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[ke:onda] Friede, Freude, Streitkultur

Ausgabe 2/2018.Immer wieder treffen wir Menschen mit anderen Meinungen und Interessen, es kommt zu Diskussionen und Konflikten. Was muss passieren, damit am Ende beide Seiten aufeinander eingehen...

Ausgabe 2/2018.Immer wieder treffen wir Menschen mit anderen Meinungen und Interessen, es kommt zu Diskussionen und Konflikten. Was muss passieren, damit am Ende beide Seiten aufeinander eingehen...

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Die Jugendzeitschrift<br />

der Naturfreundejugend<br />

Deutschlands<br />

www.<strong>ke</strong><strong>onda</strong>.de<br />

[Ke:<strong>onda</strong>] 02 / 2018<br />

Facebook<br />

Naturfreundejugend.<br />

Deutschlands<br />

Instagram<br />

@Naturfreundejugend<br />

Twitter<br />

naturfreundeju


Seite 2<br />

November 2018<br />

Vorwort<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Liebe Leser*innen,<br />

immer wieder treffen wir Menschen mit anderen<br />

Meinungen und Interessen. Es kommt<br />

zu Diskussionen und Konflikten. Dabei<br />

ist uns aufgefallen, dass die Diskutierenden<br />

einander oft nicht richtig zuhören. Am Ende<br />

werfen sich beide Parteien nur noch Fakten<br />

an den Kopf, ohne aufeinander einzugehen.<br />

Wir sagen: Das muss doch auch anders gehen!<br />

In diesem Heft zeigen wir euch wie.<br />

Yannick aus unserer Fachstelle FARN erzählt<br />

dabei von seinen Erfahrungen im<br />

Umgang mit Hasskommentaren auf Facebook.<br />

Janinka reflektiert ihr Betzavta-Erlebnis<br />

und berichtet, was sie dabei über unser<br />

Miteinander gelernt hat. Larissa zeigt,<br />

was Fa<strong>ke</strong>-News in Sachen Klimaschutz<br />

anrichten können und Gabriel erzählt, wie<br />

er gewaltfreie Kommunikation nutzt, um<br />

Konflikte zu lösen, bevor der Streit beginnt.<br />

Zu guter Letzt wollen wir euch an das 2019<br />

stattfindende Bundestreffen in Bielefeld erinnern,<br />

wo wir hoffentlich viele von euch<br />

sehen werden.<br />

Berg frei!<br />

Eure [<strong>ke</strong>:<strong>onda</strong>] - Redaktion<br />

<strong>Friede</strong>, <strong>Freude</strong>, <strong>Streitkultur</strong><br />

Die Zehn Gebote der Logik 03<br />

Dem Hass im Netz entgegentreten 04<br />

Konflikte in Gruppen 06<br />

Betzavta – Eine Methode der Demokratieförderung 07<br />

Climategate – ein Hack und seine Folgen 08<br />

Fakten-Check 09<br />

Unterstützung durch Naturfreund*innen 09<br />

Sprache ohne Gewalt 10<br />

Der Mann im Bus 11<br />

Verbandskasten<br />

Nicht schon wieder Feminismus?! 12<br />

Was ist das Schönste an eurer Arbeit in der Bundesleitung? 13<br />

Audiotouren – Auf den Spuren des Wandels 14<br />

Smarte Grüne Welt?! 14<br />

Bundestreffen 2019 15<br />

Vernetzungstreffen 15<br />

Unter Freunden 16<br />

Natursportangebote mit den NaturFreunden 17<br />

Das Gendersternchen * - Wir sind überzeugt, dass<br />

Frauen und Männer das Recht auf Gleichberechtigung<br />

haben. Aber es gibt weit mehr als nur „männlich“<br />

und „weiblich“. Wir sind der Meinung, dass alle<br />

Menschen ihr Geschlecht selbst bestimmen dürfen.<br />

Um dies auszudrüc<strong>ke</strong>n und ALLE einzubeziehen,<br />

nutzen wir das sogenannte Gendersternchen *.<br />

Feuilleton<br />

Heldin der Arbeit – Janina 18<br />

Das gute Leben – konkret 18<br />

Das Hirn 19<br />

Impressum<br />

[<strong>ke</strong>:<strong>onda</strong>] – Die Jugendzeitschrift der<br />

Naturfreundejugend Deutschlands<br />

KidsPower – Die Kinderzeitschrift der Naturfreundejugend<br />

Deutschlands<br />

Herausgegeben durch das Kinder- und Jugendwerk<br />

der Naturfreunde, Verein zur Förderung der Naturfreundejugend<br />

Deutschlands e.V.,<br />

Adresse siehe unten<br />

Redaktionsanschrift und Verlag:<br />

Naturfreundejugend Deutschlands ||<br />

Warschauer Straße 59a || 10243 Berlin ||<br />

Telefon 030-297732-70 || Telefax 030-297732-80<br />

<strong>ke</strong><strong>onda</strong>@naturfreundejugend.de || www.<strong>ke</strong><strong>onda</strong>.de<br />

Mitglieder der Naturfreundejugend Deutschlands<br />

erhalten KidsPower/[<strong>ke</strong>:<strong>onda</strong>] kostenlos.<br />

KidsPower/[<strong>ke</strong>:<strong>onda</strong>] kann auch als Abo für 5 € pro<br />

Jahr inkl. Versandkosten bestellt werden.<br />

Redaktion [<strong>ke</strong>:<strong>onda</strong>]: Frau<strong>ke</strong> Gehrau, Steffen Filz,<br />

Kristian Schaffner, Lina Mombauer, Tobias Thiele,<br />

Dennis Melsa (V.i.S.d.P)<br />

Redaktion KidsPower: Sine Schnitzer, Larissa Donges,<br />

Dennis Melsa (V.i.S.d.P)<br />

Fotos [<strong>ke</strong>:<strong>onda</strong>]:<br />

International Young Naturefriends (S. 6, 7) Brandon<br />

Mathis/ unsplash (S. 6), rawpixel/unsplash.jpg (S. 8,<br />

9), NaturFreunde Thüringen (S. 9), Josh Edgoose/<br />

unsplash (S. 11), Kristian Schaffner (S. 12), Michèle<br />

Guyot (S. 12), Naturfreundejugend Deutschlands<br />

(S. 13, 14, 15, 18), Naturfreundejugend Braunschweig<br />

(S. 16), Axel Schimanski (S. 17), Janina<br />

Körber (S. 18)<br />

Fotos KidsPower:<br />

pixabay.com (S. 2-5, 7, 10), Sine Schnitzer (Cover, S. 2,<br />

4, 10), Naturfreundejugend Niedersachsen (S. 3),<br />

Naturfreundejugend Deutschlands (S. 4, 5, 11), Naturfreundejugend<br />

Baden (S. 6, 7)<br />

Illustrationen und Gestaltung: Sabrina Grösch<strong>ke</strong> ||<br />

Formgefüge || www.formgefuege.de<br />

Druck: Druc<strong>ke</strong>rei Lokay e.K.<br />

Klimaneutral gedruckt auf 100 % Altpapier,<br />

ausgezeichnet mit dem Blauen Engel und dem EU<br />

Eco-Label.<br />

© Naturfreundejugend Deutschlands 2018<br />

KidsPower/[<strong>ke</strong>:<strong>onda</strong>] wird gefördert vom


Die Zehn Gebote der Logik<br />

1. Greife nicht den Menschen persönlich,<br />

sondern dessen Argument an.<br />

(Rufmord, Argumentum ad hominem)<br />

2. Verstehe nicht absichtlich ein<br />

Argument der Gegenseite falsch und<br />

übertreibe es auch nicht, um es leichter<br />

entkräften zu können.<br />

(Strohmann Trugschluss)<br />

3. Berufe dich nicht auf kleine Mengen,<br />

wenn du von der Mehrheit sprichst.<br />

(Verallgemeinerungsfehlschluss)<br />

4. Begründe deine Position nicht mit<br />

einer Grundvoraussetzung, die du als<br />

wahr annimmst. (Zir<strong>ke</strong>lschluss)<br />

5. Behaupte nicht, dass nur weil A<br />

zeitlich vor B passiert ist, B aus A folgt.<br />

(Scheinkausalität)<br />

6. Reduziere eine Streitfrage<br />

nicht allein auf zwei Positionen.<br />

(Schwarz-Weiß-Den<strong>ke</strong>n, Falsche<br />

Dichotomie)<br />

7. Erkläre <strong>ke</strong>ine These für wahr oder<br />

falsch, weil sie bisher noch nicht bewiesen<br />

wurde. (Argumentum ad<br />

ignorantiam)<br />

8. Wer eine Behauptung<br />

anfechtet, soll nicht die<br />

Aufgabe haben sie zu<br />

widerlegen. Vielmehr<br />

soll der Angefochtene<br />

sie beweisen. (Beweislastverschiebung)<br />

9. Folgere A nicht<br />

aus B, wenn es <strong>ke</strong>ine<br />

logische Verbindung<br />

gibt. (non sequitur)<br />

10. Glaube nicht,<br />

dass eine These wahr<br />

ist, nur weil sie weit<br />

verbreitet ist.<br />

(Argumentum ad<br />

populum)<br />

Übersetzt nach einem Poster der North Dakota State University (https://www.ndsu.edu/pubweb/~rcollins/logicposter.pdf)


t<br />

Seite 4<br />

“<strong>Friede</strong>, <strong>Freude</strong>, <strong>Streitkultur</strong>?”<br />

