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Maida Dedagic ist ehemalige biber-<br />
Journalistin, die seit drei Jahren bei<br />
der „Krone“ arbeitet. Noch heute<br />
wird sie in „linken und progressiven“<br />
Kreisen gefragt, wie sie das nur tun<br />
konnte. Hier schreibt die Journalistin,<br />
warum ihr diese Scheinheiligkeit auf<br />
die Nerven geht.<br />
Ich kann nicht mehr zählen, wie oft mir diese Frage<br />
gestellt wurde. „Du warst doch mal bei Biber. Wie kannst<br />
du jetzt nur für die Krone arbeiten? Du könntest etwas<br />
Sinnvolles machen. Fühlst du dich da nicht dreckig? Wie<br />
hältst du es da nur aus?“. Ich habe nichts gegen die Fragerei.<br />
Aber die Scheinheiligkeit der Fragensteller fasziniert mich<br />
dann doch. Da stehen Menschen vor mir, die sich politisch<br />
dem linken, progressiven, toleranten Lager zuordnen. Sie kritisieren<br />
bei jeder Gelegenheit, dass die Medienlandschaft von<br />
Männern dominiert ist und fordern mehr Frauen und mehr<br />
Migranten in den Leitmedien.<br />
Das Problem ist nur, sie meinen es offenbar überhaupt<br />
nicht so. Ich wäre ja jetzt da. Jung, weiblich, migrantisch,<br />
„Krone“-Redakteurin. Ich schreibe für einen nicht ganz unerheblichen<br />
Teil der Österreicher. Ausgerechnet jene, die das<br />
tagtäglich fordern, finden das aber ganz schlimm. In ihren<br />
Köpfen ist die „Krone“ Mordor und sie selbst freilich Gandalf,<br />
der Weiße. Ich frage jetzt einmal zurück: Wie hält man es<br />
eigentlich mit der Scheinheiligkeit aus?<br />
Die „Krone“ braucht meine Verteidigung gewiss nicht.<br />
Sie ist die meistgelesene Zeitung. Sie schreibt Geschichten,<br />
an denen keiner vorbeikommt. Hier haben einzelne Journalisten<br />
bessere Kontakte als ganze Redaktionen. Auch wenn<br />
man nicht selber jede Meinung vertritt, hat die Meinung ihren<br />
Platz. Wie das in den besten Familien halt so ist. Ich habe<br />
in meinen ersten drei Jahren „Krone“ schon sagenhaft viel<br />
lernen dürfen. Wie ich da arbeiten kann? Ganz wunderbar.<br />
Und sehr gerne.<br />
Die Wahrheit ist: Sachlich macht es überhaupt keinen<br />
Sinn, warum ich oder irgendjemand anderes nicht bei der<br />
„Krone“ arbeiten sollen dürfte. Aber um die Sache geht es<br />
heute den wenigsten. Hauptsache, man findet irgendwo<br />
einen Schnipsel, der die eigene Ideologie unterstützt. Und<br />
man findet schnell etwas, um gegen Rechte oder Linke zu<br />
schreien, um gegen Ausländer oder den Islam zu wettern<br />
oder über die Regierung und die FPÖ-Wähler zu schimpfen.<br />
Jede Ideologie ist schnell bedient, wenn man will. Nur Ideologie<br />
löst keine Probleme. Im Gegenteil. Man macht es sich zu<br />
einfach. Als ich vom Biber zur „Krone“ geholt wurde, sagte<br />
ich, dass ich wahrscheinlich kaum der größte Fan der Zeitung<br />
bin. „Machen Sie es doch besser!“, kam als Antwort zurück.<br />
Vielleicht könnten alle mal wieder ihre Scheuklappen ablegen<br />
und dazu übergehen, es sich zumindest nicht zu einfach zu<br />
machen. ●<br />
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