, Studien mit<br />
tiefer Studienqualität oder Pharma-gesponserte<br />
Studien. Ebenfalls konnten die<br />
meisten Studien keine Funktionsverbesserungen<br />
oder gar verbesserte Arbeitsfähigkeit<br />
nachweisen [22]. Deyo et al.<br />
schlossen gar, dass Opioide ironischerweise<br />
die Effektivität anderer Behandlungen<br />
einschränken können. Ebenfalls<br />
gibt es Studien, die zeigen, dass der<br />
Einsatz von Opioiden bei akutem «Low<br />
Back Pain» zu Langzeitkonsum führen<br />
kann, ganz besonders, wenn den Patienten<br />
grosse Opioid-Packungen verschrieben<br />
werden [22, 32]. Mehrere Autoren<br />
beschreiben auch Abbruchraten der Teilnehmer<br />
von bis zu 50 % wegen Nebenwirkungen.<br />
Aufgrund der mittlerweile bekannten<br />
Fülle von Nebenwirkungen ist<br />
dies nicht weiter erstaunlich.<br />
Nebenwirkungen und<br />
Komplikationen der<br />
Langzeittherapie<br />
Die Risiken einer Opiatverschreibung<br />
reichen von milden bis zu schwerwiegenden<br />
Nebenwirkungen. Die folgende Liste<br />
an Nebenwirkungen ist lang und nur<br />
grobkursorisch: Pruritus, chronische Obstipation,<br />
Atemdepression, Nausea und<br />
Erbrechen, sexuelle Dysfunktionen, Myoklonien,<br />
Muskelrigidität, Mundtrockenheit<br />
und daraus folgender Karies, Schlafstörungen,<br />
kognitive Einschränkungen,<br />
Hyperalgesie, Schwindel, Sedation, Abhängigkeit,<br />
Sucht, Strassenverkehrsunfälle,<br />
Stürze mit Frakturen und Schädel-<br />
Hirn-Traumata, Tod, Opioid-assoziierte<br />
Endokrinopathien, Toleranz und Opiatinduzierte<br />
Hyperalgesie [4, 33 – 37].<br />
Dennoch leiden die meisten Patienten<br />
eher unter leichteren Nebenwirkungen,<br />
welche meist gastrointestinale Symptome<br />
(Obstipation, Übelkeit) und zentralnervöse<br />
Symptome wie Müdigkeit, Schwindel,<br />
Konzentrationsschwäche, Mundtrockenheit<br />
sowie Schwitzen beklagen [38]. Nicht<br />
selten sind diese aber der Grund für ein<br />
Absetzen der Opiattherapie [39]. So sollen<br />
gemäss einer Arbeit von Kalso [33] 80 %<br />
der Patienten unter Opioiden an Opioidassoziierten<br />
Nebenwirkungen leiden: 41 %<br />
an Obstipation, 32 % an Nausea und 29 %<br />
an Müdigkeit und Schläfrigkeit. Patienten<br />
berichten selten von sich aus über Nebenwirkungen:<br />
so fand eine Untersuchung<br />
aus dem Jahre 2011 [38], dass gezieltes<br />
Nachfragen eine 8-fach höhere Nebenwirkungsquote<br />
zeigt als die Patienten selber<br />
berichten.<br />
Ray et al. [40] fanden im Übrigen heraus,<br />
dass lang-wirksame Opioide ein deutlich<br />
erhöhtes Mortalitätsrisiko im Vergleich zu<br />
den schmerztherapeutisch oft eingesetzten<br />
Co-Analgetika (Antikonvulsiva und<br />
Antidepressiva) bei chronischen Schmerzpatienten<br />
aufwiesen.<br />
Sucht und Missbrauch<br />
U-Opioid Rezeptoren sind im Hirn unter<br />
anderem im ventralen tegmentalen Kern<br />
sowie im Nucleus accumbens verdichtet,<br />
Tabelle 1. Wirkeffekt, Nebenwirkungen und Abbruchraten von Opioiden im Vergleich zu Placebo (randomisierte<br />
doppelblinde Studien, Dauer ≥ 4 Wochen) (modifiziert gemäss Häuser 2014, Deutsches Ärzteblatt).<br />
42 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
PERSPEKTIVEN<br />
beides Hirnareale, welche dem Belohnungssystem<br />
hinzugerechnet werden.<br />
Deshalb produzieren Opioide neben einer<br />
Schmerzlinderung auch Euphorie [41].<br />
Opioide wirken aber nicht nur über diese<br />
Opioid Rezeptoren, sondern führen auch<br />
zu einem konditionierten Lernen mit der<br />
Assoziation «Opioid Einnahme» und «gebesserter<br />
Stimmung». Dieser Lerneffekt ist<br />
umso grösser, je schneller die Opioide im<br />
Hirn an fluten [42].<br />
Für den Kliniker ist wichtig, die beiden<br />
Begriffe Abhängigkeit und Sucht zu unterscheiden.<br />
Die repetitive Verabreichung<br />
von Opioiden führt quasi unweigerlich<br />
zur Toleranzentwickung (verminderte<br />
Wirkung der Opioide z. B. durch Rezeptoren-Internalisierung)<br />
und (physischer)<br />
Abhängigkeit[43]. Patienten sind von<br />
Medikamenten viel öfter abhängig, als<br />
wir uns bewusst sind; so ist der Typ I Diabetiker<br />
unbedingt auf sein Insulin angewiesen,<br />
es käme aber niemandem in<br />
den Sinn zu behaupten, er sei danach<br />
süchtig, obwohl er in höchstem Masse<br />
vom Insulin «abhängig» ist. Sucht ist<br />
durch die englischen 4 «C» s definiert: a)<br />
«impaired control over drug consume»,<br />
b) «compulsive use», c) «continued use<br />
despite harm» und d) «craving». Im<br />
Englischen wird im Weiteren neben der<br />
Sucht (Addiction) zwischen «Misuse»<br />
und «Abuse» unterschieden.<br />
Unter «Misuse» versteht man den Gebrauch<br />
entgegen der intendierten Verschreibung<br />
mit Selbstmedikation von<br />
Schlaf-, Gemüts- oder Angststörungen<br />
verbunden mit zwanghaftem Gebrauch des<br />
Opioids [44]. Ebenso wird falscher Gebrauch<br />
aufgrund von fälschlich verstandener<br />
Anweisung der Opioid Einnahme als<br />
«Misuse» begriffen. Ein «Absuse» wird<br />
hingegen definiert als Opioid-Gebrauch<br />
ohne Verordnung oder anders als verordnet<br />
und / oder für das Erreichen eines besseren<br />
Gemütszustandes[44]. Gemäss einer Übersichtsarbeit<br />
von Vowles [45] aus dem Jahre<br />
