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Neue Szene Augsburg 2018-12

Stadtmagazin für Augsburg

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könnte man Glühwein gerne das ganze Jahr über trinken. Das haben die<br />

Römer übrigens auch schon gemacht, habe ich zumindest mal gelesen. Sie<br />

würzten und zuckerten ihren Wein stark und erhitzten ihn auch. So erweist<br />

jeder Glühwein trinkende <strong>Augsburg</strong>er dem römischen Erbe seiner Stadt<br />

die Ehre.<br />

Adventskalender, auch keine schlechte Idee, kaufe ich. Habe ich schon<br />

als Kind immer gemocht. Wer nicht? Heute würde mir freilich die Geduld<br />

dafür fehlen, immer nur ein Türchen am Tag zu öffnen. Schade, dass der<br />

Zauber, dieser Glaube daran, dass es wirklich ein Christkind gibt, verloren<br />

gegangen ist. Man kann es leicht als Kinderei abtun aber zu den Schätzen<br />

der Erinnerung, die einem niemand nehmen kann, gehört sicher die kindliche<br />

Freude, die mit dem festen Glauben an ein Christkind einhergeht, das<br />

einen beschenkt.<br />

Auch idyllisch ist ein Lego-Bausatz, der sich „Friends“ nennt und der<br />

fünf Freundinnen zeigt, die, umgeben von allerlei Geschenken, um einen<br />

liebevoll dekorierten Weihnachtsbaum herumstehen und sitzen. Ist das<br />

jetzt Kitsch? Also ein wenig schon, aber man muss Lego zugutehalten, dass<br />

es politisch korrekter Kitsch ist. Denn die Freundinnen sind ihrer Herkunft<br />

nach multiethnisch. Ein Mädchen hat afrikanische Wurzeln, eines asiatische,<br />

eines südländische und ein blondes und ein rothaariges Mädchen stehen<br />

wohl stellvertretend für Europa oder sagen wir den Westen. Rührend<br />

irgendwie. Ich will jetzt nicht unken, aber ist das nicht, wenn wir schon<br />

politisch korrekt denken, irgendwie doch nicht ganz sauber? Denn was ist<br />

mit den Jungen? Ist diese Art der Geschlechtertrennung richtig und wenn<br />

wir schon von Geschlechtern reden... Was ist mit dem dritten Geschlecht?<br />

Wo ist das Transgenderwesen, das doch sicher auch ein Recht darauf hat,<br />

Weihnachten zu feiern? Allerdings wäre selbst eine Runde aus Jungen, Mädchen<br />

und Transgendern aller Ethnien nicht unproblematisch. Denn wieso<br />

sollen keine muslimischen oder jüdischen Kinder mitfeiern? Stattdessen<br />

symbolisiert der Weihnachtsbaum eine exklusivchristliche Feierlichkeit, die,<br />

auch wenn man jetzt die Gemeinsamkeiten der monotheistischen Religionen<br />

ins Feld führt, die atheistischen Kinder jedes<br />

Geschlechts und Zwischengeschlechts ausschließt.<br />

Aber das nur als kleiner Exkurs.<br />

Nicht zu weit geht dagegen der Erwerb einer Nikolausmütze für mich.<br />

Ich bin wahrscheinlich doch Masochist. Eigentlich tragen solche Mützen<br />

ja nur vollkommen besoffene Männergruppen, die sich a) auf dem Christkindlesmarkt<br />

nicht verlieren wollen und die Mützen als optisches Signal<br />

nutzen und b) der Umwelt mitteilen möchten, dass sie halt doch sehr lustige<br />

Gaudiburschen sind, die sich mit dem Ding auf dem Kopf nicht wie<br />

peinliche Deppen fühlen. Was soll’s, ich kaufe das Ding.<br />

Mit wenig mehr als einem Euro habe ich dann noch eine kleine Postkarte<br />

gekauft. Ich habe ja eigentlich nie Weihnachtskarten verschickt. Vielleicht<br />

bin ich nicht sentimental genug, aber jetzt, so im Rückblick, der natürlich<br />

schon etwas Glühweingeschwängert ist, finde ich den Kaufentschluss sehr<br />

gut, ich bin sogar fast gerührt, wenn ich mir die Karte so anschaue.<br />

Zwei Kinder, ein Mädchen und ein Junge, gehen durch eine verschneite<br />

Winterlandschaft. Sie halten sich an den Händen und tragen Laternen. Im<br />

Schnee sieht man ihre Fußspuren, der Weg, den sie gehen, ist mit Kerzen<br />

gesäumt, in der Ferne steht eine Kirche mit beleuchteten Fenstern. Das<br />

Mädchen hat einen roten Mantel, der junge eine grüne Jacke, das Mädchen<br />

schaut den Jungen an, dessen Blick auf die Kirche gerichtet ist, Schneeflocken<br />

fallen vom Himmel. Mag sein, dass das Kitsch ist, mir egal, ich finde<br />

die Karte wunderschön. Frohe Weihnachten!<br />

Eine viel wichtigere und schwierigere Frage<br />

stelle ich mir in der Kinderwarenabteilung. Da<br />

ist dieses Kleid. Rot weißer Pelzkragen, schwarzer<br />

Gürtel, die weiblich-kleiderhafte Version des<br />

Weihnachtsmanns quasi. Mein Budget würde den<br />

Erwerb dieses Kleidchens gerade noch hergeben.<br />

Meiner Nichte könnte es von der Größe her passen.<br />

Aber ich frage mich, ob das fair wäre. Ich meine,<br />

gut, es könnte sein, dass sie dieses Kleid gerne trägt,<br />

aber ist diese Art der Kostümierung eines kleinen<br />

Kindes nicht irgendwie auch eine Verarschung des<br />

Kindes? Oder nein, sagen wir, eine Veralberung, so<br />

als würde man das Kind als kleinen Elch verkleiden<br />

und immer lachen, wenn es mit den Hörnern<br />

gegen den Gabentisch stößt.<br />

Ich bin mir unsicher. Ich weiß noch, dass ich<br />

als Kind bittere Tränen geweint habe, als meine<br />

Eltern mich einmal als bunten Harlekin zum<br />

Fasching gehen lassen wollten. Ich wette, dass viele<br />

es nicht bei dem Kleid bewenden lassen und noch<br />

eine Nikolausmütze dazu kaufen, damit das Kindchen<br />

auch für den begriffstutzigsten Betrachter als<br />

Weihnachtsmädchen erkennbar ist. Nein, bei aller<br />

Liebe zum Kitsch, das ginge dann doch zu weit.<br />

Und feiern wir an diesem<br />

Tag nicht eine Geburt?<br />

Zu weit hergeholt?<br />

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