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SB_03_18_Finale

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Starnberger Bote 10 Notizen aus dem Rat<br />

Eva John vor der 7. Kammer<br />

„Kopf gegen Arm“ – Rat gegen<br />

Bürgermeisterin<br />

Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichts<br />

München<br />

Die Berichterstattung<br />

Um 9:35 Uhr betreten Richterin<br />

Gibbons, zwei Berufsrichter und zwei<br />

Schöffen den Saal. Anwesend, Bgm.<br />

John, ihr Anwalt Numberger (RaN),<br />

sowie die Stadträte Frey, Gassner<br />

und Neubauer. Sie sitzen hinter<br />

Vize-Bgm. Dr. Rieskamp und seinem<br />

Anwalt Langgartner (RaL). Im Saal, die<br />

Stadträte Kammerl, Huber und Ardelt<br />

und Vertreter der Rechtsaufsicht im<br />

Landratsamt.<br />

Die vorsitzende Richterin, die schon<br />

die Klage zum Bürgerbegehren<br />

nicht zuließ erklärt das Kuriose: ein<br />

„Gemeindeorgan“ verklagt ein anderes.<br />

Dann referiert der „Berichterstatter“,<br />

der die Akte bearbeitet hat. Zentraler<br />

Punkt: das Gutachten des von John<br />

beauftragten RA Dr. Leisner. Der<br />

hatte bei „Auslaufenlassen“ der<br />

Bahnverträge vor einer millionenschweren<br />

Schadensersatzklage gewarnt.<br />

Nur an zwei Terminen konnten die Räte<br />

die z.T. geschwärzte Akte (!) einsehen,<br />

so Rieskamp, worauf am 06.12.2017<br />

die Kommunalverfassungsklage<br />

des Vizebürgermeisters beim VG<br />

einging. John konterte mit einer<br />

Feststellungswiderklage, weil gegen die<br />

Stadt kein Kostenerstattungsanspruch<br />

bestünde.<br />

Das Ergebnis beider Klagen, so<br />

der Berichterstatter, werde der<br />

Landesanwaltschaft zur Kenntnis gegeben.<br />

Dort läuft seit August 2017 das<br />

Disziplinarverfahren gegen Eva John,<br />

das inzwischen in eine Klage einmündete.<br />

Die Erörterung<br />

Die Richterin übergibt einen Schriftsatz<br />

von RaL an den Beklagtenvertreter RaN.<br />

Der kritisiert sofort den Berichterstatter.<br />

Es würden Daten fehlen und Fakten<br />

falsch wiedergegeben worden sein.<br />

Dann macht die Vorsitzende<br />

Ausführungen zur Gemeindeordnung:<br />

Es besteht die Pflicht der Organe<br />

zur Zusammenarbeit und da der Rat<br />

selbst nicht handlungsfähig ist, habe<br />

er Weisungsrecht gegenüber dem<br />

Bürgermeister.<br />

Sie möchte eine Einigung für die<br />

Zukunft damit der juristische Streit nicht<br />

weitergeführt wird. Eine Einsichtnahme<br />

ist nur an zwei Tagen erfolgt. Die war<br />

ohnehin der damaligen Eilbedürftigkeit<br />

geschuldet. Das habe nicht ausgereicht.<br />

Sie fragt John: „Was spricht<br />

gegen die Einsichtnahme der Stadträte<br />

in das Gutachten“ und was dagegen in<br />

Zukunft generell so zu verfahren?<br />

John argumentiert überraschend, die<br />

Akteneinsicht sei durch die Mediation<br />

mit der Bahn gewährleistet. Es ist<br />

Beschlusslage eine Akte zu führen mit<br />

allem Wesentlichen, wozu auch das<br />

Leisner-Gutachten gehört. „Diese Akte<br />

kann nach Voranmeldung von jedem<br />

Stadtratsmitglied eingesehen werden.“<br />

