2019_11
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Kurier Nr. <strong>11</strong> 14.3.<strong>2019</strong> Dorfspiegel Dietlikon / Wangen-Brüttisellen<br />
5<br />
Dem Trickbetrüger<br />
die Tour vermasselt<br />
Vornamen weisen meistens darauf<br />
hin, zu welcher Zeit sie populär<br />
waren. Sie unterliegen<br />
nämlich Modetrends und meiner<br />
war in den 30er- und 40er-<br />
Jahren in Deutschland beliebt.<br />
Nordische Vornamen hatten damals<br />
Hochkultur und mein Vorname<br />
Helga verschaffte mir die<br />
zweifelhafte Ehre, von einem<br />
Telefonbetrüger angerufen zu<br />
werden. Nur hatte sich dieser<br />
die falsche Adressatin ausgewählt!<br />
Vor ungefähr zwei Jahren<br />
klingelte nämlich an einem<br />
Vormittag unser Festnetztelefon,<br />
auf dem Display als Anrufer:<br />
Unbekannt. Nach der Abnahme<br />
des Telefonhörers entwickelte<br />
sich folgendes Gespräch:<br />
Anrufer (in perfektem Hochdeutsch):<br />
Hallo Helga, wie<br />
geht es dir?<br />
Ich: Gut, wer ist denn dort?<br />
Anrufer: Rate mal!<br />
Ich: Uwe (mein Schwager), bist<br />
du es? Wo bist du denn?<br />
Anrufer: Ja, ich bin es und gerade<br />
geschäftlich in Bern. Ich habe<br />
ein Problem und brauche eure<br />
Hilfe.<br />
Ich: Ja? Was ist denn passiert?<br />
Anrufer: Ich benötige sofort<br />
30 000 Franken, um ein dringendes<br />
Geschäft abzuschliessen.<br />
Ich: Es tut mir leid, ich kann<br />
nicht helfen. Wir sind im Moment<br />
selber knapp bei Kasse.<br />
Zunächst hatte ich wirklich geglaubt,<br />
mein Schwager Uwe sei<br />
der Anrufer. Jedoch vorgewarnt<br />
durch die Aufklärungsarbeit der<br />
Polizei und Publikationen in der<br />
Presse, läuteten bei mir die<br />
Alarmglocken. Unser Schwager,<br />
der Privat und Geschäft immer<br />
getrennt hielt, plötzlich in<br />
Geldnöten, unmöglich!<br />
Dann machte es klick und der<br />
falsche Schwager hatte das Telefon<br />
aufgelegt. Zuerst war ich<br />
perplex, aber nach einer kurzen<br />
Reflektion war mir klar: Als<br />
zahlungsunwilliges Opfer war<br />
ich uninteressant. Mit mir selbst<br />
zufrieden, klopfte ich mir auf<br />
die Schulter, dass ich rechtzeitig<br />
Lunte gerochen hatte.<br />
Helga Eissler<br />
Gemeinsame Infoveranstaltung mit der Kantonspolizei Zürich<br />
Keine Chance den Telefonbetrügern!<br />
Immer häufiger kommt es zu Betrugsfällen am Telefon. Wie man<br />
sich dagegen schützen kann, war Inhalt einer Informationsveranstaltung.<br />
Rolf Decker, Präventionsspezialist der Kantonspolizei Zürich, fesselt mit seinen Ausführungen. (Foto he)<br />
Helga Eissler<br />
Niemand ist dagegen gefeit, Opfer<br />
eines sogenannten Enkeltrickbetrugs,<br />
ganz korrekt eines Telefonbetrugs,<br />
zu werden. Im letzten Jahr<br />
sind allein im Bezirk Uster 62 versuchte<br />
oder vollendete Betrugsfälle<br />
registriert worden. Damit diese<br />
Zahl nicht noch weiter ansteigt,<br />
versucht die Kantonspolizei Zürich<br />
mit einer Kampagne, potenzielle<br />
Opfer und deren Angehörige zu<br />
sensibilisieren. Der Rat des Experten:<br />
misstrauisch sein!<br />
Gegen 60 Personen waren am letzten<br />
Donnerstag der Einladung zur<br />
gemeinsam von der Kommission<br />
60+, der Ortsvertretung Pro Senectute<br />
und der Anlaufstelle Alter der<br />
Gemeinde Wangen-Brüttisellen mit<br />
der Kantonspolizei Zürich organisierten<br />
Infoveranstaltung gefolgt.<br />
Neben dem professionellen Einblick<br />
in die skrupellosen Methoden<br />
der Betrüger vermittelte Rolf Decker<br />
von der Präventionsabteilung<br />
der Kantonspolizei Zürich in seinem<br />
Referat wertvolle Ratschläge.<br />
«Mir kann so etwas nicht passieren»<br />
Decker sagte in seinem Referat:<br />
«Trotz Aufklärungsarbeit der Polizei<br />
