RHEINLANDweit 3/2018

Titelthema
Anspruchsvolle Umschulung
Neun Monate dauert die Umschulung zur MTU:
Medizinische Grundlagen und umfangreiche anatomische
Kenntnisse werden vermittelt, begleitet
von intensiven Praxisphasen. Jessica van Bebber
ist aktuell zweimal die Woche in verschiedenen
Frauenarzt-Praxen in Düsseldorf im Einsatz. Neben
der medizinischen Fachkenntnis ist es für ihre
Arbeit von besonderer Bedeutung, für die Taktile
Brustuntersuchung eine persönliche und angenehme
Atmosphäre zu schaffen. Je nach Brustgröße
der Patientinnen dauert die Untersuchung
immerhin 30 bis 60 Minuten. Jessica van Bebber:
„Ich komme den Patientinnen sehr nahe, einige
haben bereits eine Brustkrebserkrankung überstanden
– da ist es wichtig, Ängste zu nehmen und
ruhig und einfühlsam zu agieren.“ Die Untersuchung
verläuft nach einem standardisierten und
qualitätsgesicherten Konzept. Mithilfe von selbstklebenden
Orientierungsstreifen tastet die MTU
die Brust sowie die Lymphknoten Millimeter für
Millimeter systematisch in drei Tiefenschichten
schmerzfrei und ohne „Apparate“ ab. Anschließend
übertragen die Untersucherinnen ihre Tastergebnisse
am Computer in ein Koordinatensystem,
ein sogenanntes Taktilogramm. Das erfordert
ein detailliertes räumliches Vorstellungsvermögen
und eine extrem ausgeprägte Merkfähigkeit.
Behutsamer Umgang
mit den Patientinnen
Jessica van Bebber und Bettina Schniedermann
wurden intensiv geschult und bestens auf ihre anspruchsvolle
Tätigkeit vorbereitet. Und wie gehen
die MTU damit um, wenn sie während der Untersuchung
eine „verdächtige Stelle“ ertasten? „Wir
lokalisieren lediglich Gewebeveränderungen. Wir
stellen keine Diagnosen“, sagt Jessica van Bebber.
Während der Untersuchungen erläutern sie jeden
Schritt und vermitteln behutsam, wenn sie Veränderungen
des Gewebes feststellen. Auffällige Befunde
klären die behandelnden Frauenärzte und
-ärztinnen per Ultraschall ab. Dann folgt gegebenenfalls
die weitere systematische Diagnostik.
Studien bestätigen Erfolge
Die spezialisierten Taktilen Untersucherinnen entdecken
etwa 30 Prozent mehr und bis zu 50 Prozent
kleinere Gewebeveränderungen (6 bis 8 Millimeter)
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als Ärztinnen und Ärzte (1 bis 2 Zentimeter). Dies
bestätigte 2008 eine Vorstudie in Zusammenarbeit
mit der Universität Essen. Eine prospektive klinische
Studie des Brustforschungszentrums an der Universität
Erlangen hat diese Ergebnisse 2017
bekräftigt. Übrigens: Auch Männer können an
Brustkrebs erkranken, insbesondere, wenn sie
familiär vorbelastet sind. Auch sie können selbstverständlich
die MTU-Untersuchung wahrnehmen.
Ausbildung und Anstellung
Der LVR ist Träger der Louis-Braille-Schule in Düren, einer
von vier Schulen mit dem Förderschwerpunkt Sehen im
Rheinland. Durch die enge Kooperation der Schule mit dem
Berufsförderungswerk Düren, einem Zentrum für berufliche
Bildung blinder und sehbehinderter Menschen, haben einige
Absolventinnen den Weg zum Sozialunternehmen discovering
hands ® gefunden und üben nun eine Tätigkeit mit hoher
gesellschaftlicher Anerkennung aus. Das Sozialunternehmen
qualifiziert MTU in Kooperation mit anerkannten Bildungsträgern
und stellt sie nach erfolgreich abgeschlossener
Maßnahme selbst ein. Per Arbeitnehmerüberlassung werden
die MTU wohnortnah an niedergelassene Gynäkologen und
Gynäkologinnen „verliehen“. Die Praxen bestellen die Patientinnen
an ihrem jeweiligen „MTU-Tag“ ein. Die MTU hat
einen festen Einsatzplan und die Sicherheit einer unbefristeten
Festanstellung. Ziel ist, bis 2020 insgesamt mehr als
100 MTU zu beschäftigen. Derzeit sind etwa rund 40 an
knapp 50 Standorten deutschlandweit beschäftigt, weitere
im Ausland.
Weitere Informationen
unter: www.discovering-hands.de
Foto: Alex Lehn
Bettina
Schniedermann
demonstriert,
wie sie Gewebeveränderungen
ertastet.
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