2016 weisen etwa 21 – 29 % der legal Opioide<br />
konsumierenden Patienten einen «Misuse»<br />
und etwa 8 bis 12 % eine «Addiction» auf.<br />
In den USA wurden 2014 3 bis 4 % der Bevölkerung<br />
mit Opioiden längerfristig therapiert[43].<br />
Dies entspricht 9 bis 11.5 Millionen<br />
Patienten. Damit assoziiert waren<br />
28 647 Todesfälle mit Opioiden, 15 559<br />
dieser Todesfälle waren mit natürlichen<br />
und semisynthetischen Opioiden verbunden<br />
[4]. Es scheint, dass etwa 63 % dieser<br />
Opioid assoziierten Todesfälle in den USA<br />
auf legal verschriebene Opioide zurückzuführen<br />
sind[46].<br />
In der Schweiz liegen keine Zahlen zu Todesfällen<br />
vor, wir wissen aber aufgrund von<br />
Untersuchungen von Maria Wertli, dass sich<br />
die Anzahl Verschreibungen von Opioiden<br />
von 2006 bis 2013 verdoppelt hat (64 839 zu<br />
137 458)[2] (siehe auch Einleitung).<br />
Jena und Co-Mitarbeiter fanden mit Hilfe<br />
einer grossen Datenbankanalyse von<br />
mehr als 1.1 Millionen Patienten heraus,<br />
dass 34.6 % der Patienten ihre Opioid<br />
Verschreibungen von 2 Ärzten erhielten,<br />
14.2 % von drei und 11.9 % von vier oder<br />
mehr Ärzten [47]. So erstaunt es kaum,<br />
dass Redican et al[48] herausfanden, dass<br />
die zwei wichtigsten Quellen für süchtigen<br />
Opioidkonsum Ärzte und (weniger überraschend)<br />
Strassen-Dealer waren.<br />
Lernvignetten Fall<br />
Nummer 1: letal<br />
verlaufende Intoxikation<br />
Eine 54-jährige Patientin [49] wurde aufgrund<br />
einer zunehmend schweren Depression<br />
in eine psychiatrische Klinik<br />
eingeliefert. Die Patientin wurde wegen<br />
chronischen Knieschmerzen mit Fentanyl<br />
TTS 25 μg / h behandelt. Am 5. Hospitalisationstag<br />
wurde die Patientin tot im Bett<br />
aufgefunden, obwohl diese 90 Minuten<br />
vorher von der Pflege in noch gutem Allgemeinzustand<br />
angetroffen wurde.<br />
Die gerichtsmedizinische Autopsie fand<br />
ein Fentanyl TTS 25 μg / h im Rachen der<br />
Patientin, Hinweise auf eine Fremdeinwirkung<br />
oder Injektionen waren nicht vorhanden.<br />
Im Weiteren wurde eine hochtoxische<br />
Konzentration von 25 μg / L<br />
Fentanyl im Herz-Blut gefunden (therapeutische<br />
Breite: 0.3 bis 10 μg / L).<br />
Ein 25 μg / h TTS Fentanyl Pflaster enthält<br />
vor Gebrauch 4.2 mg Fentanyl Gesamtdosis,<br />
die orale Bioverfügbarkeit beim Kauen<br />
eines solchen Pflasters beträgt ca. 50 %,<br />
was bedeutet, dass durch Kauen von Fentanyl<br />
TTS-Pflastern innert Minuten toxische<br />
Plasma-Spiegel entstehen. In einem<br />
TTS Pflaster ist nach 3 Tagen korrekter<br />
Anwendungsdauer also noch bis zu 50 bis<br />
60 % der Ursprungs-Gesamtdosis enthalten;<br />
bei einem 25 μg Pflaster (neu =<br />
4200 μg Gesamtdosis) wären dies also<br />
nach 3 Tagen korrekter Anwendung noch<br />
immer 2400 μg Gesamtdosis.<br />
Zwischenzeitlich wurde auch die Öffentlichkeit<br />
durch die Medien über den hohen<br />
Fentanyl Gehalt in TTS Pflaster aufmerksam,<br />
so dass offenbar neuerdings auch<br />
Drogenabhängige Patienten die Müllcontainer<br />
von Spitälern nach solchen<br />
(gebrauchten) und nicht fachgerecht entsorgten<br />
Pflastern durchsuchen und diese<br />
ebenfalls kauen oder gar das in den Pflastern<br />
verbliebene Fentanyl extrahieren und<br />
injizieren.<br />
Fazit: die Gesamtdosis an Fentanyl in einem<br />
TTS Pflaster überrascht und ist in<br />
etwa die vierfache Dosis, welche für eine<br />
Herz-Bypass-Anästhesie-Einleitung benötigt<br />
wird. In unserem Fallbericht haben<br />
wir deshalb am Schluss die Frage gestellt,<br />
ob bei Patienten mit schweren Depressionen<br />
und Suizidalität Opioid TTS Pflaster<br />
kontraindiziert sind. Zudem ist gerade in<br />
Institutionen die fachgerechte Entsorgung<br />
von gebrauchten TTS-Opioiden essentiell.<br />
Fall Nummer 2: schwere<br />
Opioidintoxiation bei<br />
einem postoperativen<br />
Patienten<br />
Ein 75-jähriger multimorbider Patient<br />
wird einer Total-Prothesenoperation im<br />
Bereiche der rechten Hüfte unterzogen.<br />
Postoperativ klagt er über starke Schmerzen.<br />
Der Patient ist Opiat-naiv. Vom zuständigen<br />
Stationsarzt werden in der Folge<br />
25 μg Fentanyl TTS Pflaster verschrieben.<br />
Der Patient klagt weiterhin über sehr starke<br />
Schmerzen. Erst nach 2 bis 3 Tagen<br />
klagt der Patient nicht mehr, ist aber<br />
kaum mehr weckbar und zeigt eine Hypopnoe.<br />
Der Grund hierfür ist die Tatsache,<br />
dass ein Fentanyl TTS System in etwa 3<br />
bis 5 Tage braucht, bis es im pharmakologischen<br />
Steady state ist. Mit anderen<br />
Worten: die volle Wirkung setzt erst nach<br />
ca. 3 Tagen ein. Andererseits wird die<br />
Wirkstärke von Fentanyl TTS Systemen<br />
oftmals massiv unterschätzt, da ein 25 μg<br />
Fentanyl TTS Pflaster etwa 60 bis 80 mg<br />
retardiertem Morphin entspricht, eine<br />
Anfangsdosis, die bei einem 75-jährigen,<br />
multimorbiden, Opiat-naiven Patienten<br />
viel zu hoch ist und deshalb unweigerlich<br />
zu Opiat-Überdosierungserscheinungen<br />
führen musste.<br />
Fazit: TTS Opioide sind hochpotente<br />
pharmakologische System, welche viel klinische<br />
Erfahrung voraussetzen. Opioid-<br />
Rotationen sind anspruchsvoll. TTS Opioi de<br />
haben in akuten und instabilen Situationen<br />