November 2018<br />

Dem Hass im Netz<br />

entgegentreten!<br />

flüchtetenprojekte der „Aktion Deutschland<br />

Hilft“ und des Aussteigerprogramms<br />

für Rechtsextremist*innen „EXIT-Deutschland“.<br />

So funktioniert’s: Wir meldeten den<br />

Hasskommentar auf der Facebook-Seite<br />

von „Hass hilft“. „Hass hilft“ antwortete<br />

mit einem witzigen Post. Dadurch wurde<br />

der Hasskommentar unfreiwillig zur 1-Euro-Spende.<br />

Wir nutzen diese Aktion nun<br />

häufiger und es funktioniert erstaunlich gut<br />

– betroffene Personen sind danach in der<br />

Regel zurückhaltender.<br />

Seit wir mit FARN im Februar 2018 bei<br />

Facebook und Twitter auftreten, werden wir<br />

immer wieder mit Kritik und Beleidigungen<br />

konfrontiert. Mit konstruktiver Kritik<br />

setzen wir uns natürlich gerne auseinander.<br />

Mit unserer Arbeit gegen rechtsextreme<br />

Einflüsse im Natur- und Umweltschutz<br />

wollen wir schließlich auch den Dialog für<br />

positive Gegenentwürfe fördern.<br />

Oft lassen sich die Kommentare allerdings<br />

nicht mehr als Kritik verstehen, sondern<br />

sind schlichtweg „Hassposts“. So auch in<br />

dem Beispiel am Anfang: Als Reaktion<br />

auf unser „Kartoffelbild mit der Aufschrift<br />

„Biodeutsch? Nichts als Konstruktion“ hat<br />

was eine klare Androhung von Gewalt<br />

darstellt und damit strafbar ist.<br />

Was lässt sich dagegen tun?<br />

Das Wichtigste für uns war: solche Hasskommentare<br />

nicht ignorieren! Wenn menschenverachtende<br />

Meinungen und Drohungen<br />

unwidersprochen zu lesen sind, werden<br />

sie irgendwann „normal“. Soweit dürfen<br />

wir es nicht kommen lassen.<br />

Wir haben uns in diesem Fall an die Initiative<br />

„Hass hilft!“ gewandt. „Hass hilft“<br />

macht aus rassistischen und fremdenfeindlichen<br />

Kommentaren Geld für Ge-<br />

von Yannick Passeick<br />

sich geradezu ein „Shitstorm“ (gezieltes<br />

Kommentieren und Beleidigen einzelner<br />

Personen/Seiten) auf unserer Seite entfacht.<br />

Den ersten Teil des Kommentars könnten<br />

wir mit gutem Willen als Kritik an der<br />

Bundesregierung verstehen, die Geld für<br />

Demokratieprogramme wie unseres zur<br />

Verfügung stellt. Dann allerdings spricht der<br />

User eine klare Drohung in einer Sprache<br />

aus, wie sie auch die Nationalsozialisten<br />

benutzt haben. Als „Parasiten“ wurden<br />

in der NS-Zeit Menschen bezeichnet, die<br />

aufgrund körperlicher Einschränkungen,<br />

Krankheiten oder schlicht erfolgloser<br />

Jobsuche finanzielle Unterstützung zum<br />

Überleben benötigten. Der Vergleich entmenschlicht<br />

Bedürftige und spricht ihnen<br />

die Menschenwürde ab. Außerdem sollen<br />

wir „kompostiert“ – also entsorgt – werden,


Seite 5 “<strong>Friede</strong>, <strong>Freude</strong>, <strong>Streitkultur</strong>?”<br />

November 2018<br />

Was du noch tun kannst<br />

Kommentare melden<br />

Wenn du auf Facebook oder Twitter eine<br />

Hassbotschaft findest, die gegen die Richtlinien<br />

der Social-Media-Plattformen verstößt<br />

oder kriminelle Inhalte hat, solltest<br />

du sie melden. Denn nur so wird der Post<br />

gelöscht. Als Reaktion auf den öffentlichen<br />

Druck gehen beide Plattformen inzwischen<br />

konsequenter gegen Hasskommentare vor.<br />

In jedem Fall ist es sinnvoll, Screenshots<br />

der entsprechenden Posts zu machen. Im<br />

Zweifel lässt sich damit im Nachhinein<br />

beweisen, was geschrieben wurde. Kommentare<br />

lassen sich schließlich von den<br />

Verfasser*innen nachträglich bearbeiten<br />

und auch löschen.<br />

Auf Facebook gibt es unter jedem Kommentar,<br />

Video oder Bild einen Button, mit<br />

dem man den Inhalt melden kann. Auf<br />

Twitter versteckt sich die Meldemöglich<strong>ke</strong>it<br />

unter dem Pfeil rechts oben am Tweet.<br />

Anzeige erstatten<br />

Einige Posts oder angehängte Links haben<br />

kriminelle Inhalte wie z.B. Volksver-<br />

hetzung oder Holocaust-Leugnung und<br />

sollten auf jeden Fall angezeigt werden.<br />

Auch Beleidigungen oder Beschimpfungen<br />

können einen Straftatbestand darstellen.<br />

Derartige Kommentare kannst du direkt bei<br />

einer Polizeidienststelle in deinem Bundesland<br />

anzeigen. Das geht auch online. Die<br />

entsprechenden Adressen findest du auf<br />

www.online-strafanzeige.de. Auch hier ist<br />

es hilfreich, einen Screenshot von dem betreffenden<br />

Inhalt zu machen.<br />

Was ist Hate Speech und wie er<strong>ke</strong>nnt<br />

man Fa<strong>ke</strong> News?<br />

Die Broschüre der Amadeu Antonio<br />

Stiftung gibt 24 leicht verständliche Antworten<br />

auf 24 Fragen. Sie erklärt, was Hasskommentare<br />

und Fa<strong>ke</strong> News eigentlich<br />

sind, was sie so gefährlich macht, wie man<br />

sich davor schützt und wo man im Ernstfall<br />

Hilfe bekommt. Die Broschüre kannst<br />

du dir auf der Stiftungsseite herunterladen<br />

www.amadeu-antonio-stiftung.de/<br />

publikationen<br />

Was macht FARN?<br />

Die Fachstelle Radikalisierungsprävention<br />

und Engagement im Naturschutz – kurz<br />

FARN – wurde im Oktober 2017 gemeinsam<br />

von der Naturfreundejugend und den<br />

NaturFreunden Deutschlands ins Leben<br />

gerufen.<br />

FARN untersucht die historischen und aktuellen<br />

Verknüpfungen des deutschen Natur-<br />

und Umweltschutzes mit extrem rechten<br />

und völkischen Strömungen.<br />

FARN identifiziert rechtsextreme und<br />

menschenverachtende Ideologien und<br />

Denkmuster im Natur- und Umweltschutz<br />

und erarbeitet menschenbejahende und<br />

demokratiefördernde Gegenentwürfe.<br />

FARN erarbeitet Präventionskonzepte für<br />

Jugendliche und junge Erwachsene und<br />

bietet bundesweit Bildungs- und Informationsveranstaltungen<br />

zu diesem Themenkomplex<br />

an.<br />

Mehr Infos: www.nf-farn.de


Seite 6<br />

“<strong>Friede</strong>, <strong>Freude</strong>, <strong>Streitkultur</strong>?”<br />

