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Heimat-Rundblick 127

Regionalmagazin für Kultur und Geschichte

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und Boden gab Anlass zu dem Vorhaben,<br />

eine Altenwohnanlage für betreutes Wohnen<br />

mit 82 Einheiten und ein Pflegezentrum<br />

mit 100 Einzel- und 19 Doppelappartements<br />

zu errichten, letzteres im<br />

Zusammenwirken mit dem "Forum Ellener<br />

Hof e.V.", der neu gegründeten Tochter<br />

einer gemeinnützigen Betreiberin von<br />

Altenpflegeeinrichtungen aus Oldenburg.<br />

Nach vielversprechendem Anfangselan<br />

stellte sich indes heraus, dass es dem Verein<br />

Ellener Hof noch an der nötigen Erfahrung<br />

fehlte, um auf dem doch recht komplexen<br />

Markt der Altenbetreuung und -<br />

pflege dauerhaft zu bestehen.<br />

Im Sommer 2015 löste sich der Verein<br />

Ellener Hof endgültig auf und schenkte das<br />

gesamte Gelände der Bremer Heimstiftung<br />

zur weiteren Nutzung und Entwicklung.<br />

Seither herrscht auf dem nun "Stiftungsdorf<br />

Ellener Hof" genannten Areal eine<br />

geradezu unglaublich produktive Unruhe.<br />

Es wird dort geplant, konkretisiert, zerlegt,<br />

beseitigt, umgeplant, gebaut und wieder<br />

umgeplant und weiter gebaut.<br />

Darüber mehr im letzten Teil unserer<br />

kleinen Trilogie.<br />

1846 konnte man noch „Actionair“ werden, wenn das neue Mitglied des „Verein für den Ellener<br />