nichts verloren, da die Pharmakokinetik<br />
und -Dynamik zu träge sind.<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
43
PERSPEKTIVEN<br />
1. Vor Beginn einer Opioid-Therapie sollen realistische Ziele formuliert werden.<br />
2. Vor allem schwerwiegende psychische Störungen sowie Suchtverhalten des Patienten sollen vor dem Therapie-Start ausgeschlossen werden.<br />
3. Der Patient soll partizipativ in die Behandlung eingebunden werden.<br />
4. Monotherapien mit Opioiden bei chronischen Schmerzpatienten sollen vermieden werden. Chronische Schmerzpatienten benötigen einen multimodalen<br />
Behandlungspfad.<br />
5. Der Patient soll ausführlich über die Wirkweise, Nebenwirkungen, Komplikationen, die Therapieerfolgswahrscheinlichkeit sowie über medicolegalen<br />
Probleme (z. B. Fahrfähigkeit) informiert werden.<br />
6. Es sollen nur Opioide verwendet werden, mit denen der Arzt bestens vertraut ist (nicht immer sind moderne und teure Präparate<br />
besser[50]; so gilt im Universitätsspital Basel (USB) der breit und fächerübergreifende akzeptierte Standard von Morphin / MST, bei<br />
Niereninsuffizienz wird Hydromorphon verwendet).<br />
7. Präparate mit retardierter Galenik sollen Opioiden mit kurzer Wirkungsdauer vorgezogen werden.<br />
8. Es soll tiefst dosiert begonnen werden. Bei uns am USB meist MST 10 mg 1 – 0 – 1, bei Niereninsuffizienz Hydromorphon tief dosiert.<br />
9. Bei akuten Schmerzen (z. B. Traumata) zeitlich streng begrenzt (meist drei Tage) Morphin Tropfen 0.2 mg / kg Körpergewicht in Reserve<br />
bis zu stündlich per oral. Keine TTS Systeme bei akuten oder instabilen Schmerzsituationen.<br />
10. Die Einnahme soll nach einem festen Zeitplan in Abhängigkeit von der Wirkdauer des jeweiligen Opioids erfolgen.<br />
11. Eine Höchstdosis von mehr als 120 mg Morphin-Äquivalenten pro Tag soll nicht überschritten werden.<br />
12. Eine Therapiedauer von mehr als 3 Monaten soll nur bei klaren Respondern durchgeführt werden.<br />
13. Eine antiemetische Behandlung kann bereits zu Beginn der Therapie erfolgen. Nach etwa 2 bis 4 Wochen soll die Indikation für die<br />
antiemetische Therapie mittels Auslassversuch überprüft werden.<br />
14. Die Behandlung von Obstipation soll proaktiv angegangen werden: viel laufen, viel Flüssigkeit, Laxantien. Bei vielen Patienten ist<br />
während der gesamten Behandlungsdauer eine Behandlung mit Laxantien notwendig.<br />
15. Eine erste klinische Kontrolle erfolgt bereits nach einer Woche: Ziel ist es, sowohl die Wirksamkeit sowie allfällige Nebenwirkungen<br />
der begonnen Opioid Therapie zu evaluieren. Dann kann je nach Verlauf ebenfalls eine Dosissteigerung in Erwägung gezogen werden.<br />
16. Nach spätestens 6 Monaten soll die Möglichkeit einer Dosisreduktion oder gar das vollständigen Ausschleichen in Erwägung gezogen werden.<br />
17. Stets soll auf das Nutzen / Risiko-Verhältnis (Wirksamkeit versus z. B. Lebensqualitätsminderung, Libidoverlust, Fahrfähigkeit,<br />
Konzentrationsstörungen, Sturzereignisse, etc.) sowie auf eine allfällige Suchtentwicklung fokussiert werden.<br />
18. TTS Pflaster sollen trotz ihrer grossen Beliebtheit gerade bei Hausärzten und Onkologen wegen ihrer komplexen Pharmakokinetik<br />
zurückhaltend eingesetzt werden.<br />
Tabelle 2. Empfehlungen zur Opioid-Therapie bei chronischen Schmerzpatienten; entwickelt aus S3-Leitlinie und<br />
Behandlungsstandard USB.<br />
Empfehlungen für den<br />
Einsatz von Opioiden im<br />
Alltag<br />
Es existieren diverse nationale Empfehlungen<br />
von Fachgesellschaften im Umgang<br />
mit Opioiden bei chronischen<br />
Schmerzen. Angelehnt an die deutsche<br />
S3-Leitlinie aus dem Jahre 2014[18] werden<br />
abschliessend nachfolgend unsere<br />
eigenen Empfehlungen und Erfahrungen<br />
in tabellarischer Form wiedergegeben.<br />
Vgl. Tabelle 2.<br />
Zusammenfassung<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass<br />
es sich bei Opioiden um pharmakologisch<br />
hoch potente und komplexe Substanzen<br />
handelt, die in ihrer Wirkung auf<br />
den menschlichen Organismus weit<br />
über eine Beeinflussung von Schmerzen<br />
hinausgehen. Entgegen der initialen<br />
Euphorie zu Beginn des «Opioid-Zeitalters»<br />
werden mögliche initiale Schmerztherapeutische<br />
Behandlungserfolge teils<br />
mit starken Nebenwirkungen und Risiken<br />
für den Patienten erkauft. In der<br />
Praxis ist daher eine genaue Indikationsprüfung<br />
vor Therapiestart und eine<br />
ständige Re-evaluation bzgl. eines Therapienutzens<br />
für den betreuenden ärztlichen<br />
Kollegen unabdingbar, sollte<br />
man sich für eine Therapie mit Opioiden<br />
entscheiden.<br />
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<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
45
PERSPEKTIVEN<br />
D as erleseneObjekt<br />
Eine segensreiche Maschine<br />
Prof. Iris Ritzmann, Medizinhistorikerin in Zürich<br />
Das Gerät stammt aus der Maschinenfabrik<br />
Condux in Hanau (D), wurde um 1950<br />
erbaut und stand in einem industriellen<br />
Betrieb. Wie der hohe Einfüllstutzen vermuten<br />
lässt, handelt es sich um eine Mühle,<br />
angetrieben von einem Elektromotor.<br />
Die massive Bauweise aus schwerem Metall<br />
erlaubte eine hohe Beanspruchung. Tatsächlich<br />
