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BIBER 10_18 Ansicht

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Ivanas Sohn Matija<br />

kriegt nur Bio-Essen<br />

von Denns.<br />

Beistellbett brauchte jetzt unbedingt eine<br />

Wippfunktion, der Stillstuhl musste auf<br />

jeden Fall die graue Samtausführung von<br />

der einen Instagram-Influencerin sein.<br />

Beides wurde aus England mit stolzen<br />

Transportkosten nach Wien, Brigittenau<br />

geschifft. Das Kinderzimmer gleicht nun<br />

einem Showroom für namhafte Hersteller<br />

von Babyprodukten aus Nordeuropa.<br />

Das Highlight ist das dänische Designer-<br />

Gitterbettchen mit klimaregulierender<br />

3D-Premium-Matratze und thront auf<br />

einem handgeknüpften „Fair trade“-<br />

Teppich.<br />

OMG, ICH BIN EIN BIO-<br />

BOBO-JUGO<br />

Ich konnte meine zügellosen Babyshoppingtouren<br />

mühelos rechtfertigen; ich bin<br />

die Argumentationskönigin, wenn es um<br />

kostspielige Ausgaben geht. Denn Nachhaltigkeit<br />

und Bio-Zertifizierung haben<br />

nun mal ihren Preis!<br />

Schließlich sind sämtliche Anschaffungen<br />

schadstofffrei, fair, nachhaltig,<br />

ökologisch produziert. Produkteigenschaften,<br />

die mir bei Kaufentscheidungen<br />

vor meinem Leben mit Baby herzlich egal<br />

waren, und die ich gerne übermotivierten<br />

Gutmenschen aus Bobostan überlassen<br />

habe.<br />

Mittlerweile habe ich mich selber zum<br />

peinlichen Jugobobo gewandet. Musikalische<br />

Früherziehung, Urlaub im ayurvedischen<br />

Familienhotel, Holzspielzeug.<br />

Jap, eine Kundenkarte bei ‚Herr und Frau<br />

Klein‘ - DER Pilgerstätte für Hipstereltern<br />

in Wien Neubau, steckt nun ebenfalls<br />

in meiner Geldbörse. Alles Dinge, für<br />

die ich mich früher ernsthaft fremdgeschämt<br />

hätte, gehören heute zu meinem<br />

Leben. Ich beschäftige mich intensiv mit<br />

Themen, die ich vor Baby verschmäht<br />

habe. Bio-Essen zum Beispiel. War<br />

früher alles aus dem Hofer ums Eck gut<br />

genug, pilgern wir heute für 300 Gramm<br />

Süßkartoffeln zum Bio-Supermarkt. Als<br />

übermotivierte Jungeltern bereiten wir<br />

den Babybrei selbst zu, in der eigens<br />

dafür angeschafften 4-in-1-Dampfgar-<br />

Gerätschaft. Leider zeigt Baby derzeit<br />

mehr Begeisterung für den Industriebrei<br />

aus dem Gläschen. Ebenso hat er den<br />

ergonomisch kiefergerechten Schnuller<br />

aus Naturkautschuk um zehn Euro<br />

prompt wieder ausgespuckt.<br />

Beim Kauf von Stramplern wird<br />

auf die ‚Organic-Cotton-Zertifizierung‘<br />

geachtet und Feuchttücher müssen aus<br />

99% Wasser bestehen, ohne Parfüm und<br />

Öle. Aber die bekommen wir sowieso<br />

mitgeliefert im monatlichen Öko-Windel-<br />

Abo aus Deutschland.<br />

BEIM AUTO HÖRT SICH’S<br />

ABER AUF<br />

Bis vor acht Monaten noch fand ich mein<br />

Viertel ziemlich cool, weil urban, multikulturell<br />

und lebendig. Jetzt machen sich<br />

konservative Werte in mir breit, die mich<br />

aus dem Zwanzigsten an den Stadtrand<br />

ziehen lassen, weit weg vom Verkehr<br />

und „all den komischen Leuten“.<br />

Statt der aktuellen Instyle stapeln<br />

sich Ratgeber über mehrsprachige<br />

Erziehung auf dem Wohnzimmertisch.<br />

Ich bin auf Schafmilchprodukte umgestiegen,<br />

‚glutenfrei’ gehört nun auch<br />

zu meinem Wortschatz. Palmölhaltige<br />

Nahrungsmittel verschwanden aus der<br />

Vorratskammer. Ja, selbst mein geliebter<br />

Plazma-Keks, den alle Jugobabys bereits<br />

mit der Flasche genießen durften, steht<br />

auf Na-das-essen-wir-jetzt-aber-nichtmehr-Liste.<br />

Persönliche Opfer bringt so ein Kind<br />

als erstes mit sich. Ich musste - und das<br />

tat echt am meisten weh - die Tatsache<br />

akzeptieren, dass ein Kinderwagen<br />

nicht in den Kofferraum einer Mercedes<br />

C-Klasse passte. Mein Auto musste<br />

schweren Herzens einer neuen Familienkutsche<br />

weichen. Diese sollte aber<br />

bitte stilvoll und schnittig daherkommen.<br />

Die Argumentationskönigin waltete ihres<br />

Amtes. Der Finanzierungsvertrag für den<br />

brandneuen, familienfreundlichen SUV<br />

war schnell unterschrieben. In einen<br />

gebrauchten, schirchen, aber ‚total<br />

praktischen‘ Kombi hätte ich mich nie<br />

gesetzt. So sehr Bobo werd’ ich niemals<br />

sein. ●<br />

40 / RAMBAZAMBA /

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