November 2018<br />

Konflikte in Gruppen<br />

Eine Gruppe junger Menschen fährt<br />

zusammen weg. Sie unternehmen viel,<br />

kochen gemeinsam, spielen und haben<br />

eigentlich viel Spaß. Trotzdem gibt es<br />

mal einen Konflikt hier und mal eine<br />

Streiterei dort. Aber warum eigentlich?<br />

Und was kann man dagegen tun?<br />

Zündstoff für Auseinandersetzungen sind<br />

oft Missverständnisse und verschiedene<br />

Wünsche der Teilnehmenden. Problematisch<br />

ist dabei, dass die eigenen Bedürfnisse<br />

intuitiv auf andere gespiegelt werden. So<br />

wird zum Beispiel entschieden, nach dem<br />

Mittagessen einen Spaziergang zu machen,<br />

weil viele das Bedürfnis nach Bewegung<br />

haben. Die, die raus wollen, gehen davon<br />

aus, dass es allen so geht. Einige würden<br />

sich aber lieber ausruhen, lesen oder ähnliches<br />

und fühlen sich dann übergangen und<br />

bevormundet.<br />

Die Konflikte werden irgendwo ausgetragen,<br />

wo sie überhaupt nicht herkommen<br />

und ziehen weitere, eigentlich<br />

unbeteiligte, Personen hinein.<br />

Das Konfliktpotential steigt auch, wenn<br />

Grundbedürfnisse nicht gedeckt sind. Viele<br />

Menschen sind schneller genervt, wenn sie<br />

beispielsweise müde oder hungrig sind.<br />

Die Konflikte werden irgendwo ausgetragen,<br />

wo sie überhaupt nicht herkommen<br />

und ziehen weitere, eigentlich unbeteiligte,<br />

Personen hinein. Ihr <strong>ke</strong>nnt sicher das<br />

Phänomen Morgenmuffel. Nun verschüttet<br />

jemand zum Beispiel morgens aus Versehen<br />

den Tee des Morgenmuffels. Dieser ist<br />

müde und mec<strong>ke</strong>rt sofort los. Es entsteht<br />

eine Streiterei zwischen den beiden, obwohl<br />

es in anderen Situationen <strong>ke</strong>in Problem<br />

gewesen wäre – man wischt auf und<br />

gießt einen neuen Tee ein.<br />

Das Abchec<strong>ke</strong>n der Bedürfnisse aller<br />

Beteiligten spielt also eine große Rolle,<br />

ebenso wie Überlegungen zu Konsequenzen,<br />

die ein Handeln für die anderen haben<br />

kann. Gleichzeitig sollten sich alle Beteiligten<br />

darüber im Klaren sein, dass Menschen<br />

unterschiedliche Bedürfnisse haben<br />

und in einer Gruppe nicht jede*r zu jeder<br />

Zeit seine*ihre Bedürfnisse voll ausleben<br />

kann. Beispielsweise ausschlafen, wenn<br />

am Vormittag eine Aktivität geplant ist.<br />

Hier sind eine vorherige Absprache in der<br />

Gruppe und das gemeinsame Erstellen des<br />

Programms hilfreich.<br />

Trotzdem: Vor allem bei gemeinsamen Unternehmungen<br />

in größeren Gruppen können<br />

einige Teilnehmende sich unwohl fühlen,<br />

denn nicht alle Entscheidungen sind im<br />

Konsens möglich und somit müssen Kompromisse<br />

geschlossen werden. Bei den Diskussionen<br />

besteht dabei immer die Gefahr,<br />

dass Beteiligte überhört werden oder trotz<br />

Gegenwunsch zustimmen. Hierfür kann es<br />

viele Gründe geben: etwa weil sie sich nicht<br />

gegen die Gruppe stellen wollen oder Angst<br />

haben, dass ihr Wunsch ausgelacht wird.<br />

Zum Beispiel wenn während eines Seminars<br />

abgestimmt wird, dass die nächste<br />

Einheit draußen stattfinden soll. Ein*e Teilnehmer*in<br />

hat eine Sonnenallergie, traut<br />

sich aber nicht das zuzugeben. Die Gruppe<br />

denkt dann fälschlicherweise, dass alle mit<br />

dem Ergebnis zufrieden sind. Dieses Dilemma<br />

der teilweise unmöglichen Inklusion<br />

aller, kann auch diejenigen bedrüc<strong>ke</strong>n,<br />

für deren Wunsch entschieden wurde. Sie<br />

spüren eine star<strong>ke</strong> Empathie mit den Überstimmten<br />

und damit eine Ungerechtig<strong>ke</strong>it.<br />

Kleinere Konflikte gehören zum Alltag<br />

dazu. Sie entstehen durch die Unterschiedlich<strong>ke</strong>it<br />

von uns Menschen. Es ist nur<br />

wichtig, dass sich jede*r darüber bewusst<br />

ist und eine Atmosphäre geschaffen wird,<br />

in denen diese Konflikte nicht die Stimmung<br />

der Gruppe bestimmen. Schließlich<br />

ist es ja diese Diversität, die uns die <strong>Freude</strong><br />

an gemeinsamen Aktivitäten und dem Austausch<br />

bringt.


Seite 7<br />

“<strong>Friede</strong>, <strong>Freude</strong>, <strong>Streitkultur</strong>?”<br />

November 2018<br />

Betzavta – Eine Methode<br />

der Demokratieförderung<br />

Ich will euch von einer meiner Erfahrungen<br />

mit dieser Methode berichten.<br />

Stellt euch eine Übung vor:<br />

Drei Freiwillige verlassen den Raum.<br />

Der Rest der Gruppe einigt sich auf ein<br />

Thema und ersetzt drei gängige Worte<br />

durch beliebige andere. Anschließend<br />

kommen die drei Freiwilligen zurück<br />

zur Diskussion. Sie <strong>ke</strong>nnen weder das<br />

Gesprächsthema, noch welche Worte<br />

ausgetauscht wurden.<br />

Ich war Teil der Gruppe. Ich hatte das Gefühl,<br />

dass die Freiwilligen zunächst unsicher<br />

waren, was nun passieren würde. Schnell<br />

setzten sie sich und hörten dem laufenden<br />

Gruppengespräch zu. Sie fragten, worüber<br />

wir sprachen und baten um Hilfe. Ich<br />

sah einige, die ihnen kleine Tipps gaben<br />

(„Drei Wörter wurden ausgetauscht.“<br />

oder „Das Thema ist…“), aber nie die<br />

gesamte Situation erklärten, obwohl dies<br />

durchaus erlaubt war. Andere versuchten<br />

das Gespräch „verständlicher“ zu machen,<br />

doch auch sie verrieten nichts Genaues.<br />

Und wieder andere versuchten einfach<br />

das Gespräch weiterzuführen (sozusagen<br />

die „Neuankömmlinge“ ignorierend), teilweise<br />

auch nur aus Spaß an der Übung.<br />

Denn es war gar nicht so leicht, stets die<br />

drei Wörter auszutauschen.<br />

schuldig fühlten, absichtlich nicht geholfen<br />

zu haben. Andere entschuldigten sich, sie<br />

waren so im Gespräch und der <strong>Freude</strong> an<br />

der kniffligen Aufgabe vertieft, dass sie die<br />

drei und deren Hilfsbedürftig<strong>ke</strong>it kaum bemerkt<br />

hatten. Wieder andere wollten sich<br />

nicht der Gruppe widersetzen und als Verräter<br />

den dreien alles erklären.<br />

Ich erkannte, dass diese Übung mehr für<br />

den Erfahrungs- und Er<strong>ke</strong>nntnisgewinn für<br />

die Gruppenmitglieder, die nun ihr Handeln<br />

eher reflektierten, als für die drei Freiwilligen,<br />

gedient hatte. Wir alle hatten die Situation<br />

unterschiedlich wahrgenommen und<br />

uns für verschiedene Wege entschieden.<br />

Obwohl das Bedürfnis nach Aufklärung<br />

laut geäußert wurde, gab es verschiedenste<br />

Gründe, die Situation nicht komplett zu<br />

erklären. Und das obwohl wir alle grundsätzlich<br />

für Inklusion, Mitspracherecht und<br />

ein gutes Miteinander sind.<br />

Ein gutes Beispiel für verschiedene Wahrnehmungen,<br />

Annahmen über Andere,<br />

Entscheidungen für einen selbst aber auch<br />

für die Gruppe.<br />

von Janinka Lutze<br />

Für mich lag der Schwerpunkt deutlich<br />

auf der Erfahrung, auch wenn<br />

diese erst mal mit negativen Gefühlen<br />

– wie etwa dem Ausgegrenzt<br />

sein und der Unwissenheit – verbunden<br />

war.<br />

Ich hatte mich schnell entschieden, den<br />

dreien nicht zu verraten was los war. Ich<br />

dachte, dass sie sich als Freiwillige bei der<br />

Übung entschieden hätten, die Erfahrung<br />

machen zu wollen. Für mich lag der<br />

Schwerpunkt deutlich auf der Erfahrung,<br />

auch wenn diese erst mal mit negativen<br />

Gefühlen – wie etwa dem Ausgegrenzt sein<br />

und der Unwissenheit – verbunden war.<br />

Nach 15 Minuten war die Übung zu Ende.<br />

Eine intensive Diskussion über die Reaktionen<br />

und Beweggründe, über die getroffenen<br />

Annahmen und Wünsche von Anderen<br />

kam auf. Die drei Freiwilligen hatten sich<br />

ausgegrenzt gefühlt, da ihnen kaum jemand<br />

geholfen hatte. Das tat mir leid, doch mir<br />

war bewusst, dass dies nur für kurze Zeit<br />

war. Andere gaben nun zu, dass sie sich<br />

Was ist Betzavta?<br />

Betzavta regt durch Übungen und gezielte<br />

Reflektionen des Ergebnisses sowie des<br />

Prozesses dazu an, das eigene Handeln<br />

klarer zu erfahren und zu hinterfragen,<br />

sowie die Beweggründe der anderen zu<br />

verstehen. Das persönliche Verhalten wird<br />

als Bestandteil einer Gruppe betrachtet.<br />

Das hilft nicht direkt der Konfliktlösung,<br />

ermöglicht durch den Austausch innerhalb<br />

der Gruppe aber den Perspektivwechsel<br />

sowie ein besseres Verständnis für<br />

die unterschiedlichen Bedürfnisse. Ein<br />

demokratisches Miteinander wird gefördert<br />

wodurch zukünftige Eskalationen vermieden<br />

werden können.


Seite 8<br />

„<strong>Friede</strong>, <strong>Freude</strong>, <strong>Streitkultur</strong>?“<br />

