BÜHNE | TIPP DESMONATS Für mehr Gesprächskultur Sonia Seymour Mikich ©WDR /Annika Fußwinkel 60| <strong>HEINZ</strong> |<strong>03</strong>.<strong>2019</strong>
Diskussionen im Foyer Sonia SeymourMikichist eine Legendedes politischen Journalismus,war von2002 bis 2012 dasGesichtdes Fernseh-Magazins„Monitor“, wurdeimDezember Journalistin desJahres.Wenn siezuihrer neuen Diskussionsreihe im Schauspielhaus Bochum lädt, istdas Foyerhinterder großen Glasfrontvoll, dasPublikum hängt an den Lippen der Diskutanten. MaxFlorianKühlem traf siezum Gespräch. I hreDiskussionsreihe heißt„Ausreden–zuhören!“. Istdas keine Selbstverständlichkeitmehr? Nein, weil es in vielen Talkformaten auch um das Moment der Unterhaltung geht. Unterhaltung entsteht da, wo Leutesich zoffen,gegenseitig insWortfallenoder Gegenpositionenhaben.Was ichhier in Bochumentwickelnwill, istGesprächskultur.Leute hörensichzu, revidieren vielleicht mal einen Gedanken oder ergänzen ihn, erlauben einen Perspektivwechsel. Das geht aber nur, wenn nicht in Schlagwortengesprochenwird. Es geht nichtumrhetorische Punkte, die man sammelt, sondern um Erkenntnis. Das wollte ich immer haben und deshalb stammt der Titel des Formats tatsächlich von mir selbst. Dauernd treten Menschen mit Lob anSie heran. Offenbar stillen Sie mit „Ausreden–zuhören!“ eine Sehnsucht.Warum istesdannimFernsehen so selten anzutreffen? Ich bin jetzt pensioniert und habe meinen Schlussstrich unter die Fernseharbeit gezogen. Aber ich habe mir das bei Talkshows selbst immer gewünscht,dassman sich etwasmehrzuhört.Aberdas geht scheinbar gegen die DNA der Formate und funktioniert einfach nicht. Im Theateraber schon? Dasist ein wunderbarer Ort, weil du weißt, dass du etwasBesonderes kriegst, wenn dudiese Schwelle übertrittst. Gerade das Bochumer Schauspielhaus hat eine Strahlkraft, die ich noch aus meiner Zeit kenne, alsich in der StadtamRussicumstudierthabe. Es strahlt in die Gesellschaft hinein,abernimmtauchihreStrömungenauf.Es hält ein Zwiegespräch mit den Menschen hier im Ruhrgebiet und verstand sich immer als gesellschaftspolitisch. Hier muss man die großen Themen der Zeit verhandeln. Heimat, Identität, Globalisierung.Wogehöreich hin? WasdenkenSie über den aktuellen Zustand desJournalismus? Geht es zu oftumStereotype, geht die ausgewogene Analyse verloren? Journalismus istjaimmer ein Spiegel der Gesellschaft und natürlich gibt es viele Spaltungserscheinungen, Risse, Fragen, Skepsis, Zweifel. Ich wünsche mir viel Analyse und habe durch meine eigene Arbeit dazu beigetragen, dass das Investigative enorm gestärkt wurde. Darauf bin ich stolz. Was mir im Hauptprogramm fehlt, sind die ruhigen, nachdenklichen, skeptischen Diskussionen. Das Magazin „Monitor“, das Sie zehn Jahre lang moderiert haben, galt und giltvielenMenschen alsBastion desguten Journalismus. Heutegibt es einige, die die großen Medienanstalten pauschal als „Lügenpresse“ abkanzeln. Schwindetdas Vertrauen? Wenn man Studien glaubt, dannist noch ein enormesVertrauen da, wenn es um das Wesentliche geht,umThemen wie zumBeispiel die Proteste der Gelbwesten in Frankreich. Dawerden dann die klassischen Medien eingeschaltet, gelesen und soweiter, um einigermaßen verlässliche Informationen zu bekommen. Weil man den Absender kennt und ihn zur Not auch kritisieren kann. Aber ein Problem ist sicher, die jungen Menschen zuerreichen. Auch bei der Diskussion im Schauspielhaus warenwiedervieleaus der älterenGeneration da. Deswegenwerde ich nächstes Jahr in Schulengehen und erzählen. Was ist Journalismus, warum ist eswichtig, guten Journalismus zu haben? Glaubwürdigkeit wird ein immer größeres Thema werden. Eswird immer wichtiger sein, dass die Menschen die Namen und Institutionen kennen, die hinter den Nachrichten stehen, und ihnenvertrauen. MaxFlorian Kühlem ❚ AUSREDEN –ZUHÖREN: Politische Debatten mit Sonia Seymour Mikich Foyer des Schauspielhaus, Königsallee 15,Bochum; Termin: 10.3., 11.30 Uhr; Thema: Online binich werganzanders–FlüssigeIdentitätenund digitale Hemmungslosigkeit; mit:TinaGroll,Stephan G. Humer, Constanze Kurz,Mads Pankow Sonia Seymour Mikich, Suat Yilmaz und Fereshte Kazemiabharyan bei der ersten Ausgabe mit dem Thema „Neue Heimat Ruhr –Vom Aufbrechen und Ankommen“ ©Schauspielhaus Bochum <strong>03</strong>.<strong>2019</strong>| <strong>HEINZ</strong> |61