EDUCATION 2.19
Übergänge meistern
Übergänge meistern
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Politischer Kommentar | Regard politique<br />
Wider den Mangel an Lehrpersonen<br />
Contrer la pénurie d’enseignants<br />
Christine Häsler<br />
Erziehungsdirektorin | Directrice de l’instruction publique<br />
christine.haesler@erz.be.ch<br />
«Ich unterrichte an einer Realklasse (7. 8. 9.) weiter, so<br />
lange, wie ich mich mit den Schülerinnen und Schülern<br />
verstehe und wir im Unterricht die gesteckten Ziele des<br />
LP 21 gemeinsam erreichen. Ich freue mich jeden Morgen<br />
auf die Jugendlichen, geniesse die gegenseitigen<br />
Herausforderungen. Die kompetente Schulleitung und<br />
das solidarische, engagierte Kollegium sind neben den<br />
Kindern und Jugendlichen gute Rahmenbedingungen für<br />
einen Job über 65 Jahre hinaus.»<br />
Der Kommentar dieses Lehrers, der anscheinend<br />
trotz Pensionierung noch unterrichtet, freut mich sehr:<br />
Seine Begeisterung für den Lehrberuf ist in den wenigen<br />
Zeilen greifbar. Ebenso die Wertschätzung für die kompetente<br />
Schulleitung und sein Team.<br />
Gelesen habe ich den Kommentar auf der Website<br />
von SRF. Dort wurde über den Brief berichtet,<br />
den die Erziehungsdirektion (ERZ) im vergangenen<br />
Februar an 950 Lehrpersonen versandt hat, die pensioniert,<br />
aber noch nicht 70 Jahre alt sind. Auch wenn<br />
einzelne der Angeschriebenen nicht erfreut waren über<br />
unsere Anfrage oder schlicht kein Interesse haben, weiter<br />
zu unterrichten, war die Aktion ein Erfolg: 60 Lehrpersonen<br />
haben sich bisher (30. März 2019) gemeldet<br />
und können sich vorstellen, eine Stellvertretung oder<br />
einen längeren Einsatz zu übernehmen. Mit ihnen haben<br />
wir eine Gruppe von erfahrenen, motivierten Lehrpersonen,<br />
die ab Sommer 2019 auch an Ihrer Schule einspringen<br />
könnten.<br />
Mir ist klar, dass uns nicht allein pensionierte<br />
Lehrpersonen aus der sich zuspitzenden Lehrpersonenknappheit<br />
retten sollen und können. Der Mangel dürfte<br />
noch zunehmen: Die Pensionierungswelle bei den Lehrpersonen<br />
hat ihren Peak noch nicht erreicht; weitere<br />
geburtenstarke Jahrgänge kommen ins Kindergartenund<br />
Schulalter. Dies ist denn auch bloss eine der Massnahmen<br />
gegen den Lehrpersonenmangel, die wir am<br />
28. Februar 2019 an der gemeinsamen Medienkonferenz<br />
von ERZ und PHBern vorgestellt haben. Weil Sie bestimmt<br />
von unseren Massnahmen aus den Medien erfahren<br />
haben, beschränke ich mich hier auf eine Zusammenfassung:<br />
Bei Bedarf sollen Klassenlehrerinnen und<br />
-lehrer künftig eine zweite Klassenlehrerlektion erhalten,<br />
weil sie von Zusatzarbeiten betroffen sind, wenn sie<br />
kurzfristig vakante Lektionen vergeben müssen. Falls Sie<br />
sich nachqualifizieren wollen, um möglichst alle Fachbereiche<br />
unterrichten zu können, wird die ERZ nach Prüfung<br />
Ihre Semestergebühren übernehmen. Um bürokratische<br />
Hürden abzubauen, sollen Lehrpersonen in Zukunft<br />
mehr als 105 Prozent arbeiten können, wenn sie dies<br />
wollen. Die PHBern wiederum, mit der wir bei allen<br />
Massnahmen eng zusammenarbeiten, wird das Mentorat<br />
für Neueinsteigerinnen, Quereinsteiger und Studierende,<br />
die unterrichten, ausweiten. Wie dies funktionieren soll<br />
und von weiteren Massnahmen der PHBern lesen Sie auf<br />
S. 51 sowie in <strong>EDUCATION</strong> 1.19, S. 48.<br />
Kein Weg ist für mich allerdings, bei akutem Lehrermangel<br />
Pflichtlektionen zu streichen, wie dies von den<br />
Gewerkschaften vorgeschlagen wurde: Damit schaden<br />
wir den Kindern und Jugendlichen und beschneiden ihr<br />
verfassungsmässiges Recht auf Bildung. Wenn in Notfällen<br />
nicht adäquat qualifizierte Lehrpersonen den Unterricht<br />
übernehmen, ist dies weit weniger gravierend. ▶<br />
Foto: Pia Neuenschwander<br />
<strong>EDUCATION</strong> <strong>2.19</strong> 5