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BIBER 10_18 Ansicht

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Maida Dedagic ist ehemalige biber-<br />

Journalistin, die seit drei Jahren bei<br />

der „Krone“ arbeitet. Noch heute<br />

wird sie in „linken und progressiven“<br />

Kreisen gefragt, wie sie das nur tun<br />

konnte. Hier schreibt die Journalistin,<br />

warum ihr diese Scheinheiligkeit auf<br />

die Nerven geht.<br />

Ich kann nicht mehr zählen, wie oft mir diese Frage<br />

gestellt wurde. „Du warst doch mal bei Biber. Wie kannst<br />

du jetzt nur für die Krone arbeiten? Du könntest etwas<br />

Sinnvolles machen. Fühlst du dich da nicht dreckig? Wie<br />

hältst du es da nur aus?“. Ich habe nichts gegen die Fragerei.<br />

Aber die Scheinheiligkeit der Fragensteller fasziniert mich<br />

dann doch. Da stehen Menschen vor mir, die sich politisch<br />

dem linken, progressiven, toleranten Lager zuordnen. Sie kritisieren<br />

bei jeder Gelegenheit, dass die Medienlandschaft von<br />

Männern dominiert ist und fordern mehr Frauen und mehr<br />

Migranten in den Leitmedien.<br />

Das Problem ist nur, sie meinen es offenbar überhaupt<br />

nicht so. Ich wäre ja jetzt da. Jung, weiblich, migrantisch,<br />

„Krone“-Redakteurin. Ich schreibe für einen nicht ganz unerheblichen<br />

Teil der Österreicher. Ausgerechnet jene, die das<br />

tagtäglich fordern, finden das aber ganz schlimm. In ihren<br />

Köpfen ist die „Krone“ Mordor und sie selbst freilich Gandalf,<br />

der Weiße. Ich frage jetzt einmal zurück: Wie hält man es<br />

eigentlich mit der Scheinheiligkeit aus?<br />

Die „Krone“ braucht meine Verteidigung gewiss nicht.<br />

Sie ist die meistgelesene Zeitung. Sie schreibt Geschichten,<br />

an denen keiner vorbeikommt. Hier haben einzelne Journalisten<br />

bessere Kontakte als ganze Redaktionen. Auch wenn<br />

man nicht selber jede Meinung vertritt, hat die Meinung ihren<br />

Platz. Wie das in den besten Familien halt so ist. Ich habe<br />

in meinen ersten drei Jahren „Krone“ schon sagenhaft viel<br />

lernen dürfen. Wie ich da arbeiten kann? Ganz wunderbar.<br />

Und sehr gerne.<br />

Die Wahrheit ist: Sachlich macht es überhaupt keinen<br />

Sinn, warum ich oder irgendjemand anderes nicht bei der<br />

„Krone“ arbeiten sollen dürfte. Aber um die Sache geht es<br />

heute den wenigsten. Hauptsache, man findet irgendwo<br />

einen Schnipsel, der die eigene Ideologie unterstützt. Und<br />

man findet schnell etwas, um gegen Rechte oder Linke zu<br />

schreien, um gegen Ausländer oder den Islam zu wettern<br />

oder über die Regierung und die FPÖ-Wähler zu schimpfen.<br />

Jede Ideologie ist schnell bedient, wenn man will. Nur Ideologie<br />

löst keine Probleme. Im Gegenteil. Man macht es sich zu<br />

einfach. Als ich vom Biber zur „Krone“ geholt wurde, sagte<br />

ich, dass ich wahrscheinlich kaum der größte Fan der Zeitung<br />

bin. „Machen Sie es doch besser!“, kam als Antwort zurück.<br />

Vielleicht könnten alle mal wieder ihre Scheuklappen ablegen<br />

und dazu übergehen, es sich zumindest nicht zu einfach zu<br />

machen. ●<br />

/ MIT SCHARF / 61

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