gibt es immer wieder Leute, die<br />
telefonisch gestellten Forderungen<br />
nach hohen Geldbeträgen nachkommen.»<br />
Zielgruppe seien in erster Linie<br />
Frauen und Männer im Seniorenalter,<br />
aber auch Personen, die mit<br />
beiden Beinen im Leben stünden.<br />
Sie alle seien davon überzeugt:<br />
«Mir kann so etwas nicht passieren.»<br />
Verantwortungsbewusstsein,<br />
Hilfsbereitschaft und der Glaube an<br />
das Gute im Menschen mache diese<br />
Menschen anfällig für Telefonbetrug.<br />
Die Betrüger bauten innerhalb<br />
kurzer Zeit grossen physischen<br />
Druck auf und lösten damit ein Gefühl<br />
der Verpflichtung zur Hilfeleistung<br />
auf. Decker führte weiter aus,<br />
dass die Maschen der Betrüger immer<br />
dreister würden. Sie gäben sich<br />
als Verwandte oder gute Bekannte<br />
aus und versuchten mit komplizierten<br />
und verängstigenden Geschichten<br />
das Vertrauen der Opfer zu<br />
gewinnen – und damit deren Geld.<br />
Der Trick mit dem Telefon-Display<br />
Auf dem Display erscheinende Telefonnummern<br />
seien meistens manipuliert,<br />
die Anrufe würden von<br />
Polen und der Türkei aus getätigt<br />
und immer in akzentfreiem Hochdeutsch<br />
geführt. Immer öfter gäben<br />
sich die Betrüger als Polizisten aus<br />
und würden im ersten Moment sogar<br />
noch glaubwürdig wirken.<br />
Decker erklärte dazu: «Lassen Sie<br />
sich nicht täuschen, wir von der Polizei<br />
reden immer Dialekt und rufen<br />
schon gar nicht über die Notrufnummer<br />
<strong>11</strong>7 an.»<br />
Rund 2,2 Millionen Franken sind<br />
im letzten Jahr im Kanton Zürich<br />
über Telefonanrufe erbeutet worden.<br />
Die Deliktsumme dürfte in<br />
Wirklichkeit viel höher sein. Decker<br />
erklärte dazu, dass sich viele<br />
Leute aus Scham nicht meldeten.<br />
Das bestätigten Aussagen von Personen,<br />
die sich für ein Opferinterview<br />
bei der Präventionsstelle der<br />
Kantonspolizei gemeldet haben,<br />
um das Erlebte zu verarbeiten.<br />
Dabei gehe es um Selbstvorwürfe,<br />
sich über sich selber ärgern, sich<br />
nicht erklären können, dass man<br />
den Betrügern auf den Leim<br />
gegangen sei.<br />
Decker kennt die Schwierigkeiten,<br />
die viele Leute damit haben, einen<br />
Anruf abzubrechen und riet: «Verständigen<br />
Sie die Polizei, wenn<br />
Ihnen etwas nicht geheuer vorkommt»<br />
und ergänzt, dass Vorsicht<br />
geboten sei, wenn der Anrufer die<br />
Umleitung direkt bewerkstelligen<br />
will, denn das gehöre auch zu den<br />
Betrügertricks. Ein Komplize nehme<br />
dann den Anruf entgegen und<br />
das Spiel gehe weiter.<br />
Decker bestätigte, dass die Kantonspolizei<br />
auch mit den Banken<br />
kooperiere. Die Mitarbeiter seien<br />
sensibilisiert und würden gezielte<br />
Fragen stellen, wenn ein älterer<br />
Kunde plötzlich einen hohen<br />
Geldbetrag abheben wolle. Die<br />
Bankmitarbeiter würden ebenfalls<br />
darauf achten, ob der Kunde unauffällig<br />
von einem Betrüger verfolgt<br />
werde. Sie würden auch nicht<br />
davor zurückschrecken, ihren Opfern<br />
genaue Anweisungen für<br />
deren Verhalten am Schalter und<br />
gegenüber von Vertrauenspersonen<br />
zu geben.<br />
Eintrag im Telefonbuch ändern<br />
Neben seinen wertvollen Ratschlägen<br />
empfahl Decker den Anwesenden,<br />
ihren Eintrag im elektronischen<br />
Telefonbuch ändern zu<br />
lassen: «Vornamen können Aufschluss<br />
über das Alter einer Person<br />
geben. Deshalb nur den Anfangsbuchstaben<br />
eintragen lassen, Rückschlüsse<br />
auf das Geburtsjahr sind<br />
damit nicht möglich.» Wie in der<br />
nebenstehenden Kolumne zu lesen<br />
ist, wurde die Berichterstatterin<br />
aufgrund ihres verräterischen Vornamens<br />
von Betrügern – allerdings<br />
erfolglos – ins Visier genommen.