Die Richterin erfreut: “Das war hier aber<br />

nicht bekannt.“<br />

Rieskamp versichert, das Gutachten<br />

war und ist nicht Teil der einsehbaren<br />

Akten. Es ist wichtig für den Rat, um<br />

vor der Mediation Hintergrundwissen<br />

zu haben. Das wurde verhindert. Das<br />

Gutachten sei der „Hammer um den<br />

Nagel einzuschlagen“. Dass alle Räte<br />

Einsichtnahme gehabt haben sollen<br />

oder z.Zt. haben, hört er zum ersten<br />

Mal.<br />

Nach einer Erwiderung von RaN wiederholt<br />

die Richterin die Bedeutung für<br />

die Zukunft: „Der Kläger bestimmt das<br />

Klageziel“, offenbar ein Hinweis für die<br />

Kläger bei entsprechendem Verhalten<br />

der Gegenseite einlenken zu können.<br />

RaN setzt nach. Der Streit habe<br />

sich erledigt, wegen des parallelen<br />

Mediationsverfahrens, eine Finte, welche<br />

die Richterin wohl durchschaut.<br />

John: „Die Haltung der Stadt wird<br />

über den Rat definiert“. Außerdem<br />

habe der „fast einstimmig beschlossen“,<br />

alle Akten mitzuführen, die im<br />

Mediationsverfahren benötigt werden.<br />

Stefan Frey meldet sich aus der zweiten<br />

Reihe zu Wort.<br />

Er ist wie die anderen Stadträte überrascht.<br />

Er höre ebenfalls zum ersten<br />

Mal, dass alle Räte während der<br />

Mediation Akteneinsicht, speziell in das<br />

Gutachten von Dr. Leisner hätten.<br />

Aus dem Grund „glaube man hier auch<br />

nicht alles“, ergänzt Gassner.<br />

John und RaN geben sich ebenfalls<br />

überrascht. Es sei doch Einsicht<br />

gewährt worden, demnach wäre der<br />

Anspruch erfüllt…<br />

Rieskamp widerspricht erneut, die<br />

Richterin, will „aufhellen“, worauf Eva<br />

John argumentativ mit Beschlüssen<br />

vom 23.<strong>03</strong>. und 09.07.20<strong>18</strong> jongliert.<br />

Rieskamp stoppt sie: „Bis vor einer<br />

halben Stunde hat es keinen Vollzug<br />

der Akteneinsicht gegeben. Es geht<br />

nicht um Beschlüsse, sondern um den<br />

Vollzug. Nach wie vor ist der Rat ohne<br />

Unterlagen in die Mediation gegangen<br />

und das Mediationsteam hat das<br />

Gutachten nicht bekommen.“<br />

John: „Das Gutachten ist im<br />

Mediationsordner drin.“ Danach<br />

behauptet sie (mal wieder), die<br />

Verwaltungsverweigerung sei notwendig<br />

weil sonst „Nichtöffentliches“ an<br />

die Öffentlichkeit gebracht werde. Dazu<br />

gäbe es auch einen Beschluss.<br />

RaL: „Es gibt kein Protokoll über einen<br />

solchen Beschluss“. Im Übrigen ist<br />

nie ein Ordnungsgeld gegen Stadträte<br />

verhängt worden. In Starnberg habe<br />

man „ein strukturelles Problem“,<br />

eine Umschreibung des latenten<br />

Kommunaldesasters.<br />

Wieder sieht die Vorsitzende kein<br />

Hindernis zukünftig zum normalen<br />

Procedere zurückzukehren. John<br />

daraufhin forsch, die Akteneinsicht sei<br />

nie verweigert worden!<br />

Rieskamp und RaL verweisen auf<br />

die AMTSHAFTUNG. Hier geht es um<br />

„Verantwortung“, deshalb darf es kein<br />

„Herumeiern“ geben, man will heute<br />

eine Entscheidung!<br />

Hinweis und die Einigung<br />

Die Richterin lässt darauf die Katze<br />