November 2018<br />

Climategate – Ein Hack und<br />

seine Folgen<br />

Großbritannien, „Climate Research Unit“<br />

der Universität East Anglia,<br />

November 2009<br />

Jack: Ich werd‘ verrückt! Tausende E-Mails,<br />

einfach gehackt! Und nun glauben sie, sie<br />

können uns der ganzen Welt als Betrüger*innen<br />

präsentieren.<br />

Peter: Was für E-Mails und warum Betrüger*innen?<br />

Ich versteh‘ nur Bahnhof.<br />

Jack: Ha<strong>ke</strong>r*innen haben E-Mails gestohlen<br />

und veröffentlicht, die wir uns mit<br />

anderen Klimaforscher*innen in den letzten<br />

13 Jahren geschrieben haben. Es geht um die<br />

globale Erwärmung, um unsere Datensätze<br />

und Forschungsmethoden. Gefundenes<br />

Fressen für alle Klimas<strong>ke</strong>pti<strong>ke</strong>r*innen…<br />

Peter: … und das so kurz vor der nächsten<br />

internationalen Klimakonferenz. Aber was<br />

kann euch denn vorgeworfen werden?<br />

Jack: Nichts, es ist völlig aus dem Zusammenhang<br />

gerissen. Alle stürzen sich vor allem<br />

auf eine Formulierung und meinen, Phil<br />

hätte getrickst und Daten verfälscht. So ein<br />

Quatsch, die haben von wissenschaftlichen<br />

Methoden <strong>ke</strong>ine Ahnung!<br />

Peter: Das ist ja vermutlich auch schwer zu<br />

durchdringen. Bist du sicher, dass alles mit<br />

rechten Dingen zugegangen ist?<br />

Jack: Definitiv! Phil hat eine Methode verwendet,<br />

die „Mi<strong>ke</strong>s Nature-Trick“ genannt<br />

wird. Dabei geht es um Temperaturen lange<br />

vergangener Zeiten. Sie werden rekonstruiert<br />

aus Baumringen. Die Methode geht<br />

auf Michael E. Mann zurück, der in der<br />

Zeitschrift „Nature“ darüber geschrieben<br />

hat. Der vermeintliche Trick besteht darin,<br />

aktuelle Messdaten gemeinsam mit rekonstruierten<br />

Daten darzustellen.<br />

Peter: Ich klic<strong>ke</strong> mich hier grad mal durch<br />

die ganzen Debatten. Es heißt, Phil wollte<br />

durch den Trick verbergen, dass es eigentlich<br />

einen Temperaturrückgang gibt, obwohl alle<br />

von globaler Erwärmung sprechen. Das wäre<br />

ja schon brisant!<br />

Jack: Nein, es geht um den Rückgang<br />

der Verlässlich<strong>ke</strong>it von den Daten aus den<br />

Baumringen. Die rekonstruierten Temperaturdaten<br />

aus den Baumringen sind ja nur<br />

Annährungen, sozusagen Ersatzdaten. Denn<br />

vor hunderten von Jahren wurden die Temperaturen<br />

nicht kontinuierlich gemessen<br />

und aufgezeichnet. Diese „Proxys“ sind gut,<br />

aber sie weichen in neueren Zeiten von<br />

den Messdaten ab. Das kann durch<br />

menschliche Einflüsse auf das Baumwachstum<br />

kommen. In der Wissenschaft<br />

wird darüber seit Jahren breit<br />

diskutiert.<br />

Peter: Also ging es in den Mails nur<br />

darum, wie Daten behandelt werden<br />

und nicht um eine Vertuschung.<br />

Jack: Ja, es wurde nichts manipuliert.<br />

Aber nun ist der Kampf um die<br />

Wahrheit eröffnet…<br />

Dieser Chatverlauf ist fiktiv. Der Hack und<br />

die Diskussionen jedoch nicht. Nach dem<br />

Hack wurden die E-Mails, die Methoden der<br />

Forscher*innen und die im Zusammenhang<br />

damit erhobenen Vorwürfe durch mehrere<br />

unabhängige Untersuchungen analysiert.<br />

Sämtliche Untersuchungen sprachen die<br />

Forscher*innen vom Vorwurf des Betrugs<br />

oder der Datenmanipulation frei!<br />

Ohne Folgen blieb der Diskurs aber sicherlich<br />

nicht. Denn wie viele von der Richtigstellung<br />

erfahren haben oder immer noch nur<br />

die Fa<strong>ke</strong> News <strong>ke</strong>nnen, weiß man nicht.<br />

von Larissa Donges<br />

www.mimikama.at<br />

Untersucht Facebook-Posts auf ihre Quellen<br />

und Glaubwürdig<strong>ke</strong>it. Hier kannst du<br />

auch Posts einsenden, die dann geprüft<br />

werden.<br />

www.google.de<br />

Wenn du auf die Kamera klickst, kannst du<br />

Bilder hochladen. Google versucht dann<br />

herauszufinden, wo diese Bilder das erste<br />

Mal hochgeladen wurden.<br />

hoaxmap.org<br />

Hier können Gerüchte über Geflüchtete<br />

gemeldet werden und du kannst auf der<br />

Deutschlandkarte schauen, was schon alles<br />

für Gerüchte entstanden sind.<br />

faktenfinder.tagesschau.de<br />

Der Faktencheck der Tagesschau beleuchtet<br />

und untersucht noch einmal die tagesaktuellen<br />

Themen.


Seite 9<br />

“<strong>Friede</strong>, <strong>Freude</strong>, <strong>Streitkultur</strong>?”<br />

November 2018<br />

Fakten-Check<br />

Ich unterhalte mich mit Alexandra. Sie<br />

meint, in Bielefeld hätte ein Moslem eine<br />

öffentliche Toilette aus der Wand gebrochen<br />

und sie aus dem Fenster geschmissen,<br />

weil vorher ein Ungläubiger drauf<br />

gesessen hat.<br />

Klingt nach einer völlig irren Geschichte,<br />

einer von der Art, wie sie sich als Gerücht<br />

hartnäckig hält, gerade weil sie so verrückt<br />

klingt! Ich bin fast versucht sie weiter zu erzählen,<br />

weil es bestimmt coole Reaktionen<br />

darauf gibt. Sie sagt: „Autsch, Steffen, check<br />

doch erstmal meine Fakten. Beispielsweise<br />

auf hoaxmap.org.“ Und dann gibt sie mir<br />

eine fette Liste mit Webseiten, auf denen ich<br />

auf unterschiedliche Art und Weise Gerüchte<br />

und Aussagen überprüfen kann. Schade irgendwie<br />

um die verrückte Geschichte, aber<br />

jetzt kann ich sie, ohne sie zu überprüfen,<br />

auch nicht mehr weiter erzählen. Also, arbeite<br />

ich die Liste durch und guc<strong>ke</strong>, welche der<br />

Seiten wofür gut ist:<br />

Unterstützung durch<br />

Naturfreund*innen<br />

correctiv.org<br />

Hier lebt der investigative Journalismus.<br />

Auch sehr verstreute aber im Prinzip<br />

zugängliche Infos werden öffentlich gemacht.<br />

Zum Beispiel kannst du hier auch<br />

nachschauen, ob dein*e Arzt*in Gelder von<br />

Pharmafirmen bekommt.<br />

www.politifact.com<br />

Tweets von US Politi<strong>ke</strong>r*innen, gerade von<br />

Trump erhitzen immer wieder die Debatten.<br />

Auf dieser Seite werden sie auf Herz und<br />

Nieren geprüft. Da kann es dann schonmal<br />

heißen:<br />

PANTS ON FIRE!<br />

von Steffen Filz<br />

Immer mehr Aktive im Verband lassen<br />

sich über die NaturFreunde zu Stär<strong>ke</strong>nberater*innen<br />

ausbilden.<br />

Diese können euch weiterhelfen, wenn es<br />

Konflikte in eurer Gruppe gibt, einzelne<br />

Personen ausgegrenzt werden oder es nicht<br />

gelingt, dass sich alle willkommen fühlen.<br />

Gerne bilden sie euch auch zu Themen wie<br />

Konfliktmanagement oder Argumentation<br />

gegen Rechts weiter und unterstützen euch,<br />

wenn ihr durch rechtsextreme Gruppen bedroht<br />

werdet. Einfach mal anfragen.<br />

Mehr Infos findet ihr hier:<br />

www.naturfreunde.de/staer<strong>ke</strong>nberatung<br />

Die Stär<strong>ke</strong>nberater*innen werden gefördert<br />

durch das Bundesministerium des Innern, für<br />

Bau und Heimat im Rahmen des Bundesprogramms<br />

„Zusammenhalt durch Teilhabe“.


Seite 10<br />

“<strong>Friede</strong>, <strong>Freude</strong>, <strong>Streitkultur</strong>?”<br />