war die Mühle tagaus tagein in<br />
Betrieb. Natürlich nicht an Sonntagen.<br />
Denn was hier so rege gemahlen wurde,<br />
waren getrocknete Kräuter, Herrgotts Geschenke,<br />
«Chrut und Uchrut». Mit Gottes<br />
Segen gelangten sie in neue Formen, Tees,<br />
Pastillen, Salben und Tabletten. Als wichtigste<br />
Verarbeitungsform entstanden aus<br />
den heilenden Pflanzenteilen einfache,<br />
«lapidare» Pillen. Unter dem Namen «Lapidar-Pillen»<br />
brachte sie ihr Erfinder, der<br />
berühmte Kräuterpfarrer Künzle, in vielerlei<br />
Zusammensetzung und Indikation auf<br />
den Markt. Er legte damit den Grundstein<br />
für das Unternehmen «Kräuterpfarrer<br />
Künzle AG» im bündnerischen Zizers, wo<br />
die imposante Zerkleinerungsmühle stand.<br />
Johannes Künzle wurde 1857 als Bauernsohn<br />
geboren, studierte Theologie und<br />
wirkte als Priester in verschiedenen Ostschweizer<br />
Gemeinden. Für einige war er<br />
nicht nur ein Heiler, sondern fast schon<br />
ein Heiliger, für andere ein Scharlatan.<br />
Künzles Vorstellung, Gott habe Kräuter<br />
wachsen lassen, damit wir Menschen unsere<br />
Krankheiten damit heilen können,<br />
kann man ähnlich bei Paracelsus finden.<br />
Und sein Wissen über die Heilkraft der<br />
Pflanzen stammte aus dem Kräuterbuch<br />
von Tabernaemontanus aus dem Jahr<br />
1588, das Künzle in einer späteren Ausgabe<br />
auf einer Auktion erworben hatte. Seine<br />
Technikbegeisterung entsprang dem<br />
Zeitgeist und widersprach keineswegs der<br />
Vorstellung der göttlichen Natur. Künzle<br />
propagierte im hohen Alter die industrielle<br />
Produktion seiner Heilmittel unter anderem<br />
in einem Film, worin er mit grossem<br />
Stolz die maschinelle Herstellung<br />
seiner Pillen vorführt. Die Kräutermühle,<br />
die nach dem Tod Künzles in dessen Firma<br />
eingesetzt wurde, steht momentan in<br />
der sehenswerten Ausstellung «Kräuterdoktor<br />
– Kabispater. Heilen mit Pflanzen<br />
in Graubünden» im Rätischen Museum<br />
Chur. Dort wird der streitbare Kräuterpfarrer<br />
im Kontext anderer Heiler ideenreich,<br />
kritisch und humorvoll vorgestellt. ■<br />
Sonderausstellung<br />
noch bis 9.9.<strong>2018</strong><br />
Rätisches Museum Chur<br />
Hofstrasse 1, 7000 Chur<br />
www.raetischesmuseum.gr.ch<br />
Die Feinschneidmühle für Kräuter der Kräuterpfarrer Künzle AG, zweite Hälfte<br />
des 20. Jahrhunderts<br />
Öffnungszeiten:<br />
Dienstag–Sonntag 10.00–17.00<br />
46 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Unsere Angebote – Ihre Vorteile<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC hat mit folgenden Unternehmen Zusammenarbeitsverträge<br />
abgeschlossen und kann deren Versicherungslösungen anbieten:<br />
Allianz Suisse<br />
• Motorfahrzeugversicherung<br />
• Hausrat- und Privathaftpflichtversicherung<br />
• Berufs- und Betriebshaftpflichtversicherung<br />
• Geschäftsversicherung<br />
• Gebäudeversicherung<br />
• Technische Versicherung<br />
• Krankentaggeldversicherung<br />
• Unfallversicherung UVG<br />
• UVG-Zusatzversicherung<br />
Helvetia<br />
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• Geschäftsversicherung<br />
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ZURICH<br />
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• Reiseversicherung<br />
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Visana<br />
• Unfallversicherung UVG<br />
• UVG-Zusatzversicherung<br />
• Krankentaggeldversicherung<br />
AXA-ARAG<br />
• Rechtsschutzversicherung (Privat-, Verkehrs- und Berufsrechtsschutz)<br />
Innova<br />
• Krankentaggeldversicherung<br />
Schweizerische Ärzte-Krankenkasse<br />
• Krankentaggeldversicherung / Invaliditäts-Taggeld<br />
Assura · Concordia · Sanitas · Swica · Visana<br />
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Falls Sie bereits eine Versicherung bei einer der oben genannten Versicherungen besitzen,<br />
dann prüfen Sie einen Übertritt in unsere Kollektivverträge. Wir unterstützen Sie gerne dabei.<br />
Für Auskünfte wenden Sie sich bitte an:<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Telefon 031 350 44 22<br />
info@mediservice-vsao.ch<br />
<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
47
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
BRIEFKASTEN<br />
Wenn es Eis regnet<br />
Ein Sommergewitter ist ein faszinierendes Wetterphänomen. Doch oft<br />
bringt es auch einen unerwünschten Hagelsturm mit sich. Was ist<br />
Hagel überhaupt? Und warum kommt er gerade im Sommer, wenn es<br />
doch warm ist?<br />
Hagelkörner können in wenigen Minuten verheerende Schäden anrichten. Die Opfer:<br />
Obstbäume, Fensterscheiben und vor allem Autos.<br />
Gross wie ein Fussball<br />
Ab einem Durchmesser von 0,5 cm gelten Eisklumpen als Hagel, vorher werden sie<br />
Graupel genannt. Sie entstehen in sommerlichen Gewitterwolken, wenn unterkühltes<br />
Wasser gefriert und sich die Teilchen durch Aufwinde in der Wolke Schicht um Schicht<br />
vergrössern. Ab einem Durchmesser von 2 cm verursachen Hagelkörner Schäden an<br />
Autos, Glasscheiben oder Zelten. Das grösste bekannte Hagelkorn fiel 2010 in South<br />
Dakota, USA, zur Erde. Es war 875 g schwer und mit einem Durchmesser von 20 cm fast<br />
so gross wie ein Fussball.<br />
Julia Lenz,<br />