aus dem Sack: „Die Kläger würden<br />

Recht bekommen“, und verweist auf<br />

Art. 30. Abs. 3 der Gemeindeordnung<br />

(„Der Gemeinderat überwacht die<br />

gesamte Gemeindeverwaltung, insbesondere<br />

auch die Ausführung seiner<br />

Beschlüsse“).<br />

Es geht nicht nur um Akteneinsicht,<br />

sondern um mehr: „Der Rat ist der<br />

Kopf, er hat aber keine Arme“ und<br />

(während John gelangweilt blickt) an<br />

den Vizebürgermeister gewandt: „Die<br />

Akten müssen dem Rat zur Verfügung<br />

gestellt werden. Notfalls kann er das<br />

erzwingen, selbst wenn der Gutachter<br />

Dr. Leisner zuvor gehört wurde.“<br />

Dann richtet sie sich an John und<br />

betont, dass es die wichtigste Aufgabe<br />

der Verwaltung ist, dem Rat die<br />

Informationen zur Verfügung zu stellen,<br />

die er für seine Arbeit benötigt.<br />

John entgegnet, nur die „Ratsmehrheit“<br />

habe sich kritisch verhalten. Die<br />

Richterin: „Die Mehrheit ist eben<br />

maßgebend.“ In Zukunft muss allen<br />

Ratsmitgliedern Akteneinsicht gewährt<br />

werden! Dann teilt die Richterin ihre<br />

Rechtsauffassung mit:<br />

„Die Klage ist zulässig und begründet.<br />

“Das Gutachten ist bisher dem<br />

Rat nicht genügend zur Verfügung<br />

gestellt worden“ und: „Der kann als<br />

Ganzes die Einsichtnahme erzwingen.“<br />

Der Beschluss vom 25.07.2016 ist<br />

zweckmäßig erfolgt. Die Einsichtnahme<br />

war nicht ausreichend. Darauf hatte der<br />

Rat Anspruch, zumal nicht ersichtlich<br />

ist, warum die Einsichtnahme verwehrt<br />

wurde.<br />

RaN, zum Erstaunen vieler: „Das wurde<br />

nie verweigert“.<br />

Richterin: „Die Bürgermeisterin hätte<br />

die Einsichtnahme gewähren müssen.“<br />

Daraufhin wird diskutiert, wie die<br />

Einsichtnahme, durchzuführen ist.<br />

John überrascht alle (wohl auch ihren<br />

Anwalt): im Rathaus befände sich<br />

bereits ein Ordner mit allen Unterlagen<br />

zur „Seeanbindung“, der von den<br />

Stadträten eingesehen werden kann.<br />

Die Richterin ist baff. Man hätte viel<br />

Zeit und Geld sparen können, wenn<br />

John das vorher vorgetragen hätte. Eine<br />

gedruckte Fassung des Gutachtens "to<br />

go“ soll es aber nicht geben.<br />

Die Verfahrenskosten<br />

In der zweiten Runde stellt sich heraus,<br />

die Feststellungswiderklage ist unzulässig:<br />

Ein Bürgermeister kann nicht<br />

gegen einen Ratsbeschluss klagen.<br />

Warum sollten ehrenamtliche<br />

Ratsmitglieder abkassiert werden? Die<br />

Stadt muss daher auch diese Kosten<br />

übernehmen.<br />

RaN erklärt dann nach einigem Hin<br />

und Her, seine Partei - Eva John - sei<br />

ebenfalls für die Erledigung, allerdings<br />

gegen sein Anraten!<br />

Richterin Gibbons bedankt sich und<br />

sagt sinngemäß, sie hofft in Zukunft<br />

die Beteiligten in dieser Sache nicht<br />

wiederzusehen.<br />

Aus dem frommen Wunsch der<br />

Richterin wird wohl nichts. Die<br />

Nichtbehandlung der Bahnverträge,<br />

werden im Disziplinarverfahren gegen<br />

John eine wichtige Rolle spielen.<br />

Peter Riemann

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