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Rettl & friends 16 Frühling/Sommer 2019

Kundenmagazin von Rettl 1868 Kilts and Fashion

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RETTL PORTRÄT<br />

Vom Fleiß der<br />

Blaumacher.<br />

Familie Wagner<br />

RETTL PORTRÄT<br />

TEXT SABINE SALCHER<br />

FOTOS KELAG-WASCHNIG<br />

Unser Färbeprozess<br />

ist reine Handarbeit.<br />

Da kannst du nichts<br />

messen, sondern musst<br />

dich auf dein Gefühl<br />

verlassen.<br />

E<br />

s ist ein selten gewordener<br />

Anblick, der einem in der<br />

Werkstatt der Familie<br />

Wagner in Bad Leonfelden<br />

gewährt wird. Und es sind selten gewordene<br />

Begriffe, mit denen Maria und Karl<br />

Wagner das jahrhundertealte Handwerk<br />

des Blaudrucks erklären. Denn hier wird<br />

noch mit Modeln hantiert, mit Papp<br />

gearbeitet und Leinen in die Küpe<br />

getaucht. So nennen sich die großen<br />

Bottiche, in die die Wagners das Naturleinen<br />

vier- bis sechsmal zum Färben<br />

versenken. Sie sind randvoll gefüllt mit<br />

dem berühmten Indigoblau, wobei die<br />

Farbe nie getauscht, sondern immer<br />

nachgefüllt wird. „Leicht möglich, dass<br />

noch der eine oder andere Tropfen darin<br />

ist, den der Urgroßvater eingefüllt hat“,<br />

meint Karl Wagner. Kommt das Leinen<br />

aus der Küpe heraus, oxidiert die Farbe in<br />

der Luft und das fast magisch wirkende<br />

Umschlagen von gelb-grün auf blau<br />

beginnt. „Wenn‘s schnell geht, ist es ein<br />

perfekter Tag. Wenn’s zacher geht,<br />

müssen wir öfter eintauchen“, sagt Maria<br />

Wagner, die sich bei diesem Prozess, der<br />

bis zu zehn Stunden dauern kann, rein<br />

auf ihr Gefühl verlässt.<br />

MODELSTECHER GIBT ES IN<br />

ÖSTERREICH NICHT MEHR<br />

Das wertvollste Kapital des Familienbetriebes<br />

kommt Wochen vor dem Färbevorgang<br />

zum Einsatz: die Modeln. Meter für<br />

Meter wird damit der sogenannte Papp,<br />

die farbabweisende Substanz, um die<br />

jeder Blaudrucker ein großes Geheimnis<br />

macht, per Hand auf das Naturleinen<br />

gestempelt. Nur die Rapportstifte auf den<br />

teils museumsreifen Modeln geben eine<br />

kleine Hilfestellung und zeigen an, wo<br />

man für den nächsten Druck ansetzen<br />

muss. Die Muster, die so entstehen und<br />

danach mindestens zwei Wochen zum<br />

„Versteinern“ trocknen müssen, sind eng<br />

mit der Region verwoben. Kleinste Streublumen,<br />

Hopfen, Ähren oder Frauenschuh<br />

heben sich später strahlendweiß<br />

und ungemein detailreich vom dunkelblauen<br />

Stoff ab. Um derart zarte Muster<br />

entstehen zu lassen, braucht es bei der<br />

Herstellung der Modeln größte Fingerfertigkeit.<br />

„Mit feinen Messingstiften wird<br />

das Muster ins Birnenholz eingeschlagen<br />

und in Form gezogen“, erzählt Maria<br />

Wagner. Wer das heute noch kann? „Die<br />

Berufssparte des Model- oder Formenstechers<br />

ist bei uns längst verschwunden.<br />

Wir arbeiten mit einem Thüringer zusammen.<br />

Doch auch er ist über 75 Jahre alt.“<br />

VERGESSENE FÄRBETECHNIK<br />

NEU ENTDECKT<br />

Ein Glück, dass der Fundus an Modeln bei<br />

der Blaudruckerei Wagner groß ist. Knapp<br />

200 dieser zum Teil uralten hölzernen<br />

Schablonen stehen zur Auswahl. Manche<br />

davon haben sie am Dachboden entdeckt.<br />

So wie jene, mit denen der zweifärbige<br />

Blaudruck - hell- und dunkelblau -<br />

entsteht, den die Familie als einziger<br />

Betrieb in Österreich anbietet. „Es war<br />

reiner Zufall, dass wir draufgekommen<br />

sind, dass diese Technik in der Familie<br />

früher gemacht wurde. Der Großvater<br />

BLAUDRUCK GILET<br />

"KÖNIGSTEIN" € 420,-<br />

konnte sich daran nicht erinnern, aber wir<br />

haben zwei Modeln gefunden, die zusammenpassen.<br />

Also haben wir angefangen zu<br />

tüfteln“, erzählt Maria Wagner, die so eine<br />

uralte Färbetechnik rekonstruieren konnte.<br />

Doch auch Neues darf Einzug halten. So hat<br />

man zur Herstellung eines Models mit dem<br />

<strong>Rettl</strong>-Wappen erstmals auf moderne Lasertechnik<br />

zurückgegriffen. „Auch 3D-Druck<br />

könnte für uns in Zukunft eine Option<br />

sein,“ weiß Maria Wagner, die unermüdlich<br />

am Erhalt ihres Handwerks weiterbastelt.<br />

Blaudruckerei Wagner<br />

Kurhausstraße 11<br />

4190 Bad Leonfelden<br />

Tel: 0043 676 58 58 101<br />

wagner@blaudruck.at<br />

www.blaudruck.at<br />

+<br />

Gefärbt wird Naturleinen<br />

aus der Region, aber auch Seide.<br />

66<br />

RETTL + FRIENDS<br />

RETTL + FRIENDS 67

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