Key Account Manager Kooperationen,<br />
Zurich Schweiz<br />
Lässt sich Hagel verhindern?<br />
Bereits seit der Antike versuchen die Menschen, Hagel zu verhindern. Waren es früher<br />
Opferrituale oder Hagelprozessionen, so werden heute technische Methoden angewendet:<br />
Das «Impfen» von Wolken mit Silberiodid soll die Hagelkörner verkleinern – doch die<br />
Wirksamkeit ist umstritten. In der Landwirtschaft werden Netze aufgespannt, um Pflanzen<br />
vor Hagel zu bewahren. Als Privatperson kann man sein Eigentum schützen, indem<br />
man empfindliche Gegenstände ins Haus trägt und das Auto unter ein Dach fährt. Doch<br />
das klappt nicht immer – weil das Hagelgewitter meistens überraschend kommt.<br />
Zerbeultes Autodach und zerfetzte Lounge<br />
Was macht den Hagel so gefährlich? Je grösser, desto schneller: Kleine Eiskugeln haben<br />
nur eine Geschwindigkeit von etwa 35 km/h, grössere Kugeln ab 2 cm Durchmesser<br />
knallen bereits mit 70 km/h auf Pflanzen, Dächer oder Autos. Deshalb kann schon ein<br />
kurzer Hagelschauer Autokarosserien in Wellblech verwandeln, die Rattanlounge zerfetzen<br />
oder die Apfelernte des kommenden Herbstes auf Apfelkuchenmenge schrumpfen<br />
lassen.<br />
Und wenn der Hagel zugeschlagen hat?<br />
Beim Auto sind die Kosten für die Reparatur von Hagelschäden über die Teilkaskoversicherung<br />
abgedeckt. Spezialisten können Hageldellen in der Karosserie «herausmassieren».<br />
Für die Sitzgarnitur auf der Terrasse zahlt die Hausratversicherung, ein<br />
Zusatzmodul kommt für wertvolle Gärten oder teure Zierpflanzen auf. Zerbrochene<br />
Fensterscheiben, zum Beispiel an älteren Wohngebäuden, sind durch die Gebäudeversicherung<br />
versichert.<br />
■<br />
Mein Expertentipp:<br />
Zurich ist für Sie da, wenn der Hagel Ihr Autodach verbeult oder Ihre Lounge zerschlagen hat: Unter der 24-h-Gratisnummer 0800 80 80 80 erhalten<br />
Sie Hilfe. Mit Ihrem Auto können Sie auch im Help Point vorbeikommen – wir organisieren die Reparatur für Sie, übrigens bereits seit 20 Jahren.<br />
Und bei grossen Hagelereignissen richtet Zurich in Ihrer Region sogar einen Hagel-Drive-in ein, wo die Autos direkt vor Ort repariert werden.<br />
Möchten Sie mehr wissen? Nehmen Sie mit uns Kontakt auf.<br />
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48 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
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Sie sich direkt<br />
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Als modernes Spitalzentrum gewährleistet die Spitäler fmi AG mit rund 1‘300 Mitarbeitenden die<br />
multidisziplinäre medizinische Versorgung im östlichen und zentralen Berner Oberland, einer der<br />
touristisch attraktivsten Regionen der Schweiz.<br />
Die Medizinische Klinik (B) im Spital Interlaken versorgt Patientinnen und Patienten auf der akutmedizinischen<br />
und -geriatrischen Station (48 Betten), im Ambulatorium (Onkologie), in der Dialyse, auf<br />
der Intensiv- sowie Notfallstation. Per April 2019 wird zudem die «Walk-in Clinik» am Bahnhof Interlaken<br />
West eröffnet, um die medizinische Erstversorgung für Einheimische ohne Hausarzt sowie<br />
Touristen sicherzustellen.<br />
Zur Erweiterung unseres Teams im Spital Interlaken suchen wir per 1. Januar 2019 oder nach<br />
Vereinbarung engagierte Persönlichkeiten als<br />
Oberarzt/Oberärztin Medizin<br />
Leitende/r Ärztin/Arzt Medizin 50 % – 100 %<br />
Ihr Aufgabengebiet<br />
Sie behandeln gemeinsam mit Ihren Dienstkolleginnen und -kollegen ambulante und stationäre<br />
Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichsten Krankheiten und kulturellen Hintergründen. Dabei<br />
werden Sie innerhalb der Medizinischen Klinik entsprechend Ihrer Erfahrung und Interessen in<br />
mehreren Teilbereichen eingesetzt, auf Wunsch mit besonderer Führungs- und Fachverantwortung<br />
als Leitende/r Ärztin/Arzt Ambulante Dienste. Sie profitieren vom engen und gut funktionierenden<br />
Austausch mit Ihren Teamkolleginnen und -kollegen, mit Konsiliarärztinnen und -ärzten u.a. aus<br />
dem Inselspital Bern sowie mit weiteren internen und externen Schnittstellen/Kontakten.<br />
Ihre Kompetenzen<br />
Sie verfügen über eine abgeschlossene Facharztausbildung Allgemeine Innere Medizin und möchten<br />
Ihre Kenntnisse und mehrjährige Berufserfahrung in einer familiären Klinik mit breitem Angebotsspektrum<br />
einsetzen. Für unsere nationalen und internationalen Patientinnen und Patienten<br />
übernehmen Sie Verantwortung, auch in Notfallsituationen, und kommunizieren dabei stilsicher in<br />
Deutsch sowie sehr gut in Englisch.<br />
Wir bieten Ihnen<br />
Sie sind in einem engagierten und kompetenten Team tätig und werden in den von Ihnen erwünschten<br />
Fachbereichen gefordert und gefördert. Sie können Ihre Ideen einbringen und die Zukunft<br />
des Angebots der Medizinischen Klinik nachhaltig mitprägen. Dabei profitieren Sie von einer<br />
gut ausgebauten, modernen Infrastruktur. Wir bieten attraktive und familienfreundliche Anstellungsbedingungen<br />
mit einmaliger Aussicht auf Ihren nächsten Karriereschritt und auf Eiger, Mönch +<br />
Jungfrau!<br />
Wir freuen uns auf Sie!<br />
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen Herr Dr. Heinz Schaad, Chefarzt Medizinische Klinik Spital<br />
