[ke:onda] Friede, Freude, Streitkultur
Ausgabe 2/2018.Immer wieder treffen wir Menschen mit anderen Meinungen und Interessen, es kommt zu Diskussionen und Konflikten. Was muss passieren, damit am Ende beide Seiten aufeinander eingehen...
Ausgabe 2/2018.Immer wieder treffen wir Menschen mit anderen Meinungen und Interessen, es kommt zu Diskussionen und Konflikten. Was muss passieren, damit am Ende beide Seiten aufeinander eingehen...
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Seite 10<br />
“<strong>Friede</strong>, <strong>Freude</strong>, <strong>Streitkultur</strong>?”<br />
November 2018<br />
Sprache ohne Gewalt<br />
„Du Idiot!“ - Wie oft machen wir damit<br />
unserem Ärger über eine andere Person<br />
Luft. Aber die ausgesprochene Verurteilung<br />
baut Fronten auf und ein lautstar<strong>ke</strong>r<br />
Streit ist vorprogrammiert. Die<br />
gewaltfreie Kommunikation will helfen,<br />
Konflikte zu lösen, ohne einander vor<br />
den Kopf zu stoßen.<br />
Welche Auswirkung ein Konflikt hat,<br />
entscheidet zum einen der Inhalt, zum anderen<br />
aber auch – wesentlich – wie er geführt<br />
wird. Mit jedem gesagten Satz voller Anschuldigungen,<br />
Verallgemeinerungen und<br />
Vorwürfen brennt die Zündschnur der<br />
Bombe weiter ab, die einen Konflikt zum<br />
Explodieren bringt. Ein respektvolles<br />
Gespräch hingegen ermöglicht, die eigentlichen<br />
Ursachen zu enttarnen und somit<br />
den*die Konfliktpartner*in und uns selbst<br />
näher <strong>ke</strong>nnen zu lernen. Das ist leicht gesagt,<br />
doch schwierig umgesetzt.<br />
Mit jedem gesagten Satz voller Anschuldigungen,<br />
Verallgemeinerungen<br />
und Vorwürfen brennt die<br />
Zündschnur der Bombe weiter ab,<br />
die einen Konflikt zum Explodieren<br />
bringt.<br />
Eine Technik, die die eigene Wahrnehmung<br />
anregt, einen vielseitigen Wortschatz<br />
zum Erfassen der Situation anbietet und<br />
mit einem überschaubaren Leitfaden die<br />
Blickrichtung in einem Konflikt lenkt, ist<br />
die gewaltfreie Kommunikation nach Marshall<br />
B. Rosenberg. Sie wird in Schulen,<br />
Zuhause, auf Arbeit und in der Paartherapie<br />
verwendet. Aber auch bei internationalen<br />
Konflikten kann sie helfen. So gibt<br />
es beispielsweise Projekte mit gewaltfreier<br />
Kommunikation im Gazastreifen.<br />
Schritt 1: Die Kunst des Beobachtens<br />
Wie beginnt man ein Gespräch? Zuerst<br />
sollte man im Einzelnen schildern, was<br />
man wahrnimmt. Das hilft der anderen<br />
Person, sich auf das Gespräch einzustellen<br />
und die Perspektive des Gegenübers<br />
einzunehmen. Danach erst sollte man Sätze<br />
anfügen, die eine Bewertung signalisieren,<br />
wie zum Beispiel: ,,Mich stört, dass...“, und<br />
die Meinung mit einer Begründung verständlich<br />
machen.<br />
„Du hast heute gekocht, oder? Ich habe<br />
gesehen, dass die dreckigen Sachen noch in<br />
der Küche stehen.“<br />
Schritt 2: Gefühle, die Anzeiger von<br />
Bedürfnissen<br />
Es ist ungewohnt, aber äußert man sich in<br />
der Begründung eines Ärgers über dahinterstehende<br />
eigene Gefühle, ist das oft hilfreich.<br />
Man bietet eine Transparenz an, die<br />
verdeutlicht, wie wichtig der Sachverhalt<br />
für einen selbst ist. Und man stellt sicher,<br />
dass die andere Person den Ärger besser<br />
verstehen kann. Dafür ist es wichtig, sich<br />
seiner Bedürfnisse bewusst zu sein. Denn<br />
die gewaltfreie Kommunikation geht davon<br />
aus, dass hinter jedem Gefühl ein Bedürfnis<br />
steckt.<br />
„Das stört mich, ich fühle mich eingeschränkt<br />
und belastet, wenn ich in eine<br />
vollgestellte und dreckige Küche komme.<br />
Denn mein Bedürfnis nach Platz zum Bewegen<br />
und Handeln ist sehr stark. Ich möchte<br />
nicht erst die Aufgaben anderer Leute erledigen<br />
müssen, bis ich zu meinen komme.“<br />
Schritt 3: Bitten als konkreter<br />
Lösungsvorschlag<br />
Eine Bitte, die als Forderung formuliert<br />
wird, ist nicht gewaltfrei. Sie lässt dem Gegenüber<br />
nicht die Wahl selbstbestimmt zu<br />
handeln, also die Forderung vielleicht auch<br />
abzulehnen. Deshalb sollte man seine Bitte<br />
mit dem Charakter einer nahen Zukunftsidee<br />
formulieren, die beschreibt, was der<br />
andere tun kann, damit es einem selbst<br />
oder der Gemeinschaft besser geht. So eine<br />
Bitte zu formulieren verlangt oft Mut und<br />
Kreativität. Doch ohne sie kann es sein,<br />
dass sich über lange Zeit nichts ändert, da<br />
der anderen Person konkrete Ideen fehlen<br />
wie sie dir helfen kann.<br />
„Ich bitte dich abzuwaschen sobald du mit<br />
dem Kochen fertig bist. Ich mache es immer<br />
so und gewähre dir damit deine Möglich<strong>ke</strong>it<br />
sofort los zu kochen, wenn du die<br />
Küche betrittst.“<br />
„Ich habe <strong>ke</strong>ine Lust, gleich sofort abzuwaschen.<br />
Aber ich kann dir anbieten, dass<br />
ich alles gesammelt beiseite stelle, damit<br />
dir dein Bedürfnis nach Platz gegeben ist.“<br />
Gibt es einen richtigen Zeitpunkt für<br />
gewaltfreie Kommunikation?<br />
Um mit jemanden ein ruhiges Gespräch<br />
zu führen, ist es hilfreich, wenn du selber<br />
nicht (mehr) aufgebracht bist. Deswegen ist<br />
es auch okay, wenn du nach einer Situation,<br />
die dich stört, nicht sofort das Gespräch<br />
suchst, sondern erst beobachtest, was in dir<br />
vorgeht. Wenn du während eines Gesprächs<br />
spürst, dass du oder dein Gegenüber nicht<br />
mehr ruhig bleiben kann, ist es sinnvoll das<br />
Gespräch zu verschieben.<br />
von Gabriel Scherf