November 2018<br />

Sprache ohne Gewalt<br />

„Du Idiot!“ - Wie oft machen wir damit<br />

unserem Ärger über eine andere Person<br />

Luft. Aber die ausgesprochene Verurteilung<br />

baut Fronten auf und ein lautstar<strong>ke</strong>r<br />

Streit ist vorprogrammiert. Die<br />

gewaltfreie Kommunikation will helfen,<br />

Konflikte zu lösen, ohne einander vor<br />

den Kopf zu stoßen.<br />

Welche Auswirkung ein Konflikt hat,<br />

entscheidet zum einen der Inhalt, zum anderen<br />

aber auch – wesentlich – wie er geführt<br />

wird. Mit jedem gesagten Satz voller Anschuldigungen,<br />

Verallgemeinerungen und<br />

Vorwürfen brennt die Zündschnur der<br />

Bombe weiter ab, die einen Konflikt zum<br />

Explodieren bringt. Ein respektvolles<br />

Gespräch hingegen ermöglicht, die eigentlichen<br />

Ursachen zu enttarnen und somit<br />

den*die Konfliktpartner*in und uns selbst<br />

näher <strong>ke</strong>nnen zu lernen. Das ist leicht gesagt,<br />

doch schwierig umgesetzt.<br />

Mit jedem gesagten Satz voller Anschuldigungen,<br />

Verallgemeinerungen<br />

und Vorwürfen brennt die<br />

Zündschnur der Bombe weiter ab,<br />

die einen Konflikt zum Explodieren<br />

bringt.<br />

Eine Technik, die die eigene Wahrnehmung<br />

anregt, einen vielseitigen Wortschatz<br />

zum Erfassen der Situation anbietet und<br />

mit einem überschaubaren Leitfaden die<br />

Blickrichtung in einem Konflikt lenkt, ist<br />

die gewaltfreie Kommunikation nach Marshall<br />

B. Rosenberg. Sie wird in Schulen,<br />

Zuhause, auf Arbeit und in der Paartherapie<br />

verwendet. Aber auch bei internationalen<br />

Konflikten kann sie helfen. So gibt<br />

es beispielsweise Projekte mit gewaltfreier<br />

Kommunikation im Gazastreifen.<br />

Schritt 1: Die Kunst des Beobachtens<br />

Wie beginnt man ein Gespräch? Zuerst<br />

sollte man im Einzelnen schildern, was<br />

man wahrnimmt. Das hilft der anderen<br />

Person, sich auf das Gespräch einzustellen<br />

und die Perspektive des Gegenübers<br />

einzunehmen. Danach erst sollte man Sätze<br />

anfügen, die eine Bewertung signalisieren,<br />

wie zum Beispiel: ,,Mich stört, dass...“, und<br />

die Meinung mit einer Begründung verständlich<br />

machen.<br />

„Du hast heute gekocht, oder? Ich habe<br />

gesehen, dass die dreckigen Sachen noch in<br />

der Küche stehen.“<br />

Schritt 2: Gefühle, die Anzeiger von<br />

Bedürfnissen<br />

Es ist ungewohnt, aber äußert man sich in<br />

der Begründung eines Ärgers über dahinterstehende<br />

eigene Gefühle, ist das oft hilfreich.<br />

Man bietet eine Transparenz an, die<br />

verdeutlicht, wie wichtig der Sachverhalt<br />

für einen selbst ist. Und man stellt sicher,<br />

dass die andere Person den Ärger besser<br />

verstehen kann. Dafür ist es wichtig, sich<br />

seiner Bedürfnisse bewusst zu sein. Denn<br />

die gewaltfreie Kommunikation geht davon<br />

aus, dass hinter jedem Gefühl ein Bedürfnis<br />

steckt.<br />

„Das stört mich, ich fühle mich eingeschränkt<br />

und belastet, wenn ich in eine<br />

vollgestellte und dreckige Küche komme.<br />

Denn mein Bedürfnis nach Platz zum Bewegen<br />

und Handeln ist sehr stark. Ich möchte<br />

nicht erst die Aufgaben anderer Leute erledigen<br />

müssen, bis ich zu meinen komme.“<br />

Schritt 3: Bitten als konkreter<br />

Lösungsvorschlag<br />

Eine Bitte, die als Forderung formuliert<br />

wird, ist nicht gewaltfrei. Sie lässt dem Gegenüber<br />

nicht die Wahl selbstbestimmt zu<br />

handeln, also die Forderung vielleicht auch<br />

abzulehnen. Deshalb sollte man seine Bitte<br />

mit dem Charakter einer nahen Zukunftsidee<br />

formulieren, die beschreibt, was der<br />

andere tun kann, damit es einem selbst<br />

oder der Gemeinschaft besser geht. So eine<br />

Bitte zu formulieren verlangt oft Mut und<br />

Kreativität. Doch ohne sie kann es sein,<br />

dass sich über lange Zeit nichts ändert, da<br />

der anderen Person konkrete Ideen fehlen<br />

wie sie dir helfen kann.<br />

„Ich bitte dich abzuwaschen sobald du mit<br />

dem Kochen fertig bist. Ich mache es immer<br />

so und gewähre dir damit deine Möglich<strong>ke</strong>it<br />

sofort los zu kochen, wenn du die<br />

Küche betrittst.“<br />

„Ich habe <strong>ke</strong>ine Lust, gleich sofort abzuwaschen.<br />

Aber ich kann dir anbieten, dass<br />

ich alles gesammelt beiseite stelle, damit<br />

dir dein Bedürfnis nach Platz gegeben ist.“<br />

Gibt es einen richtigen Zeitpunkt für<br />

gewaltfreie Kommunikation?<br />

Um mit jemanden ein ruhiges Gespräch<br />

zu führen, ist es hilfreich, wenn du selber<br />

nicht (mehr) aufgebracht bist. Deswegen ist<br />

es auch okay, wenn du nach einer Situation,<br />

die dich stört, nicht sofort das Gespräch<br />

suchst, sondern erst beobachtest, was in dir<br />

vorgeht. Wenn du während eines Gesprächs<br />

spürst, dass du oder dein Gegenüber nicht<br />

mehr ruhig bleiben kann, ist es sinnvoll das<br />

Gespräch zu verschieben.<br />

von Gabriel Scherf


Seite 11<br />

“<strong>Friede</strong>, <strong>Freude</strong>, <strong>Streitkultur</strong>?”<br />

November 2018<br />

Der Mann im Bus<br />

Immer wieder wird man Alltag mit<br />

rechtspopulistischen oder rassistischen<br />

Äußerungen konfrontiert. Aber wie<br />

kann man darauf reagieren? Hier eine<br />

Beispielsituation mit einigen guten und<br />

nicht so guten Reaktionen.<br />

Du bist mit dem Bus auf dem Heimweg von<br />

der Arbeit. Ein rüstiger alter Mann steigt<br />

ein, blickt sich um und schimpft vor sich<br />

hin: „Erst kommen sie her und nehmen<br />

meine Rente weg, jetzt auch noch meinen<br />

Sitzplatz!”<br />

Der Mann spricht in <strong>ke</strong>ine bestimmte Richtung<br />

– aber doch ist allen klar, an wen sich<br />

das richtet: Ein junger Schwarzer sitzt auf<br />

der anderen Seite des Ganges und versucht,<br />

das Ganze zu ignorieren.<br />

Du sagst schlichtweg:<br />

„Halts Maul,<br />

Opa!”<br />

Auch wenn du bestimmt schon viel zu<br />

viele gegrummelte fremdenfeindliche Bemerkungen<br />

gehört hast und dich das einfach<br />

nur noch wütend macht, solltest du solche<br />

abfälligen Kommentare vermeiden. Frage<br />

dich, was du mit deiner Reaktion bewir<strong>ke</strong>n<br />

möchtest: Denn so wird der ältere Mann<br />

seine Meinung nicht ändern, sondern sie<br />

erst recht kundtun wollen. Und vor allem:<br />

Du hast nicht einmal deutlich gemacht,<br />

warum die Aussage des Mannes nicht<br />

okay ist. Mit deiner Bemerkung kannst du<br />

dir vielleicht selbst kurz Luft verschaffen,<br />

trägst aber nur zur Verschärfung eines aggressiven<br />

Klimas bei.<br />

...<br />

Seine Bemerkung findest du daneben.<br />

Aber es war ein langer, anstrengender<br />

Tag für dich und außerdem vibriert<br />

gerade dein Handy. So vergehen ein paar<br />

Augenblic<strong>ke</strong> und du denkst dir: Jetzt ist<br />

es auch zu spät, um noch etwas zu sagen.<br />

Du schaust den Herrn an und sagst deutlich:<br />

„Entschuldigen Sie, aber Ihre Beleidigungen<br />

behalten Sie in Zukunft besser<br />

für sich.” Dann wendest du dich an den<br />

Betroffenen, vielleicht möchte er selbst<br />

etwas sagen oder sich unterhalten.<br />

Du bietest dem Zugestiegenen deinen<br />

Platz an und sagst: „Mein Herr, setzen<br />

Sie sich. Bei mir ist’s nämlich andersrum:<br />

Ich zahle Ihre Rente und Sie nehmen<br />

meinen Platz weg. Trotzdem beleidige ich<br />

Menschen nicht rassistisch.”<br />

Wenn du schweigend daneben sitzt, sieht es<br />

schnell so aus, als würdest du den Pöbeleien<br />

zustimmen. Wenn du falsch findest, was der<br />

Mann sagt, das Ganze aber unkommentiert<br />

im Raum stehen bleibt, wirst du dich nach<br />

Verlassen des Busses bestimmt darüber ärgern.<br />

Außerdem überlässt du damit menschenfeindlichen<br />

Parolen das Feld - der ältere<br />

Herr hat das letzte Wort gehabt und<br />

möglicherweise sogar ein paar stille Sympathisant*innen<br />

gewonnen. Den<strong>ke</strong> auch an<br />

die Person, die von dem Mann angegriffen<br />

wurde: Wenn du schweigst, hast du auch<br />

den Betroffenen allein gelassen.<br />

Gut, dass du deutlich gemacht hast, dass<br />

die rassistische Provokation des zugestiegenen<br />

Mannes überhaupt nicht in Ordnung<br />

ist. Gleichzeitig ist dir ziemlich klar, dass<br />

es sich hier nicht lohnt, eine Diskussion<br />

anzufangen - und das ist auch in Ordnung!<br />

Spare dir deine Energie deshalb besser für<br />

anderes auf, zum Beispiel für ein Gespräch<br />

mit dem Mann, der dir gegenüber sitzt -<br />

falls er da Lust drauf hat. Vielleicht möchte<br />

er auch selbst etwas zu dem zugestiegenen<br />

Herrn sagen.<br />

Der Herr scheint seiner Aussage nach schon<br />

sehr in rassistischen Meinungsbildern gefangen<br />

- deshalb würde eine inhaltliche Diskussion<br />

vermutlich nicht auf fruchtbaren<br />

Boden fallen. Stattdessen geht es in solchen<br />

Situationen darum, Ruhe zu bewahren, klar<br />

Position zu beziehen und potenziell Betroffene<br />

zu verteidigen. All das hast du mit<br />

dieser Reaktion getan: Wenn du in so einer<br />

Situation mit Humor und zugleich dem<br />

gebührenden Nachdruck reagieren kannst,<br />

ist das optimal. Durch die vorsätzliche<br />

Geste, in der du ihm dem Sitzplatz anbietest,<br />

schaffst du zudem ein Gegenbeispiel<br />

zu den Pöbeleien des Mannes.<br />

Dieses Beispiel stammt aus dem „Spiel der radikalen Höflich<strong>ke</strong>it“ von Kleiner Fünf. Auf der Webseite findet ihr weitere Beispiele und Gesprächsleitfäden für<br />

Auseinandersetzungen mit rechtspopulistischen Parolen und Forderungen: www.kleinerfuenf.de.


