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und Boden gab Anlass zu dem Vorhaben,<br />
eine Altenwohnanlage für betreutes Wohnen<br />
mit 82 Einheiten und ein Pflegezentrum<br />
mit 100 Einzel- und 19 Doppelappartements<br />
zu errichten, letzteres im<br />
Zusammenwirken mit dem "Forum Ellener<br />
Hof e.V.", der neu gegründeten Tochter<br />
einer gemeinnützigen Betreiberin von<br />
Altenpflegeeinrichtungen aus Oldenburg.<br />
Nach vielversprechendem Anfangselan<br />
stellte sich indes heraus, dass es dem Verein<br />
Ellener Hof noch an der nötigen Erfahrung<br />
fehlte, um auf dem doch recht komplexen<br />
Markt der Altenbetreuung und -<br />
pflege dauerhaft zu bestehen.<br />
Im Sommer 2015 löste sich der Verein<br />
Ellener Hof endgültig auf und schenkte das<br />
gesamte Gelände der Bremer Heimstiftung<br />
zur weiteren Nutzung und Entwicklung.<br />
Seither herrscht auf dem nun "Stiftungsdorf<br />
Ellener Hof" genannten Areal eine<br />
geradezu unglaublich produktive Unruhe.<br />
Es wird dort geplant, konkretisiert, zerlegt,<br />
beseitigt, umgeplant, gebaut und wieder<br />
umgeplant und weiter gebaut.<br />
Darüber mehr im letzten Teil unserer<br />
kleinen Trilogie.<br />
1846 konnte man noch „Actionair“ werden, wenn das neue Mitglied des „Verein für den Ellener<br />
Hof“ mit guten, harten „Reichsthalern“ beitrat.<br />
Foto: 1846-1971 „125 Jahre Ellener Hof“<br />
Jugendliche zugewiesen, um einen rentablen<br />
Betrieb aufbauen und aufrecht erhalten<br />
zu können. Der Wind der Zeit hatte<br />
gedreht; die nicht immer zu Recht als<br />
preußisch verschriene Strenge in der Erziehung<br />
Jugendlicher war durch Kriegserfahrung<br />
und Einfluss vor allem der amerikanischen<br />
Besatzer einem entschieden lockereren<br />
Umgang miteinander gewichen. Erst<br />
nach verschiedenen personellen, organisatorischen<br />
und baulichen Veränderungen<br />
kam der Betrieb langsam wieder in Gang.<br />
Doch bis Ende der 1960er Jahre war, als<br />
erzieherisch notwendig definierte, übermäßige<br />
Strenge, die schnell in menschenunwürdige<br />
Härte umschlagen<br />
konnte, auf dem Ellener Hof noch präsent.<br />
Daher auch rührt die Drohung, die mehr<br />
als nur einer Generation ehemals Bremer<br />
Jünglingen noch heute in den Ohren<br />
klingt: "…sonst kommst Du nach Ellen."<br />
Mag sich dieser, irgendwann zum geflügelten<br />
Wort mutierte Spruch auch nicht<br />
ausschließlich auf den Ellener Hof, sondern<br />
ebenso auf die nahegelegene psychiatrische<br />
Anstalt bezogen haben, für die Jungen<br />
lag der Focus eindeutig auf der Erziehungsanstalt.<br />
Anfang der 1970er Jahre gelang es der<br />
dann verantwortlichen Heimleitung unter<br />
der Führung des couragierten und Neuem<br />
zugetanen Klaus Jacobsen, an die reformpädagogischen<br />
Anfänge des Rettungshaus-Konzepts<br />
ideell anzuknüpfen und<br />
Menschenwürde und Augenhöhe wieder<br />
zur Grundlage des Zusammenlebens und<br />
24<br />
damit auch von Therapiemaßnahmen,<br />
Ausbildungsprogrammen und Freizeitgestaltung<br />
zu machen. Seine spektakulärste<br />
Maßnahme, das eine Zeit lang jährlich<br />
durchgeführte, rund sechsmonatige therapeutische<br />
Überlebenstraining in der zivilisationsfernen<br />
Tundra Lapplands für besonders<br />
problematische Jugendliche, stieß<br />
sogar überregional auf großes Interesse.<br />
Auch aus anderen Bundesländern kamen<br />
nun Anfragen nach Plätzen für schwierige<br />
Jugendliche. Mit der Zeit wuchs die Belegung<br />
bis auf 160 Personen an, wodurch<br />
eine individuelle Betreuung der Heiminsassen<br />
nur noch schwer durchzuführen war.<br />
Als nach und nach auch in anderen Teilen<br />
der Bundesrepublik ähnliche Einrichtungen<br />
entstanden, wurden bald fast nur<br />
noch die schwierigsten Jugendlichen nach<br />
Bremen zum Ellener Hof geschickt, was<br />
einer engagierten pädagogischen Arbeit<br />
nicht besonders zuträglich war. Schweren<br />
Herzens musste der Vorstand des Vereins<br />
Ellener Hof die Pforten der Einrichtung<br />
zum 30. Juni 1989 schließen.<br />
4. Phoenix<br />
Auf der Suche nach einem neuen sozialen<br />
Betätigungsfeld entdeckte der Vereinsvorstand<br />
den wachsenden Anteil an Senioren<br />
in der Bevölkerung mit ihren stärker ins<br />
allgemeine Bewusstsein dringenden<br />
Bedürfnissen nach altersgerechter individueller<br />
Lebensgestaltung. Der noch im<br />
Eigentum des Vereins befindliche Grund<br />
Literaturauswahl:<br />
Robert Fuchs: "Und keiner hat sich gekümmert!"<br />
Dokumentation zur Geschichte der<br />
Bremer Heimerziehung 1945-1975. Herausgegeben<br />
im Auftrag des Arbeitskreises zur<br />
Aufarbeitung der Heimerziehung im Land<br />
Bremen. Bremen 2012.<br />
Gerda Engelbracht: "Denn bin ich unter das<br />
Jugenamt gekommen“. Bremer Jugendfürsorge<br />
und Heimerziehung 1933 – 1945.<br />
Edition Falkenberg, Rotenburg/Bremen<br />
2018.<br />
Klaus Jacobsen: Wohin der Wind uns treibt.<br />
Mit Problemjungen in Lappland. Verlag<br />
Klaus Neubauer, Lüneburg 1988.<br />
Verein Ellener Hof: Chronik einer seit 1846<br />
von uneigennützigem Bürgersinn geprägten<br />
Bremer Einrichtung. Donat Verlag, Bremen<br />
2002.<br />
Jens Uwe Böttcher<br />
1) KulturAmbulanz, Galerie im Park, Züricher<br />
Straße 40, 28325 Bremen, Telefon<br />
0421/408-1757<br />
2) Näheres:<br />
https://kulturambulanz.de/galerie/ausstellungen/jugendfuersorge_ausstellungstext_al<br />
lgemein.php<br />
3) Horn wurde 1874 Hamburg angegliedert,<br />
1894 eingemeindet.<br />
4) In dieser Einrichtung gab es zu keiner<br />
Zeit Mädchen. Für sie wurde 1870 in Rockwinkel<br />
mit dem Hartmanns-Hof eine eigene<br />
Einrichtung geschaffen. Daraus ist das jetzige<br />
Hermann Hildebrand Haus hervorgegangen.<br />
5) 1901 geboren; seit 1928 auf dem Ellener<br />
Hof in leitender Position tätig, von 1931 bis<br />
1957 ( ! ) offiziell mit seiner Leitung<br />
betraut.<br />
RUNDBLICK Winter 2018