PDF-Download - Rheingau Musik Festival
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12<br />
Der Sound hat System<br />
von Anna-Kristina Laue<br />
Vom spezifischen Klang der Orchester<br />
Haben Sie schon einmal vom<br />
„Dresden Sound“ gehört? Kennen<br />
Sie das Institut für Wiener Klangstil?<br />
Und nicken Sie zustimmend,<br />
wenn nach dem Konzert über den<br />
klaren, überaus perfekten Blechbläserklang<br />
der amerikanischen<br />
Orchester diskutiert wird? Es mag<br />
verwundern, dass man in Zeiten<br />
der Globalisierung, wo zahlreiche<br />
Orchester sich für ihren multinationalen<br />
Mitgliederstamm rühmen,<br />
noch immer vom Nationalstil der<br />
Klangkörper spricht. Veranstalter<br />
hören russische Orchester am<br />
liebsten mit russischem Repertoire<br />
und norwegische mit skandinavischem<br />
Programm – denn<br />
so harmonieren die gängigen<br />
Zuschreibungen am besten: Der<br />
russische Klang lässt an Schwermut,<br />
Drama und Tragödie denken,<br />
der skandinavische an sanfte<br />
Melancholie, einsame Weiten und<br />
volksmusikalische Natürlichkeit.<br />
Das Klangideal seines Heimatlandes<br />
beschreibt der französische<br />
Dirigent Fabrice Bollon im Interview<br />
mit der Badischen Zeitung<br />
zum Beispiel so: „Es gibt heute in<br />
Frank reich eine Schule, die sehr<br />
auf ganz feinen, detaillierten<br />
Klang zielt, allerdings mit wenig<br />
dynamischem Ambitus, wenig<br />
Farben. Dadurch wird alles sehr<br />
durchsichtig, leicht im Gesamtklang.“<br />
Auch der amerikanische<br />
Dirigent Andrew Litton setzt<br />
sich mit dem national geprägten<br />
© Heikki Tuuli<br />
Orchestersound auseinander. Er<br />
war jahrelang Chefdirigent des<br />
Dallas Symphony Orchestra und<br />
ist nun seit 2003 in gleicher Position<br />
beim Bergen Philharmonic<br />
Orchestra; im Interview mit klas-<br />
sik heute zieht er den Vergleich:<br />
„Mein Eindruck ist, dass amerikanische<br />
Orchester geschätzt werden<br />
wegen ihrer technischen Fertigkeiten<br />
und ihrer Fähigkeit – die sie<br />
mit britischen Orchestern teilen<br />
– schnell ein Programm aufzubauen,<br />
viel schneller als Klangkörper<br />
auf dem Kontinent. Umgekehrt<br />
wirft man amerikanischen Orches -<br />
tern das Fehlen von Persönlich-<br />
keit vor. Ich zumindest versuche<br />
bei den Orchestern mit denen ich<br />
arbeite, gerade Persönlichkeit,<br />
Individualität zu fördern und aus<br />
ihnen ein Instrument zu machen.“<br />
Der Erhalt eines bestimmten<br />
Klang ideals funktioniert also nur,<br />
weil Dirigenten die Besonder-<br />
heiten erkennen und pflegen. Die<br />
Marketing-Branche nennt dies ein<br />
„Alleinstellungsmerkmal“, welches<br />
das Produkt auf dem Markt interessant<br />
macht und verkaufsfördernd<br />
wirkt. Doch natürlich geht es bei<br />
der Entwicklung eines speziellen<br />
Klangs nicht allein um den Marktwert<br />
eines Orchesters, sondern<br />
vor allem um die Pflege einer z. T.<br />
jahrhundertealten Tradition: Die<br />
Staatskapelle Dresden beispielsweise<br />
wurde 1548 gegründet – ihre<br />
Interpretation von Beethovens<br />
5. Sinfonie wird mit Sicherheit<br />
fundamental anders klingen als<br />
die Version eines Jugendorchesters,<br />
das jährlich mit neuen <strong>Musik</strong>ern<br />
besetzt wird.<br />
Beim <strong>Rheingau</strong> <strong>Musik</strong> <strong>Festival</strong><br />
reisen in jedem Sommer Sinfonieorchester<br />
aus aller Welt an, um<br />
in der hervorragenden Akustik<br />
des Friedrich-von-Thiersch-Saals<br />
dem Publikum ihr Programm zu<br />
präsentieren. In diesem Jahr sind<br />
14 verschiedene Klangkörper aus<br />
Skandinavien, Tschechien, Großbritannien,<br />
Frankreich, Brasilien, den<br />
USA und natürlich Deutschland zu<br />
Gast. Der Vergleich bietet sich also<br />
an: Ob Ihnen wohl der Klang verrät,<br />
woher das Orchester stammt?<br />
Orchesterkonzerte im Kurhaus Wiesbaden<br />
27.6. San Francisco Symphony Youth Orchestra<br />
28.6. Deutsches Symphonie-Orchester Berlin<br />
29.6. Tschechische Philharmonie<br />
1.7. Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin<br />
5.7. Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR<br />
20.7. London Philharmonic Orchestra<br />
27.7. La Chambre Philharmonique<br />
9.8. Philharmonie der Nationen<br />
18.8. Orquestra Sinfônica do Estado de São Paulo<br />
23.8. hr-Sinfonieorchester<br />
24.8. Helsinki Philharmonic Orchestra<br />
28.8. Bergen Philharmonic Orchestra<br />
30.8. London Symphony Orchestra<br />
31.8. WDR Sinfonieorchester Köln