Seite 12<br />

Verbandskasten<br />

November 2018<br />

Nicht schon wieder<br />

Feminismus!?<br />

Michèle: Hey, ich lese gerade ein Buch<br />

über Feminismus. Es hat meine Sicht auf<br />

das Thema von Grund auf verändert.<br />

Kristian: Nicht schon wieder Feminismus…<br />

Das sage ich als Mann eh nur wieder<br />

was Falsches. Ich darf nicht mal mehr „Studenten“<br />

sagen, weil ich damit ja die Hälfte<br />

aller „Studierenden“ ausschließe oder sogar<br />

verletzen könnte.<br />

Als Feminist*innen engagieren wir<br />

uns für gleiche Rechte von allen<br />

Geschlechtern. Wir wollen, dass alle<br />

Menschen ihr Leben glücklich gestalten<br />

können, ohne z. B. von Rollenbildern<br />

eingeschränkt zu werden.<br />

Michèle: Naja, Sprache spielt schon eine<br />

wichtige Rolle beim Thema Gleichberechtigung,<br />

aber auch ohne groß zu gendern,<br />

kannst du dich im Feminismus für mehr<br />

Frauenrechte einsetzen.<br />

Kristian: Das ist ja mal wieder typisch, ihr<br />

sprecht von Gleichberechtigung der Geschlechter,<br />

aber im Endeffekt geht es immer<br />

nur um die Frauen. Ist das nicht unfair?<br />

Michèle: Mach mal halblang. Als Feminist*innen<br />

engagieren wir uns für gleiche<br />

Rechte von allen Geschlechtern. Wir wollen,<br />

dass alle Menschen ihr Leben glücklich<br />

gestalten können, ohne zum Beispiel von<br />

Rollenbildern eingeschränkt zu werden. Bis<br />

wir dort angekommen sind, müssen wir uns<br />

aber um die systematische Benachteiligung<br />

der Frauen kümmern.<br />

Ich habe aber das Gefühl, dass<br />

Männer in dieser Debatte nicht mitreden<br />

dürfen. Entweder man<br />

stimmt den Feminist*innen zu und<br />

begibt sich in eine Position, die einem<br />

als Mann nicht zusteht.<br />

Kristian: Ich habe aber das Gefühl, dass<br />

Männer in dieser Debatte nicht mitreden<br />

dürfen. Entweder man stimmt den Feminist*innen<br />

zu und begibt sich in eine Position,<br />

die einem als Mann nicht zusteht. Oder<br />

man widerspricht ihnen und outet sich als<br />

Anti-Feminist, der seine Macht nicht abgeben<br />

will.<br />

Michèle: Das stimmt<br />

nicht. Ich unterhalte mich<br />

ja auch gerade mit dir<br />

darüber. Es ist spannend<br />

und wichtig verschiedene<br />

Sichtweisen <strong>ke</strong>nnenzulernen.<br />

Im Feminismus<br />

sind auch nicht<br />

alle einer Meinung. So<br />

wie in jeder politischen<br />

Bewegung gibt es auch<br />

hier eine ganze Menge<br />

verschiedene Richtungen.<br />

Ich finde im Kampf<br />

um die Gleichberechtigung<br />

brauchen wir die<br />

Unterstützung aller. Es<br />

ist gerade auch wichtig<br />

Männer für den Feminismus<br />

zu begeistern, falls<br />

sie es nicht schon sind,<br />

da sie oft als politische<br />

Entscheidungsträger<br />

den Wandel mitgestalten<br />

können.<br />

Kristian: So habe ich das noch gar nicht<br />

gesehen, aber du hast schon Recht. Gemeinsam<br />

können wir am meisten bewir<strong>ke</strong>n.<br />

Und Frauen sind in der Politik tatsächlich<br />

unterrepräsentiert. Sag mal, das Buch von<br />

dem du geredet hast, kannst du mir das mal<br />

ausleihen? Hinter Feminismus scheint mehr<br />

zu stec<strong>ke</strong>n als ich gedacht habe. In Zukunft<br />

könnte ich auch etwas zur Gleichberechtigung<br />

aller Menschen beitragen. Da lohnt es<br />

sich auch die eigene Wortwahl zu überden<strong>ke</strong>n.<br />

Michèle: Wow, das hätte ich eben noch<br />

nicht von dir erwartet. Freut mich total, ich<br />

würde gerne mal wieder mit dir darüber<br />

quatschen. Bis dann!<br />

Kristian: Tschüss!<br />

von Michèle Guyot und Kristian Schaffner


Seite 13 Verbandskasten<br />

November 2018<br />

Was ist das Schönste an eurer Arbeit<br />

in der Bundesleitung?<br />

Für mich ist die Arbeit in der Bundesleitung<br />

etwas ganz Besonderes. Ich habe<br />

viele neue Menschen <strong>ke</strong>nnengelernt und<br />

die Facetten des Verbandes aus einer ganz<br />

neuen Perspektive erlebt. Besonders die<br />

Menschen, die ich <strong>ke</strong>nnenlernen durfte und<br />

immer wieder treffe, machen jedes Treffen<br />

für mich einzigartig. Diese Erfahrungen in<br />

Kombination mit den thematischen Diskussionen<br />

und Projekten, die wir initiiert<br />

haben, zeigen mir, wie wichtig dieses Engagement<br />

für den Verband ist und wie viel<br />

wir eigentlich schon erreicht haben.<br />

Sina<br />

Das Schönste ist für mich das Vernetzen!<br />

Es gibt so viele Möglich<strong>ke</strong>iten auf tollen<br />

Veranstaltungen in ganz Deutschland oder<br />

sogar Europa neue Menschen <strong>ke</strong>nnenzulernen<br />

oder liebgewonnene Freunde zu sehen.<br />

Dabei finde ich besonders eindrucksvoll,<br />

dass wir zudem auch inhaltlich sehr viel<br />

bewegen. Am Ende fahre ich immer mit<br />

dem wunderbaren Gefühl nach Hause, etwas<br />

Neues erreicht zu haben. Dann freue<br />

ich mich bereits auf die nächste spannende<br />

Begegnung!<br />

Flo<br />

Ich empfinde die Arbeit immer sehr erfrischend.<br />

Die Bundesleitung ist eine Plattform<br />

mit vielen verschiedenen Möglich<strong>ke</strong>iten,<br />

um politische und gesellschaftliche Impulse<br />

sowohl in den Verband als auch nach<br />

außen zu geben. Besonders hervorheben<br />

möchte ich die von uns regelmäßig besuchte<br />

Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendrings.<br />

Dort diskutieren wir unsere Positionen<br />

mit anderen Verbänden und schaffen<br />

es trotz politischer Differenzen in einer<br />

solidarischen Atmosphäre immer wieder<br />

gemeinsame Positionen zu finden.<br />

Jannis<br />

Meine Schwerpunkte sind Umweltbildung<br />

und internationale Begegnungen.<br />

Ich schätze es sehr, Jugendaustausche zu<br />

planen und zusammen mit einem tollen<br />

Team zu realisieren. Meine erste gemeinsame<br />

internationale Begegnung bei der<br />

Naturfreundejugend werde ich nie vergessen,<br />

denn sie hat mich sehr geprägt.<br />

Jedes Mal entstehen viele tolle Geschichten,<br />

man sammelt Erfahrungen und<br />

lernt durch den regen Austausch.<br />

Am Ende sind es die schönen Erinnerungen,<br />

die man mit nach Hause nimmt und<br />

Freunde die man fürs Leben gewinnt.<br />

Meine Arbeit in der BL wird durch so viele<br />

Menschen mitbestimmt und genau das<br />

macht sie auch so einzigartig.<br />

Tina


Seite 14 Verbandskasten<br />

November 2018<br />

Audiotouren - Auf den Spuren des<br />

Wandels<br />

In Städten lässt sich viel erleben und allerhand<br />

Neues entdec<strong>ke</strong>n. Verlasse mit<br />

uns die typischen Touristenpfade, entdec<strong>ke</strong><br />

Orte des Widerstands, alternative Konzepte<br />

und real gewordene Visionen. Denn im<br />

Großen wie im Kleinen haben sich viele<br />

Leute aufgemacht, um unsere Gesellschaft<br />

sozialer und ökologischer zu gestalten. Ihre<br />

Alternativen zum aktuellen Lebenskonzept<br />

sind mitreißend und inspirierend. Unsere<br />

Audio-Touren zeigen dir, wo du sie findest!<br />

Berlin: Freiraumeroberung – auf Beton<br />

das Paradies<br />

Eberswalde: Stadtträume – Visionen für<br />

eine lebenswerte Stadt<br />

Bremen: Vom Kampf um Verdrängung im<br />

Szeneviertel<br />

Landau: Wandel mitgestalten – nicht nur<br />

mit dem Geldbeutel<br />

Freiburg: Gelebte Utopie im Stadtteil<br />

Vauban?<br />

Du kannst mit unseren Audioguides die<br />

Städte auf eigene Faust erkunden.<br />

Sie eignen sich aber auch hervorragend für<br />

Gruppen: Egal ob Erstsemestertour, Jugendreise<br />

oder Klassenfahrt – wir geben<br />

neben Infos auch Methoden an die Hand,<br />

mit denen ihr gemeinsam die Stationen und<br />

gesellschaftspolitischen Themen behandeln<br />

könnt.<br />

Jetzt anhören unter:<br />

www.naturfreundejugend.de/<br />

audiotouren<br />

change<br />

thecity<br />

and<br />

Smarte grüne Welt?!<br />

[<strong>ke</strong>:<strong>onda</strong>]: Überall ploppen gerade Diskussionen<br />