Interlaken, oder Herr Dr. Otto Maurer, Stv. Chefarzt Medizinische Klinik Spital Interlaken,<br />
Tel. +41 33 826 27 76.<br />
Spitäler Frutigen Meiringen Interlaken AG, Weissenaustrasse 27, CH-3800 Unterseen<br />
Telefon +41 33 826 26 26, info@spitalfmi.ch, www.spitalfmi.ch
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Patientendaten im Visier von<br />
Cyberkriminellen<br />
Das Thema Cyberkriminalität ist heute allgegenwärtig. Insbesondere Unternehmen und Selbstständige,<br />
die mit sensiblen Daten arbeiten, sind einem hohen Risiko ausgesetzt. Ärzte gehören<br />
dazu. Wenn das IT-System einer Arztpraxis gehackt oder mit einem Schadprogramm infiziert wird,<br />
kann dies nicht nur den Praxisbetrieb stören.<br />
Ob Herzprobleme, Bluthochdruck oder<br />
Depressionen – Diagnosen werden bei<br />
Ärzten digital gespeichert. Patientenakten<br />
werden angelegt und Labordaten<br />
digital übertragen. Dadurch wird ein<br />
Arztbesuch effizienter und Therapien<br />
können besser koordiniert werden.<br />
Doch es lauern Gefahren: Cyberkriminelle<br />
haben es zunehmend auf die sensiblen<br />
Informationen abgesehen.<br />
Hacker erbeuten Gesundheitsdaten vor<br />
allem, um sie später z.B. für Erpressungen<br />
zu verwenden. Aber auch sogenannte<br />
«Ransomware» kommt immer<br />
häufiger zum Einsatz: Diese Schadprogramme<br />
sperren den Zugriff auf Dateien,<br />
Ordner oder gleich die ganze Festplatte<br />
(indem die Daten verschlüsselt<br />
werden), für die Freigabe der Daten<br />
werden erhebliche Geldsummen eingefordert.<br />
Hackerangriffe können eine Arztpraxis<br />
besonders schwer treffen. Patienten<br />
können das Vertrauen in den Arzt verlieren,<br />
wenn sie von einem Hackerangriff<br />
und schlimmstenfalls von gestohlenen<br />
Patientendaten hören. Welcher<br />
Patient möchte, dass Fremde Informationen<br />
über seine Krankheiten und<br />
andere Beschwerden besitzen? Zudem<br />
kann der Arzt in Bezug auf Datenschutz<br />
und Persönlichkeitsrechtsverletzungen<br />
haftbar gemacht werden.<br />
Bei der täglichen Arbeit<br />
ansetzen<br />
Zu einer Verminderung von Risiken<br />
können bereits wenige Schritte beitragen,<br />
wie die Sensibilisierung und Schulung<br />
von Mitarbeitenden in Hinblick<br />
auf die Sicherheit. Hinzu kommen<br />
viele kleine Arbeitsschritte, die in der<br />
Bestimmung<br />
eines<br />
IT-Verantwortlichen<br />
Technische<br />
Schutzmassnahmen<br />
(z.B. Firewalls,<br />
Virenscanner,<br />
Spam-Filter etc.)<br />
Berechtigungsmanagement<br />
Überspannungsschutz<br />
Sicherungskopien der<br />
eingesetzten Software<br />
sowie deren sichere<br />
Aufbewahrung<br />
Cyberrisiken<br />
Checkliste. Überprüfen Sie Ihren<br />
Sicherheitszustand. Haben Sie an diese Punkte gedacht?<br />
www.helvetia.ch/cyber-versicherung<br />
Tägliche<br />
Datensicherung<br />
(Back-up) sowie<br />
deren sichere Aufbewahrung<br />
Abwehrstrategien<br />
gegen<br />
DoS-Attacken<br />
Patch- und<br />
Update-<br />
Management<br />
Passwort-<br />
Richtlinien<br />
PCI-DSS-Regeln<br />
bei Kredit- oder<br />
Debitkarten-<br />
Transaktionen<br />
Physische<br />
Sicherungsmassnahmen<br />
(z.B.<br />
für den Zugang zu<br />
Serverräumen)<br />
Sensibilisierung<br />
der Mitarbeitenden und<br />
Sicherheits-Trainings<br />
Schadsoftware-Tests<br />
vor<br />
dem Einsatz von<br />
externen digitalen<br />
Daten und<br />
Software<br />
Verschlüsselung<br />
schützenswerter<br />
Daten<br />
50 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
alltäglichen Arbeit verankert sein sollten,<br />
um so einen möglichst sicheren Schutz<br />
gegen Cyberrisiken zu gewährleisten.<br />
Dazu zählen unter anderem technische<br />
Schutzmassnahmen wie Firewalls oder<br />
Spamfilter, Passwort-Richtlinien und die<br />
Verschlüsselung schützenswerter Daten.<br />
Aber auch bereits die tägliche Datensicherung<br />
und deren sichere Aufbewahrung<br />
kann im Falle von Störungen (z.B. einem<br />
Verschlüsselungsangriff mittels Ransomware)<br />
beruhigen.<br />
■<br />
Die Cyberrisiko-Checkliste bietet neu eine zusätzliche Möglichkeit, den Sicherheitsstandard gegenüber Cybergefahren zu überprüfen<br />
und gegebenenfalls zu erweitern. Aber natürlich bietet sie nicht 100% Sicherheit. Um das vorhandene Restrisiko des Unternehmens<br />
auf ein Minimum zu reduzieren, eignet sich die Cyberversicherung der Helvetia perfekt. Sie nimmt sich der Risiken an, die über<br />
technische und organisatorische Sicherheitsmassnahmen nicht abgedeckt werden können, und bildet daher die optimale Ergänzung<br />
im Risikomanagementprozess jedes KMU – oder jeder Arztpraxis.<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-Mitglieder profitieren von sehr vorteilhaften Konditionen. Sind Sie interessiert an einer Versicherungslösung?<br />
Wenden Sie sich an Ihren Ansprechpartner bei MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC; telefonisch unter 031 350 44 22 oder per E-Mail:<br />
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<strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
<strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC<br />
51
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Den Moment bewusst erleben<br />
Hektik im Job, eine volle Familienagenda, Hobbys und stets jederzeit erreichbar: Stress ist zur<br />