Hof“ mit guten, harten „Reichsthalern“ beitrat.<br />

Foto: 1846-1971 „125 Jahre Ellener Hof“<br />

Jugendliche zugewiesen, um einen rentablen<br />

Betrieb aufbauen und aufrecht erhalten<br />

zu können. Der Wind der Zeit hatte<br />

gedreht; die nicht immer zu Recht als<br />

preußisch verschriene Strenge in der Erziehung<br />

Jugendlicher war durch Kriegserfahrung<br />

und Einfluss vor allem der amerikanischen<br />

Besatzer einem entschieden lockereren<br />

Umgang miteinander gewichen. Erst<br />

nach verschiedenen personellen, organisatorischen<br />

und baulichen Veränderungen<br />

kam der Betrieb langsam wieder in Gang.<br />

Doch bis Ende der 1960er Jahre war, als<br />

erzieherisch notwendig definierte, übermäßige<br />

Strenge, die schnell in menschenunwürdige<br />

Härte umschlagen<br />

konnte, auf dem Ellener Hof noch präsent.<br />

Daher auch rührt die Drohung, die mehr<br />

als nur einer Generation ehemals Bremer<br />

Jünglingen noch heute in den Ohren<br />

klingt: "…sonst kommst Du nach Ellen."<br />

Mag sich dieser, irgendwann zum geflügelten<br />

Wort mutierte Spruch auch nicht<br />

ausschließlich auf den Ellener Hof, sondern<br />

ebenso auf die nahegelegene psychiatrische<br />

Anstalt bezogen haben, für die Jungen<br />

lag der Focus eindeutig auf der Erziehungsanstalt.<br />

Anfang der 1970er Jahre gelang es der<br />

dann verantwortlichen Heimleitung unter<br />

der Führung des couragierten und Neuem<br />

zugetanen Klaus Jacobsen, an die reformpädagogischen<br />

Anfänge des Rettungshaus-Konzepts<br />

ideell anzuknüpfen und<br />

Menschenwürde und Augenhöhe wieder<br />

zur Grundlage des Zusammenlebens und<br />

24<br />

damit auch von Therapiemaßnahmen,<br />

Ausbildungsprogrammen und Freizeitgestaltung<br />

zu machen. Seine spektakulärste<br />

Maßnahme, das eine Zeit lang jährlich<br />

durchgeführte, rund sechsmonatige therapeutische<br />

Überlebenstraining in der zivilisationsfernen<br />

Tundra Lapplands für besonders<br />

problematische Jugendliche, stieß<br />

sogar überregional auf großes Interesse.<br />

Auch aus anderen Bundesländern kamen<br />

nun Anfragen nach Plätzen für schwierige<br />

Jugendliche. Mit der Zeit wuchs die Belegung<br />

bis auf 160 Personen an, wodurch<br />

eine individuelle Betreuung der Heiminsassen<br />

nur noch schwer durchzuführen war.<br />

Als nach und nach auch in anderen Teilen<br />

der Bundesrepublik ähnliche Einrichtungen<br />

entstanden, wurden bald fast nur<br />

noch die schwierigsten Jugendlichen nach<br />

Bremen zum Ellener Hof geschickt, was<br />

einer engagierten pädagogischen Arbeit<br />

nicht besonders zuträglich war. Schweren<br />

Herzens musste der Vorstand des Vereins<br />

Ellener Hof die Pforten der Einrichtung<br />

zum 30. Juni 1989 schließen.<br />

4. Phoenix<br />

Auf der Suche nach einem neuen sozialen<br />

Betätigungsfeld entdeckte der Vereinsvorstand<br />

den wachsenden Anteil an Senioren<br />

in der Bevölkerung mit ihren stärker ins<br />

allgemeine Bewusstsein dringenden<br />

Bedürfnissen nach altersgerechter individueller<br />

Lebensgestaltung. Der noch im<br />

Eigentum des Vereins befindliche Grund<br />

Literaturauswahl:<br />

Robert Fuchs: "Und keiner hat sich gekümmert!"<br />

Dokumentation zur Geschichte der<br />

Bremer Heimerziehung 1945-1975. Herausgegeben<br />

im Auftrag des Arbeitskreises zur<br />

Aufarbeitung der Heimerziehung im Land<br />

Bremen. Bremen 2012.<br />

Gerda Engelbracht: "Denn bin ich unter das<br />

Jugenamt gekommen“. Bremer Jugendfürsorge<br />

und Heimerziehung 1933 – 1945.<br />

Edition Falkenberg, Rotenburg/Bremen<br />

2018.<br />

Klaus Jacobsen: Wohin der Wind uns treibt.<br />

Mit Problemjungen in Lappland. Verlag<br />

Klaus Neubauer, Lüneburg 1988.<br />

Verein Ellener Hof: Chronik einer seit 1846<br />

von uneigennützigem Bürgersinn geprägten<br />

Bremer Einrichtung. Donat Verlag, Bremen<br />

2002.<br />

Jens Uwe Böttcher<br />

1) KulturAmbulanz, Galerie im Park, Züricher<br />

Straße 40, 28325 Bremen, Telefon<br />

0421/408-1757<br />

2) Näheres:<br />

https://kulturambulanz.de/galerie/ausstellungen/jugendfuersorge_ausstellungstext_al<br />

lgemein.php<br />

3) Horn wurde 1874 Hamburg angegliedert,<br />

1894 eingemeindet.<br />

4) In dieser Einrichtung gab es zu keiner<br />

Zeit Mädchen. Für sie wurde 1870 in Rockwinkel<br />

mit dem Hartmanns-Hof eine eigene<br />

Einrichtung geschaffen. Daraus ist das jetzige<br />

Hermann Hildebrand Haus hervorgegangen.<br />

5) 1901 geboren; seit 1928 auf dem Ellener<br />

Hof in leitender Position tätig, von 1931 bis<br />

1957 ( ! ) offiziell mit seiner Leitung<br />

betraut.<br />

RUNDBLICK Winter 2018

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