über Digitalisierung auf. Es ist die<br />

Rede von „digitaler Revolution“ und „DER<br />

großen Transformation“, in der wir uns<br />

angeblich befinden. Du warst im Oktober<br />

beim Workshop der Naturfreundejugend<br />

„Nachhaltig vernetzt?! Und du mittendrin?!“<br />

zu Nachhaltig<strong>ke</strong>itsfragen in einer<br />

digitalisierten Welt. Ist das nun der neue<br />

Megatrend?<br />

Philipp: Es scheint jedenfalls ein Thema<br />

zu sein, mit dem sich gerade immer mehr<br />

Menschen befassen. Aber für uns bei der<br />

Naturfreundejugend ist es nicht wirklich<br />

neu. Schon vor einiger Zeit war ich bei<br />

einem Seminar der International Young<br />

Naturefriends zu „E-Activism“. Da ging<br />

es darum, wie wir das Internet und digitale<br />

Prozesse nutzen können, um etwa<br />

wirkungsvolle Kampagnen anzustoßen, Gemeinschaften<br />

zu organisieren und positiven<br />

Wandel zu bewir<strong>ke</strong>n. Denn spannend wird<br />

es ja immer bei der Frage, wie wir selbst<br />

aktiv werden können. ECOmaps (ecomaps.<br />

eu/de) ist auch so ein Beispiel. Das ist eine<br />

interaktive Karte, die wir gerade aufbauen.<br />

Sie zeigt nachhaltige Orte auf der ganzen<br />

Welt und wächst ständig weiter.<br />

[<strong>ke</strong>:<strong>onda</strong>]: Digitalisierung hat also auch<br />

etwas mit Nachhaltig<strong>ke</strong>it zu tun? Kann sie<br />

uns helfen, in dieser Welt ökologischer und<br />

gerechter zu leben?<br />

Philipp: Diese Frage würde ich nicht grundsätzlich<br />

mit Ja beantworten. Man muss<br />

schon genau hinschauen und kritisch bleiben.<br />

Schließlich verbrauchen alleine die<br />

ganzen technischen Geräte unglaublich<br />

viele Ressourcen. Auf der anderen Seite<br />

können zum Beispiel Sharing-Plattformen<br />

den Neukauf von Waren verhindern, weil<br />

wir dort gebrauchte Sachen einfach tauschen<br />

oder verschen<strong>ke</strong>n können. Ob und<br />

wie wir Digitalisierung für mehr Nachhaltig<strong>ke</strong>it<br />

nutzen können, wollen wir uns<br />

deshalb in vier Workshops in 2019 mal<br />

genauer anschauen.<br />

[<strong>ke</strong>:<strong>onda</strong>]: Kann da jede*r hinkommen?<br />

Philipp: Ja, Vorwissen ist nicht nötig. Einfach<br />

vorbeikommen, mitdiskutieren, Neues<br />

lernen und nette Leute treffen.<br />

www.naturfreundejugend.de/themen/<br />

digitalisierung


Seite 15 Verbandskasten<br />

November 2018<br />

Bundestreffen 2019<br />

Wann?<br />

03.-06. Oktober 2019<br />

Wo?<br />

Naturfreundehaus Teutoburg,<br />

Bielefeld<br />

Infos<br />

unter www.naturfreundejugend.de/<br />

bundestreffen<br />

Save the Date!<br />

Vernetzungstreffen<br />

2019 haben wir viel vor:<br />

internationale Jugendbegegnungen, Workcamps,<br />

Gedenkstättenfahrten und unser<br />

großes Bundestreffen im Herbst. Melde<br />

dich an und bringe deine eigenen Ideen in<br />

unsere Planungen ein.<br />

Das Vernetzungstreffen ist die beste Möglich<strong>ke</strong>it,<br />

bundesweit und international bei<br />

der Naturfreundejugend mitzumischen.<br />

Wir treffen uns zweimal im Jahr mit rund<br />

30 Aktiven aus allen Landesverbänden und<br />

bringen gemeinsam unsere Projekte voran.<br />

Wir freuen uns, euch an diesem Wochenende<br />

alle wiederzusehen! Wie jedes<br />

Mal gibt es viel Raum zum Austausch,<br />

Vernetzen, Quatschen und Lachen. In unterschiedlichen<br />

Workshops planen wir die<br />

gemeinsamen Aktivitäten für das Jahr,<br />

zum Beispiel die nächsten Begegnungen<br />

mit Naturfreund*innen im Senegal und<br />

Aserbaidschan oder weitere Aktionen gegen<br />

Rechts. Außerdem wird es Raum dafür<br />

geben, eigene Ideen in die Planung unseres<br />

großen Bundestreffens einzubringen.<br />

Wann? 01.03. - 03.03.2019<br />

Mehr Infos unter<br />

www.naturfreundejugend.de/<br />

vernetzungstreffen


Seite 16 Verbandskasten<br />

November 2018<br />

Unter Freunden<br />

Es war ein lauer Sommerabend auf dem<br />

NaturFreundegelände am Südsee in<br />

Braunschweig. Langsam trudelten immer<br />

mehr Besucher*innen zu unserem alljährlichen<br />

Südsee Open Air ein. Der Weg zum<br />

Einlass führt vorbei an den vereinseigenen<br />

Segelbooten. Sorgfältig aufgereiht liegen<br />

die Boote hier nebeneinander. Eine Gruppe<br />

junger Geflüchteter blieb im Eingangsbereich<br />

stehen. Ihr Wunsch: auch mal segeln<br />

zu gehen.<br />

„Können die Jungs denn auch<br />

mal bei Euch segeln?“, fragte uns<br />

deshalb ein Betreuer. Wir waren<br />

äußerst überrascht, hatten wir doch<br />

in den Medien die Bilder der Geflüchteten<br />

gesehen, die per Schiff<br />

über das Mittelmeer gekommen sind.<br />

„Können die Jungs denn auch mal bei Euch<br />

segeln?“, fragte uns deshalb ein Betreuer.<br />

Wir waren äußerst überrascht, hatten wir<br />

doch in den Medien die Bilder der Geflüchteten<br />

gesehen, die per Schiff über das<br />

Mittelmeer gekommen sind. Segeln ist<br />

unser großes Stec<strong>ke</strong>npferd. Dennoch hatten<br />

wir ganz bewusst, um die Gefahr der<br />

Retraumatisierung zu vermeiden, auf das<br />

Angebot des Segelns verzichtet. An diesem<br />

Abend stellten wir fest, wie sehr man sich<br />

täuschen kann. Wir wurden von unseren eigenen<br />

Vorurteilen eingeholt.<br />

Er antwortete: „Ja klar können die<br />

Jungs bei uns segeln. Haben sie<br />

denn alle auch ihren Freischwimmer?“<br />

Stille. Die Antwort auf diese<br />

Frage lautete natürlich nein. Wie<br />

soll jemand, der erst ein paar Wochen<br />

in Deutschland ist, ein deutsches<br />

Schwimmabzeichen besitzen?<br />

Zum Glück war Pascal, einer unserer<br />

Segeltrainer, anwesend. Also berichteten<br />

wir ihm gleich vom Segelwunsch der Geflüchteten.<br />

Er antwortete: „Ja klar können<br />

die Jungs bei uns segeln. Haben sie denn<br />

alle auch ihren Freischwimmer?“<br />

Stille. Die Antwort auf diese Frage lautete<br />

natürlich nein. Wie soll jemand, der erst<br />

ein paar Wochen in Deutschland ist, ein<br />

deutsches Schwimmabzeichen besitzen?<br />

Doch wir dachten uns, dass es daran nicht<br />

scheitern darf. Die Idee für einen Schwimmkurs<br />

war geboren.<br />

Im Rahmen unseres zweijährigen Projekts<br />

„Unter Freunden“ initiierten wir zusammen<br />

mit dem Schwimm-Sport-Team Braunschweig<br />

einen Schwimmkurs für geflüchtete<br />

Jugendliche. Das machte die Runde. Immer<br />

wieder kamen Interessent*innen auf uns<br />

zu. Deshalb haben wir den Kurs auch immer<br />

weiter geöffnet - zuerst für Jugendliche<br />

ohne Fluchthintergrund, dann für weibliche<br />

Jugendliche. Ersteres führte dazu, dass der<br />

Kurs ein Treffpunkt mit Austauschmöglich<strong>ke</strong>it<br />

für Jugendliche mit und ohne Fluchthintergrund<br />

wurde. Das hat uns als Projektverantwortliche<br />

besonders gefreut. Wir hatten<br />

bereits einmal einen Schwimmkurs nur<br />

für Frauen gestartet, um auf die religiösen<br />

Bestimmungen einzugehen und weiblichen<br />

Geflüchteten ein Training unter Ausschluss<br />

männlicher Personen zu ermöglichen, also<br />

ohne männliche Schwimmgäste, Hausmeister<br />

oder Schwimmtrainer. Doch leider<br />

mussten wir diesen Kurs aufgrund der unsteten<br />

Teilnahme wieder beenden. Durch<br />

die Öffnung des normalen Kurses konnten<br />

wir nun zwar nicht alle Interessentinnen<br />

mitnehmen, ein Großteil kam jedoch zu dem<br />

Angebot ins Bad Gliesmarode. So konnten<br />

wir letztendlich doch noch einen sehr<br />

erfolgreichen Schwimmkurs mit Naturfreundejugendcharakter<br />

durchführen: jung,<br />

bunt und aktiv.<br />

Unser Projekt hatte außerdem noch viele<br />

weitere Angebote: verschiedene Sportkurse,<br />

Nachhilfe und Sprachlernkurse und<br />

Fortbildungen für Ehrenamtliche. Bei der<br />

konkreten Umsetzung der Angebote setzen<br />

wir viel auf Kooperationen mit anderen<br />

Vereinen und Institutionen. Belohnt und<br />

ausgezeichnet wurde unser Projekt „Unter<br />

Freunden“ dann sogar mit dem niedersächsischen<br />

Integrationspreis 2018. Seit kurzem<br />

gibt es von Aktion Mensch sogar die Zusage<br />

das Projekt auf weitere zwei Jahre in vollem<br />

Umfang zu fördern.<br />

von Jan Kiegeland


Natursportangebote mit<br />

den Naturfreunden<br />