Volkskrankheit geworden. Abschalten ist schwierig, ständig kreisen die Gedanken. Abhilfe<br />
schafft eine Form der Meditation, die immer populärer wird: Stressbewältigung durch Achtsamkeit.<br />
Dank Handys mit Flatrates sind wir nonstop<br />
online und kommunizieren über<br />
alles und jeden. Wir essen nebenbei, eilen<br />
von einer Sache zur anderen und verlieren<br />
uns dabei selbst aus den Augen. Für<br />
die Weltgesundheitsorganisation (WHO)<br />
zählt Stress zu den grössten Gesundheitsgefahren<br />
des 21. Jahrhunderts. Früher<br />
war das ein typisches Managerleiden,<br />
heute fühlt sich bereits jeder vierte Erwerbstätige<br />
in der Schweiz gestresst und<br />
erschöpft.<br />
Kraft tanken mit<br />
Meditation<br />
Für einen gesunden Lebensstil sind Ernährung,<br />
Bewegung und Entspannung<br />
wichtige Bausteine. Wir benötigen Pausen,<br />
um belastbar zu bleiben. Eine Möglichkeit,<br />
solche Oasen in den Alltag zu integrieren,<br />
ist Meditation. Es gibt viele<br />
verschiedene Formen der Meditation. Beliebt<br />
und gut erforscht ist «Mindfulness-<br />
Based Stress Reduction», abgekürzt<br />
MBSR. Übersetzt wird MBSR mit «Stressbewältigung<br />
durch Achtsamkeit» – es<br />
handelt sich also nicht um reine Meditation.<br />
Wer achtsam ist, nimmt die eigenen<br />
Handlungen, Gefühle und Gedanken bewusst<br />
wahr und verliert sich nicht in anderen<br />
Gedanken. Oder man konzentriert<br />
sich auf die Umwelt und erlebt den Moment<br />
intensiv. Ob Stress, Verluste oder<br />
andere schmerzhafte Lebenserfahrungen:<br />
Die Praxis der Achtsamkeit kann helfen,<br />
mit schwierigen Lebenssituationen besser<br />
umzugehen. MBSR beschäftigt sich mit<br />
alltäglichen Fragen und eignet sich für<br />
alle Menschen unabhängig von Alter, Beruf<br />
oder Lebenssituation. Zahlreiche wissenschaftliche<br />
Studien haben die positive<br />
Wirkung auf das psychische und physische<br />
Wohlbefinden nachgewiesen.<br />
Achtsam im Alltag<br />
Während des Zähneputzens den Geschirrspüler<br />
ausräumen oder auf der Joggingrunde<br />
die Arbeit planen: Häufig erledigen<br />
wir vieles gleichzeitig und sind mit den<br />
Gedanken immer bereits einen Schritt<br />
weiter. Versuchen Sie deshalb ab und zu,<br />
sich bei Aufgaben auf das Hier und Jetzt<br />
zu konzentrieren. Nehmen Sie zum Beispiel<br />
den Weg zur Arbeit bewusst wahr<br />
oder essen Sie mit allen Sinnen. Es gibt<br />
im Alltag viele Situationen und Sinneseindrücke,<br />
die Sie bewusst wahrnehmen<br />
können.<br />
Online-<br />
Gesundheitsplattform<br />
SWICA unterstützt MBSR-Kurse bei SWI-<br />
CA-anerkannten Kursleitern. Mehr Informationen<br />
zum Thema Achtsamkeit<br />
finden Sie auf der Gesundheitsplattform<br />
BENEVITA. Die kostenlose Online-Plattform<br />
bietet personalisierte und spannende<br />
Inhalte zu Ernährung, Bewegung und<br />
Wohlbefinden. Sie motiviert die Teilnehmenden<br />
zu einem gesundheitsorientierten<br />
Lebensstil und unterstützt sie dabei.<br />
www.benevita.ch<br />
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gleich doppelt: Der Rabatt aus dem<br />
Kollektivvertrag wird erhöht, wenn Sie<br />
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Kombination erhalten Sie bei den Spitalversicherungen<br />
bis zu 30 Prozent<br />
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Ihre Aktivitäten in den Bereichen Bewegung,<br />
Ernährung und Entspannung<br />
mit bis zu 800 Franken pro Jahr.<br />
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52 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
Zum 16. 15. Mal<br />
17. 16. November September <strong>2018</strong> 2017 – Hotel Seeburg Luzern<br />
www.deraerzteball.ch<br />
Eleganz trifft Herzlichkeit<br />
Zum 16. Mal sind Tanzbegeisterte aller beruflicher Orientierung zur Gala «Der Ärzteball» am<br />
17. Zum November 15. Mal sind <strong>2018</strong> im Tanzbegeisterte Hotel Seeburg in aller Luzern beruflicher eingeladen. Orientierung Die Gäste geniessen zur Gala Eleganz, «Der Ärzteball» Herzlichkeit,<br />
am<br />
ein 16. September Sechs-Gang-Diner 2017 im Hotel mit ausgesuchten Seeburg in Luzern Weinen eingeladen. und stimmigen Die Gäste Sound geniessen bis in Eleganz, die frühen Herzlichkeit, Morgenstunden.<br />
ein Sechs-Gang-Diner Die Charity geht mit an ausgesuchten die Ruedi Lüthy Weinen Foundation.<br />
stimmigen Sound bis in die frühen Morgenstunden.<br />
Die Charity geht an die Ruedi Lüthy Foundation.<br />
Le 16e Gala «Le Bal des Médecins» se déroulera le 17 novembre <strong>2018</strong> à l’hôtel Seeburg de Lucerne.<br />
Dans Le 15e un Gala cadre «Le élégant Bal des et Médecins» festif, les se invités déroulera savoureront le 16 september un dîner 2017 gastronomique à l’hôtel Seeburg accompagné de Lucerne. de<br />
vins Dans sélectionnés un cadre élégant et d’une et ambiance festif, les invités musicale savoureront incitant à danser un dîner jusqu’à gastronomique l’aurore. Sont accompagné invités toutes<br />
de<br />
les vins passionnées sélectionnés et et tous d’une les ambiance passionnés musicale de danse incitant de tous à horizons danser jusqu’à professionnels. l’aurore. L’engagement Sont invités toutes caritatif<br />
les passionnées revient à «Ruedi et tous Lüthy les passionnés Foundation».<br />