02/01/19<br />

-<br />

06/01/19<br />

Grainau<br />

Ort NF-Preis Gast-Preis<br />

350,00*<br />

600,00*<br />

Kinder-Preis<br />

Teste Schneesportaktivitäten deiner Wahl: vom Anfängerkurs<br />

im Ski alpin und Snowboard bis zu Tiefschneefahrten und<br />

Skitouren für Fortgeschrittene. Du wirst rundrum betreut und<br />

kannst deinen Fahrstil und Wissensstand verbessern.<br />

225,00<br />

07/01/19<br />

-<br />

11/01/19<br />

Grainau<br />

350,00*<br />

600,00*<br />

Skitourengehen liegt voll im Trend. Bevorzugst du das<br />

Erklimmen der Berge und die anschließende Abfahrt mit Ski<br />

oder Snowboard? Dann ist das Skitourencamp das Richtige<br />

für dich.<br />

18/01/19<br />

-<br />

20/01/19<br />

Buhlsalpe<br />

120,00*<br />

240,00*<br />

Lass dich verzaubern von der weißen Pracht, jedoch nur<br />

wenn du die Gefahren <strong>ke</strong>nnst. Hier kannst du die Technik<br />

des Schneeschuhgehens erlernen. Alternativtermine vom 25.-<br />

27.01.2019 und vom 21.-24.03.2019.<br />

22/02/19<br />

-<br />

24/02/19<br />

Darmstadt/<br />

Pfungstadt<br />

150,00**<br />

270,00**<br />

Klettern ohne Seilsicherung in Absprunghöhe: Bouldern<br />

wird überwiegend von jungen Leuten betrieben und stößt auf<br />

großes Interesse.<br />

16/05/19<br />

-<br />

19/05/19<br />

NFH<br />

Kimmerheide<br />

240,00*<br />

480,00*<br />

Die viertägige Ausbildung befähigt dich, Radtouren vorzubereiten,<br />

Ausschreibungen zu erstellen, Radtouren sicher zu<br />

führen und kleine Reparaturen selbst durchzuführen.<br />

20/05/19<br />

-<br />

24/05/19<br />

Besonders geeignet für Umsteiger*innen, die aus der Kletterhalle<br />

kommen und ihr Können am natürlichen Fels ausprobieren<br />

wollen. Aber auch erfahrene Felskletterer, die ihr Können<br />

steigern und die Seil- und Sicherungstechnik unter sachkundiger<br />

Anleitung perfektionieren wollen, sind hier richtig.<br />

Leutasch (A)<br />

300,00**<br />

* inklusive Lehrgangsgebühr, Übernachtung,<br />

Halbpension<br />

** inklusive Lehrgangsgebühr, Übernachtung,<br />

Halbpension, Frühstück<br />

525,00**


Seite 18<br />

Feuilleton<br />

November 2018<br />

HeldIN der Arbeit – JANINA<br />

Janina ist schon mit 14 in die Co-Landesleitung,<br />

später in die Landesleitung der Bayerischen<br />

Naturfreundejugend gegangen.<br />

Dort organisiert sie Freizeiten für Kinder<br />

und Jugendliche und bildet Gruppenleiter*innen<br />

aus. Im November 2017 wurde<br />

sie zur ersten Vorsitzenden gewählt und<br />

absolvierte anschließend eine Ausbildung<br />

zur Stär<strong>ke</strong>nberaterin, um Ortsgruppen bei<br />

Problemen helfen zu können. Ihre Lieblingsthemen<br />

sind Umwelt, Nachhaltig<strong>ke</strong>it<br />

und Engagement gegen Rechtsextremismus.<br />

Wer bist du?<br />

Hallo zusammen! Mein Name ist Janina,<br />

ich bin 20 Jahre alt und ich komme aus der<br />

Gegend um Nürnberg. Derzeit studiere ich<br />

„Medien und Kommunikation“ in Passau.<br />

Ich bin für jede Aktion zu haben, ein kreativer<br />

Kopf und Naturfreundin mit ganzem<br />

Herzen.<br />

Mit wem würdest du gerne einmal frühstüc<strong>ke</strong>n<br />

und warum?<br />

Mit Puh dem Bären, denn ich glaube, dass<br />

wir von diesem kleinen Freund noch viel<br />

lernen könnten.<br />

Dein Rezept gegen Stress und zu viel<br />

Arbeit?<br />

Zwei Bäume im Grünen, eine Hängematte<br />

und ein gutes Buch – schon bin ich in meiner<br />

eigenen Welt. Wer zu viel arbeitet, verpasst<br />

die Hälfte!<br />

Ohne was kannst du nicht leben?<br />

Spinat, Rührei und Kartoffeln :)<br />

Was willst du der Welt mit auf den Weg<br />

geben?<br />

Es reicht nicht, immer nur zu jammern und<br />

die Verantwortung auf andere zu schieben –<br />

selber machen, zusammen helfen, loslegen!<br />

Nur wenn wir im Kleinen anfangen, kann<br />

im Großen was passieren.<br />

Für mich ist die Naturfreundejugend....<br />

… eine große, wunderbare Familie, bei der<br />

jede*r so willkommen ist, wie er*sie ist.<br />

Bei der jede*r seine*ihre Stär<strong>ke</strong>n einbringen<br />

und seine*ihre Schwächen überwinden<br />

darf. Die Naturfreundejugend gibt mir die<br />

Möglich<strong>ke</strong>it, meinen kleinen Teil zu einer<br />

nachhaltigeren, sozialeren Gesellschaft zu<br />

leisten, denn wir erben unsere Erde nicht<br />

von unseren Vorfahren, wir leihen sie von<br />

unseren Nachfahren.<br />

von Lina Mombauer<br />

Das gute Leben – konkret.<br />

„Hurra, diese Welt geht unter“ – auf<br />

Demos singen viele junge Menschen das<br />

Lied von KIZ mit. Denn für sie ist klar: So<br />

kann es nicht weiter gehen. Wie aber dann?<br />

Wie kann ein neues Gesellschaftssystem<br />

entstehen, das unseren Grundwerten nach<br />

Mitbestimmung und Selbstbestimmung,<br />

Menschenrechten und Solidarität nachkommt?<br />

Wie können wir gleichzeitig einen<br />

Lebensstil pflegen, bei dem die Ressourcen<br />

der Erde jedem*jeder gerecht zur Verfügung<br />

stehen?<br />

P.M. entwirft in seinem Buch „Kartoffeln<br />

und Computer“ eine konkrete<br />

Vision für ein anderes Gesellschaftssystem<br />

und einen radikal<br />

nachhaltigen Lebensstil.<br />

P.M. entwirft in seinem Buch „Kartoffeln<br />

und Computer“ eine konkrete Vision für<br />

ein anderes Gesellschaftssystem und einen<br />

radikal nachhaltigen Lebensstil. Bei allem<br />

ist er so konkret wie möglich, ohne dogmatisch<br />

zu sein: „Wir müssen nicht alle auf<br />

die gleiche Weise leben“ (S.14).<br />

Ganz zum Schluss gibt er dann auch<br />

Hinweise auf die Frage, wie so ein<br />

Leben erreichbar wäre. Das Buch<br />

entstand nach der Wirtschaftskrise<br />

2008 - 2010, hat aber immer noch<br />

Aktualität. Es ist eine gute Diskussionsgrundlage,<br />

wenn nicht<br />

sogar eine tolle Inspiration.<br />

P.M. „Kartoffeln und Computer.<br />

Märkte durch Gemeinschaften<br />

ersetzen.“<br />

80 Seiten, Nautilus<br />

Flugschrift, als e-Book<br />

erhältlich.<br />

von Frau<strong>ke</strong> Gehrau


Das Hirn<br />

Mein Hirn, es ist gefangen,<br />

sitzt in dem Schädel drin,<br />

klopft leise an die Wände,<br />

die ihm zu eng nun sind.<br />

Poch poch, was ist da los?<br />

Warum sperrt man mich ein?<br />

Ich hab‘ noch nichts getan?<br />

Doch zwengt man mich hier rein.<br />

Hab‘ in der letzten Zeit<br />

so vieles neu gelernt,<br />

hab‘ manches erst entdeckt,<br />

von manchem mich entfernt.<br />

Die Augen mir Millionen<br />

von Bildern überbrachten.<br />

Sie pflegten stets mit Liebe<br />

die Erde zu betrachten.<br />

Die Nase trug zu mir<br />

so manchen neuen Duft.<br />

Es roch ganz unbekannt<br />

nach Abenteuerluft.<br />

Die Ohren brachten ständig<br />

ganz neue Worte mir.<br />

Ich räumte alle auf<br />

dass ich sie nicht verlier.<br />

Der Mund forderte bald schon<br />

was mir das Ohr gebracht,<br />

er wollt‘ die Worte sprechen,<br />

sein Ehrgeiz war entfacht.<br />

Die Hände stets mit Sanftmut<br />

erfühlten ihre Welt,<br />

die Zeit glitt durch die Finger<br />

als wenn sie nichts mehr hält.<br />

Heut können diese Finger<br />

das alles nicht mehr fühln,<br />

der Mund muss nach den Worten<br />

im Hirn nun mühsam wühln.<br />

Was einst die Augen sahen<br />

ist nun ein blasses Bild,<br />

die Düfte sind verflogen,<br />

die einst die Luft erfüllt.<br />

Heut ist mir unverständlich,<br />

was mir das Ohr gebracht,<br />

vergessen all die Worte,<br />

vergessen über Nacht.<br />

Und ich, ich wuchs an alldem,<br />

hab‘ vieles neu verknüpft,<br />

oft ist mein Herz vor <strong>Freude</strong><br />

wild auf und ab gehüpft.<br />

Der Schädel jedoch blieb so,<br />

drum ist er nun zu klein.<br />

Ideen und Gedan<strong>ke</strong>n<br />

wolln nicht mehr unfrei sein.<br />

Heut‘ ist der Tag gekommen,<br />

heut‘ reicht’s mir, ich brech‘ aus!<br />

Das alles ist zu viel mir,<br />

bis bald, ich geh‘ nachhaus.<br />

Halt, Hirn! So warte doch!<br />

Ruft plötzlich laut das Herz.<br />

Du bist doch nicht alleine,<br />

wir alle leiden Schmerz.<br />

Die Zeit dort war sehr schön,<br />

doch nimmt sie ihren Lauf,<br />

wir wolln sie nicht vergessen,<br />

bewahr‘ du sie für uns auf.<br />

Janina Körber

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