de danse de tous horizons professionnels. L’engagement caritatif<br />
revient à «Ruedi Lüthy Foundation».<br />
Chiropraktor | medizinische Diagnose | manuelle Behandlung<br />
Chiropraktor | medizinische Diagnose | manuelle Behandlung<br />
Charity<br />
Charity<br />
Schweizerische Ärzte-Krankenkasse – Senevita AG – Schulthess-Klinik – MegeMIT Medizinische Gesellschaft für Mikroimmuntherapie (A)
Logo_Q-Publikation_D_<strong>2018</strong>_CMYK.pdf 1 03.04.18 11:40<br />
IMPRESSUM<br />
KONTAKTADRESSEN DER SEKTIONEN<br />
<strong>Nr</strong>. 4 • 37. Jahrgang • <strong>August</strong> <strong>2018</strong><br />
Herausgeber/Verlag<br />
MEDISERVICE <strong>VSAO</strong>-ASMAC<br />
Bollwerk 10, Postfach, 3001 Bern<br />
Telefon 031 350 44 88<br />
journal@vsao.ch, journal@asmac.ch<br />
www.vsao.ch, www.asmac.ch<br />
Im Auftrag des <strong>VSAO</strong><br />
Redaktion<br />
Catherine Aeschbacher (Chefredaktorin),<br />
Giacomo Branger, Franziska Holzner-Arnold, Kerstin<br />
Jost, Lukas Staub, Anna Wang, Sophie Yammine<br />
Geschäftsausschuss <strong>VSAO</strong><br />
Anja Zyska (Präsidentin), Patrizia Kündig (Vizepräsidentin),<br />
Angelo Barrile (Vizepräsident), Nora Bienz,<br />
Christoph Bosshard, Michel Clément, Karin Etter,<br />
Marius Grädel-Suter, Dina-Maria Jakob, Gert Printzen,<br />
Miodrag Savic, Sergio Sesia, Hervé Spechbach, Robin<br />
Walter (swimsa)<br />
Druck, Herstellung und Versand<br />
Stämpfli AG, Wölflistrasse 1, CH-3001 Bern<br />
Telefon +41 31 300 66 66<br />
info@staempfli.com, www.staempfli.com<br />
Layout<br />
Tom Wegner<br />
Inserate<br />
Zürichsee Werbe AG, Fachmedien, Markus Haas<br />
Laubisrütistrasse 44, 8712 Stäfa<br />
Telefon 044 928 56 53<br />
E-Mail vsao@fachmedien.ch<br />
Auflagen<br />
Druckauflage: 22 300 Expl.<br />
WEMF/SW-Beglaubigung 2017: 21 842 Expl.<br />
Erscheinungshäufigkeit: 6 Hefte pro Jahr.<br />
Für <strong>VSAO</strong>-Mitglieder im Jahresbeitrag inbegriffen.<br />
ISSN 1422-2086<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 5/<strong>2018</strong> erscheint im Oktober <strong>2018</strong>.<br />
Thema: Energie<br />
© <strong>2018</strong> by <strong>VSAO</strong>, 3001 Bern<br />
Printed in Switzerland<br />
AG <strong>VSAO</strong> Sektion Aargau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier, Auf der Mauer 2,<br />
8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch, Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
BL/BS<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion beider Basel,<br />
Geschäftsleiterin und Sekretariat: lic. iur. Claudia von Wartburg, Advokatin,<br />
Hauptstrasse 104, 4102 Binningen, Tel. 061 421 05 95,<br />
Fax 061 421 25 60, sekretariat@vsao-basel.ch, www.vsao-basel.ch<br />
BE <strong>VSAO</strong> Sektion Bern, Schwarztorstrasse 7, 3007 Bern, Tel. 031 381 39 39,<br />
bern@vsao.ch, www.vsao-bern.ch<br />
FR ASMAC Sektion Freiburg, Gabriela Kaufmann-Hostettler, Wattenwylweg 21,<br />
3006 Bern, Tel. 031 332 41 10, Fax 031 332 41 12, info@gkaufmann.ch<br />
GE Associations des Médecins d’Institutions de Genève, Postfach 23,<br />
Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4, 1211 Genf 14, amig@amig.ch, www.amig.ch<br />
GR<br />
JU<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Graubünden, 7000 Chur, Samuel B. Nadig, lic. iur. HSG,<br />
RA Geschäftsführer/Sektionsjurist, Tel. 078 880 81 64, info@vsao-gr.ch,<br />
www.vsao-gr.ch<br />
ASMAC Jura, 6, chemin des Fontaines, 2800 Delémont, marie.maulini@h-ju.ch<br />
NE ASMAC Sektion Neuenburg, Joël Vuilleumier, Jurist, Rue du Musée 6,<br />
Postfach 2247, 2001 Neuenburg, Tel. 032 725 10 11, vuilleumier@valegal.ch<br />
SG/AI/AR <strong>VSAO</strong> Sektion St. Gallen-Appenzell, Bettina Surber, Oberer Graben 44,<br />
9000 St. Gallen, Tel. 071 228 41 11, Fax 071 228 41 12,<br />
Surber@anwaelte44.ch<br />
SO<br />
TI<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Solothurn, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
ASMAC Ticino, Via Cantonale 8-Stabile Qi, 6805 Mezzovico-Vira,<br />
segretariato@asmact.ch<br />
TG <strong>VSAO</strong> Sektion Thurgau, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier, Auf der Mauer 2,<br />
8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch, Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
VD<br />
VS<br />
ASMAV, case postale 9, 1011 Lausanne-CHUV,<br />
asmav@asmav.ch, www.asmav.ch<br />
ASMAVal, p.a. Maître Valentine Gétaz Kunz,<br />
Ruelle du Temple 4, CP 20, 1096 Cully, contact@asmaval.ch<br />
Zentralschweiz (LU, ZG, SZ, GL, OW, NW, UR)<br />
<strong>VSAO</strong> Sektion Zentralschweiz, Geschäftsstelle: lic. iur. Eric Vultier,<br />
Auf der Mauer 2, 8001 Zürich, vultier@schai-vultier.ch,<br />
Tel. 044 250 43 23, Fax 044 250 43 20<br />
Publikation<strong>2018</strong><br />
FOKUSSIERT<br />
KOMPETENT<br />
TRANSPARENT<br />
Gütesiegel Q-Publikation<br />
des Verbandes Schweizer Medien<br />
ZH/SH<br />
<strong>VSAO</strong> ZÜRICH/SCHAFFHAUSEN, Rechtsanwältin Susanne Hasse,<br />
Rämistrasse 31, Postfach 160, 8024 Zürich, Tel. 044 941 46 78, info@vsao-zh.ch<br />
54 <strong>VSAO</strong> <strong>JOURNAL</strong> ASMAC <strong>Nr</strong>. 4 <strong>August</strong> <strong>2018</strong>
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